Zusammenfassung des Urteils B 2011/63: Verwaltungsgericht
Die H. AG, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H. H., hat gegen die Verweigerung einer Baubewilligung für eine Reklametafel am Bodensee geklagt. Das Baudepartement des Kantons St. Gallen und die Politische Gemeinde R. haben den Rekurs der H. AG abgelehnt. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass andere Reklametafeln in der Umgebung genehmigt wurden und forderte eine nachträgliche Baubewilligung. Das Verwaltungsgericht entschied jedoch, dass die Verweigerung der Baubewilligung gerechtfertigt war und ordnete den Rückbau der Reklametafel an. Die Beschwerde wurde abgewiesen, die Kosten von CHF 3'000 wurden der Beschwerdeführerin auferlegt, und eine ausseramtliche Entschädigung wurde abgelehnt.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2011/63 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 07.12.2011 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Urteil Strassenrecht, Art. 108 Abs. 2 StrG (sGS 732.1).Ausnahmen nach Strassenrecht sind nur zurückhaltend und einzig bei Vorliegen besonderer Verhältnisse zu machen, auch wenn dafür nicht zwingend ein Härtefall verlangt wird bzw. keine Ausnahmesituation nötig ist. Die Behörden haben bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen im Strassenabstand einen grossen Spielraum, weshalb es auch in ihrem Ermessen liegt, ihre Bewilligungspraxis zu verschärfen, sofern es sich dabei um eine grundsätzliche Abweichung von der bisherigen Praxis handelt, die rechtsgleich gehandhabt wird (Verwaltungsgericht, B 2011/63). |
Schlagwörter: | Strasse; Strassen; Werbe; Recht; Gemeinde; Informations; Strassenabstand; Reklame; Werbetafel; Bewilligung; Ausnahmebewilligung; Stadt; Baubewilligung; Informationstafel; Auflage; Baute; Bauten; Strassenabstands; Ortsplan; Anlage; Seepromenade; Vorinstanz; Stadtrat; Anlagen; Baugesuch; Orientierungstafel; äglich |
Rechtsnorm: | Art. 6 SVG ;Art. 95 BGG ; |
Referenz BGE: | 123 II 255; |
Kommentar: | Weissenberger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, Zürich, Art. 6 SVG, 2011 |
Ausnahmen nach Strassenrecht sind nur zurückhaltend und einzig bei Vorliegen besonderer Verhältnisse zu machen, auch wenn dafür nicht zwingend ein Härtefall verlangt wird bzw. keine Ausnahmesituation nötig ist. Die Behörden haben bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen im Strassenabstand einen grossen Spielraum, weshalb es auch in ihrem Ermessen liegt, ihre Bewilligungspraxis zu verschärfen, sofern es sich dabei um eine grundsätzliche Abweichung von der bisherigen Praxis handelt, die rechtsgleich gehandhabt wird (Verwaltungsgericht, B 2011/63).
Urteil vom 7. Dezember 2011
Anwesend: Vizepräsident lic.iur. A. Linder; Verwaltungsrichter Dr. B. Heer, lic.iur. A.
Rufener,
Dr. S. Bietenharder-Künzle; Ersatzrichterin lic.iur. D. Gmünder Perrig; Gerichtsschreiber lic. iur. S. Schärer
In Sachen
H. AG, O.
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H. H., gegen
Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St. Gallen,
Vorinstanz, und
Politische Gemeinde R., vertreten durch den Stadtrat,
betreffend
Verweigerung Baubewilligung Reklametafel
hat das Verwaltungsgericht festgestellt:
./ Die Q. I. AG, R., ist Eigentümerin der 10'288 m2 grossen Parzelle Nr. 1111, Grundbuch R., die direkt am Bodensee liegt. Entlang ihrer südlichen Grenze verläuft die ausparzellierte Churer Strasse, Kantonsstrasse 2. Klasse. Nach dem Zonenplan der Gemeinde R. vom 5. September 1981 ist das Grundstück teils der Kurzone, teils der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zugeteilt. Die Liegenschaft liegt zudem im Plangebiet des Gestaltungsplans "Seerestaurant, Kursaal mit Casino" vom 21. Juni 2000. In der nordwestlichen Grundstücksecke befindet sich das Seerestaurant mit dem östlich vorgelagerten Gartenrestaurant, dem sogenannten Paulaner-Garten. Der übrige Teil des Grundstücks ist mit öffentlichen Parkplätzen und Wegen, Gemeindewege
1. Klasse (Seepromenade), belegt. Gemäss www.geoportal.ch sieht die
Bodenbedeckung wie folgt aus:
Assek.Nr. | Fläche | |
Gartenanlage | 738 m2 | |
Gebäude | 2167 | 437 m2 |
Gebäude | 2578 | 12 m2 |
Gebäude | 2704 | 15 m2 |
Gebäude | 2705 | 12 m2 |
Parkanlage | 1708 m2 | |
Strasse, Wege | 1952 m2 | |
Trottoir | 1 m2 | |
übrige befestigte Fläche | 5328 m2 | |
übrige humusierte Fläche | 86 m2 |
./ Im Herbst 2010 stellte die Politische Gemeinde R. fest, dass am östlichen Eingang des Paulaner-Gartens eine 1,9 m hohe und 3,46 m breite freistehende "Informations- bzw. Orientierungstafel" errichtet worden war. Sie forderte deshalb die Bauherrin, die
H. AG, O., auf, ein entsprechendes Baugesuch nachzureichen. Dieses datiert vom
21. September 2010. Der Stadtrat verweigerte das nachträgliche Baugesuch mit Beschluss vom 23. November 2010 und verfügte die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands bis Ende Januar 2011.
./ Gegen diesen Beschluss des Stadtrates erhob die Bauherrin durch ihren Rechtsvertreter am 10. Dezember 2010 beim Baudepartement des Kantons St. Gallen Rekurs mit dem Antrag, der Bauabschlag und die angeordnete Entfernung der Orientierungstafel seien kostenpflichtig aufzuheben, und die Baubewilligung sei nachträglich zu erteilen. Das Baudepartement wies den Rekurs am 14. März 2011 mit der Begründung ab, dass für die Unterschreitung des Strassenabstands weder ein Grund für eine Ausnahmebewilligung noch ein Anspruch aus dem Gebot der rechtsgleichen Behandlung bestehe. Der verfügte Abbruch sei verhältnismässig.
./ Gegen den Entscheid des Baudepartementes vom 14. März 2011 erhebt die Rekurrentin mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 29. März 2011 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen. Mit Beschwerdeergänzung vom 2. Mai 2011 verlangt sie die kostenpflichtige Aufhebung des Rekursentscheids und, dass die nachträgliche Baubewilligung erteilt werde. Zur Begründung lässt sie vorbringen, bei der vorliegenden Orientierungstafel handle es sich um eine Strassenreklame, welche die Stadt R. regelmässig innerhalb des Strassenabstands bewillige. So würden in einem Umkreis von einem Kilometer mindestens dreizehn solcher Reklametafeln im gesetzlichen Strassen- und Wegabstand stehen. Der Grundsatz der Rechtsgleichheit gebiete es, dass auch ihre Tafel im Strassenabstand bewilligt werde. Falsch sei, dass die Reklame mit dem von der Stadt erstellten Leit- und Signalisationsystem in Konkurrenz stehe. Falls die Bewilligung wider Erwarten nicht erteilt werden könne, erweise sich zumindest die verfügte Beseitigung als unverhältnismässig. Es wäre ohne weiteres möglich, den Orientierungsplan zu beseitigen, so dass es sich beim verbleibenden Teil der Tafel wie bei den anderen Werbeplakaten um eine blosse Reklametafel handle.
./ Das Baudepartement beantragt mit Vernehmlassung vom 11. Mai 2011 die Abweisung der Beschwerde. Es bestreitet insbesondere, dass es sich bei der vorliegenden Informationstafel um ein gewöhnliches Werbeplakat handle. Allein der Ortsplan samt geschichtlicher Abhandlung nehme mit einer Fläche von 6,5 m 2 etwa die Hälfte der Plakatfläche ein. Selbst wenn eine rechtsungleiche Behandlung vorliegen würde, hätte die Beschwerdeführerin keinen Bewilligungsanspruch; der Vorinstanz sei spätestens mit diesem Verfahren bewusst, dass sie Reklametafeln innerhalb des
Strassen- und Wegabstands nur mehr über eine Ausnahmebewilligung und bloss bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bewilligen könne.
Auch die Politische Gemeinde R. beantragt mit Vernehmlassung vom 13. Mai 2011 die Abweisung der Beschwerde und erklärt dabei ausdrücklich, dass sie künftig Reklametafeln innerhalb des Strassen- und Wegabstands nur mehr über eine Ausnahmebewilligung und einzig bei Vorliegen der einschlägigen Vorschriften bewilligen werde.
Die Beschwerdeführerin bringt mit Eingabe vom 14. Juni 2011 vor, dass für den Fall, dass ihre Informationstafel die offizielle Signaletik konkurrenzieren würde, diese mit der Auflage zu bewilligen sei, dass der Stadtplan weggelassen werde.
F./ Auf die weiteren Vorbringen der Verfahrensbeteiligten wird, soweit wesentlich, in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.
Darüber wird in Erwägung gezogen:
1. (…).
Bei der vorliegenden Informationstafel handelt es sich um eine Aussenreklame, die zweckentsprechend raumwirksam auffallen will. Die Reklame ist baurechtlich demnach als Anlage zu behandeln (B. Heer, St. Gallisches Bau- und Planungsrecht, Bern 2003, Rz. 358) und als solche bewilligungspflichtig, wenn mit ihr so wichtige räumliche Folgen verbunden sind, dass ein Interesse der Öffentlichkeit der Nachbarn an einer vorgängigen Kontrolle besteht (Heer, a.a.O., Rz. 855). Das ist nach Art. 78 Abs. 2 lit. m
des Baugesetzes (sGS 731.1, abgekürzt BauG) bei Werbetafeln dann der Fall, wenn die Ansichtsfläche insgesamt mehr als zwei Quadratmeter aufweist. Von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind einzig vorübergehende Baureklamen. Konkret ist daher zu Recht nicht umstritten, dass die bereits aufgestellte, mehrere Quadratmeter grosse Informations- bzw. Werbetafel der Beschwerdeführerin bewilligungspflichtig ist.
Reklamen, die Interessen des Strassenverkehrs berühren, fallen unter das Strassenverkehrsrecht des Bundes und bedürfen der Bewilligung der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde. Im Bereich von Nationalstrassen erster und zweiter Klasse ist die Genehmigung des Bundes einzuholen (Ph. Weissenberger, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, Zürich/St. Gallen 2011, Rz. 6 zu Art. 6 SVG). Nach Art. 6 des Strassenverkehrsgesetzes (SR 741.01, abgekürzt SVG) und Art. 95 der Signalisationsverordnung (SR 741.21) sind Strassenreklamen insbesondere dann untersagt, wenn sie die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnten. Die vorliegende Werbetafel wird nicht ausschliesslich zumindest hauptsächlich von Fahrzeuginsassen wahrgenommen, womit kein Anwendungsfall von Art. 6 SVG vorliegt (Weissenberger, a.a.O., Rz. 2 zu Art. 6 SVG).
Nach Art. 87 Abs. 1 BauG sind Bauten und Anlagen zu bewilligen, wenn keine im öffentlichen Recht begründete Hindernisse vorliegen. Die Baubewilligung kann mit einschränkenden Bedingungen und Auflagen verbunden werden (Art. 87 Abs. 2 BauG).
Bauten und Anlagen, Ablagerungen und andere Eingriffe ins Gelände dürfen das Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten (Art. 93 Abs. 1 BauG). Die Gemeinde kann über das grundsätzliche Verunstaltungsverbot hinaus für bestimmte Teile ihres Gebiets strengere Vorschriften erlassen (Art. 93 Abs. 3 BauG). Konkret wird mit Art. 10 Abs. 1 der besonderen Vorschriften des Gestaltungsplans "Seerestaurant, Kursaal mit Casino" vom 21. Juni 2000 verlangt, dass die Gestaltung des Fussgängerbereichs zur Steigerung der Attraktivität der Seepromenade von R. beitragen soll und nach einem auf die bestehende Platzgestaltung abgestimmten Konzept zu erfolgen habe. An Reklamen werden grundsätzlich höhere ästhetische Anforderungen gestellt. Von ihnen wird nicht nur verlangt, dass sie nicht erheblich stören. Sie müssen sich darüber hinaus
derart in das Orts-, Strassen- Landschaftsbild einordnen, dass eine befriedigende
Gesamtwirkung erzielt wird (Art. 94 BauG).
Gemäss den zahlreichen Fotos in den Unterlagen befindet sich die Plakatwand der Beschwerdeführerin an der Seepromenade vis-à-vis eines grossen Parkplatzes vor einer fast gleich hohen Buchenhecke. Rechts von der Tafel steht ebenfalls unmittelbar am Gemeindeweg das neue Hafenmeistergebäude. Praktisch unmittelbar links von der Informationstafel befindet sich der auffällig beschriftete bzw. beworbene Eingang der Gartenwirtschaft Paulaner, der auf seiner linken Seite von einer zweiten ähnlichen, wenn auch wesentlich kleineren Werbe- bzw. Informationstafel flankiert wird. Entlang der Hecke stehen zahlreiche, mit Werbung versehene Laternen, insbesondere links und rechts der Informationstafel. Unmittelbar hinter dem Grossplakat ragen drei hohe farbige Knatterfahnen in den Himmel, die das Seerestaurant bewerben.
In dieser Umgebung, wo insbesondere in nächster Nähe weitere zahlreiche Reklamen sichtbar sind, ist die Schutzwürdigkeit des Strassen- bzw. Ortsbildes insgesamt als gering anzusehen. Die Werbe- und Orientierungstafel fügt sich trotz ihrer beachtlichen Grösse durchaus gut in die nähere Umgebung der touristisch geprägten Seepromenade ein. Auf den unbefangenen Betrachter wirkt sie weder störend noch dominant. Auch steht sie nicht im Widerspruch zum Konzept der bestehenden Platzgestaltung des Seerestaurants. Mithin liegt insgesamt eine befriedigende Gesamtwirkung vor.
Reklamen müssen wie alle Anlagen und Bauten einen Strassenabstand einhalten, der für Kantons- und Gemeindestrassen erster und zweiter Klasse in Art. 104 lit. a des Strassengesetzes (abgekürzt 732.1, abgekürzt StrG) geregelt ist, soweit die politische Gemeinde keine zusätzlichen Anordnungen getroffen hat. Strassen im Sinn des Gesetzes sind auch Wege, soweit keine besonderen Bestimmungen gelten (Art. 1
Abs. 2 StrG). Die Politische Gemeinde R. hat für Bauten und Anlagen gegenüber Gemeindewegen einen Abstand von 3 m festgelegt (Art. 24 des Baureglements der Stadt R. vom 20. April 2000). Keine Abstände gelten für Bauten, die dem öffentlichen Verkehr dienen bzw. Verkehrsanlagen Bäume, die den Strassenraum gestalten (Art. 108 Abs. 1 StrG). Die private Informationstafel ist in erster Linie zu Werbezwecken errichtet worden, weshalb sie einen Wegabstand von mindestens 3 m einhalten muss.
Für den Standort direkt an der klassierten Seepromenade steht eine ordentliche Baubewilligung folglich ausser Frage.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Werbetafel hätte mit der Auflage bewilligt werden müssen, dass der Ortsplan weggelassen bzw. entfernt werde.
Wird zur Erstellung von Voraussetzungen, die ein rechtmässiges Bauen erlauben, für ein bestehendes Bauprojekt der Zusatz von Bedingungen und Auflagen verlangt, so stellt sich die Frage, ob das Baugesuch gesamthaft abgewiesen werden muss mit Auflagen und Bedingungen versehen werden kann, welche die Rechtmässigkeit des Bauvorhabens gewährleisten. Um den zweiten Weg beschreiten zu können, bedarf es in aller Regel konkreter Auflagen, die in ihrer baulichen Tragweite erkennbar sind. Er kann jedoch nicht eingeschlagen werden, wenn die durch Auflagen Bedingungen zu bewirkenden Änderungen am Bauprojekt wesentliche Sachverhalte betreffen bzw. erhebliche Abänderungen der Planunterlagen bedingen. Alsdann ist das Baugesuch abzuweisen, und es ist dem Baugesuchsteller anheimgestellt, ob er ein neues Baugesuch einreichen will (GVP 1990 Nr. 18 S. 48 f. mit Hinweisen).
4.3.2. Die Beschwerdeführerin hat am 21. September 2010 um Bewilligung einer "Orientierungstafel auf Metallstützen mit Plexiglasabdeckung" ersucht. Gemäss der Vereinbarung mit der Grundeigentümerin, welche die Gesuchstellerin mit eingereicht hatte, enthält die Tafel einen von der Gemeinde kontrollierten übersichtlichen Ortsplan von R. samt Geschichtschronik und Gemeindewappen sowie eine Wirtschaftschronik von R.
Davon abgesehen, dass die Werbetafel längst erstellt ist, macht die Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren zudem selber geltend, dass sie in der ganzen Schweiz und im benachbarten Ausland Informations- und Orientierungsanlagen wie die vorliegende erstelle, die jeweils einen Ortsplan, einen geschichtlichen Abriss der betroffenen Gemeinde samt Werbeflächen für das örtliche Gewerbe enthalten (www.h.ch/tafel-produkt.html). Der Ortsplan ist dabei wesentlicher, wenn nicht gar hauptsächlicher Bestandteil der Werbetafel und offensichtlich der Hauptgrund dafür, dass Gewerbetreibende bereit sind, für Fr. 500.-- pro Zeile ihren Betrieb während vierer Jahre auf der Informationstafel zu platzieren. Daran ändert
nichts, dass die Beschwerdeführerin den so genannten Wirtschaftsteil bzw. die bezahlten Werbeflächen naturgemäss als zentral erachtet. Beim Informationsteil der Werbetafel handelt es sich folglich um keinen Nebenpunkt bzw. um kein allfälliges Hindernis von untergeordneter Bedeutung. Dessen Weglassung bzw. die entsprechende Änderung der Orientierungstafel wäre folglich nicht geringfügig. Die (nachträgliche) Bewilligung mit einer derart weitgehenden Einschränkung käme somit selbst dann nicht in Frage, wenn für eine reine Reklametafel, d.h. für ein Werbeplakat ohne Informationsteil, innerhalb des Strassenabstands ein Bewilligungsanspruch bestünde. Der Beschwerdegegnerin und der Vorinstanz kann somit nicht vorgeworfen werden, die Orientierungstafel hätte zumindest mit der Auflage bewilligt werden müssen, dass der flächenmässig und inhaltlich bedeutsame Ortsplan weggelassen werde.
4.4. Kann ein Bauvorhaben nicht ordentlich bzw. mit einer Nebenbestimmung bewilligt werden, ist zu prüfen, ob eine Ausnahmebewilligung in Frage kommt. Strassenpolizeiliche Ausnahmen sind dann möglich, wenn weder Verkehrssicherheit noch Strasse beeinträchtigt werden noch Schutzgegenstände nach Art. 98 BauG zu erhalten sind (Art. 108 Abs. 2 StrG). Auf eine Ausnahmebewilligung besteht aber grundsätzlich kein Rechtsanspruch (D. Gmür, Strassenpolizeiliche Bestimmungen, in:
G. Germann [Hrsg.], Kurkommentar zum st. gallischen Strassengesetz vom 12. Juni 1988, St. Gallen 1989, Rz. 3 zu Art. 108 StrG). Ein solcher kann sich jedoch unter Umständen aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.
Ausnahmen nach Strassenrecht sind nur zurückhaltend und einzig bei Vorliegen besonderer Verhältnisse zu machen, auch wenn der Gesetzeswortlaut nicht zwingend nach einem Härtefall im Sinn von Art. 77 Abs. 1 lit. a BauG verlangt (GVP 2006 Nr. 35
S. 155; Gmür, a.a.O., Rz. 3 zu Art. 108 StrG) bzw. Ausnahmebewilligungen entgegen GVP 1998 Nr. 83 S. 210 f. nicht nur bei Vorliegen einer eigentlichen Ausnahmesituation erteilt werden dürfen. Strassenabstandsvorschriften verlangen vielmehr, dass die zuständigen Behörden bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen einen grossen Spielraum haben. Dies gilt auch bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen von Strassenabstandsvorschriften, die in Anwendung des Baugesetzes erlassen werden (Botschaft und Entwurf des Regierungsrates vom 28. Mai 1986, Amtsblatt 1986,
S. 1650). Das heisst aber nicht, dass Ausnahmebewilligungen generell und ohne
Vorliegen besonderer mit dem Einzelfall zusammenhängender Gründe gar nach Gutdünken erteilt werden können, ansonsten die Grundordnung aufgehoben würde.
Auf Grund des Gesagten wäre im konkreten Fall eine Ausnahmebewilligung möglich, falls für die Errichtung der Informationstafel unmittelbar am Seepromenadenweg besondere Umstände vorliegen würden. Ein Anspruch darauf, die Werbetafel ausnahmsweise direkt am Wegrand zu errichten, besteht aber wie gesagt nicht. Es liegt vielmehr im pflichtgemässen Ermessen des Stadtrats zu entscheiden, ob sie neben ihrem eigenen Orientierungssystem für Fussgänger (Signaletik) weitere Orientierungshilfen von Privaten innerhalb des Strassenabstands bewilligen will, die damit in erster Linie kommerzielle Absichten verfolgen. Anders als die Vorinstanz
(Art. 46 VRP) überprüft das Verwaltungsgericht den entsprechenden Ermessensentscheid nicht mit voller Kognition (Art. 61 VRP). Somit ist es nicht zu beanstanden, dass die Rekursinstanz die Verweigerung der Ausnahmebewilligung innerhalb des Strassenabstands durch den Stadtrat bestätigt hat.
Der Anspruch auf Gleichbehandlung verlangt, dass Rechte und Pflichten der Betroffenen nach dem gleichen Massstab festzusetzen sind. Gleiches ist nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Eine Gleichbehandlung ist immer dann geboten, wenn die im Hinblick auf die zu erlassende anzuwendende Norm relevanten Tatsachen gleich sind (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, Zürich 2010, 6. Auflage, Rz. 495; Heer, a.a.O., Rz. 9). Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit geht dem Rechtsgleichheitsprinzip im Konfliktfall in der Regel vor (kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht). Wenn eine Behörde in einem Fall eine vom Gesetz abweichende Entscheidung getroffen hat, gibt das den Privaten, die sich in der gleichen Lage befinden, grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend von einer Norm behandelt zu werden. Dies gilt aber nur, wenn die abweichende Behandlung in einem einzigen in einigen wenigen Fällen erfolgt ist. Besteht hingegen eine eigentliche gesetzwidrige Praxis und lehnt es die Behörde ab, diese aufzuheben, können Private verlangen, dass die widerrechtliche Begünstigung, die Dritten zuteil wurde, auch ihnen gewährt werde (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O.,
Rz. 518; Heer, a.a.O., Rz. 1213).
Die Beschwerdegegnerin räumt ein, dass sie zahlreiche Werbetafeln innerhalb des Strassenabstands bewilligt hat. Ob dies fälschlicherweise mit einer ordentlichen Baubewilligung ausnahmsweise erfolgt ist, kann auf Grund der Akten nicht gesagt werden. Der Beizug der entsprechenden Bewilligungen ein Augenschein ist aber gleichwohl unnötig, weil der Baubehörde mit dem vorliegenden Urteil wie bereits mit dem angefochtenen Entscheid aufgezeigt wird, wie künftig mit Reklamebewilligungen im Strassenabstand zu verfahren ist. Sollte die Beschwerdegegnerin (auch weiterhin) nicht davon absehen, unter Missachtung von Art. 104 ff. StrG und den entsprechenden kommunalen Bestimmungen Bewilligungen im Strassenabstand zu erteilen, wäre es Aufgabe der Aufsichtsbehörde, dies zu unterbinden (VerwGE B 2010/105 vom
16. Dezember 2010 E. 5 mit Hinweis, in: www.gerichte.sg.c h).
Darüber hinaus wird der Stadtrat in diesem Zusammenhang bei seiner ausdrücklichen Versicherung behaftet, dass er fortan in vergleichbaren Fällen keine Reklamen mehr im Strassenabstand bewilligen wird bzw. nur mehr in Ausnahmefällen, wenn dafür besondere Gründe vorliegen. Dabei spielt es keine Rolle, dass es sich vorliegend insofern um einen Spezialfall handelt, als eine kombinierte Informations- und Werbetafel zu beurteilen war. Zwar werden hier anders als bei üblichen grossflächigen Werbungen Passanten nahe an die Tafel treten und dort kurz verweilen, um den Ortsplan, den geschichtlichen Abriss und allenfalls die kleinflächigen Präsentationen der örtlichen Gewerbebetriebe zu studieren. Auf Grund der örtlichen Gegebenheiten auf der Seepromenade zwischen dem Eingang des Gartenrestaurants Paulaner und dem öffentlichen Parkplatz können dadurch aber weder Verkehrsteilnehmer abgelenkt, noch Fussgänger und andere Benützer des betroffenen Gemeindewegs in irgendwelcher Form behindert werden. Auch ist nicht ersichtlich, weshalb die beworbene Informationstafel der Beschwerdeführerin neben dem offiziellen Orientierungssystem der Stadt keinen Platz haben soll. Ersteres besteht aus einheitlich gestalteten Hinweistafeln und Stelen, die den Weg zu den wichtigsten Punkten und Einrichtungen in R. weisen, während der Ortsplan mit dem geschichtlichen Abriss der Beschwerdeführerin einen Gesamtüberblick über die Gemeinde verschafft und dementsprechend eine Ergänzung darstellt.
Da Baubewilligungen für Plakate im Strassenabstand vom Ermessen der Bewilligungsbehörde abhängen, stellt der vorliegende Fall zudem eine Änderung bzw.
Verschärfung der Bewilligungspraxis des Stadtrats R. für Reklamen innerhalb des Strassenabstands dar. Dazu ist die Beschwerdegegnerin selbstredend berechtigt, auch wenn andere Gemeinden im Kanton diesbezüglich im Gegensatz zur Gemeinde R. weiterhin eine recht grosszügige Praxis vertreten. Die vorgenommene Praxisänderung setzt allerdings voraus, dass es sich dabei um eine grundsätzliche, d.h. um keine singuläre Abweichung handelt und die neue Praxis für die Zukunft wegleitend sowie für alle gleichartigen Sachverhalte gilt und keinen Verstoss gegen Treu und Glauben darstellt (VerwGE B 2009/93 vom 15. April 2010 E. 2.3.4.2., in: www.gerichte.sg.ch; Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., Rz. 512 und 515). Nachdem die Beschwerdeführerin die Werbetafel ohne vorgängige Bewilligung erstellt hat, kann sie sich von vornherein nicht auf den Standpunkt stellen, die Praxisänderung sei ohne Vorwarnung erfolgt. Wer eigenmächtig baut, tut dies auf eigenes Risiko.
Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerdeführerin selbst mit Blick auf den Grundsatz der Rechtsgleichheit keinen Anspruch darauf hat, dass ihre Werbetafel unmittelbar am Wegrand bewilligt werde.
Die Beschwerdeführerin wehrt sich schliesslich gegen die erlassene Abbruchverfügung.
Nach Art. 130 Abs. 2 BauG kann die zuständige Gemeindebehörde die Entfernung die Abänderung rechtswidrig ausgeführter Bauten und Anlagen sowie die Wiederherstellung des früheren Zustandes verfügen, wenn die Ausführung den gesetzlichen Vorschriften den genehmigten Plänen nicht entspricht sonst ein unrechtmässiger Zustand geschaffen wurde. Können Bauten und Anlagen aufgrund materieller Rechtswidrigkeit auch nachträglich nicht bewilligt werden, folgt daraus aber noch nicht notwendigerweise, dass sie abgebrochen werden müssen. Vielmehr sind in jedem Fall die allgemeinen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Prinzipien des Bundesrechts, insbesondere die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und des Schutzes des guten Glaubens zu berücksichtigen (vgl. Heer, a.a.O., Rz. 1210; P. Hänni, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 5. Auflage, Bern 2002, S. 327 ff. mit Hinweisen).
Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit besagt, dass eine Abbruchverfügung nur erlassen werden darf, wenn diese Massnahme bei objektiver Betrachtung als die einzig geeignete erscheint, um einen aktuellen baurechtswidrigen Zustand zu beheben. Sie hat zu unterbleiben, wenn die Abweichung von den Bauvorschriften nur geringfügig ist, wenn der Abbruch nicht im öffentlichen Interesse liegt wenn die berührten öffentlichen Interessen den Schaden, der einem Eigentümer aus dem Abbruch erwächst, in keiner Weise zu rechtfertigen vermögen. Auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit kann sich auch der bösgläubige Bauherr berufen. Er muss aber in Kauf nehmen, dass die Behörden aus grundsätzlichen Erwägungen, namentlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baurechtlichen Ordnung, dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes erhöhtes Gewicht beimessen und die dem Bauherrn allenfalls erwachsenden Nachteile nicht nur in verringertem Mass berücksichtigen (vgl. Heer, a.a.O., Rz. 1211; Hänni, a.a.O., S. 328; BGE 123 II 255 E. 4a, 111 Ib 224 E. 6b; GVP 1982 Nr. 17).
Die Vorinstanz hat zutreffend dargelegt, dass die Unterschreitung des gesetzlichen Abstands von 3 m durch die Werbetafel unmittelbar am Wegrand nicht als geringfügige Abweichung von der Baurechtsordnung bezeichnet werden kann. Das Bundesgericht hat sodann bestätigt, dass an der strikten Einhaltung und Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands insbesondere aus präjudiziellen Gründen ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Grundeigentümer und Bauherren, die sich über geltende Vorschriften und Bewilligungen hinwegsetzen, sollen nicht besser gestellt werden als diejenigen, die den vorgeschriebenen Verfahrensweg einschlagen und sich an die entsprechenden Vorschriften halten. Die Einhaltung der Rechtsordnung wäre nicht mehr gewährleistet, wenn Abweichungen von Baubewilligungen Bauten ohne Baubewilligung - selbst wenn sie die nachbarlichen Interessen nicht untragbar beeinträchtigen - toleriert würden (BGE 1P.708/2006 und 1P.7010/2006 vom 13. April 2007 E. 5.4 und 5.5). Die Beschwerdeführerin dokumentiert auf ihrer Homepage selbst, dass sie in der ganzen Schweiz eine sehr grosse Anzahl gleicher Werbetafeln errichtet hat. Somit könnte sie sich auch nicht auf den Standpunkt stellen, ihr sei weder bewusst gewesen, dass die Werbetafel generell bewilligungspflicht sei, noch, dass sie nicht gewusst habe, dass der Standort unmittelbar am öffentlichen Seepromenadenweg einer Ausnahmebewilligung bedurft hätte.
Das Verwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Ablehnung des nachträglichen Baugesuchs und namentlich die mit dem Abbruch verbundenen privatrechtlichen Folgen für die Beschwerdeführerin mit Kosten verbunden sein werden, zumal sie damit die eingegangenen Verpflichtungen mit den werbenden Gewerbebetrieben nicht mehr aufrecht halten kann. Dies hat sie sich mit ihrem eigenmächtigen Verhalten wider besseres Wissen aber selber zuzuschreiben. Finanzielle Nachteile macht sie denn auch zu Recht nicht geltend. Insbesondere die getätigten Investitionen sind ohne Belang. Derjenige, der ohne vorgängige Baubewilligung und damit auf eigenes Risiko und eigene Gefahr hin baut, nimmt vielmehr in Kauf, dass er die illegale Baute Anlage wieder abreissen muss (VerwGE B 2010/193 vom 16. März 2011 E. 7.3.2., in: www.gerichte.sg.ch). Kosten für den Rückbau fallen ohnehin nicht ins Gewicht. Eine mildere Massnahme ist nicht ersichtlich. An dieser Einschätzung ändert sich nichts, wenn die Beschwerdeführerin den Ortsplan entfernen würde, womit die Informationstafel zu einer "blossen Reklameanlage" mutieren würde. Die Vorinstanz hat den vollständigen Abbruch somit zu Recht als verhältnismässige Massnahme beurteilt.
Zusammenfassend erweist sich, dass die Verweigerung der nachträglichen Baubewilligung nicht zu beanstanden ist und insbesondere nicht gegen das Prinzip der Rechtsgleichheit verstösst. Der Rückbau ist recht- und verhältnismässig. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist.
7. (…).
Demnach hat das Verwaltungsgericht
zu Recht erkannt:
./ Die Beschwerde wird abgewiesen.
./ Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 3'000.-- bezahlt die Beschwerdeführerin unter Verrechnung des geleisteten Kostenvorschusses in gleicher Höhe.
./ Das Begehren der Beschwerdeführerin um eine ausseramtliche Entschädigung wird
abgewiesen.
V. R. W.
Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber:
Versand dieses Entscheides an:
die Beschwerdeführerin (durch Rechtsanwalt Dr. H. H.)
die Grundeigentümerin (Q. I. AG)
die Vorinstanz
die Beschwerdegegnerin
am:
Rechtsmittelbelehrung:
Sofern eine Rechtsverletzung nach Art. 95 ff. BGG geltend gemacht wird, kann gegen diesen Entscheid gestützt auf Art. 82 lit. a BGG innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde erhoben werden.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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