E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (SG - B 2011/244)

Zusammenfassung des Urteils B 2011/244: Verwaltungsgericht

Die Eheleute N. und V. K.-N. wurden für die direkte Bundessteuer 2006 nach Ermessen veranlagt, da sie den Nachweis über die Eigenfinanzierung einer Liegenschaft nicht erbrachten. Trotz erfolgloser Einsprachen und Beschwerden wurde der Entscheid rechtskräftig. Nach mehreren Eingaben und einem Antrag auf Revision wurde die Beschwerde abgewiesen, da keine ausreichenden Gründe für eine Revision vorlagen. Die Beschwerdeführer wurden zur Zahlung der Gerichtskosten von CHF 1'500.- verurteilt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts B 2011/244

Kanton:SG
Fallnummer:B 2011/244
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2011/244 vom 23.08.2012 (SG)
Datum:23.08.2012
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Urteil Prozesserklärungen sind nicht buchstabengetreu auszulegen, sondern es ist danach zu fragen, welcher Sinn ihnen vernünftigerweise beizumessen ist; die Auslegung erfolgt also unter Berücksichtigung von Treu und Glauben. Konkret hat die Vorinstanz die Eingabe der Pflichtigen zu Recht als Revisionsbegehren und nicht als Wiederherstellungsgesuch aufgefasst (Verwaltungsgericht, B 2011/237 und 244).
Schlagwörter: Entscheid; Eingabe; Revision; Verwaltungsrekurskommission; Recht; Beschwerde; Vorinstanz; Unterlagen; Frist; Steueramt; Bundes; Verwaltungsgericht; Eingaben; Gallen; Bundessteuer; Revisionsgesuch; Verfahren; Begründung; Revisionsverfahren; Rechtsmittel; Wiederherstellungsgesuch; Vernehmlassung; Begehren; Antrag; Fristwiederherstellung; Kanton
Rechtsnorm: Art. 146 DBG ;Art. 147 DBG ;Art. 95 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts B 2011/244

Urteil vom 23. August 2012

Anwesend: Präsident Prof. Dr. U. Cavelti; Verwaltungsrichter lic. iur. A. Linder,

Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener, Dr. S. Bietenharder-Künzle; Gerichtsschreiber Dr. H.

Fenners

image

In Sachen

N. und V. K.-N.,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. D. B., gegen

Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen,Abteilung I/1,

Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen,

Vorinstanz,

und

Kantonales Steueramt,Davidstrasse 41, 9001 St. Gallen,

Beschwerdegegner,

und

Eidgenössische Steuerverwaltung,Hauptabteilung Direkte Bundessteuer,

Eigerstrasse 65, 3003 Bern, Beschwerdebeteiligte, betreffend

Revision (direkte Bundessteuer 2006) hat das Verwaltungsgericht festgestellt:

  1. ./ Die Eheleute N. und V. K.-N. wurden am 24. Juni 2008 für die direkte Bundessteuer 2006 nach Ermessen veranlagt, nachdem sie den verlangten Nachweis über die Eigenfinanzierung einer am 2. Oktober 2006 erworbenen Liegenschaft in U. nicht beigebracht hatten. Eine dagegen erhobene Einsprache wies das kantonale Steueramt mit Entscheid vom 12. Februar 2009 ab. Eine Beschwerde bei der Verwaltungsrekurskommission blieb ebenfalls erfolglos. Die Verwaltungsrekurskommission wies das Rechtsmittel mit Entscheid vom 16. Februar 2010 ab. Der entsprechende Entscheid wurde am 18. Februar 2010 expediert und am

    20. Februar 2010 zugestellt.

    Mit Eingabe vom 17. März 2010 reichten N. und V. K.-N. diverse Unterlagen bei der Verwaltungsrekurskommission ein. Der Abteilungspräsident übermittelte die Eingabe mitsamt den eingereichten Unterlagen am 18. März 2010 an das Verwaltungsgericht. Dieses teilte am 19. März 2010 N. und V. K.-N. mit, der Entscheid betreffend Staats- und Gemeindesteuern sei rechtskräftig. Die Frist für eine Beschwerde gegen den Entscheid betreffend direkte Bundessteuer sei möglicherweise noch nicht abgelaufen.

    Wenn innert der gesetzlichen Frist keine gültige Beschwerde gegen den Entscheid betreffend direkte Bundessteuer eingereicht werde, würden die Unterlagen wieder retourniert. Auf dieses Schreiben reagierten N. und V. K.-N. nicht.

  2. ./ Mit Eingabe vom 5. November 2010 ersuchte N. K. beim kantonalen Steueramt darum, es sei nochmals ein gerechter Gerichtsprozess durchzuführen. Am 14. Januar 2011, 28. Januar 2011 und 9. Februar 2011 reichte er sodann weitere Eingaben sowie Unterlagen ein. Das kantonale Steueramt übermittelte diese Eingaben am 11. Februar 2011 an die Verwaltungsrekurskommission mit dem Hinweis, die Eingaben würden als (sinngemässes) Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Entscheid vom 16. Februar 2010 betrachtet.

    Der Abteilungspräsident der Verwaltungsrekurskommission orientierte N. K. mit Schreiben vom 22. Februar 2011 über die Weiterleitung der Eingaben und Unterlagen durch das kantonale Steueramt. Gleichzeitig wies er ihn darauf hin, dass noch kein eigentliches Revisionsgesuch gestellt worden sei; sollte ein solches Verfahren gewünscht sein, so sei bis zum 22. März 2011 ausdrücklich ein Revisionsgesuch zu stellen und ein Revisionsgrund zu bezeichnen. Mit Schreiben vom 28. Februar 2011 stellte N. K. Antrag auf Revision. Zur Begründung gab er an, die Einschätzungen für die Steuern 2006 seien fehlerhaft. Die Verwaltungsrekurskommission trat darauf mit Entscheid vom 20. Oktober 2011 nicht ein.

  3. ./ Mit Eingabe vom 24. November 2011 liessen N. und V. K.-N. Beschwerde gegen den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission vom 20. Oktober 2011 mit folgenden Anträgen erheben:

"1. Es sei der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission vom 20. Oktober 2011

vollumfänglich aufzuheben;

  1. Es sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit es die Eingabe der Beschwerdeführer vom 5. November 2010 als Wiederherstellungsgesuch und Beschwerde an das Verwaltungsgericht weiterleitet, und das Revisionsverfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid über dieses Wiederherstellungsgesuch sistiert;

  2. Eventualiter sei das Revisionsgesuch der Beschwerdeführer gutzuheissen, und es sei die für das Steuerjahr 2006 erfolgte ermessensweise Aufrechnung von

    Fr. 280'000.-- ersatzlos aufzuheben;

  3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen."

Im Rahmen der Beschwerdeergänzung vom 9. Dezember 2011 hielten sie an vorgenannten Anträgen fest. Die Verwaltungsrekurskommission beantragte in ihrer Vernehmlassung vom 13. Dezember 2011 Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das kantonale Steueramt erklärte mit Schreiben vom

16. Dezember 2011 Verzicht auf eine Vernehmlassung. Die Eidgenössische

Steuerverwaltung liess sich nicht vernehmen.

Am 26. Januar 2012 wurden die Vernehmlassungen an den Rechtsvertreter von N. und

V. K.-N. weitergeleitet. Gleichzeitig wurde ihm Gelegenheit gegeben, innert einer Frist von vierzehn Tagen zu den in den Vernehmlassungen allfällig vorgebrachten neuen tatsächlichen und rechtlichen Argumenten eine ergänzende Stellungnahme einzureichen. N. und V. K.-N. liessen sich am 9. Februar 2012 ergänzend vernehmen.

Auf die Begründungen von N. und V. K.-N. und der Verwaltungsrekurskommission sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwägungen eingegangen.

Darüber wird in Erwägung gezogen:

1. (…).

  1. Die Beschwerdeführer beantragen primär die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Sie begründen diesen Antrag damit, die Vorinstanz habe das falsche Verfahren durchgeführt; es wäre nicht ein Revisionsverfahren durchzuführen gewesen, sondern die Vorinstanz hätte die Eingabe vom 5. November 2010 als Wiederherstellungsgesuch entgegennehmen und an das Verwaltungsgericht weiterleiten müssen.

    1. Gerichtliche Eingaben haben einen Antrag und eine Begründung zu enthalten. Dies gilt gleichermassen auch für ein Revisionsgesuch und ein Gesuch um Fristwiederherstellung. Lässt das Begehren die Absicht der gesuchtellenden Partei nicht hinreichend erkennen, kann zur Auslegung auch die Begründung beigezogen werden. Es wird sogar als hinreichend erachtet, wenn das Begehren nur aus der Begründung hervorgeht (Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998). Bedeutsam ist, dass eine Prozesserklärung nicht buchstabengetreu ausgelegt werden darf. Es ist vielmehr danach zu fragen, welcher Sinn ihr vernünftigerweise beizumessen sei. Dementsprechend ist sie unter Berücksichtigung von Treu und Glauben auszulegen, das heisst, sie muss so ausgelegt werden, wie sie der Empfänger nach den gesamten Umständen nach guten Treuen verstehen durfte und verstehen musste (BGer 1P. 424/2003 vom 3. September 2003, E. 2.5).

    2. Vorliegend machte der Beschwerdeführer in der Eingabe vom 5. November 2010 geltend, er verlange nochmals einen Gerichtsprozess unter Einschluss all derjenigen Personen, denen er Land verkauft habe, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Er brachte damit zum Ausdruck, dass er mit der ergangenen Entscheidung nicht einverstanden ist. Mit den Eingaben vom 28. Januar 2011 und vom 9. Februar 2011 reichte er zudem weitere Unterlagen über Landverkäufe im Kosovo ein, deren Erlöse er zur Finanzierung der Liegenschaft in U. verwendet haben will. Offensichtlich war er der Meinung, mit den neu eingereichten Unterlagen die ergangene Entscheidung widerlegen zu können. Dabei wandte er sich an das kantonale Steueramt. All dies lässt die Absicht erkennen, den Sachverhalt mit den neu eingereichten Beweismitteln richtig stellen und damit eine erneute (gerichtliche) Beurteilung auf verbesserter Grundlage erreichen zu wollen. In keiner Eingabe ist von einer Fristversäumnis die Rede. Von daher ist auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz ein Revisionsverfahren eingeleitet hat. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer auf entsprechende Nachfrage der Vorinstanz hin mit Schreiben vom 28. Februar 2011 bekräftigt hat, es sei ein Revisionsverfahren durchzuführen. Dadurch wurde der Streitgegenstand klar bestimmt. Dies liegt denn auch aufgrund der in diesem Zusammenhang geltenden Dispositionsmaxime am Beschwerdeführer. Dabei kann von ihm ein Mindestmass an Sorgfalt verlangt werden (Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Auflage, St. Gallen 2003, Rz. 916). Auch deshalb war die Vorinstanz nicht

      gehalten, das nun sogar ausdrücklich gestellte Revisionsbegehren noch in Frage zu stellen.

  2. Selbst wenn aber die Eingabe vom 5. November 2010 als Wiederherstellungsgesuch aufzufassen wäre, könnte einem entsprechenden Gesuch nicht stattgegeben werden. Ein die Fristwiederherstellung rechtfertigender Grund ist nicht nachgewiesen. Aus den eingereichten Arztzeugnissen ergibt sich zwar, dass der Beschwerdeführer vom 21. Juli 2009 bis Ende November 2010 zwischen 75% und 100% arbeitsunfähig war. Dass es ihm deswegen aber nicht möglich war, auf den Entscheid vom 16. Februar 2010 zu reagieren, weist der Beschwerdeführer nicht nach. Immerhin war es ihm möglich, am Verfahren vor der Verwaltungsrekurskommission teilzunehmen und sich nach Erhalt des Beschwerdeentscheids mit Eingabe vom 17. März 2010 nochmals an die Verwaltungsrekurskommission zu wenden. Ausserdem legt der Beschwerdeführer nicht einmal dar, an was für einer Erkrankung er litt. Des Weiteren machen es sich die Beschwerdeführer zu einfach, wenn sie ausführen, die Ehefrau spreche kein Deutsch und damit eine Fristversäumnis rechtfertigen wollen. Fehlende Sprachkenntnisse stellen keinen Fristwiederherstellungsgrund dar, ansonsten wäre immer dann, wenn eine Verfügung ein Entscheid an eine (nicht vertretene) Person zugestellt wird, die der deutschen Sprache nicht kaum mächtig ist, so lange ein Säumnisgrund gegeben, bis die Sprache genügend beherrscht wird. Dies erscheint nicht sachgerecht. Auch von einer sprachunkundigen Person kann erwartet werden, dass sie Hilfe beizieht, wenn sie den Inhalt einer Verfügung eines Entscheids nicht versteht, um in der Folge die allenfalls notwendigen weiteren Vorkehrungen treffen zu können. Macht sie dies nicht, lässt sie die gebotene Sorgfalt nicht walten.

  3. Eventualiter beziehungsweise für den Fall, dass von einem Revisionsgesuch ausgegangen würde, beantragen die Beschwerdeführer dessen Gutheissung. Eine Revision fällt jedoch allein schon deshalb dahin, weil nicht ersichtlich ist, weshalb die erst im Revisionsverfahren eingereichten Unterlagen nicht schon im ordentlichen (Rechtsmittel-)Verfahren hätten beigebracht werden können. Es ist somit ein Ausschlussgrund im Sinn von Art. 147 Abs. 2 DBG gegeben. Daran ändert auch die von Juli 2009 bis Ende November 2010 dauernde Krankheit des Beschwerdeführers nichts. Die Ermessensveranlagung wurde am 24. Juni 2008 vorgenommen, und der

Einspracheentscheid datiert vom 12. Februar 2009. Bei Eintritt der Krankheit war also

das Veranlagungs- beziehungsweise Rechtsmittelverfahren schon längst im Gange.

5. (…).

Demnach hat das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt:

  1. ./ Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. ./ Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'500.--bezahlen die

    Beschwerdeführer. Sie werden mit dem Kostenvorschuss verrechnet.

  3. ./ Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.

V. R. W.

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Versand dieses Entscheides an:

  • die Beschwerdeführer (durch Rechtsanwalt Dr. D. B.)

  • die Vorinstanz

  • den Beschwerdegegner

  • die Beschwerdebeteiligte

am: Rechtsmittelbelehrung:

Sofern eine Rechtsverletzung nach Art. 95 ff. BGG geltend gemacht wird, kann gegen

diesen Entscheid gestützt auf Art. 82 lit. a BGG und Art. 146 DBG innert 30 Tagen nach

Eröffnung beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde erhoben werden.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.