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Urteil Verwaltungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:B 2010/156
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2010/156 vom 14.10.2010 (SG)
Datum:14.10.2010
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:UrteilÖffentliches Beschaffungswesen, Art. 5 VöB (sGS 841.11), Art. 11 lit. a IVöB (sGS 841.32). Widerspruch von Bestimmungen der SIA Norm 142 zum Wettbewerbsverfahren zum öffentlichen Beschaffungsrecht. Verstoss gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung durch Anpassung der Ausschreibung gegenüber einem einzelnen Wettbewerbsteilnehmer (Verwaltungsgericht, B 2010/156).
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 113 BGG ; Art. 20 Or; Art. 22 Or;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil vom 14. Oktober 2010

Anwesend: Präsident Prof. Dr. U. Cavelti; Verwaltungsrichter Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener; Ersatzrichter lic. iur. D. Gmünder Perrig, Paul Somm; Gerichtsschreiber lic. iur. Th. Vögeli

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In Sachen

Armin Benz und Martin Engeler,Architekten BSA SIA,

Goliathgasse 12, 9000 St. Gallen,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwältin lic.iur. Claudia Schneider Heusi, Seefeldstrasse 60, Postfach 1016, 8034 Zürich,

gegen

Auftraggebergemeinschaft Ostschweizer Feuerwehrausbildungszentrum Bernhardzell,

Vorinstanz,

vertreten durch die Gebäudeversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Davidstrasse 37, 9001 St. Gallen,

und

Streiff Architekten,dipl. Arch. ETH/SIA, Pfingstweidstrasse 31a, 8005 Zürich,

Beschwerdegegner,

betreffend

öffentliches Beschaffungswesen; Ostschweizer Feuerwehrausbildungszentrum Bernhardzell, Errichtung eines Feuerwehrausbildungszentrums, Projektwettbewerb

hat das Verwaltungsgericht festgestellt:

A./ Die für die Ausbildung der Feuerwehren zuständigen Organe der Kantone

St. Gallen, Thurgau und beider Appenzell führten einen Wettbewerb für die Projektierung des Ostschweizerischen Feuerwehr-Ausbildungszentrums in Bernhardzell durch. Die Aufgabenstellung umfasste die Projektierung eines Logistikgebäudes mit Schulungsräumen, Kantine und Übernachtungsmöglichkeiten sowie eines Brandhauses für Feststoff- und Gasbefeuerung. Als Veranstalter des Wettbewerbs wurde das Hochbauamt des Baudepartements des Kantons St. Gallen bestimmt. Der Projektwettbewerb wurde als offenes, anonymes, einstufiges Verfahren ausgeschrieben und durchgeführt. In der Ausschreibung wurde auf Art. 12 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (sGS 841.32, abgekürzt IVöB), Art. 39 f. der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (sGS 841.11, abgekürzt VöB) sowie auf die subsidiär geltende Ordnung 142 für Architektur und Ingenieurwettbewerbe des SIA (abgekürzt Ordnung SIA 142) verwiesen. Zur Beurteilung der Projekte wurde ein im Wettbewerbsprogramm namentlich bekanntgegebenes Preisgericht eingesetzt. Die Auftraggebergemeinschaft beabsichtigte gemäss Wettbewerbsprogramm, entsprechend der Beurteilung und der Empfehlungen des Preisgerichts den Verfasser des vom Preisgericht zur Ausführung empfohlenen Projekts mit der Weiterbearbeitung zu beauftragen. Als Vorbehalte wurden die privatrechtliche Einigung über den Honorarvertrag sowie die Projekt- und Kreditgenehmigung durch die zuständigen Stellen angebracht.

Innert der Ausschreibungsfrist wurden 51 Projekt-arbeiten eingereicht. Zwölf Projekte wurden von einer Preiserteilung ausgeschlossen, namentlich wegen Verstössen gegen das Baurecht sowie gegen die Rahmenbedingungen betr. Raumprogramm. Am 28. Mai 2010 genehmigte das Preisgericht seinen abschliessenden Bericht. Es beantragte der Auftraggebergemeinschaft, das Projekt Nr. 19, "locus foci", der Streiff Architekten, Zürich, zur Weiterbearbeitung und Ausführung zu empfehlen.

Mit Verfügung vom 30. Juni 2010 entschied die Auftraggebergemeinschaft, die Streiff Architekten mit der Weiterbearbeitung des Projekts gemäss Wettbewerbsprogramm zu beauftragen und hielt fest, für die Detailplanung der Brandhäuser sei ein vom Auftraggeber bestimmter Spezialist beizuziehen.

B./ Gegen die am 30. Juni 2010 versandte Zuschlagsverfügung erhoben Armin Benz und Martin Engeler, St. Gallen, mit Eingabe ihrer Rechtsvertreterin vom 9. Juli 2010 Beschwerde beim Verwaltungsgericht und beantragten, die Zuschlagsverfügung vom

30. Juni 2010 sei aufzuheben und den Beschwerdeführern sei der Zuschlag zu erteilen bzw. die Vorinstanz sei anzuweisen, den Zuschlag den Beschwerdeführern zu erteilen, eventualiter sei die Vorinstanz anzuweisen, die Beurteilung der Projekte aufgrund der von ihr abgeänderten Rahmenbedingungen neu vorzunehmen, subeventualiter sei die Vorinstanz anzuweisen, das Verfahren abzubrechen und neu auszuschreiben, subsubeventualiter sei die Rechtswidrigkeit der Zuschlagsverfügung festzustellen und den Beschwerdeführern Schadenersatz von Fr. 83'491.10 zuzusprechen; ausserdem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

Die Vorinstanz beantragte in ihrer Vernehmlassung vom 16. Juli 2010, das Gesuch um aufschiebende Wirkung sei abzuweisen und auf die Beschwerde sei wegen Verspätung nicht einzutreten, eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen.

Mit Verfügung vom 19. Juli 2010 hiess der Präsident des Verwaltungsgerichts das Begehren um Erteilung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gut und untersagte der Vorinstanz bis zu einem anderslautenden Entscheid über die aufschiebende Wirkung bzw. bis zum Entscheid des Gerichts einen Vertragsabschluss.

In ihrer Stellungnahme vom 20. August 2010 hielt die Vorinstanz an ihrem Antrag fest, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Ausserdem beantragte sie, die mit Verfügung vom 19. Juli 2010 erteilte aufschiebende Wirkung sei zu entziehen.

Mit Verfügung vom 24. August 2010 wies der Präsident des Verwaltungsgerichts das

Begehren um Entzug der aufschiebenden Wirkung ab.

Die Beschwerdeführer erhielten Gelegenheit, zur Vernehmlassung der Vorinstanz Stellung zu nehmen. Dies

taten sie mit Eingabe ihrer Rechtsvertreterin vom 7. September 2010.

Der Beschwerdegegner liess sich zum Begehren um aufschiebende Wirkung und zur Beschwerde nicht vernehmen.

Die von den Beschwerdeführern und der Vorinstanz vorgebrachten Ausführungen werden, soweit wesentlich, in den nachstehenden Erwägungen dargelegt und gewürdigt.

Darüber wird in Erwägung gezogen:

1. Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Behandlung der Streitsache ist gegeben (Art. 2 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Gesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen, sGS 841.1, abgekürzt EGöB). Die Beschwerdeführer sind grundsätzlich zur Ergreifung des Rechtsmittels legitimiert, da sie am Wettbewerb teilgenommen haben und ihr Projekt nicht zur Weiterbearbeitung bestimmt wurde (Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt VRP). Die Beschwerdeeingabe vom

9. Juli 2010 wurde innerhalb der gesetzlichen Frist von zehn Tagen seit Eröffnung der Zuschlagsverfügung eingereicht und enthält Anträge sowie Ausführungen zum Sachverhalt und zur Begründung. Insoweit sind die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt (Art. 15 Abs. 3 IVöB).

  1. Die Vorinstanz beantragt im Hauptbegehren, auf die Beschwerde sei wegen Verspätung nicht einzutreten. Dieses Begehren wird damit begründet, die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Rügen hätten in einer Beschwerde gegen die Ausschreibung vorgebracht werden müssen. Damit sind ungeachtet des Antrags auf Nichteintreten materielle Aspekte des Zuschlags zu prüfen.

    1. Im Wettbewerbsprogramm (Ziff. 2.1) war zur Wettbewerbsart und zum Wettbewerbsverfahren festgehalten, der Projektwettbewerb werde als offenes, anonymes, einstufiges Verfahren in Anwendung von Art. 12 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 IVöB sowie Art. 39 f. VöB ausgeschrieben und durchgeführt. Für den Projektwettbewerb gelte die Ordnung SIA 142 (2009) subsidiär.

In Ziff. 6, S. 21 des Wettbewerbsprogramms wurde ausserdem festgehalten, dass der

Projektverfasser bei einem Verstoss gegen die Randbedingungen den Ausschluss von

der Preiserteilung riskiere. Als Randbedingungen wurden die unter Ziff. 6 genannten Punkte, die in direktem Zusammenhang mit der Realisierung der Bauaufgabe stehen, bezeichnet. Diese seien als Randbedingungen zwingend einzuhalten. Die notwendigen Räume seien im Hauptprogramm Logistikgebäude und im Projekt "Brandhäuser" definiert. Diese seien in entsprechender Anzahl und Fläche nachweislich einzuhalten. Die unter "5 Aufgabe" definierten Anforderungen seien zu erfüllen. Zum Wettbewerbsgebiet wurde festgehalten, dass der in der Abbildung rot gekennzeichnete Wettbewerbsperimeter zur Verfügung stehe. Alle gemäss Wettbewerbsaufgabe zu projektierenden Bauten und Anlagen seien innerhalb dieses Planungsgebietes zu realisieren.

2.2. Art. 19.1 lit. b Ordnung SIA 142 schreibt vor, dass ein Wettbewerbsbeitrag von der Preiserteilung ausgeschlossen werden muss, wenn von den Programmbestimmungen in wesentlichen Punkten abgewichen wurde. Art. 20 Abs. 1 Ordnung SIA 142 bestimmt, dass sich das Preisgericht bei der Beurteilung der Wettbewerbsbeiträge an das Wettbewerbsprogramm und die Fragenbeantwortung hält. Gemäss Art. 20 Abs. 2 Ordnung SIA 142 sind Wettbewerbsbeiträge so zu beurteilen, wie sie vorliegen und nicht, wie sie zu verbessern wären. Art. 22 Abs. 2 Ordnung SIA 142 bestimmt, dass bei Planungs- und Gesamtleistungswettbewerben hervorragende Wettbewerbsbeiträge, die wegen wesentlichen Verstössen gegen die Programmbestimmungen von der Preiserteilung ausgeschlossen wurden, angekauft werden können. Nach Art. 22 Abs. 3 Ordnung SIA 142 können angekaufte Wettbewerbsbeiträge durch das Preisgericht rangiert und derjenige im ersten Rang auch zur Weiterbearbeitung empfohlen werden. Dazu seien die ausdrückliche Festlegung dieser Möglichkeit im Wettbewerbsprogramm sowie ein Preisgerichtsentscheid mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der Stimmen und die Zustimmung aller Vertreter des Auftraggebers notwendig.

    1. Unbestritten ist, dass das Projekt des Beschwerdegegners den Randbedingungen insoweit widerspricht, als ein Teil der Anlage, nämlich die Erschliessung, nicht in dem als Wettbewerbsperimeter bezeichneten Gebiet situiert ist.

      Die Vorinstanz hält fest, das Projekt des Beschwerdegegners sei einstimmig zur Weiterbearbeitung empfohlen worden. Diesem Antrag hätten sämtliche Vertreter der Auftraggebergemeinschaft zugestimmt. Durch den bereits in der Ausschreibung

      vorgenommenen integralen Verweis auf die Ordnung SIA 142, deren Regelungen den im Wettbewerbsprogramm angesprochenen Teilnahmeberechtigten ohne Zweifel bestens bekannt seien, sei sämtlichen Teilnehmern die Konsequenz mehr als hinreichend klar gewesen, dass auch ein Zuschlag an einen Wettbewerbsbeitrag in Frage kommen könne, der nach Beurteilung der Jury in bezug auf die Wettbewerbsaufgabe trotz Verstosses selbst gegen wesentliche Randbedingungen eine hervorragende Lösung darstelle. Sofern ein Wettbewerbsteilnehmer diese Konsequenz als unzulässig und als Verstoss gegen die Grundsätze des Vergaberechts hätte rügen wollen, hätte er dies im Rahmen einer Beschwerde gegen die Ausschreibung tun müssen. Die erst gegen die Zuschlagsverfügung erhobene Beschwerde sei daher verspätet, weshalb nicht darauf eingetreten werden könne.

    2. Es entspricht der ständigen Praxis des Verwaltungsgerichts, Rügen in einer Beschwerde gegen den Zuschlag nicht mehr zuzulassen, wenn sie in einer Beschwerde gegen die Ausschreibung hätten vorgebracht werden können. Eine Ausschreibung kann aber Anordnungen enthalten, deren volle Bedeutung und Tragweite auch bei objektiver Betrachtungsweise noch wenig klar ist und sich für die Interessenten erst im Verlauf des weiteren Verfahrens mit genügender Eindeutigkeit ergeben, wobei die Anfechtungsmöglichkeit in einem späteren Verfahrensabschnitt, gegebenenfalls sogar erst im Rahmen der Zuschlagsverfügung, erhalten bleibt (vgl. statt vieler VerwGE B 2005/149 vom 20. Dezember 2005 mit Hinweis, in: www.gerichte.sg.ch).

Im Wettbewerbsprogram wurde hinsichtlich Wettbewerbsart und -verfahren auf die Bestimmungen der IVöB und der VöB hingewiesen. Die Geltung der Ordnung SIA 142 wurde als subsidiär bezeichnet. Dies bedeutet, dass in erster Linie die Bestimmungen der IVöB sowie der VöB massgebend sind. Subsidiäre Anwendung von Bestimmungen bedeutet, dass diese hilfsweise zur Anwendung kommen.

IVöB und VöB sind Erlasse des öffentlichen Rechts. Die Ordnung SIA 142 ist grundsätzlich dem Bereich des Privatrechts zuzuordnen. In ihrer Präambel wird zwar festgehalten, dass sie sowohl von öffentlichen als auch von privaten Auftraggebern angewendet werden könne. Auch wird in Art. 40 VöB bestimmt, dass bei Planungs- und Gesamtleistungswettbewerben auf Bestimmungen und Empfehlungen von Fachverbänden verwiesen werden kann, soweit solche der VöB nicht widersprechen.

Im Wettbewerbsprogramm werden also die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen als übergeordnetes Regelwerk und die Ordnung SIA 142 als subsidiäre, d.h. hilfsweise anwendbare Ordnung bezeichnet. Daraus ergibt sich bei einer Widersprüchlichkeit der beiden Ordnungen, dass die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen Vorrang haben. Hinzu kommt, dass die VöB den Verweis auf Empfehlungen von Fachverbänden nur zulässt, wenn sie den Bestimmungen der VöB nicht widersprechen.

Wird in einem Projektwettbewerb, der den öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterliegt, auf ein Regelwerk des Privatrechts verwiesen, so verdrängt dieses das öffentliche Recht nicht. Vielmehr werden die privatrechtlichen Bestimmungen, auf die verwiesen wird, dadurch zum Bestandteil des Verwaltungsrechts und erlangen öffentlich-recht- lichen Charakter (vgl. Imboden/Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Basel 1976, Nr. 2 B III mit Hinweisen). In der Präambel zur Ordnung SIA 142 wird weiter festgehalten, bei Wettbewerben, welche dem öffentlichen Beschaffungswesen unterstellt seien, hätten die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften Vorrang vor dieser Ordnung. Unter diesen Umständen mussten die Wettbewerbsteilnehmer nicht damit rechnen, dass bei widersprechenden Bestimmungen in den Vorschriften des öffentlichen Rechts einerseits und der Ordnung SIA 142 anderseits die dem öffentlichen Recht widersprechenden Normen zur Anwendung kommen. Dies bedeutet, dass den Beschwerdeführern nicht vorgehalten werden kann, sie hätten die Ausschreibung mit Beschwerde anfechten müssen, obwohl dies grundsätzlich möglich gewesen wäre. Auch bildet die Anerkennung der Wettbewerbs- und Programmbestimmungen keinen Grund, einem Teilnehmer das Ergreifen eines Rechtsmittels als widersprüchliches Verhalten anzulasten, wenn er eine Entscheidung als rechtswidrig rügt. Die Anerkennung von Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen bedeutet keinen Verzicht auf das Ergreifen von Rechtsmitteln gegen anfechtbare Verfügungen. Dem Wettbewerbsteilnehmer können keine mit dem öffentlichen Recht im Widerspruch stehende Verpflichtungen auferlegt werden, selbst wenn dieser zugestimmt haben sollte (vgl. B. Messerli, Der Planungs- und Gesamtleistungswettbewerb im öffentlichen Beschaffungsrecht, Bern 2004, S. 59).

Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde einzutreten. 3.

    1. Wie erwähnt, wurden die Vorschriften der IVöB und der VöB als massgebende Bestimmungen angeführt und die Anwendung der Ordnung SIA 142 als subsidiär bezeichnet. "Subsidiär" bedeutet behelfsweise oder aushilfsweise. Die subsidiäre Anwendung der Ordnung SIA 142 bedeutet, dass die Vorschriften der IVöB und der VöB Vorrang haben, wenn Bestimmungen der Ordnung SIA 142 im Widerspruch zu IVöB und VöB stehen. Andernfalls hätte der Grundsatz aufgestellt werden müssen, dass die Ordnung SIA 142 integral gilt und subsidiär die Vorschriften der IVöB und der VöB zur Anwendung gelangen. Ob dies im Lichte von Art. 40 Abs. 1 VöB zulässig gewesen wäre, kann offen bleiben. Die Massgeblichkeit der beiden Regelwerke wurde nicht als gleichwertig vermerkt, sondern den gesetzlichen Vorschriften wurde ausdrücklich der Vorrang vor allfälligen abweichenden Regelungen der Ordnung SIA 142 zugemessen. In deren Präambel wird denn auch ausdrücklich festgehalten, dass bei Wettbewerben, welche dem öffentlichen Beschaffungswesen unterstellt sind, die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften Vorrang vor dieser Ordnung haben (vgl. S. Ulrich, Die neue SIA Ordnung 142 für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe, in: AJP 1999, S. 254). Die Ordnung SIA 142 kann zur Auslegung der öffentlich-rechtlichen Beschaffungsvorschriften oder zur Lückenfüllung herangezogen werden (vgl. Messerli, a.a.O., S. 55).

    2. Im Bereich des öffentlichen Beschaffungsrechts stehen der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot im Zentrum der massgebenden Vorschriften (Art. 5 VöB; Art. 11 lit. a IVöB). Diese Grundsätze bilden Richtschnur des öffentlichen Beschaffungswesens und bedeuten, dass keinem Anbieter Nachteile auferlegt werden dürfen, die für andere Anbieter nicht gelten, und dass keinem Anbieter ein Vorteil gewährt werden darf, der anderen Anbietern nicht gewährt wird (vgl. grundlegend GVP 2002 Nr. 32 mit Hinweisen).

      Der Grundsatz der Gleichbehandlung wird verletzt, wenn in einem Vergabe- oder Wettbewerbsverfahren nur einzelnen Anbietern Vorteile gewährt werden, andere Teilnehmer aber nicht in deren Genuss kommen. Wenn bei den eingereichten Projekten Abweichungen von den Rahmenbedingungen akzeptiert werden, welche in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich als Ausschlussgründe bezeichnet sind, so stellt dies eine grundlegende Änderung der Entscheidgrundlagen dar, welche aufgrund des Gebots der Gleichbehandlung allen Wettbewerbern gewährt werden muss.

      Die Vorinstanz wendet ein, bei einem Projektwettbewerb würden Besonderheiten gelten, da ein Bauherr bewusst mehrere verschiedene Lösungsvorschläge erhalten wolle, unter denen er die für ihn ästhetisch, wirtschaftlich und vor allem funktionell beste Lösung wählen könne. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Mit der Rahmenbedingung, dass die Bauten und Anlagen innerhalb eines bestimmten Wettbewerbs-perimeters projektiert werden müssen, wurde eine grundlegende Vorgabe gemacht. Von dieser wurde nach Einreichung der Projekte zugunsten eines einzelnen Wettbewerbers abgewichen. Dass das Projekt des Beschwerdegegners gegen eine wesentliche Randbedingung verstiess, ist denn auch unbestritten. Es kann daher nicht gesagt werden, die Zuschlagskriterien wie auch Randbedingungen hätten unveränderte Geltung. Die Randbedingungen wurden nachträglich aufgrund weiterer Abklärungen mit der Armee geändert, doch wurden diese Abklärungen bzw. diese Änderungen einzig und allein auf das Projekt des Beschwerdegegners ausgerichtet. Die Änderung des Wettbewerbsperimeters stellt eine grundlegende Abweichung von den ursprünglichen Wettbewerbsbedingungen dar, welche für die Teilnehmer von wesentlicher Bedeutung war. Fehl geht auch das Argument der Vorinstanz, die Zweckmässigkeit der Erschliessung erscheine lediglich als eines von insgesamt sechs Unterkriterien des mit 40 % gewichteten Kriteriums "Architektur". Die Umgrenzung des Wettbewerbsgebietes war in Ziff. 6 der Ausschreibungsunterlagen nicht als Zuschlagskriterium aufgeführt, dessen mehr oder weniger gute Einhaltung bei der Bewertung besser oder weniger gut gewichtet werden würde. Vielmehr wurde die Einhaltung dieser Bedingung ausdrücklich als Ausschlussgrund bezeichnet. Anders verhält es sich dort, wo zur Wirtschaftlichkeit und Ökologie vermerkt wurde, es würde auf gewisse Eigenschaften grossen Wert gelegt. Wenn ein Kriterium nur deshalb besser gewichtet werden kann, weil es die definierten Randbedingungen missachtet, so handelt es sich nicht um eine Frage der besseren Bewertung, sondern um eine Frage der Einhaltung der Randbedingungen.

      Die Vorinstanz verkennt die Rangordnung der IVöB und der VöB im Verhältnis zur Ordnung SIA 142. Verstösse gegen die Randbedingungen sind nach der Ordnung SIA 142 unter gewissen Bedingungen zulässig. Dies mag unter dem Gesichtspunkt der Förderung der Kreativität gerechtfertigt sein. Bei der Anwendung der öffentlich- rechtlichen Beschaffungsnormen hat aber wie erwähnt der Grundsatz der Gleichbehandlung einen wichtigen Stellenwert. Dieser gebietet, dass sämtliche

      Wettbewerbsteilnehmer gleich behandelt werden müssen und dass Änderungen der Ausschreibungsunterlagen bzw. der Ausschreibungsbedingungen sämtlichen Wettbewerbsteilnehmern kommuniziert werden müssen. Es verstösst gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn lediglich bei einem einzelnen Wettbewerbsteilnehmer nachträglich Abklärungen getroffen werden, ob ein Projekt trotz Abweichungen von den Randbedingungen realisiert werden kann. Hätten die anderen Wettbewerbsteilnehmer davon ausgehen können, dass die Erschliessung auch ausserhalb des Wettbewerbsperimeters situiert werden kann, hätten sie ihre Projekte entsprechend anpassen und gestalten können. Nicht ausschlaggebend ist, inwiefern der Grad der Aufgabenerfüllung unter dem Aspekt der bekanntgegebenen Zuschlagskriterien geprüft wird. Die Zuschlagskriterien sind hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Projekte von entscheidender Bedeutung. Wenn die Vergabebehörde aber Rahmenbedingungen definiert, so hat sie diese einzuhalten und darf nur Wettbewerbsbeiträge in die Beurteilung aufnehmen, welche die Randbedingungen einhalten. Falls sie davon abweichen will, muss sie alle Teilnehmer gleich behandeln und ihnen Gelegenheit geben, ihre Beiträge auf der Grundlage der veränderten Randbedingungen einzureichen.

    3. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Zuschlag gegen Art. 5 VöB und Art. 11 lit. a IVöB verstösst. Daher ist die Beschwerde gutzuheissen, und die Verfügung der Vorinstanz vom 30. Juni 2010 ist aufzuheben.

    4. Die Beschwerdeführer beantragen, der Zuschlag sei ihnen zu erteilen bzw. es sei die Vorinstanz anzuweisen, ihnen den Zuschlag zu erteilen.

Das Verwaltungsgericht nimmt nur in Ausnahmefällen in einem Beschwerdeentscheid einen Zuschlag vor. Im Regelfall wird die angefochtene Verfügung bei Gutheissung der Beschwerde kassiert und die Angelegenheit zum neuen Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im vorliegenden Fall wurde zwar das Projekt der Beschwerdeführer im zweiten Rang bewertet. Aufgrund des Juryberichts liegen aber dem Verwaltungsgericht keine detaillierten Informationen vor, die es ermöglichen, direkt über den Zuschlag zu entscheiden. Die Angelegenheit ist daher praxisgemäss gestützt auf Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 56 Abs. 2 VRP an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Nicht weiter einzugehen ist auf die Frage, ob die Begründung des Zuschlags genügend ist. Dazu kann auf VerwGE B 2010/32 vom 8. Juni 2010 (www.gerichte.sg.ch) verwiesen werden.

4. Dem Verfahrensausgang entsprechend gehen die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Lasten der Vorinstanz (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von Fr. 5'000.-- ist angemessen (inkl. der Kosten der Verfügungen vom 19. Juli und 24. August 2010; Art. 13 Ziff. 611 und 622 Gerichtskostentarif, sGS 941.12). Auf die Erhebung ist nicht zu verzichten (Art. 95 Abs. 3 VRP). Den Beschwerdeführern ist der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 5'000.-- zurückzuerstatten.

Die Beschwerdeführer haben Anspruch auf eine ausseramtliche Entschädigung (Art. 98 Abs. 1 und Art. 98bis VRP). Die Rechtsvertreterin hat eine Kostennote mit einem Honorar von Fr. 5'250.-- zuzügl. Barauslagen von Fr. 42.50 zuzügl. MWSt für die Zeit vom 5. Juli bis 26. Juli 2010 und von Fr. 7'103.-- zuzügl. MWSt für die Zeit bis 13. September 2010 eingereicht. Nach Art. 22 Abs. 1 lit. b der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten (sGS 963.75, abgekürzt HonO) beträgt das Honorar im Beschwerdeverfahren Fr. 1'000.-- bis Fr. 12'000.--. Das mittlere Honorar pro Stunde beträgt Fr. 250.-- (Art. 24 Abs. 1 HonO). Das vorliegende Verfahren war nicht aussergewöhnlich kompliziert im Sinn von Art. 22 Abs. 2 HonO. Die Honorarnote ist daher zu reduzieren. Angemessen erscheint ein Honorar von Fr. 5'000.--. Die Barauslagen sind nach Art. 29bis HonO pauschal auf 4 Prozent festzulegen, da ein Teil der Barauslagen nach der Aufstellung per 13. September 2010 noch nicht gesondert abgerechnet wurde. Die Vorinstanz hat daher die Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren mit Fr. 5'200.-- zuzügl. MWSt ausseramtlich zu entschädigen.

Demnach hat das Verwaltungsgericht

zu Recht erkannt:

  1. ./ Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Zuschlagsverfügung vom 30. Juni 2010

    aufzuheben.

  2. ./ Die Angelegenheit wird zu neuen Beurteilung und Entscheidung im Sinne der

    Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen

  3. ./ Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 5'000.-- werden der Vorinstanz auferlegt. Auf die Erhebung wird nicht verzichtet. Den Beschwerdeführern wird der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 5'000.-- zurückerstattet.

  4. ./ Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren mit Fr. 5'200.-- zuzügl. MWSt

ausseramtlich zu entschädigen.

V. R. W.

Der Präsident:

Der Gerichtsschreiber:

Versand dieses Entscheides an:

  • die Beschwerdeführerin (durch Rechtsanwältin lic.iur. Claudia Schneider Heusi, 8034

    Zürich)

  • die Vorinstanz (durch die Gebäudeversicherungsanstalt, 9001 St. Gallen)

  • den Beschwerdegegner

am:

Rechtsmittelbelehrung:

Die Rechtsmittelberechtigung gegen diesen Entscheid richtet sich nach Art. 82 ff., insbesondere Art. 83 lit. f und Art. 113 ff. BGG. Das Rechtsmittel ist innert dreissig Tagen nach der Eröffnung beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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