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Urteil Versicherungsgericht (SG - AVI 2014/47)

Zusammenfassung des Urteils AVI 2014/47: Versicherungsgericht

Die Beschwerdeführerin beantragt Arbeitslosenentschädigung, da sie behauptet, dass ihre Ehe irreversibel zerrüttet war und sie keinen Einfluss mehr im Betrieb ihres Ex-Ehemannes hatte. Die Arbeitslosenkasse lehnte den Anspruch ab, da sie noch mitarbeitende Ehegattin einer arbeitgeberähnlichen Person war. Trotz Scheidung wurde der Anspruch verweigert, da die Arbeitslosenkasse an eine arbeitgeberähnliche Stellung festhielt. Das Gericht wies die Beschwerde ab, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Beschwerdeführerin noch Einfluss im Betrieb hatte. Der Gerichtskostenbetrag beträgt CHF 0.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AVI 2014/47

Kanton:SG
Fallnummer:AVI 2014/47
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:AVI - Arbeitslosenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid AVI 2014/47 vom 23.07.2015 (SG)
Datum:23.07.2015
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 31 Abs. 3 lit. b und c AVIG. Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung einer Versicherten, die vor und nach der Trennung im Betrieb ihres Ehemannes mitarbeitete. Trennung der Ehegatten bereits vor der gerichtlichen Scheidung glaubhaft dargelegt. Trotzdem Verneinung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung, da ein gemeinsames Zusammenwirken im Hinblick auf die Beantragung von Arbeitslosenentschädigung nicht überwiegend wahrscheinlich ausgeschlossen werden konnte. (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 23. Juli 2015, AVI 2014/47).Bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts 8C_639/2015.Entscheid vom 23. Juli 2015
Schlagwörter: Trennung; Entscheid; Scheidung; Anspruch; Arbeitslosenentschädigung; Ehemann; Betrieb; Stellung; Bundesgericht; Missbrauchsrisiko; Kurzarbeit; Ehegatte; Arbeitslosenkasse; Zeitpunkt; Person; Recht; Ehegatten; Arbeitnehmer; Praxis; Bundesgerichts; Arbeitgeber; Gallen; Inhaber; Arbeitsverhältnis; Ehemannes; Eheschutzmassnahme; Gericht
Rechtsnorm: Art. 31 AVIG;Art. 8 AVIG;
Referenz BGE:123 V 234; 123 V 238;
Kommentar:
Schwenzer, Praxis Scheidungsrecht, 2000

Entscheid des Verwaltungsgerichts AVI 2014/47

Besetzung

Versicherungsrichterinnen Marie Löhrer (Vorsitz), Miriam Lendfers und Lisbeth Mattle Frei; a.o. Gerichtsschreiberin Stephanie Zaugg-Grau

Geschäftsnr. AVI 2014/47

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführerin,

    vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Denise Galbier, Marty & Gmür Rechtsanwälte,

    Obere Bahnhofstrasse 11, Postfach 253, 9501 Wil SG 1,

    gegen

    Kantonale Arbeitslosenkasse, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,

    Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand

    Arbeitslosenentschädigung (arbeitgeberähnliche Stellung) Sachverhalt

    A.

    1. A. meldete sich am 9. Dezember 2013 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zur Arbeitsvermittlung an (act. G 3.1 S. 186) und stellte per 1. Dezember 2013 Antrag auf Arbeitslosenentschädigung bei der Kantonalen Arbeitslosenkasse St. Gallen (act. G 3.1 S. 180). Gemäss Arbeitgeberbescheinigung vom 20. Dezember 2013 war die Versicherte vom 1. August 2011 bis 30. November 2013 als Sekretärin und Stellvertreterin des Geschäftsleiters beim Zweiradcenter B. , Inhaber C. , beschäftigt gewesen (act. G 3.1 S. 196 und 199). Mit Schreiben vom 5. Dezember 2013 hatte sie, vertreten durch Rechtsanwältin Denise Galbier, den Inhaber aufgefordert, für den zukünftigen Lohn eine Sicherheit zu leisten. Ansonsten sei sie gezwungen, das Arbeitsverhältnis fristlos aufzulösen (act. G 3.1 S. 127). Der Inhaber teilte mit, dass es ihm nicht möglich sei, die geforderte Sicherheit zu leisten (act. G 3.1

      S. 119), worauf die Versicherte das Arbeitsverhältnis am 9. Dezember 2013 fristlos kündigte (act. G 3.1 S. 125). Per 16. Februar 2014 meldete das RAV die Versicherte von der Arbeitsvermittlung ab, da sie ab dem 17. Februar 2014 eine neue Anstellung gefunden hatte (act. G 3.1 S. 136 f.). Mit Verfügung vom 12. Februar 2014 gewährte das RAV der Versicherten für diese neue Stelle Einarbeitungszuschüsse vom 17. Februar bis 16. August 2014 (act. G 3.1 S. 133).

    2. Mit Verfügung vom 8. April 2014 wies die Kantonale Arbeitslosenkasse den Antrag der Versicherten auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 9. Dezember 2013 ab. Ihr Ehemann, C. , sei bis heute Inhaber mit Einzelunterschrift des Zweiradcenters. Daher

sei davon auszugehen, dass sie als Ehefrau des Inhabers Entscheidungen mitbestimmen massgeblich beeinflussen könne. Obwohl sie eine Trennung geltend mache, sei von einer arbeitgeberähnlichen Stellung auszugehen. Eine solche werde erst ab Datum einer Scheidung, richterlichen Trennung vom Richter verfügten Eheschutzmassnahmen aufgehoben. Aufgrund der am 21. Februar 2014 erfolgten Ehescheidung werde eine Rahmenfrist ab diesem Datum eröffnet (act. G 3.1 S. 105).

B.

    1. Dagegen erhob die Versicherte, vertreten durch die Rechtsanwältin, am 22. April 2014 Einsprache. Seit November 2008 sei sie vom Ehemann getrennt. Die Modalitäten der Trennung seien aussergerichtlich in einer Trennungsvereinbarung vom 21. April 2009 geregelt worden. Nach der Trennung habe sie nur einen geringen Lohn sowie Unterhaltszahlungen ihres Ehemanns bezogen. Sie habe über keinerlei Zeichnungsberechtigung im Betrieb ihres Ehemannes mehr verfügt. Nach Einreichung der Scheidungsklage am 14. Juli 2011 habe sie einen Einzelarbeitsvertrag mit ihrem Ehemann unterzeichnet. Gleichzeitig seien alle Unterhaltszahlungen eingestellt worden. Die Ehe sei mit Urteil vom 21. Februar 2014 geschieden worden. Aufgrund der Ankündigung des Arbeitgebers, den Lohnzahlungspflichten nicht mehr nachkommen zu können, sei sie gezwungen gewesen, ihr Arbeitsverhältnis am 9. Dezember 2013 fristlos zu kündigen. Am 29. Januar 2014 habe sie einen Arbeitsvertrag mit der D. AG unterzeichnet und sei seit dem 17. Februar 2014 dort tätig. Der inzwischen geschiedene Ehemann lebe schon seit längerem mit seiner neuen Lebenspartnerin zusammen und habe mit ihr ein gemeinsames Kind, welches am 21. September 2012 geboren worden sei. Damit stehe seit langem fest, dass die Ehe unwiderruflich zerbrochen sei. Sie habe aufgrund ihrer guten Kenntnisse des Betriebes und aus finanziellen Überlegungen im Betrieb weitergearbeitet. Die Entscheidfindung habe sie jedoch nicht bestimmen massgeblich beeinflussen können. Dies habe die neue Lebenspartnerin des Ehemannes übernommen. Die strikte Praxis zur arbeitgeberähnlichen Stellung von Ehegatten sei in den letzten Jahren zunehmend in Kritik geraten. Insbesondere das Versicherungsgericht St. Gallen sei in einem Entscheid vom 21. Oktober 2009 davon ausgegangen, dass nicht in jedem Fall ein gerichtlicher Trennungs- bzw. Eheschutzentscheid verlangt werden könne. Der

      Nachweis des Trennungswillens, der eine Wiedervereinigung aller Voraussicht nach ausschliesse, könne im Einzelfall anders erbracht werden. Auch das Bundesgericht habe angedeutet, seine strikte Praxis zur arbeitgeberähnlichen Stellung von getrennt lebenden Ehegatten in Zukunft allenfalls lockern zu wollen. Zum Zeitpunkt der geltend gemachten Arbeitslosenentschädigung seien sie und ihr Ehemann bereits 5 Jahre getrennt gewesen. Eine arbeitgeberähnliche Stellung im Betrieb des Ehemannes könne somit zum Zeitpunkt der Anspruchsberechtigung ausgeschlossen werden. Ein Missbrauchsrisiko bzw. eine Umgehungsgefahr der relevanten Bestimmungen sei vorliegend nicht ersichtlich (act. G 3.1 S. 65-70).

    2. Die Arbeitslosenkasse wies die Einsprache mit Entscheid vom 25. August 2014 ab. Die Versicherte sei erst am 21. Februar 2014 von ihrem Ehemann geschieden worden. Nach Weisung des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) beende nur eine Scheidung, richterliche Trennung richterlich verfügte Eheschutzmassnahmen die Stellung als mitarbeitende Ehegattin. Daran sei die Arbeitslosenkasse gebunden. Es bleibe somit die Tatsache, dass die Versicherte als mitarbeitende Ehegattin einer Person mit arbeitgeberähnlicher Stellung vom Anspruch ausgeschlossen sei (act. G 3.1 S. 45-47).

C.

    1. Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die Beschwerde vom 12. September 2014. Die Beschwerdeführerin beantragt darin, die Anspruchsberechtigung zum Bezug von Arbeitslosentaggeldern ab 9. Dezember 2013 bis 16. Februar 2014 sei zu bejahen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Vorliegend könne nicht davon ausgegangen werden, dass kein ernsthafter Scheidungs- Trennungswille vorgelegen habe, zumal die Scheidungsklage bereits am 14. Juli 2011 anhängig gemacht worden sei. Aufgrund einer einzelfallweisen Prüfung könne eine arbeitgeberähnliche Stellung im Betrieb ihres Ehemannes zum Zeitpunkt der Antragsstellung ausgeschlossen werden. Ein Missbrauchsrisiko bzw. eine Umgehungsgefahr der relevanten Bestimmungen sei vorliegend nicht ersichtlich (act. G 1).

    2. Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Beschwerdeantwort vom 27. Oktober

      2014 die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin gehe insbesondere

      aufgrund eines Entscheids des Bundesgerichts (8C_74/2011) davon aus, dass das Bundesgericht seine Praxis zur arbeitgeberähnlichen Stellung von getrennt lebenden Ehegatten in Zukunft lockern werde. Gerade die Erwägungen dieses Gerichtsentscheids liessen solche Überlegungen nicht zu. Vorliegend habe insofern ein Missbrauchsrisiko bestanden, als bis zum Scheidungsspruch eine vollkommene Umwälzung der Situation per definitionem nicht habe ausgeschlossen werden können. Auch bei einer so langen faktischen Trennung wie im vorliegenden Fall sei nicht unbedingt von einer irreversiblen Zerrüttung auszugehen. Verschiedenste Gründe hätten beide Parteien veranlassen können, diesen Zustand zu wählen. Die Frage, ob eine Ehe unwiderruflich zerbrochen sei, sollte nicht präjudiziell von der Verwaltung entschieden werden. Dies würde eine Beweisführung bedingen, welche zu Recht von den betroffenen Parteien als ungebührlich intrusiv empfunden würde. Die jetzige Lösung gemäss dem Kreisschreiben des seco diene der Rechtssicherheit (act. G 3).

    3. In der Replik vom 9. Dezember 2014 hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen fest. Der Sinn und Zweck der vorliegend relevanten Einschränkung des Bezugsrechts von Arbeitslosentaggeldern stehe im Zentrum der Fragestellung. Diese sei durch ein Missbrauchsrisiko begründet. Könne ein solches Missbrauchsrisiko aber nahezu ausgeschlossen werden, lasse sich die Verneinung eines Arbeitslosentaggeldanspruches nicht begründen. Es beständen keine Zweifel, dass ihre Ehe zum Zeitpunkt ihrer Arbeitslosigkeit irreversibel zerrüttet gewesen sei. Weitere Abklärungen seitens der Arbeitslosenkasse seien diesbezüglich nicht notwendig. Wenn die Beschwerdegegnerin argumentiere, dass bis zum Scheidungszeitpunkt eine vollkommene Umwälzung der Situation per definitionem nicht auszuschliessen sei – wohlgemerkt nach einer fünfjährigen Trennungsdauer mit einer aussergerichtlichen Trennungsvereinbarung, der Geburt eines Kindes mit einer neuen Partnerin, nach Einleitung eines Scheidungsverfahrens – sei dies vollkommen sinnentleert. Die Verwaltung habe nicht zu entscheiden, ob eine Ehe unwiderruflich zerbrochen sei, sondern sie habe zu entscheiden, ob ein gewisses Missbrauchsrisiko bestehe, welches einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausschliesse. Könne ein solches Missbrauchsrisiko nahezu ausgeschlossen werden, müsse die arbeitgeberähnliche Stellung ausgeschlossen werden und ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung sei zu bejahen (act. G 5).

    4. Mit Duplik vom 26. Januar 2015 verweist die Beschwerdegegnerin auf den Bundesgerichtsentscheid 8C_74/2011, welcher auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden sei. Offen gelassen habe das Bundesgericht einzig die Frage, ob mit zunehmender Dauer des Getrenntlebens das Missbrauchsrisiko verringert werde wegfalle und, bejahendenfalls, ab welchem Zeitpunkt trotz bestehender Ehe ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zugestanden werden könne. Im vorliegenden Fall bestehe aufgrund der Akten kein Grund, um eine Verringerung einen Wegfall des Missbrauchsrisikos anzunehmen. Die Tatsache eines Zusammenlebens mit einem neuen Partner und sogar die Geburt eines Kindes schlössen heutzutage keineswegs aus, dass eine bestehende Ehe wiederaufgenommen werde (act. G 7).

Erwägungen:

1.

    1. Gemäss Art. 31 Abs. 3 lit. c des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeits­ losenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0) haben Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. In BGE 123 V 234 ff. hat das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG, seit 1. Januar 2007: Bundesgericht) entschieden, dass Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG, obwohl dem Wortlaut nach nur auf Kurzarbeitsfälle zugeschnitten, auch im Bereich der Arbeitslosenentschädigung nach Art. 8 ff. AVIG anwendbar sei. Die betreffende Bestimmung diene der Vermeidung von Missbräuchen (Selbstausstellung von für Kurzarbeitsentschädigung notwendigen Bescheinigungen, Gefälligkeitsbescheinigungen, Unkontrollierbarkeit des tatsächlichen Arbeitsausfalls, Mitbestimmung Mitverantwortung bei der Einführung von Kurzarbeit u.ä. vor allem bei Arbeitnehmern mit Gesellschafts- sonstiger Kapitalbeteiligung in Leitungsfunktion des Betriebes). Weiter führte das EVG aus, Kurzarbeit könne nicht allein in einer Reduktion der täglichen, wöchentlichen monatlichen Arbeitszeit, sondern auch darin bestehen, dass ein Betrieb (bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis) für eine gewisse Zeit vollständig stillgelegt werde (100%-ige Kurzarbeit; Gerhard Gerhards, Kommentar zum

      Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], Bd. 1, Bern 1988, S. 383 f., N 21 der Vorbemerkungen zu Art. 31-41). In einem solchen Fall sei eine Arbeitnehmerin ein Arbeitnehmer mit arbeitgeberähnlicher Stellung nicht anspruchsberechtigt. Werde das Arbeitsverhältnis jedoch gekündigt, liege Ganzarbeitslosigkeit vor, und es bestehe unter den Voraussetzungen von Art. 8 ff. AVIG grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung. Dabei könne nicht von einer Gesetzesumgehung gesprochen werden, wenn der Betrieb geschlossen werde, das Ausscheiden der betreffenden Person mithin definitiv sei. Entsprechendes gelte für den Fall, dass das Unternehmen zwar weiterbestehe, die Arbeitnehmerin der Arbeitnehmer aber mit der Kündigung endgültig auch jene Eigenschaft verliere, derentwegen sie er bei Kurzarbeit auf Grund von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung ausgenommen wäre. Eine grundsätzlich andere Situation liege jedoch dann vor, wenn die Arbeitnehmerin der Arbeitnehmer nach der Entlassung die arbeitgeberähnliche Stellung im Betrieb beibehalte und dadurch die Entscheidungen des Arbeitgebers weiterhin bestimmen massgeblich beeinflussen könne (BGE 123 V 238 f. mit Hinweisen).

    2. Gemäss Art. 31 Abs. 3 lit. b AVIG hat auch der mitarbeitende Ehegatte der Arbeit­ gebenden wie jener der arbeitgeberähnlichen Person (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG) keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. Diese Bestimmung dient – genau wie Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG – der Verhinderung von Missbräuchen (vgl. dazu Gerhard Gerhards, a.a.O., N 36 und 43 zu Art. 31 AVIG sowie die Botschaft des Bundesrates in BBl 1980 III 531 und 591). Im Hinblick auf die eben erläuterten Hintergründe der mit BGE 123 V 234 ff. begründeten und seitdem in zahlreichen Entscheiden bestätigten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist klar, dass auch Art. 31 Abs. 3 lit. b AVIG im Bereich der Arbeitslosenentschädigung analog Anwendung finden muss (vgl. auch das Bundesgerichtsurteil vom 24. Dezember 2003, C 61/00, E. 1.1 mit Hinweisen; Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Juli 2005, E. 1.2 [AL. 2005.00289]; Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 7. Januar 2010, AVI 2009/71, E. 3).

    3. Bei (vormals) im Betrieb mitarbeitenden Ehegatten von Arbeitgebern besteht gemäss Rz B23 des Kreisschreibens des seco zur Arbeitslosenentschädigung (AVIG-

      Praxis ALE) ab Datum einer Scheidung, richterlichen Trennung vom Richter verfügter Eheschutzmassnahmen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.

    4. Im Entscheid C 179/05 vom 17. Oktober 2005 hielt das EVG im Fall einer Versicherten, die aus einer GmbH entlassen, deren Einzelprokura gelöscht worden war und die vorübergehend gerichtlich getrennt lebte, deren Ehegatte aber nach wie vor im Handelsregister als Gesellschafter und Geschäftsführer eingetragen war, Folgendes fest: Die Versicherte sei, auch wenn sie aus der Unternehmung entlassen und ihr Eintrag als Prokuristin mit Einzelprokura im Handelsregister gelöscht worden sei, Ehefrau einer arbeitgeberähnlichen Person und bleibe damit rechtsprechungsgemäss weiterhin vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschlossen. Dass die Ehegatten vorübergehend gerichtlich getrennt gelebt hätten, ändere daran nichts. Trotz der Trennung dauere die Ehe fort. Die Trennung bezwecke unter anderem, eine Wiedervereinigung offen zu halten, was in diesem Fall geschehen sei, wohne doch die Versicherte nach eigenen Angaben wieder bei ihrem Ehemann und arbeite erneut in dessen Betrieb. Der Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen und ihrer Ehegatten vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung sei absolut zu verstehen, weshalb es nicht möglich sei, den betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall Leistungen zu gewähren (E. 2).

    5. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hielt im Entscheid AL. 2006.00263 vom 19. März 2007 unter Bezugnahme auf den höchstrichterlichen Entscheid C 179/05 fest, dass am strengen Erfordernis der richterlichen Trennung für die Verneinung der arbeitgeberähnlichen Stellung nicht festgehalten werden könne. Dies gelte insbesondere, nachdem sich das Eheschutzverfahren mit dem neuen Scheidungsrecht zum vorgezogenen Scheidungsverfahren entwickelt habe, die eheerhaltende Funktion des Eheschutzverfahrens nicht mehr der Realität entspreche (Schwenzer in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel/Genf/München 2000, Allg. Einl., N 23) und sich das Trennungsverfahren als Mittel zur Überbrückung vorübergehender Ehekrisen nicht bewährt habe (Leuenberger, in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, a.a.O., Art. 117/118 ZGB, N 1). Dieser Auffassung hat sich das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen im Entscheid vom 21. Oktober 2009 (AVI 2008/53) angeschlossen: Ein gerichtlicher Trennungs- bzw. Eheschutzentscheid könne nicht in jedem Fall verlangt werden. Im Einzelfall könne etwa der Nachweis des

      Trennungswillens, der eine Wiedervereinigung aller Voraussicht nach ausschliesst, durch eigene Wohnungen und eine gütliche Regelung der Trennungsfolgen erbracht werden (E. 1.4; Entscheid bestätigt durch Urteil des Bundesgerichts vom 14. Januar 2010, 8C_1013/2009).

    6. Das Bundesgericht hat bisher offen gelassen, ob eine gerichtliche Trennung eine richterlich verfügte Eheschutzmassnahme – bei Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen – genügt, um eine Missbrauchsgefahr auszuschliessen und damit die Ausrichtung von Arbeitslosentaggeldern zuzulassen (vgl. Entscheid des Bundesgerichts vom 3. Juni 2011, 8C_74/2011, E. 5.3.1; Entscheid des Bundesgerichts vom 7. März 2011, 8C_1032/2010, E. 5.3; Entscheid des Bundesgericht vom 16. Dezember 2013, 8C_293/2013). Es hielt aber im Entscheid 8C_74/2011 fest, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Umstand, dass die Person, welche vormals im Betrieb des arbeitgeberähnlichen des arbeitgebenden Ehepartners mitgearbeitet habe, getrennt von diesem lebe, keinen Grund bilde, ihren Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zu bejahen (E. 5.3.1). Ausserdem könne weder eine erst später vollzogene Scheidung (oder eine gerichtliche Ehetrennung bzw. vom Gericht verfügte Eheschutzmassnahme) einen rückwirkenden Anspruch auf Arbeitslosentaggelder begründen, noch sei die Arbeitslosenkasse berechtigt verpflichtet, ab Anbeginn der faktischen Trennung (Vor-)Leistungen zu erbringen. Es seien verschiedene Motivationen für ein Getrenntleben denkbar, und es könne nicht Aufgabe der Arbeitslosenkasse sein, abzuklären, aus welchen Gründen ein Ehepaar getrennt lebe, ob die Ehe allenfalls zerrüttet sei wie die Chancen für eine Aufgabe des Getrenntlebens ständen. Zudem könne eine faktische Trennung nicht generell mit einem fehlenden Missbrauchsrisiko gleichgesetzt werden (E. 5.3.2).

2.

    1. Streitig und zu prüfen ist im vorliegenden Fall der Anspruch der

      Beschwerdeführerin auf Arbeitslosenentschädigung für die Zeit 9. Dezember 2013 bis

      16. Februar 2014.

    2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass kein Zweifel daran bestehe, dass

      ihre Ehe zum Zeitpunkt ihrer Arbeitslosigkeit irreversibel zerrüttet gewesen sei. Sie

      beruft sich dabei insbesondere auf die am 21. April 2009 unterzeichnete aussergerichtliche Trennungsvereinbarung, auf die Geburt des Kindes, welches der Ehemann mit einer neuen Partnerin habe, sowie auf die Einleitung des Scheidungsverfahrens am 14. Juli 2011 (vgl. G 1 S. 5 f.). Die Beschwerdeführerin hat im Beschwerdeverfahren glaubhaft dargelegt, dass eine Wiederaufnahme der Ehe zum Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit für sie nicht in Frage kam. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin seit November 2008 von C. getrennt lebt, wobei die Ehe mit Entscheid vom 21. Februar 2014 geschieden wurde (act. G 3.1 S. 90).

    3. Trotzdem ist es fraglich, ob die Beschwerdeführerin im Betrieb des Ehemannes tatsächlich keinerlei Einfluss mehr nehmen konnte bzw. ob dieser keine Gefälligkeits­ bescheinigungen mehr ausgestellt hätte. Über Jahre hat die Beschwerdeführerin im Betrieb des Ehemanns mitgearbeitet, wobei sie erst ab dem Jahr 2001 ein Monatsgehalt von Fr. 1'000.-- bzw. ab April 2009 Fr. 1'700.-- erhalten haben soll (act. G 3.1 S. 87 f.). Wenige Tage vor Einreichung der Scheidungsklage soll am 9. Juli 2011 ein Arbeitsvertrag unterzeichnet worden sein, welcher einen Monatslohn von Fr. 4'500.-- festhielt (act. G 3.1 S. 199), wobei in der Scheidungsklage vom 14. Juli 2011 noch behauptet wurde, der Ehemann weigere sich, einen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen (act. G 3.1 S. 88). Durch den Arbeitsvertrag seien sämtliche Unterhaltszahlungen hinfällig geworden (act. G 1 S. 5). Die fristlose Kündigung ist

vorliegend nicht verständlich bzw. es stellt sich die Frage, ob diese nicht abgesprochen wurde. So fällt auf, dass der Arbeitgeber schon am 2. Dezember 2013 eine Bestätigung "An die Arbeitslosenversicherung" ausstellte, wonach er ab sofort keine Lohnzahlungen mehr leisten könne (vgl. act G 3.1 S. 120). Schliesslich ist fraglich, ob C. im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung tatsächlich zahlungsunfähig war. Zwar lehnte die Bank im November 2013 eine saisonale Kontokorrent-Kreditlimitenerhöhung wegen Liquiditätsschwierigkeiten ab, weitere Angaben, die für eine Zahlungsunfähigkeit sprechen, liegen aber nicht vor. Zudem wurden die Löhne der Beschwerdeführerin bis zur fristlosen Kündigung jeweils ohne grosse Verspätung bezahlt (act. G 3.1 S. 121) und der Betrieb existiert bis heute. Gemäss Scheidungsvereinbarung verpflichtete sich sodann C. , der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 165 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) eine Entschädigung von Fr. 120'000.-- zu bezahlen und ihr eine güterrechtliche Ausgleichszahlung von Fr. 10'000.-- zu leisten (act. G 3.1

S. 92). Schliesslich wurde auch der Eintrag im Handelsregister (Kollektivzeichnungsberechtigung) erst per 6. März 2014 gelöscht (act. G 3.1 S. 111). Aufgrund dieser Sachlage ist ein gemeinsames Zusammenwirken im Hinblick auf die Beantragung von Arbeitslosenentschädigung nicht auszuschliessen bzw. gelingt der Beschwerdeführerin der mit der im Sozialversicherungsrecht üblichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu erbringende Beweis der Unmöglichkeit der Einflussnahme nicht. Daher ist ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für den Zeitraum vom 9. Dezember 2013 bis 16. Februar 2014 abzulehnen.

3.

    1. Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a des Bundesgesetzes über den

Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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