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Urteil Versicherungsgericht (SG - AVI 2014/14)

Zusammenfassung des Urteils AVI 2014/14: Versicherungsgericht

A. meldete sich am 8. Oktober 2013 arbeitslos und beantragte Arbeitslosenentschädigung im Rahmen eines 80%-Pensums. Die Kantonale Arbeitslosenkasse lehnte den Antrag ab, da A. die erforderliche Mindestbeitragszeit nicht nachweisen konnte. A. erhob Einspruch und argumentierte, dass er eine Anstellung mit 80% Pensum anstrebe und seine selbständige Tätigkeit im Nebenerwerb beibehalten wolle. Die Kasse wies den Einspruch ab, da A. die Selbständigkeit definitiv aufgeben müsste, um die Rahmenfrist zu verlängern. A. legte Beschwerde ein, betonte seine Vermittelbarkeit und flexiblen Arbeitsmöglichkeiten. Das Gericht entschied, dass A. Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat, da er bereit war, eine 80%-Stelle anzunehmen und seine Selbständigkeit im Haupterwerb aufgegeben hatte.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AVI 2014/14

Kanton:SG
Fallnummer:AVI 2014/14
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:AVI - Arbeitslosenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid AVI 2014/14 vom 15.04.2015 (SG)
Datum:15.04.2015
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 9a Abs. 2 AVIG. Verlängerung der Rahmenfrist für die Beitragszeit nach Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit im Haupterwerb. Dies trotz Weiterführung einer 20%igen Selbständigkeit im Nebenerwerb, welche schon vor dem Wechsel zur selbständigen Erwerbstätigkeit im Haupterwerb bestand (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom
Schlagwörter: ändig; Arbeit; Erwerbstätigkeit; Rahmenfrist; Anspruch; Arbeitslosenentschädigung; Beitragszeit; Nebenerwerb; Arbeitslosenversicherung; Haupterwerb; Pensum; Selbständigkeit; Bundesgericht; Bundesgerichts; Antrag; Verfügung; Person; Urteil; Aufgabe; Einsprache; Anspruchs; Anmeldung; üsse
Rechtsnorm: Art. 13 AVIG;Art. 15 AVIG;Art. 71d AVIG;Art. 9 AVIG;Art. 9a AVIG;
Referenz BGE:123 V 234; 133 V 85;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AVI 2014/14

15. April 2015, AVI 2014/14).Aufgehoben durch Urteil des Bundesgerichts 8C_367/2015.Vizepräsidentin Marie-Theres Rüegg Haltinner, Versicherungsrichter Joachim Huber,Versicherungsrichterin Lisbeth Mattle Frei; Gerichtsschreiberin Jeannine BodmerEntscheid vom 15. April 2015in SachenA. ,Beschwerdeführer,gegenKantonale Arbeitslosenkasse, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,Beschwerdegegnerin,betreffendArbeitslosenentschädigung (Rahmenfristen)Sachverhalt:

A.

    1. A. meldete sich am 8. Oktober 2013 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zur Arbeitsvermittlung an (act. G 3.1.55) und stellte ab demselben Datum bei der Kantonalen Arbeitslosenkasse Antrag auf Arbeitslosenentschädigung im Rahmen eines 80%-Pensums (act. G 3.1.72). Vom

      1. Dezember 2006 bis 30. September 2011 war er in einem Teilpensum von 85% im B. als Gruppenleiter angestellt (act. G 3.1.53) und danach im Hauptberuf selbständig erwerbend gewesen. Auf seiner Anmeldung bei der

      Arbeitslosenversicherung gab er an, er wolle nun die selbständige Erwerbstätigkeit vom Haupterwerb in den Nebenerwerb wechseln (act. G 3.1.72 f.). Mit Schreiben vom 9. Oktober 2013 bestätigte die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (SVA), dass der Versicherte bei ihr seit 1. Dezember 2006 als Selbständigerwerbender im

      Nebenerwerb, ab 1. Oktober 2011 im Haupterwerb und seit 1. Oktober 2013 wieder im

      Nebenerwerb erfasst sei (act. G 3.1.70).

    2. Mit Verfügung vom 23. Oktober 2013 lehnte die Arbeitslosenkasse den Antrag des Versicherten auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 8. Oktober 2013 ab. Für die Eröffnung einer Rahmenfrist für den Leistungsbezug müsse er entweder eine Mindestbeitragszeit von zwölf Monaten im Zeitraum vom 8. Oktober 2011 bis 7. Oktober 2013 nachweisen einen Grund für die Befreiung von der Beitragszeit geltend machen. Aus seinem Antrag gehe jedoch hervor, dass er in der für ihn geltenden Rahmenfrist für die Beitragszeit keine Beitragszeiten nachweisen könne. Auch sei ersichtlich, dass er keinen Befreiungsgrund geltend machen könne. Die Rahmenfrist für die Beitragszeit von Versicherten, die den Wechsel zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit ohne Bezug von Leistungen vollzogen hätten, könne um die Dauer der selbständigen Erwerbstätigkeit, höchstens jedoch um zwei Jahre verlängert werden. Für eine solche Verlängerung sei gemäss Rechtsprechung die definitive Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit erforderlich. Der Versicherte habe die selbständige Tätigkeit jedoch als Nebenerwerb beibehalten (act. G 3.1.41).

B.

    1. Gegen diese Verfügung erhob der Versicherte am 29. Oktober 2013 Einsprache. Er stellte das Rechtsbegehren, die Rahmenfrist für die Beitragszeit sei zu verlängern und seinem Antrag auf Arbeitslosenentschädigung vom 8. Oktober 2013 sei zu

      entsprechen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass sein aktueller Status bei der SVA demjenigen entspreche, wie er ihn vor Aufgabe seiner Angestelltentätigkeit mit einem Pensum von 80% innegehabt habe. Entsprechend strebe er erneut eine Anstellung mit einem 80%-Pensum an. Dieses wolle er in Absprache mit einer neuen Arbeitgeberin mit einer fortgesetzten selbständigen Tätigkeit von 20% vereinbaren, so wie er es schon seit Jahren in wechselnden Relationen handhabe. Bezüglich des absoluten Zeitaufwands umfasse - wie schon vor dem 1. Oktober 2013 - seine selbständige Tätigkeit effektiv deutlich weniger als ein 20%-Pensum. Zudem habe er seit dem Antrag auf Arbeitslosenentschädigung bereits in erheblichem Ausmass Zeit und Engagement für seine Stellensuche aufgewandt. Schliesslich könne es nicht im Sinne der Arbeitslosenversicherung sein, wenn er seine freiberuflichen Aufträge

      vollumfänglich aufgeben würde, da er diese selbstverständlich als Zwischenverdienst angebe und so nicht die meiste Zeit beschäftigungslos zu Hause rumsitzen müsse. Gestützt auf ein Urteil des Bundesgerichts vom 28. März 2011 (8C_966/2010) betreffend den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung eines Psychologen in vergleichbarer Situation seien die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung daher als erfüllt zu betrachten (act. G 3.1.15).

    2. Mit Einspracheentscheid vom 13. Februar 2014 wies die Kantonale Arbeitslosenkasse die Einsprache ab. Damit die Voraussetzungen für die Verlängerung der Rahmenfrist für die Beitragszeit gegeben seien, müsse die selbständige Erwerbstätigkeit definitiv aufgegeben werden. Bei der vorliegenden Sachlage mit Weiterführung der selbständigen Tätigkeit im Nebenerwerb bleibe ein Missbrauchsrisiko bestehen. Da der Status der Selbständigkeit im Nebenerwerb faktisch die Möglichkeit biete, das Pensum wieder auszudehnen, behalte die versicherte Person jegliche unternehmerische Dispositionsfreiheit, weshalb eine Rahmenfristverlängerung nicht zulässig sei. Daran habe das Bundesgericht in einem kürzlich ergangene Urteil vom 28. Mai 2013 (8C_925/2012) festgehalten. Darauf sei abzustellen (act. G 3.1.11 ff.).

C.

    1. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 18. März 2014 mit dem Antrag, der angefochtene Einspracheentscheid vom 13. Februar 2014 und die Verfügung vom 23. Oktober 2013 seien aufzuheben und dem Antrag auf Arbeitslosenentschädigung vom 8. Oktober 2013 sei zu entsprechen. Zur Begründung macht der Beschwerdeführer geltend, er sehe aus der von der Beschwerdegegnerin zitierten Rechtsprechung keine Vergleichbarkeit mit der Situation, wie sie sich bei ihm zeige. Vielmehr handle es sich bei jenen Fällen um Personen, die aus einer Unternehmerposition bzw. einer arbeitgeberähnlichen Position heraus einen Antrag auf Arbeitslosenentschädigung stellen würden. Dies sei bei ihm eindeutig nicht der Fall. Dagegen liege der von ihm zitierte Entscheid des Bundesgerichts viel näher an seiner Ausgangssituation. Dort versuche sich ein Psychologe mit der Selbständigkeit im Haupterwerb. Nach gut einem Jahr gebe er dieses Vorhaben wieder auf und bemühe sich um eine Anstellung im früheren Rahmen von 50%, wobei er im Nebenerwerb

      selbständig tätig bleibe. Seine eigene Vermittelbarkeit sei im Rahmen eines 80%- Pensums durch seine selbständige Tätigkeit in keiner Weise eingeschränkt. In jedem Fall könne er sein selbständiges Engagement sehr flexibel und ohne Vertragsverletzungen an die Erfordernisse einer Angestelltentätigkeit anpassen. Dies habe er in der Vergangenheit bereits mehrmals getan, wenn es die Umstände erfordert hätten. Dass er seine selbständige Erwerbstätigkeit offensichtlich nicht mehr "mit dem Ziel dauernder wirtschaftlicher und unternehmerischer Unabhängigkeit" ausübe, sollte ebenfalls deutlich geworden sein. Da die Nachfragesituation in seinem Tätigkeitsbereich eine Ausdehnung gar nicht zulasse, bestehe auch objektiv keine Möglichkeit, sein Pensum nach Belieben zu erhöhen. Zudem entspreche seine Tätigkeit im Grunde genau dem "Selbständigen Zwischenverdienst", wie ihn der Ratgeber "Selbständig werden - Selbständigkeit und Arbeitslosenversicherung" des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich erwähne. Dieser führe aus, dass selbständiger Zwischenverdienst der Schadenminderung diene. Zudem habe er auch seine Personalberaterin beim RAV über seinen selbständigen Zwischenverdienst informiert. Er habe sich von ihr darin bestärkt gesehen, diese Tätigkeit im Sinne eines selbständigen Zwischenverdienstes weiter auszuüben. Sie habe ihn auch nicht darauf hingewiesen, dass er damit seinen Anspruch auf Rahmenfristverlängerung gefährde. Andernfalls hätte er mit ihr beraten, wie er mit seinen bestehenden Aufträgen umgehen solle, um seinen Leistungsanspruch nicht zu gefährden. Folglich tauche auch kein entsprechender Hinweis in der "Vereinbarung über Arbeitsbemühungen" auf, weshalb er sich auf den öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutz berufe. Im Übrigen stelle sich die Frage, nach welchen Kriterien in seinem Falle letztlich zu prüfen sei, dass er die Selbständigkeit definitiv und vollständig aufgegeben habe. Er habe keine Geschäftsräume aufzulösen, keine Mitarbeiter zu entlassen, keine Registereinträge zu löschen und kein Inventar zu veräussern. Auf aktive Akquisition verzichte er bereits. Letztlich hiesse es, er müsse auf sämtlichen Zwischenverdienst verzichten und seine eingegangenen freiberuflichen Verpflichtungen aufkündigen. Aber selbst dann könne ihm noch unterstellt werden, dass er ja theoretisch jederzeit wieder ein freiberufliches Angebot annehmen könnte (act. G 1).

    2. Mit Beschwerdeantwort vom 9. Mai 2014 beantragte die Beschwerdegegnerin unter Verweis auf den Einspracheentscheid die Abweisung der Beschwerde. Hinsichtlich des Vorwurfs der ungenügenden Beratung führte sie aus, dass der

      Beschwerdeführer sein Erstgespräch am 15. Oktober 2013 gehabt habe. Gemäss seinen eigenen Angaben sei ihm dort keine genügende Information geboten worden. In der Verfügung vom 23. Oktober 2013 sei klar und eindeutig ausgeführt worden, dass für die Geltendmachung des Anspruchs und die Verlängerung der Rahmenfrist für die Beitragszeit die definitive Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit erforderlich sei. Dieser Satz gebe keinen Platz für Zweideutigkeiten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte sich der Beschwerdeführer für allfällige ergänzende Erklärungen an die Arbeitslosenkasse wenden können. Dies sei jedoch nicht geschehen bzw. nicht aktenkundig. Eine fehlende mangelhafte Information seitens der Ausführungsorgane sei nicht auszumachen (act. G 3).

    3. Mit Eingabe vom 27. Mai 2014 verzichtete der Beschwerdeführer auf eine Replik (act. G 5).

Erwägungen:

1.

    1. Streitig und zu prüfen ist vorliegend die Frage, ob der Beschwerdeführer Anspruch

      auf Arbeitslosenentschädigung hat.

    2. Nach Art. 8 Abs. 1 lit. e des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0) hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wer unter anderem die Beitragszeit erfüllt hat von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist. Die Beitragszeit erfüllt hat laut Art. 13 Abs. 1 AVIG, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist (Art. 9 Abs. 3 AVIG) während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.

    3. Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginnt mit dem ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Rahmenfrist für die Beitragszeit beginnt zwei Jahre vor diesem Tag (Art. 9 Abs. 2 und 3 AVIG). Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug von Versicherten, die den Wechsel zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit ohne Bezug von Leistungen nach den Artikeln 71a -71dAVIGvollzogen haben, wird nach Art. 9a Abs. 1 AVIG um zwei Jahre verlängert, wenn im Zeitpunkt der

Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug läuft (lit. a) und der Versicherte im Zeitpunkt der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit die Anspruchsvoraussetzung der genügenden Beitragszeit wegen Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht erfüllt (lit. b). Die Rahmenfrist für die Beitragszeit von Versicherten, die den Wechsel zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit ohne Bezug von Leistungen vollzogen haben, wird um die Dauer der selbständigen Erwerbstätigkeit, höchstens jedoch um zwei Jahre verlängert (Art. 9a Abs. 2 AVIG).

2.

    1. Vorliegend ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer für die Rahmenfrist vom

      8. Oktober 2011 bis zum 7. Oktober 2013 nicht über genügend Beitragszeiten verfügt. Zu prüfen ist deshalb, ob ihm die Rahmenfrist nach Art. 9a Abs. 2 AVIG um die Dauer der selbständigen Tätigkeit rückwärts bis längstens 8. Oktober 2009 verlängert werden kann.

    2. Während sich die Beschwerdegegnerin darauf beruft, der Beschwerdeführer habe die selbständige Erwerbstätigkeit nicht definitiv aufgegeben, was einer Rahmenfristverlängerung entgegenstehe, verweist der Beschwerdeführer darauf, dass mit der Weiterführung der selbständigen Tätigkeit als Nebenerwerb wie früher die Verlängerung der Rahmenfrist zulässig sei.

    3. Gemäss der Aufstellung des Beschwerdeführers über seine berufliche Laufbahn arbeitete er ab 1988 als Sozialpädagoge im Sozialpsychiatrischen Dienst für das Landratsamt C. zu 100% und ab Juli 1997 bis 2003 in einem Pensum von 50%. In den Jahren 2003 bis 2006 war er im Rahmen von 30% für das Kinderzentrum D. tätig (act. G 1.2). Nach dem Umzug in die Schweiz trat er am 1. Dezember 2006 eine Anstellung als Gruppenleiter in der Abteilung Wohnheim für Erwachsene im B. mit einem Pensum von 85% an (act. G 3.1.66). Diese Stelle kündigte er per 30. September 2011 (act. G 3.1.58), um sich im Haupterwerb selbständig zu machen. Gemäss der Bestätigung der SVA vom 9. Oktober 2013 hatte er seit 1. Dezember 2006 in der Schweiz parallel zu seiner Angestelltentätigkeit eine selbständige Erwerbstätigkeit im Nebenerwerb ausgeübt. Ab 1. Oktober 2011 liess er sich als Selbständigerwerbender im Haupterwerb erfassen und per 1. Oktober 2013 wieder als solcher im Nebenerwerb

      (act. G 3.1.70). Es steht weiter fest, dass der Beschwerdeführer den Wechsel zur selbständigen Tätigkeit im Sinne von Art. 9a Abs. 2 AVIG ohne Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung vollzog (vgl. auch act. G 1.7 S. 2).

    4. Der Gesetzgeber trägt dem Umstand eines möglichen späteren Scheiterns der selbständigen Erwerbstätigkeit in Art. 9a AVIG mittels einer Verlängerung der Rahmenfrist Rechnung. Art. 9a AVIG erfasst Personen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ohne Unterstützung der Arbeitslosenversicherung aufgenommen und wieder definitiv aufgegeben haben und bei (Wieder-)Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung die Mindestbeitragszeit im Sinne von Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG nicht erfüllen. Wie Art. 71d Abs. 2 AVIG trägt

      Art. 9a AVIG dem erhöhten Risiko Rechnung, welches mit der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit verbunden ist. Nach der ratio legis soll die Tatsache allein, dass auf Grund einer nicht beitragswirksamen (vgl. Art. 3a Abs. 1 AVIV) selbständigen Erwerbstätigkeit keine genügende Beitragszeit generiert werden konnte, bei (Wieder-)Anmeldung zum Taggeldbezug den Anspruch nicht ausschliessen (Urteil des Bundesgerichts vom 9. März 2012, 8C_951/2011, E. 4.2, und BGE 133 V 85 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen).

    5. Im Entscheid vom 28. März 2011, 8C_966/2010, E. 2, führte das Bundesgericht aus, in der Regel seien andauernd selbständig erwerbende Personen von vornherein vom Arbeitslosentaggeldbezug ausgeschlossen: Die Anwendung der Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 234, wonach eine Überprüfung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung unter dem Gesichtspunkt der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung möglich sein müsse, rechtfertige sich gleichermassen bei selbständig Erwerbstätigen, welche sich zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung anmeldeten. Dabei sei massgebend, ob der Status des Selbständigerwerbenden mit dem Ziel dauernder wirtschaftlicher und unternehmerischer Unabhängigkeit aufgenommen und beibehalten werde (Urteile C 9/05 vom 21. Dezember 2005 E. 2.3; 8C_49/2009 vom 5. Juni 2009 E. 4.3, in: ARV 2009 S. 336). Die Dauerhaftigkeit der selbständigen Erwerbstätigkeit sei insofern von Bedeutung, als sie allenfalls die Vermittlungsfähigkeit (vgl. Art. 15 AVIG) in Frage stelle. Sie sei indessen keine negative Anspruchsvoraussetzung, bei deren Vorliegen ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung von vornherein ausgeschlossen wäre. Übe eine versicherte

Person während ihrer Arbeitslosigkeit eine selbständige Erwerbstätigkeit aus, sei die Vermittlungsfähigkeit nur solange gegeben, als die selbständige Erwerbstätigkeit ausserhalb der normalen Arbeitszeit ausgeübt werden könne. Übe die versicherte Person nach ihrer Kündigung eine selbständige Tätigkeit im Haupterwerb aus, sei ihre Vermittlungsfähigkeit nicht gegeben. Reduziere sie später ihre selbständige Erwerbstätigkeit auf das Mass von früher, als sie noch Arbeitnehmerin gewesen sei, gebe sie damit den Status der Selbständigerwerbenden im Haupterwerb auf und mutiere zur Selbständigerwerbenden im Nebenerwerb, womit ihre Vermittlungsfähigkeit gegeben sei (vgl. Hinweis auf das Bundesgerichtsurteil vom 25. September 2009, 8C_79/2009, E. 4 und 5, in: ARV 2009 S. 339).

3.

    1. Vorliegend kündigte der Beschwerdeführer seine unselbständige Erwerbstätigkeit im B. per 30. September 2011 (act. G 3.1.58) mit dem Ziel, eine wirtschaftlich tragfähige, auf Dauer ausgerichtete Selbständigkeit aufzunehmen. In der Folge meldete er sich bei der SVA als Selbständigerwerbender im Haupterwerb an und betätigte sich sodann als selbständig erwerbender Heilpädagoge im Bereich Praxisbegleitung und Fortbildung (act. G 1.8 ff., 3.1.33 f.). Als er nach eigenen Angaben gemerkt habe, dass sein Konzept auf die Dauer nicht aufgehe, habe er sich entschlossen, seine Selbständigkeit im Haupterwerb wieder aufzugeben und sich um eine Anstellung zu bemühen. Als Gründe für die Aufgabe der haupterwerblichen Selbständigkeit legte er offen, dass seine Zusammenarbeit mit dem ISBB (Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter) in einem Projekt gleich zu Beginn auf Grund von persönlichen Schwierigkeiten mit dem Institutsverantwortlichen gescheitert sei, so dass er seine Mitarbeit bis auf ein eintägiges Engagement als Fachreferent habe einstellen müssen. Weiter habe sich eine Nachfrage in der Deutschschweiz für sein Beratungsangebot entgegen seinen Erwartungen so gut wie gar nicht entwickelt. Zwar habe sich die Nachfrage nach seinen Fachkursen in Deutschland und Österreich reaktivieren, jedoch habe auch sie sich nicht beliebig weiter steigern lassen (act. G 1 Ziff. 1.6). Wie vor dem Beginn der Selbständigkeit im Hauptberuf führte der Beschwerdeführer auch nach Anmeldung bei der Beschwerdegegnerin am 8. Oktober 2013 seine selbständige Erwerbstätigkeit im Rahmen von ca. 20% weiter und stellte sich demzufolge dem Arbeitsmarkt als Arbeitnehmer im Umfang von 80% zur Verfügung (vgl. act. G 3.1.72).

      Am 8. Oktober 2013 liess er sich ausserdem bei der SVA als selbständig erwerbend im Nebenerwerb erfassen (act. G 3.1.62). Weiter ist dem Formular "Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen" für den Oktober 2013 zu entnehmen, dass er sich in diesem Monat schriftlich auf vier Stellen beworben hat (act. G 3.1.25), die durchaus seinem beruflichen Profil entsprachen (vgl. act. G 3.1.22 ff., 3.1.31). Damit kam er seiner Verpflichtung bezüglich der Anzahl zu erbringender Arbeitsbemühungen gemäss der Vereinbarung über Arbeitsbemühungen mit dem RAV vom 15. Oktober 2013 grundsätzlich in genügender Weise nach (act. G 3.1.30). Schliesslich ist seiner Aufstellung über die in selbständiger Tätigkeit geleisteten 255.25 Arbeitsstunden im Jahr 2013 zu entnehmen, dass die selbständige Nebenerwerbstätigkeit in etwa ein Arbeitspensum von 11.65% einer Vollzeitbeschäftigung ausmachte. Selbst wenn die Anzahl Arbeitsstunden pro Jahr in Höhe von 2'191.5 Stunden in der Berechnung des Beschwerdeführers eher etwas hoch erscheint, ergäbe sich unter Berücksichtigung der geleitsteten Arbeitsstunden auch bei einer durchschnittlichen Jahresarbeitszeit von 1'898 Stunden (vgl. Jährliche Normalarbeitszeit der Vollzeitarbeitnehmenden, Bundesamt für Statistik 2013, Männer) immer noch "lediglich" ein Pensum von 13%. Damit erscheint es plausibel, dass sich der Beschwerdeführer um eine Festanstellung im Umfang von 80% bemüht, zumal eine erneute Ausdehnung der selbständigen Erwerbstätigkeit weder in Frage kommt noch möglich erscheint.

    2. Zwar ist der Beschwerdegegnerin insofern zuzustimmen, als der Beschwerdeführer sich wohl durch den Umstand, dass es ihm nicht gelang, eine wirtschaftlich tragfähige Selbständigkeit aufzubauen, zur Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung gezwungen sah und die Arbeitslosenversicherung nicht die Abdeckung von Unternehmensrisiken bezweckt, wozu auch ein zu geringes Einkommen auf Grund entgangener Aufträge gehört (Urteil des Bundesgerichts vom 5. Juni 2009, 8C_49/2009, E. 4 in: ARV 2009 S. 336). Entscheidend ist aber - sowohl unter den Aspekten der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung als auch der Vermittlungsfähigkeit -, ob er weiterhin den Ausbau einer auf Dauer angelegten Selbständigkeit anstrebte bereit war, sich im angegebenen Umfang um eine Arbeitnehmertätigkeit zu bemühen. In die Beurteilung ist sein gesamtes Verhalten und seine effektive Bereitschaft, eine zumutbare Arbeit anzunehmen, mit einzubeziehen. Dabei ist grundsätzlich unbeachtlich, ob es sich bei der Haupterwerbstätigkeit um ein 100%-Pensum ein Teilpensum von 80% handelt (vgl. Urteile des Bundesgerichts

      vom 25. September 2009, 8C_79/2009, und vom 28. März 2011, a.a.O.). Massgeblich ist einzig, ob der Beschwerdegegner während der ganzen Zeit seiner Arbeitslosigkeit intensiv eine seinen Fähigkeiten und Erfahrungen angepasste Stelle sucht. Vorliegend ist gestützt auf die Aktenlage festzuhalten, dass das Bestreben des Beschwerdeführers nicht mehr dem Aufbau einer auf Dauer ausgerichteten selbständigen Erwerbstätigkeit galt, sondern er seit seiner Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung seine selbständige Erwerbstätigkeit im Haupterwerb wieder aufgegeben hatte, weshalb auch unter dem Gesichtspunkt der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zu bejahen ist. Daran ändert auch die weitergeführte selbständige Erwerbstätigkeit im Nebenerwerb nichts. So bestreitet auch die Beschwerdegegnerin nicht, dass es dem Beschwerdeführer möglich ist, die selbständige Erwerbstätigkeit ausserhalb der Arbeitszeit, in der er sich dem Arbeitsmarkt als Arbeitnehmer zur Verfügung stellt, auszuüben und dass er bereit und in der Lage ist, sich im Umfang von 80% um Arbeitsstellen zu bemühen. Zusammenfassend ist der Beschwerdeführer unter Aufgabe seines Ziels, mit der selbständigen Erwerbstätigkeit eine dauernde wirtschaftliche und unternehmerische Unabhängigkeit zu erreichen, bereit und in der Lage, eine ca. 80%ige Stelle als Arbeitnehmer anzunehmen.

    3. Demgegenüber behandelt der von der Beschwerdegegnerin beigezogene Bundesgerichtsentscheid vom 28. Mai 2013, 8C_925/2012, einen anderen Sachverhalt. So stand dort fest, dass der betreffende Versicherte seit Jahrzehnten als Selbständigerwerbender zumindest als arbeitgeberähnliche Person tätig war. Aus seinem beruflichen Werdegang ging hervor, dass der Status des Selbständigerwerbenden durchwegs beibehalten worden war. Trotz der Abmeldung bei der AHV-Ausgleichskasse als Selbständigerwerbender im Haupterwerb, habe daher zu jeder Zeit faktisch die Möglichkeit bestanden, die in diesem Zeitpunkt nebenerwerblich ausgeübte Selbständigkeit durch Pensumserhöhung wieder auszudehnen. Damit habe der Versicherte jegliche unternehmerische Dispositionsfreiheit behalten, was zumindest das Risiko eines Missbrauchs der Arbeitslosenversicherung in sich geborgen habe. Das Missbrauchsrisiko sei durchaus vorhanden gewesen, zumal bis zum Datum des höchstrichterlichen Entscheids sein Postfach und seine Telefonnummer auf der Webseite der GmbH angegeben gewesen seien (E. 5.4). Damit musste in jenem

      Entscheid das Risiko des Missbrauchs der Arbeitslosenversicherung auf Grund der Gesamtumstände bejaht werden.

    4. Unter diesen Umständen ist der Vorwurf des Beschwerdeführers, er sei von der RAV-Beraterin ungenügend über die Notwendigkeit einer vollständigen Aufgabe seiner selbständigen Erwerbstätigkeit aufgeklärt worden, weshalb ein Anspruch aus Vertrauensschutz bestehe, nicht weiter zu prüfen.

4.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen und der angefochtene Einspracheentscheid vom 13. Februar 2014 aufzuheben. Die Sache ist sodann zur ergänzenden Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ab 8. Oktober 2013 und zur neuen Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:

  1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom 13. Februar 2014 aufgehoben und die Sache zur Prüfung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen im Sinne der Erwägungen sowie zur neuen Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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