Zusammenfassung des Urteils AVI 2012/17: Versicherungsgericht
Der Beschwerdeführer hatte im Juli 2011 einen Zwischenverdienst bei der B. GmbH, was zu einer Rückforderung der Arbeitslosenkasse führte. Der Beschwerdeführer konnte die offene Lohnforderung nicht eintreiben und verzichtete auf weitere rechtliche Schritte. Die Verwaltung beharrte jedoch auf der Rückzahlung des zu Unrecht bezogenen Betrags. Das Gericht entschied, dass die Rückforderung rechtens sei, da der ursprüngliche Taggeldbezug auf falschen Angaben basierte. Die Beschwerde wurde abgewiesen, ohne Gerichtskosten zu erheben.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AVI 2012/17 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AVI - Arbeitslosenversicherung |
Datum: | 26.02.2013 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 95 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 ATSG. Rückerstattung von Taggeldern. Revision. Auf Grund eines nachtäglich gerichtlich festgestellten höheren Lohnanspruchs (Zwischenverdienstes) ergaben sich entsprechend geringere Kompensationsleistungen. Der höhere Zwischenverdienst ist selbst dann anzurechnen, wenn die Arbeitgeberin ihren Verpflichtungen nicht vollumfänglich nachgekommen ist, bilden doch Ansprüche für bereits geleistete Arbeit Gegenstand der Insolvenzentschädigung (worauf der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren hingewiesen wurde (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St.Gallen vom 26. Februar 2013, AVI 2012/17). |
Schlagwörter: | Arbeit; Verfügung; Zwischenverdienst; Gallen; Konkurs; Arbeitgeber; Entscheid; Arbeitgeberin; Leistung; Abrechnung; Rückforderung; Revision; Verfügungen; Recht; Arbeitslosenkasse; Kontrollperiode; Ferienentschädigung; Betrag; Erlass; Urteil; Kreisgericht; Kreisgerichts; Einsprache; Kasse |
Rechtsnorm: | Art. 25 ATSG ;Art. 53 ATSG ;Art. 53 AVIG;Art. 55 AVIG;Art. 95 AVIG; |
Referenz BGE: | 125 V 476; 129 V 110; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 26. Februar 2013 in Sachen
,
Beschwerdeführer, gegen
Kantonale Arbeitslosenkasse, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend
Rückerstattung von Taggeldleistungen (Zwischenverdienst)
Sachverhalt:
A.
A. meldete sich am 16. Februar 2011 zur Arbeitsvermittlung beim RAV an (act. G 3.1/3). In der Folge arbeitete er unter anderem in den Kontrollperioden Juli und August 2011 bei der B. GmbH im Zwischenverdienst. Aus der Lohnabrechnung für den Juli 2011 sowie der Bescheinigung über Zwischenverdienst ging hervor, dass der Versicherte in dieser Kontrollperiode einen Zwischenverdienst von Fr. 1'964.15 (inkl. Ferienentschädigung) erzielt hatte (act. G 3.1/46). Die Arbeitslosenkasse St. Gallen rechnete für die genannte Kontrollperiode einen Zwischenverdienst von Fr. 1'813.10 an (exkl. Ferienentschädigung [Fr. 1'964.15 : 108,33 x 100]) und zahlte eine Entschädigung von Fr. 1'321.-- aus (Abrechnung vom 11. August 2011 [act. G 3.1/47]).
Mit Einzelrichterentscheid des Kreisgerichts St. Gallen vom 2. November 2011 wurde dem Versicherten u.a. für den Monat Juli 2011 ein Lohn von Fr. 2'673.20 (brutto) zugesprochen (act. G 3.1/63). In der Folge korrigierte die Arbeitslosenkasse die Abrechnung für diese Kontrollperiode und rechnete nun mit einem Zwischenverdienst von Fr. 2'467.65 (exkl. Ferienentschädigung [Fr. 2'673.20 : 108,33 x 100]). Dies ergab eine Rückforderung von Fr. 475.40, die sie mit Verfügung vom 16. Januar 2012 beim Versicherten geltend machte (act. G 3.1/71 und 77). Die dagegen erhobene Einsprache vom 19. Januar 2012, mit welcher der Versicherte im Wesentlichen geltend machte, die Arbeitgeberin habe die offene Lohnforderung noch immer nicht beglichen und eine weitere Verfolgung des Anspruchs sei zu aufwändig, wies die Kasse mit Entscheid vom 7. Februar 2012 ab (act. G 3.1/80 f.).
B.
Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 23. Februar 2012 (Datum Poststempel) mit dem sinngemässen Antrag auf Aufhebung der Rückforderungsverfügung. Der Beschwerdeführer habe von der B. GmbH bis jetzt kein Geld erhalten. Für die Weiterführung der Betreibung der Arbeitgeberin wären weitere Vorschüsse von Fr. 2'500.-- angefallen, wofür das Geld fehle. Er habe deshalb von einer weiteren Verfolgung seiner Ansprüche abgesehen (act. G 1).
Mit Beschwerdeantwort vom 2. April 2012 beantragt die Verwaltung Abweisung der Beschwerde, da auf den von der Arbeitgeberin zu zahlenden Betrag abzustellen sei. Dies selbst dann, wenn sie effektiv noch nicht gezahlt habe (act. G 3).
Mit Replik vom 11. Mai 2012 (Postaufgabe: 16. Mai 2012) macht der Beschwerdeführer nochmals geltend, dass er die für die Konkursbetreibung notwendigen Fr. 2'500.-- nicht aufbringen könne und ihm - da er nunmehr eine feste Arbeitsstelle habe - auch die Zeit fehlen würde, um die Gerichtstermine in St. Gallen wahrnehmen zu können (act. G 5). Die Beschwerdegegnerin verzichtet auf eine Duplik (act. G 7).
Erwägungen:
1.
Nach Art. 95 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Eine Leistung in der Sozialver sicherung ist nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur zurückzuerstatten, wenn in verfahrensrechtlicher Hinsicht entweder die für die (prozessuale) Revision die für die Wiedererwägung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind in Art. 53 Abs. 1 und 2 ATSG umschrieben. Gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG müssen formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war. Nach Art. 53
Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Den formell rechtskräftigen Verfügungen gleichgestellt sind auch die im formlosen Verfahren ergangenen Entscheide, soweit sie eine mit dem Ablauf der Beschwerdefrist bei formellen Verfügungen vergleichbare Rechtsbeständigkeit erreicht haben (Ueli Kieser, ATSG- Kommentar, 2. Auflage, Art. 53 N 28b). Taggeldabrechnungen der Arbeitslosenversicherung, die – wie im vorliegenden Fall – nicht in die Form einer formellen Verfügung gekleidet werden, weisen materiell Verfügungscharakter auf (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; seit dem 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] C 7/02 vom 14. Juli 2003, BGE 125 V 476 E. 1; 122 V 368 E. 2 mit Hinweisen). Sind formell formlos zugesprochene Leistungen noch nicht rechtskräftig geworden, kann die Verwaltung innert 30 Tagen darauf zurückkommen, ohne dass - wie dies im Falle des Zurückkommens auf rechtskräftige Verfügungen der Fall ist - die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung Revision erfüllt sein müssen. Die Frist von 30 Tagen läuft ab Erlass der zu berichtigenden Verfügung ab Leistungsausrichtung (vgl. Kreisschreiben über Rückforderung, Verrechnung, Erlass und Inkasso [KS-RVEI], April 2008, Rz A2 ff.). Zu einem späteren Zeitpunkt bedarf demnach das Zurückkommen auf eine faktische Verfügung, z.B. auf eine Taggeldabrechnung, eines Rückkommenstitels in Form einer Wiedererwägung einer prozessualen Revision (BGE 129 V 110).
Vorliegend erfolgte die Ausrichtung der fraglichen Taggeldleistungen mit Abrechnung vom 11. August 2011. Nachdem die Beschwerdegegnerin ihre Rückforderung gegenüber dem Beschwerdeführer erst mit Verfügung vom 16. Januar 2012 geltend machte, braucht sie dafür einen Rückkommenstitel.
2.
Vorliegend ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer im Juli 2011 bei der B. GmbH einen Zwischenverdienst von Fr. 2'673.20 bzw. Fr. 2'467.65 (exkl. Ferienentschädigung) erzielt hat (vgl. Entscheid des Kreisgerichts St. Gallen [act.
G 3.63]). Mithin ist grundsätzlich dieser Betrag bei der Berechnung der
Taggeldentschädigung zu berücksichtigen. Daraus resultiert unbestrittenermassen eine
Entschädigung von Fr. 724.50 (netto [act. G 3.1/71]). Nachdem dem Beschwerdeführer mit Abrechnung vom 11. August 2011 (via Sozialamt Z. und Bankverbindung C. [vgl. act. G 3.1/14 und 74]) der Betrag von Fr. 1'199.90 (netto) ausgerichtet wurde, ergibt sich eine Differenz von Fr. 475.40 (act. G 3.1/47 und 71).
Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, es sei ihm aus finanziellen und zeit lichen Gründen nicht möglich gewesen, die gerichtlich festgestellten Ansprüche gegenüber der Arbeitgeberin durchzusetzen. Mit der Beschwerdegegnerin ist jedoch festzustellen, dass der Zwischenverdienst in der vom Kreisgericht St. Gallen festgestellten Höhe zu berücksichtigen ist. Dass der Beschwerdeführer im Konkurs der Arbeitgeberin offenbar zu Schaden gekommen ist, kann im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden. Vielmehr wäre ein solcher Lohnausfall für bereits geleistete Arbeit Gegenstand eines Verfahrens um Insolvenzentschädigung gewesen. Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 9. Dezember 2011 denn auch über diese Möglichkeit orientiert. Er wurde sodann darauf hingewiesen, dass er das Konkursverfahren bis zum Antrag auf Konkurseröffnung vorantreiben müsse (act. G 3.1/68). Auch für die Erhältlichmachung von Insolvenzentschädigung darf die betroffene Person nicht einfach zuwarten, sondern muss vor und während des Konkurs- Pfändungsverfahrens alles unternehmen, um ihre Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren (Art. 55 Abs. 1 AVIG). Darunter fällt rechtsprechungsgemäss das Stellen eines Konkursbegehrens (vgl. etwa Urteil 8C_441/2007 vom 7. April 2008 E. 3.1). Die Möglichkeit eines Gesuchs auf Insolvenzentschädigung besteht mittlerweile nicht mehr, da die Frist gemäss Art. 53 Abs. 1 AVIG (60 Tage seit Publikation der Konkurseröffnung) längst abgelaufen ist. Nach dem Gesagten erweist sich der Taggeldbezug in der ursprünglichen Höhe als unrechtmässig, weshalb die Beschwerdegegnerin zu Recht die Rückzahlung verlangte. Die Rückforderungshöhe ist korrekt und wird zu Recht nicht bestritten.
Im Weiteren ist festzustellen, dass das Erfordernis eines Rückkommenstitels erfüllt ist. So stellte die Beschwerdegegnerin bei der ursprünglichen (formlosen) Leistungszusprache auf die Angaben der Arbeitgeberin ab. Diese gab in ihrer Bescheinigung über Zwischenverdienst an, der Beschwerdeführer habe im Juli 2011 einen Lohn von Fr. 1'964.15 erzielt. Dieser Betrag stimmt auch mit der Lohnabrechnung für Juli 2011 überein. Diese Angaben gingen am 8. August 2011 bei
der Kasse ein (act. G 3.1/46). Die Beschwerdegegnerin hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln und erstellte in der Folge am 11. August 2011 die Taggeldabrechnung (act. G 3.1/47). Mit dem Entscheid des Kreisgerichts vom
2. November 2011 (Eingang Kasse: 7. November 2011) ergab sich bezüglich des Juli 2011-Lohns eine neue Tatsache, indem mit diesem Urteil dem Beschwerdeführer ein höherer Lohn zugesprochen wurde. Mithin liegt ein Revisionsgrund vor, weshalb die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 16. Januar 2012 auf die Abrechnung vom 11. August 2011 zurückkommen durfte und musste.
3.
3.1 Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG). Der Beschwerdeführer ist indessen darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit besteht, ein Erlassgesuch zu stellen (Art. 25 Abs. 1 ATSG). Demnach hat Leistungen nicht zurückzuerstatten, wer diese in gutem Glauben empfangen hat und wenn die Rückerstattung eine grosse Härte bedeuten würde. Das Gesuch ist innert 30 Tagen ab Rechtskraft dieses Urteils bei der Arbeitslosenkasse St. Gallen zu stellen (Art. 4 Abs. 4 ATSV).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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