Zusammenfassung des Urteils AVI 2011/99: Versicherungsgericht
A. war von 5. März 1986 bis 31. Dezember 2003 bei der B. AG angestellt und brachte am 10. Dezember 2002 Zwillinge zur Welt. Nachdem ihr Antrag auf Arbeitslosenentschädigung abgelehnt wurde, erhob sie Einspruch und argumentierte, dass die Aussteuerung ihres Ehemanns ein Befreiungsgrund sei. Die Arbeitslosenkasse wies den Einspruch jedoch ab. A. reichte ein Arztzeugnis ein, das eine Arbeitsunfähigkeit von Januar 2007 bis Februar 2008 bescheinigte. Die Arbeitslosenkasse lehnte den Einspruch erneut ab. A. legte Beschwerde ein, um den Beitragsbefreiungsgrund der Arbeitsunfähigkeit geltend zu machen. Die Beschwerdegegnerin wies die Beschwerde ab, worauf A. erneut Einspruch erhob. Die Frage der Arbeitsunfähigkeit innerhalb der verlängerten Rahmenfrist wurde als nicht ausreichend bewiesen erachtet, und die Sache wurde zur weiteren Abklärung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AVI 2011/99 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AVI - Arbeitslosenversicherung |
Datum: | 16.08.2012 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 9b AVIG; Art. 14 Abs. 1 (lit. b) und 2 AVIG Art. 14 Abs. 1 AVIG findet auch auf verlängerte Rahmenfristen Anwendung. Innerhalb der verlängerten Rahmenfrist ist deshalb nicht nur der Nachweis einer beitragspflichtigen Beschäftigung, sondern auch eines Befreiungsgrundes möglich.Ein "ähnlicher Grund" gemäss Art. 14 Abs. 2 AVIG liegt auch vor, wenn der Ehegatte der versicherten Person aus der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert wird (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 16. August 2012, AVI 2011/99).Aufgehoben durch Urteil des Bundesgerichts 8C_787/2012Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneiderund Marie-Theres Rüegg Haltinner; Gerichtsschreiber Marc GigerEntscheid vom 16. August 2012in SachenA. ,Beschwerdeführerin,vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Daniel Küng, Anwaltskanzlei St. Jakob, St. Jakob Strasse 37, 9000 St. Gallen,gegenKantonale Arbeitslosenkasse, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,Beschwerdegegnerin,betreffendArbeitslosenentschädigung (Beitragszeitbefreiung)Sachverhalt: |
Schlagwörter: | Arbeit; Rahmenfrist; Beitragszeit; Befreiung; Quot; Befreiungsgr; Ereignis; Aussteuerung; Person; Arbeitslosenversicherung; Ehegatte; Erwerbstätigkeit; Arbeitsunfähigkeit; Ehegatten; Ehemann; Arbeitslosenentschädigung; Beitragsbefreiung; Zeitraum; Arztzeugnis; Krankheit |
Rechtsnorm: | Art. 13 AVIG;Art. 14 AVIG;Art. 9 AVIG;Art. 9b AVIG; |
Referenz BGE: | 119 V 54; 120 V 145; 121 V 343; 122 III 469; 124 II 193; 125 V 124; 125 V 125; |
Kommentar: | - |
A. war vom 5. März 1986 bis 31. Dezember 2003 bei der B. AG angestellt. Am 10. Dezember 2002 hatte sie Zwillinge zur Welt gebracht. Am 25. Januar 2011 meldete sie sich zur Arbeitsvermittlung an und stellte Antrag auf Arbeitslosenentschädigung (act. G 3.1 / 3, 5).
Am 6. Oktober 2011 verfügte die kantonale Arbeitslosenkasse, dass der Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 25. Januar 2011 abgelehnt werde. Als Begründung führte sie an, die Versicherte könne weder die Beitragszeit von mindestens zwölf Monaten, noch einen Befreiungsgrund nachweisen, weshalb die Voraussetzungen zum
Bezug von Arbeitslosengeldern nicht erfüllt seien. Die Versicherte sei auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht unvorbereitet gewesen und habe nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit auf die veränderte Situation reagieren müssen. Bereits zu Beginn der Arbeitslosigkeit des Ehemanns habe sie mit dessen Aussteuerung rechnen müssen (act. G 3.1 / 37).
B.
Die Versicherte liess am 14. Oktober 2011 durch ihren Rechtsvertreter, Fürsprecher Daniel Küng, Einsprache erheben. Sie machte geltend, entgegen den Darlegungen der Arbeitslosenkasse könne sie einen Befreiungsgrund vorweisen. Ihr Ehemann sei am
22. Januar 2011 bei der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert worden, weshalb sie gezwungen gewesen sei, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Art. 14 Abs. 2 AVIG schreibe vor, dass von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sei, wer wegen Trennung Scheidung der Ehe, Invalidität Tod des Ehegatten aus ähnlichen Gründen gezwungen sei, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Die Aussteuerung des Ehemanns stelle einen ähnlichen Grund im Sinn dieser Bestimmung dar. Die Versicherte habe auf eine veränderte wirtschaftliche Situation reagieren müssen. Das Gesetz setze nicht voraus, dass ein Ereignis die versicherte Person "plötzlich" und "unvorbereitet" treffe (act. G. 3.1 / 38).
Am 23. November 2011 reichte die Versicherte bei der Arbeitslosenkasse ein Arztzeugnis ein, welches eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit von Januar 2007 bis Februar 2008 bescheinigt. Gestützt darauf erklärte sie, es sei nebst dem Befreiungsgrund der Aussteuerung auch jener der Krankheit gegeben (act. G 3.1 / 50).
Mit Entscheid vom 1. Dezember 2011 wies die Arbeitslosenkasse die Einsprache ab. Sie führte aus, mit der Geltendmachung der Aussteuerung als Befreiungstatbestand im Sinn eines "ähnlichen Grundes" werde vom antragstellenden Ehegatten eine Verlängerung der Unterstützung durch die Arbeitslosenversicherung angestrebt. Es bestehe vorliegend aber kein massgebliches neues Ereignis. Die Familie der Versicherten sei nämlich für das versicherte Risiko der Arbeitslosigkeit bereits im gesetzlich vorgesehenen Umfang unterstützt worden. Indem für die finanzielle Unterstützung der Familie der Versicherten das Ereignis des Verlustes der Stelle ihres
Ehegatten massgebend sei, könne keine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit vorgenommen werden: Dieses Ereignis sei bei Antragstellung bereits mehr als ein Jahr zurückgelegen. Die Annahme eines Befreiungsgrundes wegen Aussteuerung käme einer Verlängerung der Rahmenfrist und der Höchstzahl der Taggelder gleich. Nach der Aussteuerung des beitragsbefreiten Ehegatten könnte der andere Ehegatte zudem seinerseits einen Beitragsbefreiungsgrund vorbringen und somit eine weitere Ehegattenbegünstigung über die Rahmenfrist hinaus erreichen. Es bestünde folglich ein "perpetuum mobile" für die Generierung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Was den Beitragsbefreiungsgrund der Arbeitsunfähigkeit (Krankheit) betreffe, so könne bei einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit von 100% von Januar 2007 bis Februar 2008 der Nachweis nicht erbracht werden, dass die Versicherte innerhalb der Rahmenfrist vom 25. Januar 2009 bis 24. Januar 2011 während mehr als einem Jahr nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe (act. G 1.1).
C.
Gegen den Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2011 richtet sich die vorliegende Beschwerde der Versicherten vom 5. Dezember 2011 (act. G 1). In ihrem Hauptantrag stellt sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, dass der Beitragsbefreiungsgrund der Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Sie habe sich nach der Geburt der Zwillinge deren Erziehung gewidmet, womit die Rahmenfrist sich verlängert habe. Diese habe, wie die Beschwerdegegnerin in ihrer Verfügung vom 6. Oktober 2011 noch zutreffend festgehalten habe, vom 25. Januar 2007 bis zum 24. Januar 2011 gedauert, und nicht, wie nun im angefochtenen Einspracheentscheid angenommen werde, vom 25. Januar 2009 bis zum 24. Januar 2011. Die Beschwerdeführerin sei somit grundsätzlich gegenüber der Beschwerdegegnerin anspruchsberechtigt, wenn sie in dieser Zeit entweder eine Beitragszeit von zwölf Monaten eine Beitragsbefreiung nachweisen könne. Die Beschwerdeführerin habe mit den Arztzeugnissen - welche von der Beschwerdegegnerin nicht angezweifelt worden seien
- eine entsprechende Beitragsbefreiung nachweisen können. Eventualiter legte die Beschwerdeführerin dar, sie sei (auch) deshalb beitragsbefreit, weil ihr Ehemann bei der Beschwerdegegnerin ausgesteuert worden sei. Sie verwies diesbezüglich gleich wie in ihrer Einsprache auf Art. 14 Abs. 2 AVIG bzw. auf die Tatsache, dass sie zur
Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gezwungen gewesen sei und es nicht erforderlich sei, dass das Ereignis, welches zum Zwang der Aufnahme der Erwerbstätigkeit führe, die versicherte Person "plötzlich" "unvorbereitet" treffe.
In ihrer Beschwerdeantwort vom 30. Januar 2012 beantragt die Beschwerdegegnerin, die Beschwerde sei abzuweisen. Es sei zutreffend, dass die Rahmenfrist für die Beitragszeit wegen Kindererziehung vom 25. Januar 2007 bis 24. Januar 2011 gedauert habe. Zum Zeitpunkt der Geburt ihrer Kinder am 10. Dezember 2002, wäre die Beschwerdeführerin zwar aufgrund einer beitragspflichtigen Tätigkeit, welche sie bis am 31. Dezember 2003 ausgeübt habe, anspruchsberechtigt gewesen. Mit der Verlängerung der Rahmenfrist für die Beitragszeit (bis am 25. Januar 2007) würde allerdings nicht die Geltendmachung dieses Anspruchs aufgrund der beitragspflichtigen Tätigkeit sichergestellt. Es würde vielmehr aufgrund eines erst in der verlängerten Rahmenfrist eingetretenen Beitragsbefreiungsgrundes ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung gewährt. Dass dies nicht zulässig sei, ergebe sich aus der historischen Auslegung von Art. 9b Abs. 2 AVIG, da gemäss der Botschaft mit dieser Bestimmung sichergestellt werde, dass Versicherte, die im Zeitpunkt der Geburt anspruchsberechtigt gewesen seien, jedoch noch keine Rahmenfrist für den Leistungsbezug eröffnet hätten, diesen Anspruch trotz des durch die Geburt eingetretenen Unterbruchs geltend machen könnten, sofern sie sich innerhalb einer Frist von zwei Jahren ab der Geburt erneut dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen würden. Gemäss der Lehre müsse sich die versicherte Person spätestens drei Jahre nach der letzten beitragspflichtigen Beschäftigung zum Leistungsbezug anmelden.
Mit Replik vom 6. Februar 2012 machte die Beschwerdeführerin geltend, Art. 9b Abs. 2 AVIG sei nicht in dem Sinn auszulegen, dass eine versicherte Person innert der verlängerten vierjährigen Frist eine Beitragszeit nachweisen könne, es hingegen nicht genüge, wenn sie sich innert dieses Zeitraums auf einen Befreiungsgrund berufe. Eine solche Auslegung entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Es sei diesbezüglich vom Grundsatz des Art. 14 AVIG auszugehen. Faktisch sei es so, dass es überwiegend Frauen/Mütter seien, die sich der Erziehung von Kleinkindern widmeten und die mit Art. 9b AVIG geschützt werden sollen. Diesen den Schutz wieder zu versagen, könne nicht Sinn und Zweck des Gesetzes sein. Daran ändere auch nichts, dass Art. 14 Abs. 1
AVIG nur von der zweijährigen Rahmenfrist nach Art. 9 Abs. 3 AVIG spreche. Dadurch würden verlängerte Rahmenfristen nicht vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.
Die Beschwerdegegnerin verzichtete auf eine Duplik (vgl. act. G 9). Erwägungen:
1.
Vorliegend ist zunächst der Hauptantrag der Beschwerdeführerin zu prüfen, wonach sie zufolge mehr als zwölfmonatiger Arbeitsunfähigkeit innerhalb der Rahmenfrist vom
25. Januar 2007 bis 24. Januar 2011 von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sei.
2.
Zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung gehört gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. e des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 25. Juni 1982 (AVIG; SR 837.0) unter anderem, dass die versicherte Person die Beitragszeit erfüllt hat von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist. Nach Art. 13 Abs. 1 AVIG hat die Beitragszeit erfüllt, wer innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist für die Beitragszeit (Art. 9 Abs. 3 AVIG) während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Von der Erfüllung der Beitragspflicht ist gemäss Art. 14 Abs. 1 AVIG befreit, wer innerhalb der Rahmenfrist während insgesamt mehr als zwölf Monaten unter anderem wegen Krankheit, Unfall Mutterschaft (lit. b) nicht in einem Arbeitsverhältnis stand und deshalb die Beitragszeit nicht erfüllen konnte. Ebenfalls von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind Personen, die wegen Trennung Scheidung der Ehe, wegen Invalidität Todes des Ehegatten aus ähnlichen Gründen wegen Wegfalls einer Invalidenrente gezwungen sind, eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen zu erweitern (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 AVIG), wobei vorausgesetzt ist, dass das betreffende Ereignis nicht mehr als ein Jahr zurückliegt und die betroffene Person beim Eintritt dieses Ereignisses ihren Wohnsitz in der Schweiz hatte (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 AVIG).
Die Rahmenfrist für die Beitragszeit beträgt grundsätzlich wie erwähnt zwei Jahre (Art. 9 Abs. 3 AVIG). Gemäss Art. 9b Abs. 2 AVIG wird indes die Rahmenfrist für die Beitragszeit von Versicherten, die sich der Erziehung ihrer Kinder gewidmet haben, auf vier Jahre erstreckt, sofern zu Beginn der einem Kind unter zehn Jahren gewidmeten Erziehung keine Rahmenfrist für den Leistungsbezug lief. Die Beschwerdeführerin hat am 10. Dezember 2002 Zwillinge geboren und per 31. Dezember 2003 ihre Arbeitstätigkeit aufgegeben. In den letzten Jahren hatte sie sich der Kindererziehung gewidmet. Eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug lief zum Zeitpunkt der Geburt der Kinder nicht. Da die betreffenden Voraussetzungen des Art. 9b Abs. 2 AVIG somit erfüllt sind, wird die Rahmenfrist auf vier Jahre verlängert. Dieser Umstand ist unter den Parteien an sich auch unbestritten. Nachdem die Beschwerdeführerin den Antrag auf Arbeitslosenentschädigung am 25. Januar 2011 stellte, ergibt sich eine Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 25. Januar 2007 bis 24. Januar 2011.
Im Folgenden ist die Frage der Erfüllung der Beitragszeit bzw. einer Befreiung hiervon zu prüfen. Eine beitragspflichtige Beschäftigung der Beschwerdeführerin innerhalb der Rahmenfrist ist nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht geltend gemacht. Von Bedeutung ist hier einzig, ob die Beschwerdeführerin sich auf einen Beitragsbefreiungsgrund, konkret den Tatbestand des Art. 14 Abs. 1 lit. b (Befreiung infolge Krankheit, Unfall Mutterschaft) berufen kann.
Die Beschwerdegegnerin stellt sich vorliegend auf den Standpunkt, der
Beitragsbefreiungsgrund der Krankheit, auf welchen die Beschwerdeführerin sich berufe, könne nicht berücksichtigt werden, weil dieses Ereignis erst in der verlängerten Rahmenfrist eingetreten sei. Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, es sei nicht statthaft, Art. 9b Abs. 2 AVIG dahingehend auszulegen, dass zwar eine versicherte Person innert der verlängerten vierjährigen Frist eine Beitragszeit nachweisen könne, es hingegen nicht genüge, wenn sie sich innerhalb dieses Zeitraums auf einen Befreiungsgrund berufe.
Vorliegend ist der Beschwerdegegnerin insofern beizupflichten, als nach dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 AVIG eine Befreiung von der Beitragszeit nur in Fällen nach Art. 9 Abs. 3 AVIG, also ausschliesslich bei zweijährigen Rahmenfristen, in Betracht
kommt. Ob bei einer vierjährigen Rahmenfrist allerdings tatsächlich nur der Nachweis einer beitragspflichtigen Beschäftigung nach Art. 9b Abs. 2 AVIG möglich sein soll, erscheint fraglich. Im Rahmen der Rechtsanwendung darf nicht einfach auf den reinen Wortlaut einer Bestimmung abgestellt werden, sondern massgebend ist deren wahrer Sinngehalt. Der wahre Gedankeninhalt einer Norm wird auf dem Weg der Gesetzesauslegung ermittelt (vgl. BGE 122 III 469 ff.). Die Auslegung vollzieht sich hauptsächlich mithilfe bestimmter Elemente, namentlich des grammatikalischen, des systematischen, des teleologischen und des historischen Elements. Beim grammatikalischen Element steht der Wortlaut der Bestimmung im Zentrum, beim systematischen wird die Norm im Gefüge der übrigen Normen betrachtet, beim teleologischen wird nach dem Sinn und Zweck der auszulegenden Bestimmung gefragt und beim historischen ist die Entstehungsgeschichte der Norm zu berücksichtigen (BGE 124 II 193 ff.). Zur Ermittlung des wahren Gedankeninhalts von Art. 14 Abs. 1 AVIG ist ein zeitlicher Vergleich der Bestimmung mit den Art. 9, 9a und 9b AVIG aufschlussreich. Art. 14 Abs. 1 existiert bereits seit der Einführung des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung am 25. Juni 1982. Dasselbe gilt für die Grundnorm betreffend Rahmenfristen nach Art. 9. Die Bestimmungen betreffend verlängerte Rahmenfristen (Art. 9a und 9b) wurden indes erst mit der Teilrevision vom 22. März 2002 (in Kraft seit 1. Juli 2003) eingeführt. Nachdem zu Beginn vierjährige Rahmenfristen gar nicht existierten, konnte sich Art. 14 Abs. 1 auch nur auf die zweijährige Frist nach Art. 9 Abs. 3 beziehen. Ob dann freilich im Rahmen der Teilrevision im Jahr 2002 Art. 14 AVIG bewusst nicht an die verlängerten Rahmenfristen angepasst wurde, der Gesetzgeber diese mithin von dessen Anwendungsbereich ausgeklammert haben wollte, ob dies auf einem Versehen beruhte, erscheint fraglich. Vorliegend dürfte klarerweise letzteres zutreffen. Es ist kein Grund ersichtlich, wieso einer versicherten Person innerhalb der vierjährigen Frist zwar der Nachweis einer Beitragszeit, nicht jedoch die Berufung auf einen Beitragsbefreiungsgrund offenstehen soll. Der Beschwerdeführerin ist beizupflichten, dass eine solche Praxis eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung erziehender Mütter zur Folge hätte, also einer Personengruppe, welche eigentlich gerade eines erhöhten Sozialschutzes bedarf. Eine Bestimmung, welche der Schutzwürdigkeit der fraglichen Personen zuwider läuft, kann offenkundig nicht der Wille des Gesetzgebers sein. Eine Stütze findet diese Auffassung im Übrigen im (für das Gericht grundsätzlich
zwar nicht bindenden) Kreisschreiben über die Arbeitslosenentschädigung [KS ALE] des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO vom Januar 2007, Rz B72, wonach bei einer Verlängerung der Rahmenfrist für die Beitragszeit auch ein Befreiungsgrund einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung begründen kann (gemäss der vom SECO publizierten AVIG-Praxis 2005-2012, Präzisierung AVIG 2011, Hauptartikel 27 AVIG, Ziffer 3, hat diese Praxis nach wie vor ihre Gültigkeit)
Nachdem die grundsätzliche Anwendbarkeit von Art. 14 Abs. 1 AVIG auf verlängerte Rahmenfristen somit zu bejahen ist, stellt sich nun im Weiteren die Frage, ob bei der Anrufung eines Befreiungsgrundes die Wahrung einer bestimmten Frist erforderlich ist. Die Phase der Arbeitsunfähigkeit endete bereits Ende 2008, während die Anmeldung bei der Arbeitslosenkasse erst am 25. Januar 2011 erfolgte. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nach Art. 14 Abs. 2 AVIG die Berufung auf einen der dort genannten Befreiungsgründe nur möglich ist, wenn das betreffende Ereignis nicht länger als ein Jahr zurückliegt. Es fragt sich deshalb, ob eine solche Frist analog auch bei Art. 14 Abs. 1 AVIG gilt. Dies ist jedoch zu verneinen. Dafür spricht insbesondere ein Vergleich der geltenden mit der früheren Regelung betreffend die Mindestbeitragszeit nach Art. 13 AVIG. Während Art. 13 AVIG heute eine Beitragszeit von mindestens zwölf Monaten vorsieht, waren gemäss der bis zum 30. Juni 2003 geltenden Fassung sechs Monate ausreichend. Was nun Art. 14 Abs. 1 AVIG betrifft, existiert dieser bereits seit der Einführung des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung. Diese Norm galt demnach bereits schon, als für die Erfüllung der Beitragszeit lediglich sechs Monate erforderlich waren, mit anderen Worten keine Verknüpfung zwischen den Befreiungsgründen nach Art. 14 Abs. 1 AVIG und Unmöglichkeit der Erfüllung der Beitragszeit bestanden hat - wie dies nun mit der zwölfmonatigen Beitragszeit faktisch der Fall ist. Daraus ist zu schliessen, dass für die Bejahung eines Befreiungsgrundes im Sinne von Art. 14 Abs. 1 AVIG ausschliesslich vorausgesetzt ist, dass dieser Grund während einer bestimmten Mindestdauer vorliegen muss. Dafür spricht auch, dass die Tatbestände von Abs. 1 und 2 sich klar unterscheiden: Den Sachverhalten nach Abs. 1 ist eine gewisse Dauer immanent, weshalb sich die Voraussetzung einer Mindestdauer aufdrängt. Demgegenüber geht es bei den Tatbeständen nach Abs. 2 um einzelne Ereignisse, wie Trennung Scheidung. Dieses einzelne Ereignis darf denn nicht länger zurückliegen als ein Jahr vor der Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung (vgl. nachfolgend E.
3.2). Im Gegensatz zu Art. 14 Abs. 2 AVIG bedeutet dies im Ergebnis, dass ein Befreiungsgrund nach Art. 14 Abs. 1 AVIG auch dann geltend gemacht werden kann, wenn dieser erst in der verlängerten Rahmenfrist eintritt.
Im Folgenden ist nun konkret zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Beitragszeit nach Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG erfüllt. Die Beschwerderführerin beruft sich auf Krankheit und reichte dazu beim Versicherungsgericht vier Arztzeugnisse ein (act. G 4): Einerseits bescheinigte das Medizinische Zentrum D. am 20. Januar 2012 eine Arbeitsunfähigkeit von 100% für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2008 (act. G 4.1). Ebenso stellte Dr. med. C. , Spezialarzt FMH für Chirurgie, Wirbelsäulenleiden, Schleudertrauma und orthopädische Traumatologie, am 9. Januar 2012 für den Zeitraum Frühjahr 2004 bis 24. November 2007 eine Arbeitsunfähigkeit von 100% fest (act. G 4.2). Zeitlich weiter zurückliegende Arztzeugnisse vom 14. Januar 2005 (act. G 4.3) und vom
14. Februar 2005 (act. G 4.4) halten fest, dass die Beschwerdeführerin vom 21. Mai
2003 bis 31. Dezember 2003, vom 25. Juli 2002 bis 10. Dezember 2002 sowie vom
2. April 2003 bis 20. Mai 2003 arbeitsunfähig war. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall relevant ist einzig diejenige Krankheitsperiode, welche innerhalb der vierjährigen Rahmenfrist liegt, also jene ab dem 25. Januar 2007.
Zu prüfen ist, was für ein Beweiswert den Arztzeugnissen zukommt. Die Annahme einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit erscheint auf den ersten Blick fraglich. Zu beachten ist nämlich, dass in den Jahren 2004 - 2007 ein Verfahren zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung durchgeführt wurde, aufgrund eines Antrags, welchen die Beschwerdeführerin am 27. Dezember 2004 gestellt hatte. Die IV-Stelle des Kantons St.Gallen hatte einen Rentenanspruch am 13. November 2006 verneint. Eine gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde wurde vom Kantonalen Versicherungsgericht am 31. Mai 2007 abgewiesen (Verfahren IV 2006/282). Auf eine gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht nicht ein (Urteil vom 29. August 2007, 9C_458/2007). Das kantonale Gericht stützte sich bei seinem Urteil auf ein Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 3. Juli 2006. Darin fanden sich folgende Diagnosen mit wesentlicher Einschränkung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit: Chronisch rezidivierendes zervikozephales Syndrom bei leichter Osteochondrose C5/6 und Spondylarthrose C6/7 mit degenerativ bedingt
engem Spinalkanal C5/6 und Foraminalstenosierungen C5/6 und C6/7 linksbetont sowie bei Status nach anamnestischen Verkehrsunfällen mit möglicher HWS-Distorsion 1978 und 1982. Zudem wurde eine leichte depressive Episode ohne somatisches Syndrom unter Therapie diagnostiziert. Als Diagnosen ohne wesentliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit, aber mit Krankheitswert fanden sich eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung/chronifiziertes, therapierefraktäres, aktuell fibromyalgieformes Ganzkörperschmerzsyndrom ohne adäquates pathologisches Korrelat am Bewegungsapparat, eine chronisch rezidivierende Gastritits anamnestisch, eine Anämie, normochrom und -zytär sowie Hypercholesterinämie. Die bisherige Tätigkeit als Ausrüsterin in einer Druckerei wurde der Versicherten medizinisch-theoretisch noch zu 60% zugemutet unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich teilweise um eine körperlich schwere Arbeit gehandelt habe. Eine behinderungsangepasste, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit ohne langdauernde Überkopfarbeiten wurde noch zu 70% als zumutbar qualifiziert. Zur selben Einschätzung kam das Gutachten hinsichtlich der Tätigkeit als Hausfrau - diesbezüglich wurden die psychischen Störungen als limitierend angesehen.
Gemäss diesen Erwägungen steht das Gutachten, welches dem Rentenentscheid zugrunde liegt, in erheblichem Widerspruch zu den beiden Arztzeugnissen vom 20. Januar 2012 und 9. Januar 2012. Auffallend ist insbesondere, dass das Gutachten für den Zeitraum bis 13. November 2006 (Datum Erlass der Rentenverfügung durch die IV- Stelle) sowohl für eine Erwerbsarbeit als auch im Bereich der Hausarbeit eine Arbeits unfähigkeit von 30% annimmt, während die beiden ärztlichen Bescheinigungen für den Zeitraum ab 1. Januar 2004 über das Verfügungsdatum hinaus von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit ausgehen. Vorliegend besteht mit Blick auf das rechtskräftige Urteil betreffend Invalidenrente kein Anlass, die gutachterlich ausgewiesene Arbeitsfähigkeit von 70% für die Zeit vor dem 13. November 2006 in Frage zu stellen. Die beiden neueren Arztzeugnisse sind demzufolge in Bezug auf eben diesen Zeitraum als nicht massgebend zu erachten. Zu beachten ist nun freilich, dass im zugrunde liegenden Fall die Arbeitsfähigkeit bis 13. November 2006 an sich keine Rolle spielt, sondern diese Frage ist ausschliesslich hinsichtlich der Rahmenfrist vom 25. Januar 2007 bis 24. Januar 2011 von Bedeutung. Diesbezüglich hilft das erwähnte Gutachten somit nicht weiter, letzteres findet nur bis zum Abschluss des Verfahrens vor der kantonalen IV- Stelle Berücksichtigung, also eben bis zum 13. November 2006. Für die Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit innerhalb der Rahmenfrist stehen einzig die beiden ärztlichen Atteste vom 20. Januar 2012 und 9. Januar 2012 zur Verfügung. Die beiden Arztzeugnisse bescheinigen eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit bis 31. Dezember 2008 bzw. bis 24. November 2007. Wohl kann eine Verschlechterung des Gesundheitszustands der Beschwerdeführerin nach dem 13. November 2006 nicht ausgeschlossen werden. Nachdem jedoch die beiden Arztzeugnisse für den Zeitraum bis 13. November 2006 derart erheblich von den Erkenntnissen im IV-Verfahren abweichen, bestehen nicht überwindbare Zweifel an der Richtigkeit der Bescheinigungen auch für den die Rahmenfrist betreffenden Zeitraum. Die Atteste besitzen deshalb mit anderen Worten einen zu geringen Beweiswert, als dass im vorliegenden Verfahren darauf abgestellt werden könnte. Bloss gestützt auf die eingereichten ärztlichen Zeugnisse kann keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne eines Befreiungsgrundes von der Beitragszeit nachgewiesen werden.
2.8 Zusammenfassend fehlt es an rechtsgenüglichen Beweisen für das Vorliegen einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit innerhalb der verlängerten Rahmenfrist. Da gemäss vorstehenden Erwägungen eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als zwölf Monaten auch nicht ausgeschlossen werden kann, drängen sich bezüglich dieser Frage weitere Abklärungen und damit eine Rückweisung der Sache an die Beschwerdegegnerin auf.
3.
3.1 Als Befreiungsgrund fällt vorliegend auch der Tatbestand des Art. 14 Abs. 2 AVIG in Betracht - jene Bestimmung, auf welche die Beschwerdeführerin sich in ihrem Eventualstandpunkt beruft. Gemäss Art. 14 Abs. 2 AVIG sind von der Erfüllung der Beitragszeit unter anderem Personen befreit, die wegen Trennung Scheidung der Ehe, wegen Invalidität Todes des Ehegatten aus ähnlichen Gründen wegen Wegfalls einer Invalidenrente gezwungen sind, eine unselbstständige Tätigkeit aufzunehmen zu erweitern. Diese Regel gilt nur dann, wenn das betreffende Ereignis nicht mehr als ein Jahr zurückliegt und die betroffene Person beim Eintritt dieses Ereignisses ihren Wohnsitz in der Schweiz hatte. Die Bestimmung von Art. 14 Abs. 2 AVIG ist vor allem für jene Fälle vorgesehen, in denen plötzlich der Ernährer der Familie die Erwerbsquelle aus- weggefallen ist. Sie zielt auf Versicherte, die nicht auf die Aufnahme, Wiederaufnahme Ausdehnung der Erwerbstätigkeit
vorbereitet sind und aus wirtschaftlicher Notwendigkeit in verhältnismässig kurzer Zeit neu disponieren müssen (Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl., 2007, Rz. 242 f.; Gerhard Gerhards, AVIG- Kommentar, Bd I, Rz 34 zu Art. 14; BGE 125 V 124 f. E. 2a; ARV 2006 Nr. 2 S. 59 E.
5.1). Allen Befreiungsereignissen ist gemeinsam, dass sie die betroffene Person in eine wirtschaftliche Zwangslage bringen und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit veranlassen, um die finanzielle Bedrängnis zu überwinden wenigstens zu mildern (BGE 119 V 54 E. 3a; BGE 121 V 343 E. 5c/aa).
Gemäss geltender Rechtsprechung ist eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit nach Art. 14 Abs. 2 AVIG nur möglich, wenn zwischen dem geltend gemachten Grund und der Notwendigkeit der Aufnahme Erweiterung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit ein Kausalzusammenhang gegeben ist. Dabei ist kein strikter Kausalitätsnachweis im naturwissenschaftlichen Sinn zu verlangen. Der erforderliche Kausalzusammenhang ist vernünftigerweise bereits zu bejahen, wenn es glaubwürdig und nachvollziehbar erscheint, dass der Entschluss der versicherten Person, eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, in dem als Befreiungsgrund in Frage kommenden Ereignis mitbegründet liegt (BGE 125 V 125 E. 2a, 121 V 344 E. 5c/bb, 119 V 55 E. 3b und ARV 2002 Nr. 25 S. 176 E. 2). Der
Kausalzusammenhang ist nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr gegeben, wenn sich das betreffende Ereignis mehr als ein Jahr vor der versuchten Arbeitsaufnahme zugetragen hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 AVIG). Die betreffende Person muss durch den Eintritt des Ereignisses zudem aus wirtschaftlichen Gründen zur Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit gezwungen sein. Bei der Prüfung des wirtschaftlichen Zwangs sind die Einkünfte und die laufenden Kosten unter Einbezug eines allfälligen verfügbaren Vermögens miteinander zu vergleichen. Ergibt sich, dass die versicherte Person nicht imstande ist, ihren finanziellen Verpflichtungen kurz- mittelfristig nachzukommen, ist eine finanzielle Zwangslage zu bejahen (Thomas Nussbaumer, a. a. O., Rz 246 mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin stellte am 25. Januar 2011 Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. Zu prüfen ist, ob sich im Jahr zuvor eine Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin verwirklicht hat, aufgrund derer sie gehalten war, in verhältnismässig kurzer Zeit neu zu disponieren. Die
Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei gezwungen gewesen, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Ihr Ehemann habe im Zeitraum vom 22. Januar 2009 bis zum 21. Januar 2011 Leistungen der Arbeitslosenversicherung bezogen. Seit dem
22. Januar 2011 sei er bei der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert. Er lebe von den (geringen) Leistungen, welche die Vorsorgeeinrichtung seiner ehemaligen Arbeitgeberin erbringe.
Als einziger der Tatbestände des Art. 14 Abs. 2 AVIG fällt vorliegend eine Beitragsbefreiung aufgrund eines "ähnlichen Grundes" - konkret der Aussteuerung des Ehemanns der Beschwerdeführerin - in Betracht. Die Abmeldung des Ehemanns von der Arbeitslosenversicherung erfolgte per 31. Dezember 2010 (vgl. act. G 10.1) - nicht wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, am 22. Januar 2011. Die einjährige Frist gemäss Art. 14 Abs. 2 AVIG ist aber hinlänglich gewahrt. Auch bezüglich des Erfordernisses der Kausalität bestünden keine Probleme: Die Aussteuerung wurde dem Ehemann der Beschwerdeführerin am 13. Januar 2011 mitgeteilt und bereits am 25. Januar 2011 erfolgte deren Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung. Es ist damit nicht zu bezweifeln, dass gerade die Aussteuerung Anlass für die Antragstellung durch die Beschwerdeführerin bildete. Es fragt sich nun jedoch in grundsätzlicher Hinsicht, inwieweit die Aussteuerung aus der Arbeitslosenversicherung im Licht von Art. 14 Abs. 2 AVIG als ähnlicher Grund gelten kann, zufolge dessen eine verheiratete versicherte Person zur Aufnahme Erweiterung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit gezwungen wird. Die Formel "aus ähnlichen Gründen" stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, welcher vom Gesetzgeber bewusst nicht näher umschrieben wurde, um die Vorschrift entsprechend der Vielfalt des Lebens flexibel handhaben zu können (ARV 1987 Nr. 5 S. 69 f. mit Hinweis auf die bundesrätliche Botschaft). Der Wortlaut gibt über die Bedeutung dieses Rechtsbegriffs nur insofern Aufschluss, als das Gesetz einen Grund verlangt, welcher ähnlich ist, also sachlich auf der gleichen Ebene liegt wie die vorab einzeln umschriebenen, aber nicht abschliessend aufgezählten Motive für die Arbeitsaufnahme. Entscheidend ist, dass der unmittelbar Betroffene dessen Ehepartner durch ein bestimmtes Ereignis in eine wirtschaftliche Zwangslage gerät (BGE 119 V 54 E. 3a mit Hinweis). Das Bundesgericht ist in BGE 120 V 145 E. 3a davon ausgegangen, dass die Arbeitslosigkeit des Ehegatten keinen "ähnlichen Grund" darstellt. Begründet wird dies damit, dass einerseits nicht gesagt werden könne, der Ehegatte sei dauernd doch längerfristig objektiv nicht mehr in der Lage, wie bisher
für die ehelichen Bedürfnisse zu sorgen. Anderseits sei der Beitrag an die Lebenshaltungskosten durch die Arbeitslosenentschädigung zumindest teilweise ausgeglichen. Im letzteren sah das Bundesgericht den erheblichen Unterschied zum Fall in BGE 119 V 54 E. 3a, wo das Bundesgericht den Konkurs eines unternehmerisch tätig gewesenen Ehegatten als ähnlichen Grund anerkannt hatte. Nussbaumer (a.a.O.) kritisiert in der Fussnote 518 das Urteil in BGE 120 V 145 als zu hart. Arbeitslosigkeit zähle wie Invalidität und Tod zu den klassischen, von der Sozialversicherung gedeckten Risiken und sei deshalb als ähnlicher Grund anzuerkennen. Der Umstand, dass der arbeitslose Ehegatte Arbeitslosenentschädigung erhalte, rechtfertige keinen Unterschied zum in Konkurs geratenen Unternehmer. Schliesslich sei die wirtschaftliche Situation im Zusammenhang mit der Zwangslage ohnehin zu prüfen. Es kann offen bleiben, ob dieser Lehrmeinung zu folgen und Arbeitslosigkeit als ähnlicher Grund zu werten ist. Jedenfalls ist bei andauernder Arbeitslosigkeit und Erschöpfung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung, d.h. bei Aussteuerung des arbeitslosen Ehegatten aus der Arbeitslosenversicherung, eine ähnliche Situation gegeben wie bei einem in Konkurs geratenen Unternehmer. Hier wie dort wird der Ehegatte des konkursiten bzw. ausgesteuerten Ehegatten sich häufig veranlasst sehen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um die finanzielle Bedrängnis zu überwinden wenigstens zu mildern. Es besteht von daher kein Grund, den Konkurs eines Ehegatten als ähnlichen Grund zu würdigen, nicht aber (wenigstens) die Aussteuerung aus der Arbeitslosenversicherung. Der Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass mit der Anerkennung der Aussteuerung als Befreiungsgrund die gesetzliche Höchstzahl an Taggeldern für den Ehemann umgangen würde, kann nicht gefolgt werden. Die Aussteuerung des Ehemanns bedeutet für die Beschwerdeführerin selber ein eigenes beträchtliches wirtschaftliches Risiko, weshalb auch ihr selber gegebenenfalls ein eigener Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zusteht. Ebenfalls unbegründet erscheinen die Befürchtungen der Beschwerdegegnerin, bei einer Gutheissung der Beschwerde würde eine Art "perpetuum mobile" geschaffen in dem Sinn, dass nach einer allfälligen Aussteuerung der Beschwerdeführerin nunmehr deren Ehemann einen Befreiungsgrund geltend machen könnte. Für die Annahme eines Befreiungsgrundes dürfte es hier namentlich am oben beschriebenen Erfordernis der Kausalität (E. 3.2) fehlen, da der Ehemann nicht erst durch die Aussteuerung der Beschwerdeführerin zur Aufnahme einer Arbeitstätigkeit gezwungen würde.
Im Übrigen ist der Beschwerdeführerin beizupflichten, dass Art. 14 Abs. 2 AVIG den Anspruch auf Befreiung von der Beitragszeit nicht von der Plötzlichkeit der Unvorhersehbarkeit des Eintritts der darin genannten Sachverhalte abhängig macht. Massgebend ist vielmehr, dass die mit den geregelten und ähnlichen Situationen konfrontierten Versicherten, die aus wirtschaftlicher Notwendigkeit in verhältnismässig kurzer Zeit neu disponieren müssen, begünstigt werden sollen. Diesen Sinngehalt widerspiegelt Art. 14 Abs. 2 AVIG insofern, als er die enumerierten ähnlichen Befreiungsgründe im Rahmen der Generalklausel nicht mehr zulässt, wenn das betreffende Ereignis mehr als ein Jahr zurückliegt.
Die teleologische Auslegung führt zum Ergebnis, dass jedenfalls die Aussteuerung aus der Arbeitslosenversicherung als "ähnlicher Grund" im Sinn von Art. 14 Abs. 2 AVIG anzuerkennen ist. In diesem Sinn hat das kantonale Versicherungsgericht bereits im Urteil vom 15. Juni 2011 entschieden (Verfahren AVI 2010/71; zur Zeit beim Bundesgericht hängig). Die Auswirkungen der bei der
Beschwerdeführerin eingetretenen Situation sind durchaus vergleichbar mit den Folgen eines in Konkurs geratenen Unternehmer-Ehegatten und es kann wie erwähnt davon ausgegangen werden, dass der Entscheid zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit auf das betreffende Ereignis zurückzuführen ist. Ein Befreiungsgrund erscheint demnach grundsätzlich gegeben. Zu prüfen bleibt indessen, ob die Aussteuerung eine wirtschaftliche Zwangslage bei der Beschwerdeführerin zur Folge hatte (vgl. ARV 2005 Nr. 2 S. 51 f. E. 4.3, S. 53 E. 4.4; vgl. auch Boris Rubin,
Assurance-chômage, Delsberg 2005, S. 130 Ziff. 3.8.8.3.5). Zu diesem Zweck ist die Streitsache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Da die Beschwerdegegnerin das Vorliegen eines Befreiungsgrundes schliesslich verneinte, hatte sie keinen Anlass, diese Frage aufgrund der eingeholten Unterlagen (vgl. act. G 3.1 / 52) zu prüfen. Dies wird sie nun nachzuholen haben. Sollte mit diesen Angaben eine schlüssige Beurteilung der wirtschaftlichen Zwangslage nicht möglich sein, wird die Beschwerdegegnerin von Seiten der Beschwerdeführerin ergänzende Informationen zu verlangen haben.
4.
Im Ergebnis ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen, der angefochtene Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2011 aufzuheben und die Sache zur weiteren Abklärung und Neuverfügung im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).
Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung. Diese ist vom Gericht ermessensweise festzusetzen, wobei insbesondere der Bedeutung der Streitsache und dem Aufwand Rechnung zu tragen ist (Art. 61 lit. g ATSG; vgl. auch Art. 98 ff. VRP/SG, sGS 951.1). Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin hat auf die Einreichung einer Honorarnote verzichtet. Der Bedeutung und dem Aufwand der Streitsache angemessen erscheint eine Parteientschädigung von pauschal Fr. 3'000.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht entschieden:
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde ist der angefochtene Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2011 aufzuheben und die Sache zur weiteren Abklärung und Neuverfügung im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung
von Fr. 3'000.-- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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