Zusammenfassung des Urteils AVI 2010/95: Versicherungsgericht
Die Beschwerdeführerin war als Mitarbeiterin bei der B. AG beschäftigt, wurde arbeitsunfähig und bezog Krankentaggelder. Nach einer Rentenzusprache der IV forderte die Unia Arbeitslosenkasse Leistungen zurück. Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch, da sie argumentierte, dass die Rückforderung ungerechtfertigt sei. Die Unia wies den Einspruch ab, worauf die Beschwerdeführerin Beschwerde einreichte. Es wurde festgestellt, dass die Rückforderung teilweise gerechtfertigt war, jedoch in einem anderen Umfang als ursprünglich gefordert. Die Beschwerdeführerin hatte Anspruch auf eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.--.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AVI 2010/95 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AVI - Arbeitslosenversicherung |
Datum: | 24.08.2011 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 15 Abs. 2; Art. 94 Abs. 1; Art. 95 Abs. 1, 1bis AVIG; Art. 40b AVIV; Art. 25 Abs. 1 ATSG; Art. 70 ATSG; Rückerstattung. Versicherte bezog Arbeitslosenentschädigung aufgrund Vorleistungspflicht der Arbeitslosenkasse. Nachträglich wurde eine IV-Viertelsrente gewährt. Nachträgliche Anpassung des versicherten Verdiensts auch bei Anwendung eines Pauschalsatzes. Verbleibende Erwerbsfähigkeit entspricht der Differenz zwischen 100% und dem IV-Grad. Rückerstattung der in diesem Zeitraum aufgrund der Vorleistungspflicht der ALV zu viel bezogenen Arbeitslosentaggelder maximal bis zum Betrag der im gleichen Zeitraum bezogenen IV-Leistungen. Rest wird provisorisch mit möglichen Leistungen des BV-Versicherers verrechnet. Kein Anwendungsfall grosser Härte, da bloss Verrechnung erfolgt (Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 24. August 2011, AVI 2010/95). Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneider und Marie Löhrer; |
Schlagwörter: | Leistung; Arbeit; Leistungen; Rückforderung; Arbeitslosen; Verrechnung; Verdienst; Vorsorge; Einsprache; Recht; Verfügung; Erwerbsfähigkeit; Höhe; Arbeitslosenversicherung; Erlass; Invalidenversicherung; Invalidenrente; Zeitraum; Versicherer; Person; Renten; Rückerstattung; Betrag; Arbeitslosenentschädigung; Rechtsprechung; Arbeitslosigkeit |
Rechtsnorm: | Art. 23 AVIG;Art. 25 ATSG ;Art. 53 ATSG ;Art. 55 AVIG;Art. 71 ATSG ;Art. 94 AVIG;Art. 95 AVIG; |
Referenz BGE: | 132 V 357; 133 V 534; 136 V 195; |
Kommentar: | - |
Arbeitslosenkasse, Sterneggweg 3, 8706 Meilen, Beschwerdegegnerin, betreffend Rückerstattung von Taggeldleistungen (Koordination IV, BV) Sachverhalt:
A.
A. war ab 1. Oktober 2005 als Mitarbeiterin Warenlogistik bei der B. AG
beschäftigt. Die Arbeitgeberin löste das Arbeitsverhältnis am 26. September 2007 per
30. November 2007 infolge Krankheit auf (act. G 7.1/39). Seit dem 28. Juni 2007 war sie zu 100% arbeitsunfähig und bezog anschliessend Krankentaggelder von der Swica Krankenkasse (vgl. act. G 7.1/51).
Am 10. März 2008 beantragte die Versicherte bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung Leistungen (act. G 10.1/28). Ab dem 1. Dezember 2008 attestierte Dr. med. C. der Versicherten eine 50%ige Arbeitsfähigkeit (act. G 10.1/62). Sie meldete sich in der Folge per 4. Dezember 2008 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) St. Gallen zur Arbeitsvermittlung an (act. G 7.1/32). Das RAV St. Gallen erhöhte die Vermittlungsfähigkeit anlässlich der Anweisung in ein Programm zur vorübergehenden Beschäftigung ab 4. Juni 2009 auf 100% (act G 7.1/31, 32). Am 12. August 2010 sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen der Versicherten rückwirkend ab 1. Juni 2008 bei einem Invaliditätsgrad von 42% eine Viertelsrente zu (act. G 10.1/93).
Mit Verfügung vom 16. Juli 2010 forderte die Unia Arbeitslosenkasse wegen der rückwirkend ab Juni 2008 gewährten Viertelsrente Leistungen zurück. Dies mit der Begründung, dass die Arbeitslosenkasse ab Rahmenfristbeginn nur noch Leistungen für die verbleibende Erwerbsfähigkeit von maximal 58% entschädigen dürfe. Für die Monate Juni 2009 bis Dezember 2009 ergebe sich deshalb eine Rückforderung von Fr. 5'369.20. Ein Betrag von Fr. 2'622.15 werde mit IV-Leistungen verrechnet, maximal Fr. 2'747.05 werde mit allfälligen Leistungen des Versicherers der beruflichen Vorsorge verrechnet. Der definitive Betrag werde eruiert, wenn Rentenbeginn und Rentenhöhe bekannt seien. Ein allfälliger Rest werde erlassen (act. G 7.1/6).
Die Versicherte erhob, vertreten durch Rechtsanwalt Romeo Minini, am 9. September 2010 Einsprache und beantragte, die Verfügung vom 16. Juli 2010 betreffend Rückforderung und Verrechnung von Leistungen sei aufzuheben und es sei von einer Rückforderung in der geltend gemachten Höhe von Fr. 5'369.20 abzusehen. Eventualiter beantragte sie, von einer allfälligen Rückerstattung der Versicherungsleistungen wegen grosser Härte abzusehen. Der hierfür nötige gute Glauben beim Empfang der Leistungen sei anzunehmen und ein allfälliges Erlassgesuch könne zu einem späteren Zeitpunkt in rechtsgültiger Weise gestellt werden (act. G 7.1/5).
Mit Einspracheentscheid vom 17. September 2010 wies die Unia Arbeitslosenkasse die Einsprache vom 9. September 2010 ab. Sie begründete dies damit, dass in der Einsprache keine neuen Sachverhalte geltend gemacht würden, was
keine andere Einschätzung als im Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung zulasse. Insbesondere der Hinweis in der Einsprache, es sei eventualiter von einer allfälligen Rückerstattung der Versicherungsleistungen wegen grosser Härte abzusehen, greife nicht, da es sich bei der Verrechnung zwischen der Invalidenversicherung und der Arbeitslosenversicherung um eine gesetzliche Vorschrift handle (act. G 7.1/4).
B.
Am 18. Oktober 2010 erhob die Versicherte Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 17. September 2010. Dieser sei aufzuheben. Im Übrigen hält die Beschwerdeführerin an den Rechtsbegehren der Einsprache fest. Der Rückforderungsbetrag von Fr. 5'369.20 setze sich offenbar aus einem Verrechnungsbetrag Invalidenversicherung (IV) von Fr. 2'622.15 und dem provisorischen Verrechnungsbetrag Berufliche Vorsorge von Fr. 2'747.05 zusammen. Die Beschwerdegegnerin habe jedoch von der IV die entsprechenden Leistungen in der Höhe von 2'622.15 bereits zurückerhalten, weshalb kein Verrechnungsanspruch der Beschwerdegegnerin mehr bestehe (act. G 1).
Mit Beschwerdeergänzung vom 15. November 2010 (Postaufgabe) hält die Beschwerdeführerin unverändert an den in der Beschwerde vom 18. Oktober 2010 gestellten Anträgen fest. Die Vorleistungen bezüglich der Invalidenrente der IV seien bereits verrechnet worden und für weitere Verrechnungen gegenüber der IV bestehe kein Verrechnungsgegenstand. Allfällige Vorleistungen bezüglich einer Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge seien wegen gutem Glauben und grosser Härte zu erlassen (act. G 5).
Mit Beschwerdeantwort vom 3. Dezember 2010 (Postaufgabe) beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Sie führt aus, dass sie der Beschwerdeführerin aufgrund der Vorleistungspflicht Leistungen erbracht habe und die IV sehe aufgrund des der Kasse zugestellten Verrechnungsantrages vom 1. Juli 2010 vor, der Beschwerdeführerin bei einem Invaliditätsgrad von 42% mit Wirkung ab Juli 2008 (gemeint ist wohl Juni 2008) eine Invalidenrente auszurichten. Im Zeitraum vom 1. Juli 2009 (gemeint ist wohl 1. Juni 2009) bis und mit 31. Dezember 2009 habe sie der Beschwerdeführerin ausgehend von einem Vermittlungsgrad von 100% aufgrund des
Pauschalansatzes von Fr. 102.00 im Tag Arbeitslosenentschädigung ausgezahlt. Die aufgrund des Beschlusses der IV um 42% gekürzte Anspruchsberechtigung sei korrekt. Die der Rückforderungsverfügung beigelegte Berechnungstabelle basiere auf einer monatlichen Invalidenrente von Fr. 419.00 und kürze den ursprünglichen Anspruch auf 58% des Pauschalansatzes.
Sie bestreite nicht, dass die Beschwerdeführerin die Leistungen der Arbeitslosenversicherung gutgläubig in Empfang genommen habe. Das von der Beschwerdeführerin genannte Erlassverfahren finde indessen, was die direkte Verrechnung zwischen den Sozialversicherungen betreffe, keine Anwendung. Daran ändere auch der Hinweis darauf, dass die Invalidenrente das notwendige Existenzminimum nicht decke, nichts.
Eine Verrechnung mit dem Versicherer der beruflichen Vorsorge sei noch nicht erfolgt und die diesbezügliche Berechnung könne erst erfolgen, wenn der Kasse bekannt sei, wie hoch die Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge sei (act. G 7).
Die Beschwerdeführerin verzichtet auf eine Replik (act. G 9).
C.
Während des laufenden Verfahrens forderte das Versicherungsgericht bei der Beschwerdegegnerin die Akten der Invalidenversicherung nach (act. G 10). Die Beschwerdeführerin liess sich dazu nicht vernehmen (act. G 16).
Erwägungen:
1.
Der vorliegende Sachverhalt ereignete sich vollständig vor Inkrafttreten der im Zuge der 4. AVIG-Revision revidierten Bestimmungen des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0). Die neuen Normen sind am 1. April 2011 in Kraft getreten. Entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln beurteilt sich der vorliegende Sachverhalt
nach den zum Zeitpunkt von dessen Verwirklichung anwendbaren Gesetzen und somit auch nach den AVIG-Normen vor der 4. AVIG-Revision.
Art. 70 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) sieht vor, dass die berechtigte Person Vorleistung verlangen kann, wenn ein Versicherungsfall einen Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen begründet, aber Zweifel darüber bestehen, welche Sozialversicherung die Leistungen zu erbringen hat. Gemäss Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG ist die Arbeitslosenversicherung für Leistungen, deren Übernahme durch die Arbeitslosenversicherung, die Krankenversicherung, die Unfallversicherung die Invalidenversicherung umstritten ist, vorleistungspflichtig. Gemäss Art. 71 ATSG erbringt der vorleistungspflichtige Versicherungsträger die Leistungen nach den für ihn geltenden Bestimmungen; wird der Fall von einem anderen Träger übernommen, so hat dieser die Vorleistungen im Rahmen seiner Leistungspflicht zurückzuerstatten (BGE 136 V 195 E. 3.2 und E. 3.3).
Nach Art. 95 Abs. 1 AVIG richtet sich die Rückforderung mit Ausnahme der Fälle von Art. 55 AVIG (Rückerstattung von Insolvenzentschädigung) nach Art. 25 ATSG. Nach Abs. 1 Satz 1 der letztgenannten Bestimmung sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Art. 95 Abs. 1bis AVIG hält fest, dass eine versicherte Person, die Arbeitslosenentschädigung bezogen hat und später für denselben Zeitraum Renten Taggelder der Invalidenversicherung, der beruflichen Vorsorge, der Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in Armee, Zivildienst und Zivilschutz, der Militärversicherung, der obligatorischen Unfallversicherung, der Krankenversicherung gesetzliche Familienzulagen erhält, zur Rückerstattung der in diesem Zeitraum bezogenen Arbeitslosentaggelder verpflichtet ist. In Abweichung von Art. 25 Abs. 1 ATSG beschränkt sich die Rückforderungssumme auf die Höhe der von den obgenannten Institutionen für denselben Zeitraum ausgerichteten Leistungen. Rückforderungen und fällige Leistungen aufgrund des AVIG können gemäss Art. 94 Abs. 1 AVIG sowohl untereinander als auch mit Rückforderungen sowie fälligen Renten und Taggeldern der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), der Invalidenversicherung, der beruflichen Vorsorge, der Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in Armee, Zivildienst und Zivilschutz, der Militärversicherung, der obligatorischen Unfallversicherung, der Krankenversicherung sowie von
Ergänzungsleistungen zur AHV/IV und von gesetzlichen Familienzulagen verrechnet werden (BGE 136 V 195 E. 3.4).
Eine Leistung in der Sozialversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (heute: Bundesgericht) nur zurückzuerstatten, wenn in verfahrensrechtlicher Hinsicht entweder die für die Wiedererwägung die für die prozessuale Revision erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. In Art. 53 ATSG hat diese Rechtsprechung nun eine formellgesetzliche Fassung erhalten. Danach kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Demgegenüber ist der Versicherungsträger verpflichtet, mittels sogenannter prozessualer Revision auf eine formell rechtskräftige Verfügung einen Einspracheentscheid zurückzukommen, wenn neue Tatsachen Beweismittel entdeckt werden, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen, in diesem Sinn also erheblich sind. Gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung stellt die rückwirkende Zusprechung einer Invalidenrente hinsichtlich formlos erbrachter Taggeldleistungen der Arbeitslosenversicherung eine neue erhebliche Tatsache dar, deren Unkenntnis die Arbeitslosenkasse nicht zu vertreten hat, weshalb ein Zurückkommen auf die ausgerichteten Leistungen auf dem Wege der prozessualen Revision im Allgemeinen als zulässig erachtet wird (BGE 132 V 357 E. 3.1 mit Hinweisen).
Im Regelfall wird der versicherte Verdienst auf der Basis des im Sinn der AHV- Gesetzgebung massgebenden Lohnes bemessen, der während eines Bemessungszeitraums aus einem mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde (Art. 23 Abs. 1 AVIG). Der Bundesrat hat in Art. 37 der Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigung (AVIV;
SR 837.02) den Bemessungszeitraum für den versicherten Verdienst festgelegt. In der Regel entspricht der auf diese Weise definierte Lohn der aktuellen Leistungsfähigkeit der arbeitslosen Person. Allfällige gesundheitsbedingte Leistungseinbussen können sich naturgemäss nur im Lohn niederschlagen, wenn sie nicht unmittelbar vor sogar erst während der Arbeitslosigkeit entstanden sind. Tritt mit anderen Worten eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unmittelbar vor während der Arbeitslosigkeit ein, so entspricht die aktuelle Leistungsfähigkeit nicht
mehr derjenigen vor der Arbeitslosigkeit, welche die Lohnbasis bildete. Weil der Lohn vor Eintritt der Arbeitslosigkeit aber Bemessungsgrundlage für den versicherten Verdienst darstellt, muss in diesen Fällen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Anpassung nach Art. 40b AVIV erfolgen. Eine Korrektur gemäss Art. 40b AVIV ist daher durchzuführen, wenn der versicherte Verdienst auf einem Lohn beruht, den die versicherte Person im Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit auf Grund einer zwischenzeitlich eingetretenen Invalidität nicht mehr erzielen könnte. Unmittelbarkeit im Sinn von Art. 40b AVIV liegt also dann vor, wenn sich die gesundheitsbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit (noch) nicht im Lohn niedergeschlagen hat, der gemäss Art. 23 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 37 AVIV Bemessungsgrundlage für den versicherten Verdienst bildet (BGE 133 V 534 f. E. 4.1.2).
Durch das Abstellen auf die verbleibende Erwerbsfähigkeit im Sinn von Art. 40b AVIV soll verhindert werden, dass die Arbeitslosenentschädigung auf einem Verdienst ermittelt wird, den die versicherte Person nicht mehr erzielen könnte. Die Verordnungsbestimmung betrifft nicht allein die Leistungskoordination zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung, sondern - in allgemeiner Weise - die Abgrenzung der Zuständigkeit der Arbeitslosenversicherung gegenüber anderen Versicherungsträgern nach Massgabe der Erwerbsfähigkeit. Sinn und Zweck der Verordnungsbestimmung ist mit anderen Worten, die Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung auf einen Umfang zu beschränken, der sich nach der verbleibenden Erwerbsfähigkeit der versicherten Person während der Dauer der Arbeitslosigkeit auszurichten hat. Dies gilt nach der bundesrichterlichen Rechtsprechung auch dann, wenn der versicherte Verdienst aufgrund von Pauschalansätzen nach Art. 41 AVIV festgelegt wurde und nicht nach dem Regelfall von Art. 23 AVIG (Urteil des Bundesgerichts vom 14. September 2007, C 154/06, E. 7.2 mit Hinweis).
2.
Im vorliegenden Fall ist die grundsätzliche Rückerstattungspflicht - namentlich das Vorhandensein eines Rückkommenstitels (Rentenzusprache) - für den von der Beschwerdegegnerin festgesetzten Zeitraum zu Recht nicht umstritten. Umstritten ist hingegen, ob und in welchem Umfang die bereits ausgezahlten Leistungen der
Beschwerdegegnerin zurückgefordert beziehungsweise die Rückforderung mit Leistungen der IV und beruflichen Vorsorge verrechnet werden kann.
2.1 Die Beschwerdeführerin erhielt ab 4. Dezember 2008 Arbeitslosenentschädigung. Als versicherter Verdienst wurde der Pauschalansatz von Fr. 102.- gemäss Art. 41 Abs. 1 lit. c AVIV herangezogen (vgl. Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen AVI 2009/102 vom 1. September 2010). Bei diesem Pauschalansatz wird keine verminderte Erwerbsfähigkeit angenommen. Man geht im Gegenteil davon aus, dass die arbeitslose Person zu 100% erwerbsfähig ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom
14. September 2007, C 154/06, E. 7.4). Da der verwendete Pauschalansatz von einer Erwerbsfähigkeit von 100% ausgeht und die Beschwerdeführerin gemäss der Feststellung der IV nur noch zu 58% erwerbsfähig war, war nach der angeführten bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine nachträgliche Anpassung des versicherten Verdiensts gemäss Art. 40b AVIV vorzunehmen. Dabei konnte die Beschwerdegegnerin die verbleibende Erwerbsfähigkeit als Differenz von 100% und dem von der IV verfügten Invaliditätsgrad von 42% berechnen (vgl. das Kreisschreiben über die Arbeitslosenentschädigung vom Januar 2007 [KS-ALE], Rz C28). Die Beschwerdeführerin war demzufolge noch zu 58% erwerbsfähig und der versicherte Verdienst auf 58% des Pauschalansatzes von Fr. 102.- (Art. 41 Abs. 1 lit. c AVIV) zu kürzen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 14. September 2007, C 154/06, E. 7.6).
2.2 Die Beschwerdegegnerin ging in diesem Sinn vor: Sie reduzierte den versicherten Verdienst von Fr. 2'213.-- um 42% auf Fr. 1'248.-- ab 1. Juni 2009. Bis zum Ablauf des Höchstanspruchs von 260 Taggeldern im Dezember 2009 resultierte so eine Rückforderung in der Höhe von Fr. 5'369.20 (act. G 7.1/12-12.7). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Berechnung fehlerhaft sein soll, wie dies von der Beschwerdeführerin vorsorglich bestritten, aber nicht näher begründet wird. Die Berechnung der Rückforderung ist rechtens.
Die Beschwerdeführerin rügt, der rückgeforderte Betrag sei gemäss der Verfügung der IV vom 12. August 2010 im Umfang von Fr. 2'622.15 bereits bei der rückwirkenden Auszahlung seitens der IV abgezogen worden (act. G 10.1/93). Es bestehe somit kein Raum für eine weitere, darüber hinausgehende Rückforderung. Es trifft zu, dass die IV bei der Rentenverfügung vom 12. August 2010 einen Betrag von Fr. 2'622.15
zurückbehalten bzw. mit Leistungen der Beschwerdegegnerin verrechnet hat. Dabei handelt es sich nicht um eine neuerliche Rückforderungsverfügung, wofür die IV auch gar nicht zuständig wäre. Vielmehr geht es hier einzig um den Vollzug der von der Beschwerdegegnerin verfügten Rückforderung zu viel ausbezahlter Arbeitslosentaggelder mit Leistungen der IV in der Höhe von Fr. 2'622.15.
Die Beschwerdegegnerin hat korrekterweise berücksichtigt, dass sie gemäss Art. 95 Abs. 1bis AVIG die Rückforderung auf maximal die von der IV der Beschwerdeführerin rückwirkend pro Monat zugesprochenen Rentenbetreffnisse beschränken muss. Aus diesem Grund kann von der Beschwerdeführerin nicht mehr als Fr. 2'622.15 zurückgefordert bzw. mit Leistungen der IV verrechnet werden.
In der angefochtenen Verfügung hat die Beschwerdegegnerin die Rückforderung nicht auf die Höhe der im fraglichen Zeitraum zugesprochenen IV-Leistungen beschränkt, sondern darüber hinaus auch den Restbetrag der zu viel ausbezahlten Arbeitslosenentschädigung im Umfang von Fr. 2'747.05 zurückgefordert und vorsorglich einen entsprechenden Verrechnungsanspruch gegenüber allfälligen Leistungen der Pensionskasse angebracht.
Eine Rückforderung gemäss Art. 95 Abs. 1bis AVIG kann erst verfügt werden, wenn die Leistungen aus beruflicher Vorsorge feststehen. Zum Verfügungszeitpunkt war noch völlig unklar, ob und in welchem Umfang die Beschwerdeführerin Leistungen seitens des BV Versicherers erhalten würde. Die diesbezügliche "provisorische" Rückforderung ist deshalb schlicht zu früh erfolgt. Eine Rückforderung nach Leistungsfestsetzung des BV Versicherers ist dadurch jedoch nicht ausgeschlossen. Falls dieser ebenfalls rückwirkend für den fraglichen Zeitraum (Juni bis Dezember 2009) Leistungen ausrichtet, wird die Beschwerdegegnerin wiederum Art. 95 Abs 1bis AVIG zu beachten haben und somit maximal den monatlich durch den BV Versicherer zugesprochenen Betrag rückfordern bzw. entsprechend verrechnen lassen können. Im Umfang von Fr. 2'747.05 ist daher die angefochtene Rückforderung zur Zeit aufzuheben.
3.
Die Beschwerdeführerin beantragt eventualiter, es sei von einer Rückforderung infolge grosser Härte gemäss Art. 25 Abs. 1 Satz 2 ATSG abzusehen.
Zuständig für die Beurteilung eines Erlassgesuches ist erstinstanzlich das kantonale Amt für Arbeit (vgl. Art. 95 Abs. 3 i.V.m. Art. 85 lit. e AVIG). Ein Entscheid des kantonalen Amts betreffend Erlass, der beim Versicherungsgericht angefochten werden könnte, liegt nicht vor. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Eine Überweisung der Erlassfrage an die zuständige Instanz rechtfertigt sich nicht. Einerseits wird mit diesem Entscheid die Rückforderung betreffend vorsorgliche Verrechnung mit Leistungen der beruflichen Vorsorge aufgehoben, womit sich die Frage des Erlasses nicht stellt. Anderseits ist die Rückforderung in Höhe von Fr. 2'622.15 durch Verrechnung mit IV-Leistungen getilgt, weshalb sich auch hier die Frage des Erlasses nicht stellt. Immerhin bleibt der Beschwerdeführerin offen, bei der zuständigen Instanz ein Erlassgesuch zu stellen
4.
Die Rückforderung in Höhe von Fr. 2'622.15 bzw. die entsprechende Verrechnung mit IV-Leistungen ist somit nicht zu beanstanden und die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen. Gutzuheissen ist die Beschwerde jedoch bezüglich der Rückforderung in Höhe von Fr. 2'747.05 bzw. die provisorische Verrechnung mit zukünftigen Leistungen des BV Versicherers in diesem Umfang. Auf den Eventualantrag um Erlass der Rückforderung wegen grosser Härte gemäss Art. 25 Abs. 1 Satz 2 ATSG ist nicht einzutreten.
5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde, soweit auf sie einzutreten ist, teilweise gutzuheissen. Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 61 lit. a ATSG). Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung, die ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen wird (Art. 61 lit. g ATSG; vgl. auch Art. 98 ff. des st. gallischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes [VRP;
sGS 951.1]). Angemessen erscheint eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten wird, werden der Einspracheentscheid vom 17. September 2010 und die Verfügung vom 16. Juli 2010 zur Zeit insoweit aufgehoben, als ein Betrag von Fr. 2'747.05 zurückgefordert und provisorisch zur Verrechnung mit zukünftigen Leistungen des BV Versicherers gestellt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von
Fr. 1'500.-- zu bezahlen.
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