Zusammenfassung des Urteils AVI 2010/37: Versicherungsgericht
Der Beschwerdeführer, ein gelernter Möbelschreiner, erhob Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wurde jedoch aufgrund des Nichtantretens eines Einsatzprogramms für 30 Tage in der Anspruchsberechtigung eingestellt. Trotz Einsprache wurde die Einstellung bestätigt, da Mindestlohnbestimmungen eines GAV nicht für arbeitsmarktliche Massnahmen gelten. In der Beschwerde argumentierte der Beschwerdeführer, dass der GAV auch im Rahmen der Massnahme zu beachten sei. Das Gericht entschied, dass die Massnahme nicht der Annahme einer zumutbaren Arbeit entspricht und somit die Nichtteilnahme nicht gerechtfertigt war. Aufgrund des mittelschweren Verschuldens wurde der Beschwerdeführer für 30 Tage eingestellt, was vom Gericht bestätigt wurde. Die Beschwerde wurde abgewiesen, ohne dass Gerichtskosten erhoben wurden.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AVI 2010/37 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AVI - Arbeitslosenversicherung |
Datum: | 11.11.2010 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 64a Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 16 lit. c AVIG, Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG. Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen Nichtantritts einer arbeitsmarktlichen Massnahme. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Beschäftigungsmassnahme sind gesamtarbeitsvertragliche Bestimmungen nicht miteinzubeziehen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 11. November 2010, AVI 2010/37). |
Schlagwörter: | Arbeit; Quot; Einsatzprogramm; Massnahme; Schreiner; Beschäftigung; Anspruch; Quot;Schreiner; Einsprache; Anspruchsberechtigung; Beschwerdegegner; Massnahmen; Programm; Einsatzprogramms; Einspracheentscheid; Arbeitslosenversicherung; Person; Zumutbarkeit; Verschulden; Einstellung; Teilnahme; Nichtantritt; Arbeitsmarkts; Weisung; Arbeitsverhältnis; Möbelschreiner; Arbeitslosenentschädigung |
Rechtsnorm: | Art. 16 AVIG;Art. 30 AVIG;Art. 59 AVIG;Art. 64a AVIG; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 11. November 2010
in Sachen
H. ,
Beschwerdeführer,
gegen
Amt für Arbeit, Unterstrasse 22, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegner,
betreffend
Einstellung in der Anspruchsberechtigung (arbeitsmarktliche Massnahmen) Sachverhalt:
A.
Im Antrag vom 9. März 2009 erhob H. , gelernter Möbelschreiner, per
19. Februar 2009 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Nach eigenen Angaben war er in den letzten beiden Jahren als Schreiner für verschiedene Arbeitgeberinnen tätig (vgl. act. G 3/B224).
Am 16. Februar 2010 wies das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Oberuzwil den Versicherten für die Dauer vom 8. März bis 31. August 2010 an, am Einsatzprogramm (Programm zur vorübergehenden Beschäftigung) "Schreiner integrieren" mit einem Beschäftigungsgrad von 80% teilzunehmen (act. G 3/B236). Da der Versicherte das Einsatzprogramm nicht antrat, wurde er mit Verfügung vom
15. März 2010 ab 9. März 2010 für 30 Tage in der Anspruchsberechtigung eingestellt (act. G 3/B245).
B.
Dagegen erhob der Versicherte am 23. März 2010 Einsprache und machte sinngemäss geltend, dass im Rahmen des Einsatzprogramms "Schreiner integrieren" keine GAV-konforme Entlöhnung vorgesehen gewesen sei (act. G 3/A91).
Im Einspracheentscheid vom 25. März 2010 wies das Amt für Arbeit die Einsprache ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass Mindestlohnbestimmungen eines GAV nicht für arbeitsmarktliche Massnahmen gelten würden. Die Verweigerung der Teilnahme an der angewiesenen Massnahme sei daher zu Unrecht erfolgt (act. G 3/ B249).
C.
Gegen den Einspracheentscheid vom 25. März 2010 richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 29. März 2010. Der Beschwerdeführer beantragt darin sinngemäss dessen Aufhebung. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass der allgemeinverbindlich erklärte GAV für das Schreinergewerbe bezüglich Mindestlohn auch im Rahmen der angeordneten arbeitsmarktlichen Massnahme zu beachten und der Nichtantritt des Einsatzprogramms gerechtfertigt sei (act. G 1).
Der Beschwerdegegner verzichtet am 17. Mai 2010 auf eine begründete Beschwerdeantwort und beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen (act. G 3).
Erwägungen:
1.
Strittig und zu prüfen ist die im Einspracheentscheid vom 25. März 2010 bestätigte Einstellung in der Anspruchsberechtigung von 30 Tagen wegen Nichtantritts einer arbeitsmarktlichen Massnahme. Der Beschwerdeführer erachtet den Nichtantritt für gerechtfertigt, da er für das Einsatzprogramm "Schreiner integrieren" keine GAV- konforme Entlöhnung erhalten hätte (act. G 1).
2.
Das vorliegend zu beurteilende Programm zur vorübergehenden Beschäftigung gemäss Art. 64a Abs. 1 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0) ist eine arbeitsmarktliche Massnahme. Diese Massnahmen haben gemäss Art. 59 Abs. 2 AVIG zum Ziel, die Eingliederung von versicherten Personen, die aus Gründen des Arbeitsmarkts erschwert vermittelbar sind, zu fördern, indem sie im Hinblick auf die rasche und dauerhafte Wiedereingliederung die Vermittlungsfähigkeit der versicherten Personen verbessern (Art. 59 Abs. 2 lit. a AVIG), die beruflichen Qualifikationen entsprechend den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts fördern (lit. b), die Gefahr von Langzeitarbeitslosigkeit vermindern (lit. c) die Möglichkeit bieten, Berufserfahrungen zu sammeln (lit. d). Für die Zuweisung von Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung gelten sinngemäss die Kriterien der zumutbaren Arbeit nach Art. 16 Abs. 2 lit. c AVIG (Art. 64a Abs. 2 AVIG). Gemäss dieser Bestimmung ist eine Arbeit unzumutbar und von der Annahmepflicht ausgenommen, wenn sie dem Alter, den persönlichen Verhältnissen dem Gesundheitszustand der versicherten Person nicht angemessen ist.
Die versicherte Person hat auf Weisung der zuständigen Amtsstelle an arbeitsmarktlichen Massnahmen teilzunehmen, die ihre Vermittlungsfähigkeit fördern (Art. 17 Abs. 3 lit. a AVIG). Gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG ist die versicherte Person
in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn sie Weisungen der zuständigen Amtsstelle nicht befolgt, namentlich indem sie eine arbeitsmarktliche Massnahme ohne entschuldbaren Grund nicht antritt.
Die Programme zur vorübergehenden Beschäftigung im engeren Sinn, dürfen die Privatwirtschaft nicht unmittelbar konkurrenzieren (Art. 64a Abs. 1 lit. a AVIG). Sie bezwecken die Arbeitsbeschaffung Wiedereingliederung ins Erwerbsleben durch berufsnahe Tätigkeiten. Wegen des Verbots der direkten Konkurrenzierung müssen die ausgeübten Beschäftigungen grundsätzlich ausserhalb privatwirtschaftlicher Tätigkeit liegen, d.h. sie werden vom Angebot der Privatwirtschaft grundsätzlich nicht erfasst und liegen im öffentlichen Interesse (Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XIV Soziale Sicherheit, 2. Auflage, Rz 710 mit Hinweisen; A. Leu, Die arbeitsmarktlichen Massnahmen im Rahmen der Arbeitslosenversicherung in der Schweiz, Zürich 2006, S. 100; vgl. auch die Begründung der Anweisung ins Einsatzprogramm, act. G 3/B236). Die am Beschäftigungsprogramm teilnehmenden Versicherten stehen mit dessen Organisator
denn auch nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern in einem Vertragsverhältnis eigener Art. Bei den im Rahmen von Beschäftigungsmassnahmen ausgeübten Tätigkeiten handelt es sich nicht um beitragspflichtige Beschäftigungen, sondern die teilnehmenden Versicherten werden mit Taggeldern und allenfalls mit Auslagenersatz entschädigt (T. Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, a.a.O., Rz 719 mit Hinweisen). In einem GAV getroffene Regelungen, die sich auf Arbeitsverhältnisse des sogenannten ersten Arbeitsmarkts beziehen, finden demnach auf die nicht ein Arbeitsverhältnis begründenden Vertragsverhältnisse zwischen den Organisatoren von Beschäftigungsmassnahmen und deren Teilnehmenden keine Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn ein GAV vom Bundesrat für allgemein verbindlich erklärt worden ist.
Bei seiner Argumentation übersieht der Beschwerdeführer weiter, dass es sich bei der angeordneten Massnahme (Einsatzprogramm "Schreiner integrieren") nicht um die Annahme einer zumutbaren Arbeit im Rahmen der den Versicherten obliegenden Schadenminderungspflicht gemäss Art. 16 Abs. 1 AVIG handelt und der entsprechende in Abs. 2 lit. a ff. normierte Anforderungskatalog in seiner Gesamtheit vorliegend keine Anwendung findet. Wie der Beschwerdegegner im Einspracheentscheid zutreffend bemerkt hat (act. G 3/B249), handelt es sich bei der vorliegenden arbeitsmarktlichen
Massnahme um ein besonderes Programm (vgl. vorstehende E. 2.3). Kraft Art. 64a Abs. 2 AVIG und des darin enthaltenen Verweises hat die vorliegend in Frage stehende arbeitsmarktliche Massnahme einzig die Anforderung gemäss Art. 16 Abs. 2 lit. c AVIG ("dem Alter, den persönlichen Verhältnissen dem Gesundheitszustand des Versicherten angemessen") - sinngemäss - zu erfüllen. Die Bestimmung von Art. 64a
Abs. 2 AVIG sieht namentlich von einem Verweis auf Art. 16 Abs. 2 lit. a AVIG ab, worin unter anderem die Beachtung gesamtarbeitsvertraglicher Bedingungen gefordert wird. Dies hat zur Folge, dass die Zumutbarkeit des Einsatzprogramms "Schreiner integrieren" nicht davon abhängt, ob es gesamtarbeitsvertraglichen Bedingungen entspricht. Vorliegend besteht daher keine Veranlassung, die Zumutbarkeit des Einsatzprogramms aufgrund des GAV für das Schreinergewerbe zu verneinen. Der Beschwerdeführer hat keine weiteren Gründe gegen die Zumutbarkeit der Teilnahme am Einsatzprogramm vorgebracht. Es mag zwar auf einen ersten Blick fraglich erscheinen, ob das Einsatzprogramm "Schreiner integrieren" im Fall des Beschwerdeführers, der eine Ausbildung als Möbelschreiner hat und auch einige Jahre Berufserfahrung in diesem Gebiet aufweist, geeignet ist. Allerdings war der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Zuweisung bald ein Jahr arbeitslos und das Einsatzprogramm bezweckte u.a. dem Beschwerdeführer einen regelmässigen Arbeitsrhythmus zu vermitteln und ihn in eine Gruppe zu integrieren (act. G 3/A5). Des Weiteren entspricht es dem Wunsch des Beschwerdeführers, mit Holz zu arbeiten (act. G 3/A6), weshalb die Anordnung des Einsatzprogramms "Schreiner integrieren" nicht zu beanstanden ist. Aus den Akten ergeben sich keine weiteren Gründe gegen das Einsatzprogramm bzw. dessen Zumutbarkeit, zumal der Beschwerdeführer für die Teilnahme Taggeldleistungen und - sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt gewesen wären - Ersatz für Reisekosten sowie eine Verpflegungsentschädigung erhalten hätte (vgl. act. G 3/B236). Unter diesen Umständen hat der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer zu Recht gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG in der Anspruchsberechtigung eingestellt.
3. Zu prüfen bleibt noch die Einstelldauer.
3.1 Die Dauer der Einstellung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 AVIG) und beträgt 1 bis 15 Tage bei leichtem, 16 bis 30 Tage bei mittelschwerem und 31 bis 60 Tage bei schwerem Verschulden (Art. 45 Abs. 2 der
Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die
Insolvenzentschädigung [AVIV; SR 837.02]).
3.2 Der Beschwerdegegner ist - mit Blick auf eine entsprechende Vorgabe im Kreisschreiben über die Arbeitslosenentschädigung (KS-ALE vom Januar 2007, Rz D72) und den Umstand, dass der Beschwerdeführer in der laufenden Rahmenfrist bereits wiederholt eingestellt werden musste (vgl. hierzu act. G 3/B191 betreffend ungenügende Arbeitsbemühungen und act. G 3/B234 betreffend Nichtbefolgung einer Weisung) - von einem mittelschweren Verschulden ausgegangen und hat den Beschwerdeführer für 30 Tage in der Anspruchsberechtigung eingestellt. Diese Verschuldenszumessung liegt zwar am oberen Rand des angemessenen Sanktionsrahmens. Es sind aber keine schuldmindernden Gründe ersichtlich. Der angefochtene Einspracheentscheid ist somit nicht zu beanstanden.
4.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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