Zusammenfassung des Urteils AVI 2009/54: Versicherungsgericht
Die Firma S. reichte beim Amt für Arbeit eine Voranmeldung für Kurzarbeit ein, da ein Arbeitsausfall erwartet wurde. Nach anfänglicher Zustimmung hob das Amt später die Entscheidung auf und erhob Einspruch gegen die Auszahlung der Kurzarbeitsentschädigung. Die Firma legte Einspruch ein, da die Betriebsschliessung erst nach Beginn der Kurzarbeit beschlossen wurde. Das Amt wies den Einspruch ab, da die Kurzarbeit als Vorstufe zur Betriebsschliessung angesehen wurde. Die Firma legte Beschwerde ein, und das Versicherungsgericht entschied teilweise zugunsten der Firma, da die Betriebsschliessung nicht zum Zeitpunkt der Kurzarbeit beschlossen war.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AVI 2009/54 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AVI - Arbeitslosenversicherung |
Datum: | 16.03.2010 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 17 Abs. 2 ATSG; Art. 31 Abs. 1 lit. d AVIG. Eine Verfügung, mit der das Amt für Arbeit keinen Einspruch gegen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung erhebt, darf an eine für den Entscheid wesentliche erhebliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse angepasst werden. Eine Betriebsschliessung ist eine erhebliche tatsächliche Veränderung. Der Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung entfällt, sobald die Betriebsschliessung definitiv entschieden ist (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 16. März 2010, AVI 2009/54). |
Schlagwörter: | Arbeit; Kurzarbeit; Verfügung; Kurzarbeitsentschädigung; Sachverhalt; Betrieb; Anspruch; Beschwerdegegner; Leistung; Einspruch; Einsprache; Betriebsschliessung; Auszahlung; Konsultationsverfahren; Zeitpunkt; Entscheid; Gallen; Arbeitsausfall; Anspruchs; Anpassung; Sachverhalts; Voraussetzung; Einspracheentscheid; Recht; Schlauri; Sozialversicherung |
Rechtsnorm: | Art. 17 ATSG ;Art. 31 AVIG;Art. 335f OR ;Art. 36 AVIG;Art. 38 AVIG;Art. 53 ATSG ; |
Referenz BGE: | 127 V 10; 133 V 57; |
Kommentar: | Ueli Kieser, ATSG- 2. Aufl., Zürich, Art. 53 ATSG, 2009 |
Entscheid vom 16. März 2010
in Sachen
S. ,
Beschwerdeführerin,
gegen
Amt für Arbeit, Unterstrasse 22, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegner,
betreffend
Kurzarbeitsentschädigung
Sachverhalt:
A.
Die S. mit Sitz in Flums, (act. G 9), reichte am 21. April 2008 beim Kantonalen Amt für Arbeit St. Gallen (nachfolgend: Amt für Arbeit) eine Voranmeldung für Kurzarbeit für die Zeit von 1. Juni 2008 bis 31. August 2008 ein. Sie gab an, dass ein Arbeitsausfall im Umfang von 70% zu erwarten sei, von dem der Gesamtbetrieb und damit 149 Arbeitnehmende betroffen seien (act. G 3/A1).
Am 12. August 2008 gelangte die S. erneut ans Amt für Arbeit und gab an, auch für die Zeit von 1. September 2008 bis 30. November 2008 Kurzarbeit im Umfang von 70% fortführen zu müssen. Betroffen sei wiederum der Gesamtbetrieb und damit 149 Arbeitnehmende (act. G 3/A4). Die Notwendigkeit dieses Schrittes begründete die
S. mit der sehr schlechten Marktlage, insbesondere mit deutlich weniger Aufträgen
von Seiten ihrer italienischen Kundschaft (act. G 3/A5).
Mit Formular vom 12. November 2008 meldete die S. dem Amt für Arbeit schliesslich erneut die Notwendigkeit von Kurzarbeit für den Gesamtbetrieb und damit für 147 Arbeitnehmende im Umfang von 70% für die Zeit von 1. Dezember 2008 bis
28. Februar 2009 (act. G 3/A6). Mit Verfügung vom 24. November 2008 erhob das Amt für Arbeit keinen Einspruch gegen die Auszahlung der Entschädigung (act. G 3/A10). Diese Verfügung erwuchs in Rechtskraft.
Am 15. April 2009 hob das Amt für Arbeit die Verfügung vom 24. November 2008 auf und erhob Einspruch gegen die Auszahlung der Kurzarbeitsentschädigung für die Zeit von 1. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009. Zur Begründung führte es an, dass die Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 31 Abs. 1 lit. c und d AVIG nicht mehr gegeben seien, da die S. gemäss Schreiben vom 12. Januar 2009 den gesamten Betrieb per 31. Januar 2009 schliesse.
B.
Gegen die Verfügung des Amtes für Arbeit vom 15. April 2009 erhob die S. am
22. April 2009 form- und fristgerecht Einsprache. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass die textile Produktion – entgegen der Ansicht des Amtes für Arbeit – nicht per Ende Januar 2009, sondern erst per 1. Mai 2009 endgültig eingestellt werde. Tatsächlich seien am 27. Januar 2009 lediglich die Kündigungen ausgesprochen worden, nachdem das gesetzlich vorgeschriebene Konsultationsverfahren ergebnislos verlaufen sei. Der Entscheid zur Betriebsschliessung sei zum Zeitpunkt der Einführung der Kurzarbeit im Januar 2009 noch nicht abzusehen gewesen und auch nicht erwartet worden. Es könne daher nicht angehen, dass die Kurzarbeitsentschädigung, die in der ohnehin schon straffen Finanzplanung bereits berücksichtigt worden sei, einfach gestrichen werde.
Mit Entscheid vom 9. Juni 2009 wies das Amt für Arbeit die Einsprache der S.
ab mit der Begründung, dass die Ausrichtung von Kurzarbeitsentschädigung nach
Art. 31 Abs. 1 lit. d AVIG einen voraussichtlich vorübergehenden Arbeitsausfall und die Erwartung der Arbeitsplatzerhaltung voraussetze. Bestünden konkrete Anhaltspunkte, dass der Arbeitgeber die Kurzarbeit als Vorstufe einer geplanten Betriebsschliessung einführe, sei die Anspruchsvoraussetzung des vorübergehenden Arbeitsausfalls und der Arbeitsplatzerhaltung nicht resp. nicht mehr erfüllt, was auch aus Ziff. B23 des Kreisschreibens über die Kurzarbeitsentschädigung (KS KAE) des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) deutlich hervorgehe. Die kantonale Amtsstelle habe in einem solchen Fall zu prüfen, ob sie wiedererwägungsweise in Form einer prozessualen Revision auf ihren bisherigen Entscheid zurückkommen wolle. Im vorliegenden Fall sei das Amt für Arbeit im Zeitpunkt des Erlasses der aufgehobenen Verfügung vom
24. November 2008 von einem vorübergehenden Arbeitsausfall ausgegangen, was besagte Verfügung zwar nicht anfänglich unrichtig, aufgrund des veränderten Sachverhaltes aber nachträglich zweifellos unrichtig mache. Da für die Zeit vom
1. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009 noch keine Kurzarbeitsentschädigungen erbracht worden seien, überwiege das öffentliche Interesse am Widerruf der Verfügung dem Interesse der S. auf Schutz ihres Vertrauens in zukünftige Zahlungen (act G 3/ A13).
C.
Dagegen wendet sich die S. am 25. Juni 2009 mit Beschwerde ans Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und beantragt sinngemäss die Aufhebung des Einspracheentscheides des Beschwerdegegners vom 9. Juni 2009, soweit darin Einspruch gegen die Auszahlung der Kurzarbeitsentschädigung für den Monat Januar 2009 erhoben wird. Zur Begründung bekräftigt die Beschwerdeführerin ihren bereits im Einspracheverfahren vertretenen Standpunkt, dass die Schliessung des Betriebes als worstcase-Szenario erst nach der erfolglosen Durchführung des Konsultationsverfahrens beschlossen und vorgängig nicht geplant erwartet worden sei. Ziff. B23 KS KAE sei daher im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Vielmehr halte Ziff. B28 KS KAE klar fest, dass der Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung erst ab Beginn der vertraglichen Kündigungsfrist verloren gehe, auch wenn die Kündigung von der sie aussprechenden Partei lange vor Beginn der Kündigungsfrist mitgeteilt worden sei (act. G 1).
In seiner Beschwerdeantwort vom 29. Juli 2009 stellt sich der Beschwerdegegner weiterhin auf den Standpunkt, dass für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009 kein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung bestehe, da die Anspruchsvoraussetzungen des vorübergehenden Arbeitsausfalles und der Arbeitsplatzerhaltung gemäss Art. 31 Abs. 1 lit. d AVIG aufgrund der Betriebsschliessung während der 3-monatigen Bezugsdauer nicht erfüllt seien. Hätte er (der Beschwerdegegner) bereits im Zeitpunkt des Verfügungserlasses von der Betriebsschliessung Kenntnis gehabt, hätten auch keine Leistungen zugesprochen werden dürfen, was eine Aufhebung der mangelhaften Verfügung ex nunc [richtig: ex tunc] rechtfertige. Mangels nicht mehr rückgängig zu machenden Dispositionen im Vertrauen auf die zugesicherten Leistungen könne sich die Beschwerdeführerin auch nicht auf den verfassungsmässigen Vertrauensschutz berufen (act. G 3).
Mit Replik vom 20. August 2009 erwidert die Beschwerdeführerin darauf sinngemäss, es könne nicht sein, dass ein alleiniges In-Erwägung-ziehen einer Betriebsschliessung einen Wegfall des Anspruchs auf Kurzarbeitsentschädigung zur Folge habe. Vielmehr dürfe die Anspruchsberechtigung erst dann entfallen, wenn feststehe, dass die durch die Kurzarbeitsentschädigung zu erhaltenden Arbeitsplätze definitiv aufgegeben werden müssen.
Der Beschwerdegegner verzichtet auf die Einreichung einer Duplik.
Erwägungen:
1.
Im angefochtenen Einspracheentscheid vom 9. Juni 2009 erhebt der Beschwerdegegner Einspruch gegen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung für die Zeit von 1. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009. Die Beschwerdeführerin verlangt die Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheides aber lediglich soweit, als darin Einspruch gegen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung für den Monat Januar 2009 erhoben wird. Auch machte die Beschwerdeführerin nach Auskunft der Kantonalen Arbeitslosenkasse St. Gallen lediglich für den Monat Januar 2009 einen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung geltend (act. G 7). Allfällige Ansprüche auf Kurzarbeitsentschädigung für die Monate Dezember 2008 und Februar 2009 sind demnach im vorliegenden Verfahren mangels Rechtsschutzinteresses der Beschwerdeführerin nicht zu prüfen. Zu prüfen ist vielmehr, ob ein Zurückkommen auf die rechtskräftige Verfügung vom 24. November 2008 durch den Beschwerdegegner zulässig war und – falls dies zu bejahen ist – ob er zu Recht Einspruch gegen die Ausrichtung von Kurzarbeitsentschädigung für die Zeit von 1. bis 31. Januar 2009 erhoben hat.
2.
2.1 Nach Art. 53 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide wiedererwägungsweise zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Die festgestellte zweifellose Unrichtigkeit kann sich auf den der Verfügung zugrunde gelegten Sachverhalt auf die Rechtsanwendung beziehen, muss aber in jedem Fall eine anfängliche sein (Ueli Kieser, ATSG- Kommentar, 2. Aufl., Zürich 2009, N 26 zu Art. 53 ATSG). Ob eine Verfügung zweifellos unrichtig ist, beurteilt sich mit anderen Worten nach den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten im Zeitpunkt des Verfügungserlasses (vgl. BGE 127 V 10 E. 4a; Alexandra Rumo-Jungo, Die Instrumente zur Korrektur der
Sozialversicherungsverfügung, in: Schaffhauser/ Schlauri (Hrsg.), Verfahrensfragen in
der Sozialversicherung, St. Gallen 1996, S. 282 mit Hinweisen).
Demgegenüber ist der Versicherungsträger nach Art. 53 Abs. 1 ATSG verpflichtet, mittels sogenannter prozessualer Revision auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt Beweismittel aufgefunden werden. Neu und erheblich ist eine Tatsache, wenn sie zur Zeit der Erstbeurteilung zwar bereits bestanden hat, der sich darauf berufenden Partei aber unverschuldeterweise nicht bekannt war unbewiesen geblieben ist und wenn davon ausgegangen werden muss, dass der ursprüngliche Entscheid bei Kenntnis der entsprechenden Tatsache anders ausgefallen wäre (vgl. BGE 8C_93/2007 E. 2.2; 108 V 167 E. 2b mit Hinweisen; Ueli Kieser, a.a.O., N 13 zu Art. 53 ATSG).
Ein Zurückkommen auf eine formell rechtskräftige Verfügung setzt also sowohl im Falle einer Wiedererwägung als auch bei der prozessualen Revision eine anfängliche Unrichtigkeit der Verfügung voraus. Wie der Beschwerdegegner im Einspracheentscheid vom 9. Juni 2009 richtig feststellt, liegt vorliegend keine anfängliche, sondern im Hinblick auf die im Januar 2009 beschlossene Betriebsschliessung allenfalls eine nachträgliche Unrichtigkeit aufgrund veränderter tatsächlicher Verhältnisse vor. Damit ist eine Korrektur der Verfügung vom
28. November 2008 weder in Form einer Wiedererwägung noch gestützt auf eine
prozessuale Revision möglich. 3.
Nach Art. 17 Abs. 2 ATSG wird aber – neben Rentenleistungen (Art. 17 Abs. 1 ATSG) – auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung von Amtes wegen auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat. Vorliegend ist deshalb zu prüfen, ob eine Korrektur der Verfügung vom 28. November 2008 gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ATSG zulässig war (nachfolgend E. 4) und ob (gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt) eine erhebliche Sachverhaltsänderung vorliegt (nachfolgend E. 5).
4.
Im Sinne eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes muss die Anpassung einer zugesprochenen Leistung immer dann möglich sein, wenn sich der leistungsbegründende Sachverhalt während der laufenden Leistung verändern kann (vgl. Franz Schlauri, Sozialversicherungsrechtliche Dauerleistungen, ihre rechtskräftige Festlegung und ihre Anpassung, in: Schaffhauser/Schlauri (Hrsg.), Sozialversicherungsrechtstagung 2008, St. Gallen 2009, S. 100 f.). Dementsprechend hat als Dauerleistung im Sinne von Art. 17 Abs. 2 ATSG richtigerweise jede Leistung zu gelten, die für die Zukunft und damit notwendigerweise unter Annahme (und stillschweigendem Vorbehalt) einer bestimmten künftigen Entwicklung des zugrundeliegenden Sachverhalts verfügt wird (vgl. Franz Schlauri, a.a.O., S. 100 ff.; ähnlich Thomas Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Aufl., Bern 2003,
§ 38 N 14 ff., der unter dem Begriff Dauerleistung sämtliche nicht von Vornherein befristete Geldleistungen zusammenfasst, insbesondere auch Taggelder und Hilflosenentschädigung; Ueli Kieser, a.a.O., N 40 zu Art. 17 ATSG, schliesslich geht davon aus, dass grundsätzlich jede periodisch zu erbringende Leistung vom Begriff der Dauerleistung erfasst wird; a.M. BGE 133 V 57 E. 6). Der Wortbestandteil "Dauer" ist also im Sinne von "andauernd", "künftig" zu verstehen. Die "Dauer" in absoluter Hinsicht resp. der Zeitraum, für den die Ausrichtung einer Leistung verfügt wird, ist demgegenüber für die Qualifikation als Dauerleistung irrelevant (vgl. Franz Schlauri, a.a.O., S. 101 ff.).
Gemäss Art. 36 Abs. 1 AVIG hat der Arbeitgeber die Einführung von Kurzarbeit bei der kantonalen Amtsstelle (im Kanton St. Gallen beim Amt für Arbeit [Art. 2 des Gesetzes über Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung, sGS 361.0]) zu melden. Das Amt für Arbeit überprüft die betriebsbezogenen Voraussetzungen für die Ausrichtung von Kurzarbeitsentschädigung abschliessend (vgl. Ziff. G16 KS KAE). Erachtet es die Voraussetzungen (teilweise) für nicht erfüllt, erhebt es durch Verfügung (teilweise) Einspruch gegen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung; werden die Voraussetzungen als erfüllt erachtet, wird das ebenfalls verfügungsweise festgestellt (vgl. Ziff. G17 KS KAE). Den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung hingegen hat der Arbeitgeber bei der von ihm bezeichneten Arbeitslosenkasse geltend zu machen (Art. 38 Abs. 1 AVIG). Die Arbeitslosenkasse überprüft die Voraussetzungen nach Art. 31 Abs. 3 AVIG und Art. 32 Abs. 1 lit. b AVIG und richtet, sofern sie die Voraussetzungen für erfüllt betrachtet und das Amt für Arbeit keinen Einspruch gegen die Auszahlung
erhoben hat, die Kurzarbeitsentschädigung aus. Die Verfügung des Amtes für Arbeit bildet demnach zwar eine notwendige Voraussetzung für die Auszahlung der Kurzarbeitsentschädigung, stellt selber aber nicht die leistungszusprechende Verfügung dar.
Art. 17 Abs. 2 ATSG sieht nach seinem Wortlaut nur die Anpassung einer auf Dauer verfügten Leistung vor. Dessen ungeachtet kann sich der massgebliche Sachverhalt nicht nur bei einer für die Zukunft verfügten Leistung anspruchsrelevant verändern. Dies muss vielmehr auch für feststellende Verfügungen gelten, die zukunftsgerichtet und deshalb einer Sachverhaltsevolution zugänglich sind. Wären Feststellungsverfügungen einer Anpassung im Falle einer wesentlichen Sachverhaltsänderung nicht zugänglich, hätte dies regelmässig stossende Konsequenzen. So wäre beispielsweise die Anpassung einer Verfügung, mit der ein Regionales Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) die Vermittlungsfähigkeit einer arbeitslosen Person festgestellt hat, im Falle einer nachträglichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der betreffenden versicherten Person nach Rechtskraft der Verfügung nicht mehr zulässig. Dass dies nicht sein kann, versteht sich von selbst. Aufgrund des allgemeinen Anpassungsgrundsatzes (vgl. oben E. 4.1) müssen deshalb auch Feststellungsverfügungen mit potentieller Sachverhaltsevolution durch eine analoge Anwendung von Art. 17 Abs. 2 ATSG angepasst werden können. Ähnlich erachtet Schlauri (a.a.O., S. 103) nicht nur Leistungsverfügungen, sondern auch verfahrensrechtliche Anordnungen als anpassungsbedürftig und anpassungsfähig.
Das Amt für Arbeit erhob mit Verfügung vom 24. November 2008 gestützt auf die im damaligen Zeitpunkt vorhandenen Informationen für die nächsten drei Monate und damit für die Zukunft keinen Einspruch gegen die Ausrichtung von Kurzarbeitsentschädigung. Auch diese Verfügung ist – wie im vorliegenden Fall – einer Evolution des Sachverhaltes zugängig, und demnach im Sinne der obigen Erwägungen gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ATSG analog anpassungsfähig.
5.
Stellt sich noch die Frage, ob und gegebenenfalls wann sich die tatsächlichen Verhältnisse nachträglich erheblich verändert haben, so dass eine Anpassung der
Verfügung vom 24. November 2008 zulässig wäre. Erheblich ist eine Sachverhaltsänderung, wenn eine erneute Beurteilung der Sache gestützt darauf notwendigerweise einen Entscheid zur Folge hätte, der vom ursprünglichen Entscheid abweicht. Eine so vorgenommene Korrektur muss zudem eine gewisse Erheblichkeit aufweisen (vgl. Ueli Kieser, a.a.O., N 23 ff. zu Art. 17 ATSG und N 13 zu Art. 53 ATSG).
Gemäss Art. 31 Abs. 1 lit. d AVIG muss der vom Arbeitgeber prognostizierte Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend sein. Voraussichtlich vorübergehend ist ein Arbeitsausfall, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, dass die von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer innert nützlicher Frist wieder voll beschäftigt werden können (vgl. Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, 2. Aufl., Basel 2007, N 470). Eine Beurteilung des Anspruchs auf Kurzarbeitsentschädigung im Wissen um die bevorstehende Betriebsschliessung hätte deshalb unweigerlich eine Ablehnung des Anspruchs auf Kurzarbeitsentschädigung zur Folge gehabt. Auch in quantitativer Hinsicht erfüllt die streitige Kurzarbeitsentschädigung die Voraussetzung der Erheblichkeit. Der Entschluss zur Betriebsschliessung ist daher als erhebliche Sachverhaltsänderung zu qualifizieren.
6.
Aus den Akten lässt sich nicht entnehmen, dass die Beschwerdeführerin in der Generalversammlung vom 8. Januar 2009 (in der die Durchführung des Konsultationsverfahrens [Art. 335f f. OR] beschlossen wurde), bei Einleitung des Konsultationsverfahrens am 12. Januar 2009 gar in einem früheren Zeitpunkt die Schliessung des Betriebes definitiv beschlossen hatte und das Konsultationsverfahren demnach lediglich pro forma durchführte. Die Beschwerdeführerin bringt vielmehr glaubhaft vor, bis zum erfolglosen Abschluss des Konsultationsverfahrens auf eine Möglichkeit zur Rettung des Betriebs gehofft zu haben. Dafür spricht auch der Wortlaut der von der Beschwerdeführerin am 12. Januar 2009 publizierten Medienmitteilung: "Sollten die Konsultationen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine neuen Möglichkeiten eröffnen, erhalten 140 Personen auf Ende Januar die Kündigung." Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist deshalb davon auszugehen, dass die definitive Betriebsschliessung erst mit dem ergebnislosen Abschluss des
Konsultationsverfahrens entschieden war und der Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung entsprechend auch erst in diesem Zeitpunkt entfiel. Da aus den Akten nicht ersichtlich ist, wann genau das Konsultationsverfahren abgeschlossen wurde, ist die Sache unter teilweiser Gutheissung der Beschwerde zur Abklärung dieser Frage und zur neuen Verfügung an den Beschwerdegegner zurückzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht entschieden:
1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom
9. Juni 2009 aufgehoben und die Sache zur weiteren Abklärung im Sinne der
Erwägungen und zur neuen Verfügung an den Beschwerdegegner zurückgewiesen.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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