Zusammenfassung des Urteils AVI 2008/57: Versicherungsgericht
Die Entscheidung betrifft eine Insolvenzentschädigung für einen Arbeitnehmer, der nach der Konkurseröffnung weitergearbeitet hat. Der Beschwerdeführer forderte eine höhere Entschädigung, die von der Kantonale Arbeitslosenkasse abgelehnt wurde. Es wird festgestellt, dass die Arbeitslosenkasse den Anspruch des Beschwerdeführers nicht ausreichend geprüft hat und die Angelegenheit zur erneuten Prüfung zurückverwiesen wird. Es wird darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Insolvenzentschädigung nur für den Zeitraum besteht, in dem der Arbeitnehmer in Unkenntnis der Konkurseröffnung gearbeitet hat. Es wird auch festgestellt, dass die Beschränkung der Insolvenzentschädigung auf Lohnforderungen nach der Konkurseröffnung gesetzeskonform ist. Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.- zu zahlen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AVI 2008/57 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AVI - Arbeitslosenversicherung |
Datum: | 15.10.2009 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 52 Abs. 1 AVIG; Art. 75a AVIV: Gemäss Art. 52 Abs. 1 AVIG deckt die Insolvenzentschädigung auch "allfällige Lohnforderungen für Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung". Eine Auslegung von Art. 52 Abs. 1 AVIG nach den anerkannten Auslegungsmethoden ergibt, dass dieser Wortlaut zu weit gefasst ist. Die Deckung der Insolvenzentschädigung ist auf Lohnforderungen für Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung zu beschränken, die in Unkenntnis der Konkurseröffnung erbracht wurden (teleologische Reduktion). Insofern erweist sich Art. 75a AVIV als gesetzeskonform. Als nicht gesetzeskonform zu qualifizieren ist jedoch, dass Art. 75a AVIV den Anspruch auf Insolvenzentschädigung bereits bei fahrlässiger Unkenntnis bzw. bei Kennen müssen der Konkurseröffnung ausschliesst (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. Oktober 2009, AVI 2008/57). |
Schlagwörter: | Arbeit; Konkurs; Insolvenz; Insolvenzentschädigung; Konkurseröffnung; Arbeitgeber; Monats; Arbeitsverhältnis; Monatslohn; Lohnforderung; Anspruch; Forderung; Lohnforderungen; Quot; Forderungen; Person; Leistung; Zeitraum; Arbeitsleistung; Antrag; Arbeitsleistungen; Recht; Arbeitnehmer; Arbeitsvertrag; Masse; Einsprache; Arbeitsverhältnisse; Masseschulden; Wortlaut |
Rechtsnorm: | Art. 10 AVIG;Art. 11 AVIG;Art. 211 KG ;Art. 262 KG ;Art. 29 ATSG ;Art. 29 AVIG;Art. 3 AVIG;Art. 337a OR ;Art. 337c OR ;Art. 341 OR ;Art. 357 OR ;Art. 43 ATSG ;Art. 52 AVIG;Art. 53 AVIG;Art. 739 OR ;Art. 740 OR ;Art. 746 OR ;Art. 83 OR ; |
Referenz BGE: | 102 V 157; 119 V 56; |
Kommentar: | Wolfgang Portmann, Basler Obligationenrecht I, Art. 337 OR, 2007 |
Entscheid vom 15. Oktober 2009
in Sachen
N. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Markus Stadelmann, Marktstrasse 28, 8570 Weinfelden,
gegen
Kantonale Arbeitslosenkasse, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend Insolvenzentschädigung Sachverhalt:
A.
N. arbeitete vom 1. Mai 2005 bis zum 31. Oktober 2006 als Gipser bei der A. in Z. . Mit Schreiben vom 22. September 2006 wurde das Arbeitsverhältnis mit Wirkung auf den 30. November 2006 durch die Arbeitgeberin ordentlich gekündigt (act. G 8.1/13). Am 16. Oktober 2006 wurde über die Arbeitgeberin der Konkurs eröffnet. Am
21. November 2006 stellte der Versicherte einen Antrag auf Insolvenzentschädigung. Darin forderte er Lohnausstände für die Monate Oktober und November 2006. Im Einzelnen machte der Versicherte je einen AHV-pflichtigen Monatslohn von
Fr. 4'766.85, einen Anteil am 13. Monatslohn in Höhe von Fr. 433.15 und Zulagen in Höhe von Fr. 330.- (Mittagsentschädigung gemäss GAV) geltend. Weiter gab er an, den Lohn bis zum 30. September 2006 erhalten und bis zum 31. Oktober 2006 gearbeitet zu haben (vgl. act. G 8.1/10). Dem Antrag auf Insolvenzentschädigung legte er insbesondere auch die Forderungsanmeldung an das Konkursamt des Kantons St. Gallen bei, mit welcher er offene Lohnforderungen in Höhe von Fr. 28'889.- geltend machte (vgl. act. G 8.1/10 und 11). Am 14. Dezember 2007 wurde das Konkursverfahren durch das Kreisgericht Rorschach mangels Aktiven eingestellt (vgl. act. G 1.1/6).
Mit Verfügung vom 29. Mai 2008 sprach die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen dem Versicherten folgende Insolvenzentschädigung zu: Fr. 2'477.40 für ausstehenden Lohn für den Zeitraum vom 1. bis zum 16. Oktober 2006, Fr. 206.45 für Anteil am 13. Monatslohn für denselben Zeitraum und Fr. 672.40 unter dem Titel Zulagen für Überzeiten im Zeitraum vom 1. September bis 16. Oktober 2006. Insgesamt ergab dies eine Insolvenzentschädigung von Fr. 3'356.25 brutto. Einen
Anspruch auf die geforderte Mittagsentschädigung lehnte die Arbeitslosenkasse ab, weil auf dieser Entschädigung keine Beiträge für die AHV/ALV abgezogen worden seien. Ebenfalls kein Anspruch auf Insolvenzentschädigung bestehe für die Arbeitstage nach der Konkurseröffnung (act. G 8.1/4, 8 und 9).
B.
Gegen diese Verfügung erhob der Versicherte, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Markus Stadelmann, Weinfelden, am 30. Juni 2008 Einsprache. Der Rechtsvertreter machte für den Zeitraum vom 16. Juni 2006 bis zum 31. Oktober 2006 aus 13. Monatslohn Fr. 1'950.- (und nicht wie gemäss Verfügung Fr. 206.45) und somit zusätzlich Fr. 1'743.55 geltend. Da der Versicherte noch den ganzen Oktober 2006 gearbeitet habe, sei für den Oktober ein ganzer Monatslohn und zwar in Höhe von Fr. 5'200.- geschuldet. Somit bestehe eine Zusatzforderung in der Höhe von
Fr. 2'722.60. Weiter machte der Anwalt für seit dem 16. Juni 2006 geleistete Überstunden Fr. 1'761.30 bzw. zusätzlich Fr. 1'088.90 geltend. Insgesamt beantragte der Rechtsvertreter eine Insolvenzentschädigung von Fr. 8'911.30, bzw. eine Restforderung von Fr. 5'555.05 (act. G 8.1/3). Mit Einspracheentscheid vom 22. August 2008 wies die Arbeitslosenkasse die Einsprache unter Bestätigung der Verfügung vom 29. Mai 2008 ab (act. G 8.1/2).
C.
Gegen diesen Einspracheentscheid hat der Versicherte, vertreten durch Rechtsanwalt Stadelmann, mit Eingabe vom 25. September 2008 Beschwerde an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen erhoben. Er beantragt, der Einspracheentscheid vom 22. August 2008 sei aufzuheben, es sei dem Beschwerdeführer eine zusätzliche Insolvenzentschädigung von mindestens
Fr. 5'555.05 (Insolvenzentschädigung insgesamt Fr. 8'911.30) auszubezahlen, eventualiter sei die Angelegenheit zur Neuberechnung an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (act. G 1). Mit Beschwerdeantwort vom 10. November 2008 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde (act. G 3). Am 12. Dezember 2008 hat der Anwalt des Beschwerdeführers eine Replik eingereicht (vgl. act. G 5). Eine Duplik wurde nicht
eingereicht. Der Anwalt hat zudem auf eine Stellungnahme zu den von der
Beschwerdegegnerin nachträglich eingereichten Vorakten verzichtet (act. G 11).
Erwägungen:
1.
Gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG; SR 837.0) haben beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen. Die Insolvenzentschädigung deckt die Lohnforderung für die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses vor der Konkurseröffnung sowie allfällige Lohnforderungen für Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung, für jeden Monat jedoch nur bis zum Höchstbetrag gemäss Art. 3 Abs. 2 AVIG. Als Lohn gelten dabei auch die geschuldeten Zulagen (Art. 52 Abs. 1 AVIG).
Im Falle der Konkurseröffnung über den Arbeitgeber muss der Arbeitnehmer seinen Entschädigungsanspruch spätestens 60 Tage nach der Veröffentlichung des Konkurses im Schweizerischen Handelsamtsblatt bei der öffentlichen Kasse stellen, die am Ort des Betreibungs- und Konkursamtes zuständig ist (Art. 53 Abs. 1 AVIG). Mit dem Ablauf dieser Fristen erlischt der Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Art. 53 Abs. 3 AVIG). Gemäss Art. 77 Abs. 1 der Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIV; SR 837.02) hat der Versicherte, der Insolvenzentschädigung beansprucht, der zuständigen Kasse verschiedene Unterlagen zukommen zu lassen, unter anderem das vollständig ausgefüllte Antragsformular (lit. a). Nötigenfalls setzt die Kasse dem Versicherten eine angemessene Frist für die Vervollständigung der Unterlagen und macht ihn auf die Folgen der Unterlassung aufmerksam (Art. 77 Abs. 2 AVIV).
2.
Der Beschwerdeführer hat im Formular "Antrag auf Insolvenzentschädigung" lediglich für die Monate Oktober und November 2006 je Fr. 4'766.85 als Lohn,
Fr. 433.15 als Anteil am 13. Monatslohn und Fr. 330.- unter dem Titel Mittagsentschädigung gemäss GAV geltend gemacht (act. G 8.1/10). Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Beilage zum Antrag auf Insolvenzentschädigung auch die Forderungsanmeldung im Konkurs der A. eingereicht hat (vgl. act. G 8.1/10, 11 und 14). Daraus geht hervor, dass der Beschwerdeführer im Konkurs auch weitere Forderungen (insbesondere Überstundenentschädigung, 13. Monatslohn) eingegeben hat, welche er im Antrag auf Insolvenzentschädigung jedoch nicht explizit erwähnte. Die Beschwerdegegnerin führte im angefochtenen Einspracheentscheid aus, es bestehe lediglich Anspruch auf Insolvenzentschädigung für Lohnforderungen im Zeitraum der letzten vier Monate vor der Konkurseröffnung, welche der Versicherte im Antrag auf Insolvenzentschädigung geltend gemacht habe, sowie auf die erarbeiteten Überstunden im gleichen Zeitraum (act. G 8.1/2). In ihrer Stellungnahme an das Gericht stellt sie sich auf den Standpunkt, dass der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Insolvenzentschädigung vom 21. November 2006 lediglich Lohnforderungen für die Monate Oktober und November 2006 geltend gemacht habe. Weil der Versicherte weitere Forderungen ab dem 16. Juni 2006 in seinem Antrag nicht erwähnt und somit nicht in der Eingabefrist des Art. 53 Abs. 1 AVIG geltend gemacht habe, bestehe kein anteilsmässiger Anspruch auf den 13. Monatslohn ab dem 16. Juni 2006. Die ausbezahlte Insolvenzentschädigung für Überstunden für den Zeitraum vom 1. bis 30. September 2006 (recte: bis 16. Oktober 2006), welche der Versicherte ebenfalls nicht gefordert habe, sei irrtümlich ausbezahlt worden. Die Kasse behalte sich die Rückforderung mittels separater Verfügung vor (vgl. act. G 3).
Gemäss Art. 43 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) prüft der Versicherungsträger die Begehren, nimmt die erforderlichen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein. Zwar hat sich der Versicherte, der Versicherungsleistungen beansprucht, beim jeweiligen Versicherungsträger anzumelden und insbesondere die Anmeldeformulare vollständig und wahrheitsgetreu auszufüllen (vgl. Art. 29 ATSG; Art. 77 Abs. 1 lit. a AVIV). Ist eine Anmeldung einmal erfolgt, hat der Versicherungsträger jedoch von Amtes wegen unter Mitwirkung der
Parteien den Sachverhalt abzuklären und das Recht von Amtes wegen anzuwenden. Eine Bindung an die Parteibegehren besteht nicht. Es geht somit nicht an, dass die Beschwerdegegnerin einen Anspruch auf Insolvenzentschädigung mit dem Argument ablehnt, der Beschwerdeführer habe einzelne Lohnforderungen im Antrag auf Insolvenzentschädigung nicht aufgeführt, wenn sich aus den als Beilage zur Anmeldung eingereichten Unterlagen (insbesondere Forderungsanmeldung im Konkurs) ergibt, dass der Versicherte weitere Lohnforderungen geltend macht. Die Beschwerdegegnerin hätte die Ansprüche entweder von Amtes wegen selber berechnen müssen dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 77 Abs. 2 AVIV eine angemessene Frist zur Vervollständigung des Antrags ansetzen müssen. Die Angelegenheit ist deshalb an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese geltend gemachten Ansprüche auf Überstundenentschädigung und Anteil am 13. Monatslohn materiell prüfe und neu verfüge.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat bei der Neuverfügung folgende Punkte zu beachten.
Die Beschwerdegegnerin ist bei der Berechnung der Insolvenzentschädigung für Lohn und Anteil am 13. Monatslohn für den Zeitraum vom 1. bis zum 16. Oktober 2006 von einem Monatslohn von Fr. 4'800.- und einem Anteil am 13. Monatslohn von
Fr. 400.- ausgegangen (vgl. act. G 8.1/9). Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, als 13. Monatslohn sei gemäss Ziff. 9.6 des Gesamtarbeitsvertrags 2005 – 2007 für das Y. zusätzlich ein voller Monatslohn von Fr. 5'200.- geschuldet (act.
G 1, S. 5, Ziff. 7 i.V.m. act. G 8.1, S. 3, Ziff. 3). Gemäss dem in den Akten liegenden Arbeitsvertrag zwischen dem Beschwerdeführer und der A. (act. G 8.1/12) beträgt der Monatslohn Fr. 5'200.- brutto. Ein Anspruch auf einen 13. Monatslohn ist im Arbeitsvertrag nicht erwähnt. Jedoch steht unter dem Punkt "Gratifikation", dass diese im Bruttolohn enthalten ist. Der Arbeitsvertrag verweist explizit auf den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für das Y. . Nach Ziff. 9.6 des GAV wird den Arbeitnehmenden als Gratifikation Ende des Kalenderjahres zusätzlich ein ganzer durchschnittlicher Monatslohn ausbezahlt. Gemäss Art. 357 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Fünfter Teil: Obligationenrecht (OR; SR 220) gelten die Bestimmungen in einem
Gesamtarbeitsvertrag über Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse während der Dauer des Vertrages unmittelbar für die angeschlossenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und können nicht wegbedungen werden, sofern der Gesamtarbeitsvertrag nichts anderes bestimmt. Abweichende Abreden in einem Arbeitsvertrag, welche gegen die unabdingbaren Vorschriften des Gesamtarbeitsvertrags verstossen, sind nichtig und werden durch die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrags ersetzt. Zulässig sind jedoch abweichende Abreden zugunsten der Arbeitnehmer (Art. 357 Abs. 2 OR). Der Gesamtarbeitsvertrag für das Y. enthält keine Vorschrift, wonach die Bestimmung über den 13. Monatslohn abdingbar wäre. Der Beschwerdeführer hat deshalb auf Ende des Kalenderjahres Anspruch auf einen ganzen Monatslohn. Aus den Lohnabrechungen ergibt sich, dass
die Arbeitgeberin ab August 2006 den 13. Monatslohn vom vereinbarten Bruttolohn von Fr. 5'200.- abgezogen hat (act. G 8.1/15). Der Rechtsanwalt macht geltend, dieser Abzug sei zu Unrecht erfolgt und es liege insbesondere keine Vertragsänderung vor (act. G 1, S. 5, Ziff. 7 i.V.m. act. G 8.1/3, S. 3, Ziff. 3). Allerdings fällt auf, dass der Beschwerdeführer im Antrag auf Insolvenzentschädigung selber den Anteil am 13. Monatslohn vom Bruttolohn von Fr. 5'200.- abgezogen hat (act. G 8.1/10). Die Beschwerdegegnerin hat deshalb abzuklären, ob allenfalls per August 2006 eine Vertragsänderung erfolgt ist. Ansonsten ist bei der Berechnung der Insolvenzentschädigung von einem Monatslohn von Fr. 5'200.- und einem zusätzlichen anteiligen Anspruch auf 13. Monatslohn in gleicher Höhe auszugehen.
Die Beschwerdegegnerin hat bei der Neuverfügung weiter zu beachten, dass der massgebliche Gesamtarbeitsvertrag für das Y. , in Ziff. 8.2 vorsieht, dass die tägliche durchschnittliche Arbeitszeit 8 Stunden beträgt. Betrachtet man die in den Akten liegenden Zeitabrechnungen für das Jahr 2006 (act. G 8.1/15), zeigt sich, dass die Arbeitgeberin in allen Monaten mit einer Soll-Arbeitszeit von 8.5 Stunden pro Tag gerechnet hat. Damit hat sie gegen Ziff. 8.2 des GAV verstossen. Zwar hat der Beschwerdeführer diese zu hohe Arbeitszeit während dem Arbeitsverhältnis offenbar akzeptiert. Dies schadet dem Beschwerdeführer jedoch nicht, weil gemäss Art. 341 Abs. 1 OR der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages ergeben, nicht verzichten kann. Die Beschwerdegegnerin hat bei der Berechnung der Überstunden und bei der
Berechnung des massgeblichen Lohnansatzes deshalb von den Überstunden gemäss der Regelung des GAV auszugehen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nur auf die im anspruchsberechtigten Zeitraum erarbeiteten Überstunden abgestellt werden kann. Ältere Zeitguthaben dürfen nicht berücksichtigt werden, weil die Insolvenzentschädigung nur Lohnforderungen für effektive Arbeitsleistungen im versicherten Zeitraum deckt.
4.
Zwischen den Parteien ist weiter strittig, ob dem Beschwerdeführer ausnahmsweise über den Zeitpunkt der Konkurseröffnung hinaus eine Insolvenzentschädigung zusteht.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer nur eine Insolvenzentschädigung für offene Lohnforderungen bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 16. Oktober 2006 zugesprochen. Der Rechtsvertreter macht demgegenüber geltend, der Beschwerdeführer habe ohne Kenntnis vom Konkurs bis am 31. Oktober 2006 weitergearbeitet (act. G 1, S. 5, Ziff. 7). Auch die Beschwerdegegnerin geht in ihrem Einspracheentscheid davon aus, dass der Beschwerdeführer und weitere Mitarbeiter der konkursiten Firma über das Datum der Konkurseröffnung hinaus weiterhin bei der Firma gearbeitet hätten. Ob die Mitarbeiter rechtzeitig über die Konkurseröffnung informiert worden seien, entziehe sich jedoch ihrer Kenntnis. Gemäss den vorliegenden Stundenrapporten (vgl. act. G 8.1/16) habe sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung jedoch nicht in den Ferien befunden und hätte deshalb die Gelegenheit gehabt, sich über die Konkurseröffnung zu informieren (act. G 8.1/2).
Gemäss Art. 52 Abs. 1 AVIG deckt die Insolvenzentschädigung auch "allfällige Lohnforderungen für Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung". Art. 75a AVIV präzisiert unter der Marginalie "Unkenntnis über die Konkurseröffnung", dass die Insolvenzentschädigung zusätzlich zu den Forderungen nach Art. 52 Abs. 1 AVIG die Lohnforderungen deckt, "die nach der Konkurseröffnung entstanden sind, solange die versicherte Person in guten Treuen nicht wissen konnte, dass der Konkurs eröffnet worden war und dass diese Forderungen nicht Masseschulden darstellen". Während nach dem Wortlaut von Art. 52 Abs. 1 AVIG sämtliche Lohnforderungen für
Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung von der Insolvenzentschädigung gedeckt werden, schränkt Art. 75a AVIV den Anspruch wesentlich ein. Es stellt sich die Frage, ob die Einschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 52 Abs. 1 AVIG durch Art. 75a AVIV gesetzeskonform ist. Dies ist nur der Fall, wenn der Wortlaut von Art. 52 Abs. 1 AVIG zu weit ist, d.h. eine nach seinem Sinn und Zweck gebotene Einschränkung nicht enthält und insofern lückenhaft ist (sog. Ausnahmelücke; vgl. dazu Ernst A. Kramer,
Juristische Methodenlehre, Bern 1998, S. 143 ff.). In diesem Fall ist der zu weit gefasste Wortlaut auf seinen eigentlichen Sinn zu reduzieren (sog. teleologische Reduktion; vgl. Ernst A. Kramer, a.a.O., S. 161 ff.). Ist dies der Fall, kann Art. 75a AVIV nur gesetzeskonform sein, wenn die durch diese Bestimmung eingeführte
Einschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 52 Abs. 1 AVIG dem Sinn und Zweck der letzteren Bestimmung entspricht. Es ist anzumerken, dass Art. 75a AVIV in der laufenden Teilrevision des AVIG als Art. 52 Abs. 1bis AVIG in das Gesetz überführt werden soll (BBl 2008, S. 7756 und 7785). Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass Art. 75a AVIV bereits de lege lata gesetzeskonform ist.
Nach der bis zum 30. Juni 2003 gültigen Fassung von Art. 52 Abs. 1 AVIG deckte die Insolvenzentschädigung nur Lohnansprüche für die Zeit vor der Konkurseröffnung (vgl. Urs Burgherr, Die Insolvenzentschädigung, Diss. Zürich 2004, S. 121 f.). Die Ergänzung von Art. 52 Abs. 1 AVIG, wonach auch "allfällige Lohnforderungen für Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung" durch die Insolvenzentschädigung gedeckt sind, wurde im Parlament auf Vorschlag der vorberatenden ständerätlichen Kommission eingefügt. Diese hatte dem Parlament den heute gültigen Wortlaut von Art. 52 Abs. 1 AVIG vorgeschlagen, der keine Beschränkung auf im Nichtwissen um die Konkurseröffnung geleistete Arbeit enthält. In den Materialien findet sich lediglich ein Votum der Kommissionssprecherin, dass die Ergänzung von Art. 52 Abs. 1 AVIG es ermöglichen soll, "dass allfällig nach der Konkurseröffnung eines Arbeitgebers von den Arbeitnehmern im Nichtwissen um die Konkurseröffnung noch geleistete Arbeit auch durch die Insolvenzentschädigung abgedeckt ist" (vgl. Amtl. Bull. SR 2001, S. 397). Der Ständerat hat dem Antrag der Kommission diskussionslos zugestimmt. Auch der Nationalrat ist dem Vorschlag des Ständerats ohne Diskussion gefolgt (Amtl. Bull. NR 2001, S. 1903). Das isolierte Votum der Kommissionsprecherin, welches dem von der Kommission vorgeschlagenen und von beiden Kammern diskussionslos verabschiedeten Wortlaut widerspricht, ist zwar ein gewichtiges Indiz, reicht aber für
sich alleine nicht aus, für den Schluss, dass der Wortlaut von Art. 52 Abs. 1 AVIG
dessen Sinn und Zweck nicht entsprechen würde.
Es fragt sich, ob sich dem systematischen Zusammenhang mit anderen Bestimmungen entnehmen lässt, dass der Wortlaut von Art. 52 Abs. 1 AVIG zu weit gefasst ist. Der systematische Zusammenhang ist vor allem relevant für die Frage, was unter "allfälligen Lohnforderungen für Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung" zu verstehen ist.
Die Eröffnung des Konkurses lässt den Bestand des Arbeitsvertrags grundsätzlich unberührt. Dem Arbeitnehmer steht jedoch nach Massgabe von Art. 337a OR bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers das Recht zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu, sofern ihm für seine Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht innert angemessener Frist Sicherheit geleistet wird. Ferner kann er gemäss Art. 83 Abs. 1 OR die Arbeitsleistung einstellen, bis ihm die Gegenleistung sichergestellt wird (Ullin Streiff / Adrian von Kaenel, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR,
6. Auflage, Zürich 2006, Art. 337a N 2; Adrian Staehelin / Frank Vischer, Zürcher Kommentar, Art. 337a OR Rz 8). Wird das Arbeitsverhältnis weder vom Arbeitnehmer noch von der Konkursverwaltung gekündigt und tritt die Konkursverwaltung nicht in den Arbeitsvertrag ein (vgl. dazu E. 4.4.2), besteht es unverändert mit dem Arbeitgeber fort. Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, die innert sechs Monaten vor der Konkurseröffnung entstanden sind, sowie die Forderungen wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses infolge Konkurses des Arbeitgebers werden als Konkursforderungen in der ersten Klasse, früher entstandene Forderungen in der dritten Klasse kolloziert (Art. 219 Abs. 4 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG; SR 281.1]). Die nach der Konkurseröffnung entstehenden Forderungen des Arbeitnehmers richten sich demgegenüber gegen den konkursiten Arbeitgeber persönlich und stellen keine Konkursforderungen dar und dies unabhängig davon, ob es sich beim Arbeitgeber um eine natürliche eine juristische Person handelt (Franco Lorandi, Arbeitsverträge im Konkurs des Arbeitgebers, SJZ 2000,
S. 151 und 156; Ullin Streiff / Adrian von Kaenel, a.a.O., Art. 337a OR N 4). Es ist anzumerken, dass es trotz Auflösung einer Aktiengesellschaft durch den Konkurs möglich ist, dass auch nach der Konkurseröffnung noch Forderungen gegen die Aktiengesellschaft entstehen. Gemäss Art. 739 Abs. 1 OR behält die Gesellschaft im
Liquidationsstadium ihre juristische Persönlichkeit. Auch bestehende Verträge gelten grundsätzlich weiter (Christoph Stäubli, Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 3. Auflage, Basel 2008, Art. 739 Rz 1). Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, sind die gegen den Arbeitgeber persönlich gerichteten Forderungen wertlos, weil die juristische Person nach Abschluss der Liquidation durch die Konkursverwaltung (vgl. Art. 740 Abs. 5 OR) aus dem Handelsregister gelöscht wird (Art. 746 OR; vgl. Franco Lorandi, a.a.O., S. 152).
Die Konkursverwaltung hat gemäss Art. 211 Abs. 2 SchKG das Recht, den Eintritt in den Arbeitsvertrag zu erklären. In diesem Fall werden sowohl die vor als auch die nach der Konkurseröffnung entstandenen Forderungen des Arbeitnehmers zu Masseschulden (Franco Lorandi, a.a.O., S. 153; Kurt Meier, Lohnforderungen im Arbeitgeber-Konkurs, plädoyer 2/1998, S. 39 f.). Masseschulden werden noch vor den erstklassigen Forderungen befriedigt, so dass ein Gläubiger in aller Regel vollständige Befriedigung erhält (Art. 262 Abs. 1 SchKG; Franco Lorandi, a.a.O., S. 151). Der Konkursverwaltung steht jedoch auch die Möglichkeit offen, die Arbeitsverhältnisse unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist fristlos zu kündigen. Eine fristlose Kündigung gilt dabei als ungerechtfertigt, weil der Konkurs des Arbeitgebers keinen wichtigen Grund zur fristlosen Vertragsauflösung darstellt. Dem Arbeitnehmer steht deshalb gemäss Art. 337c Abs. 1 OR eine Lohnforderung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu. Diese geniesst das Erstklassprivileg gemäss Art. 219 Abs. 4 lit. a SchKG, da es sich um eine Forderung wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses infolge Konkurses des Arbeitgebers handelt (Wolfgang Portmann, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. Auflage, Basel 2007, Art. 337a Rz 2; Franco Lorandi, a.a.O., S. 158; BGE 102 V 157 f.).
Betrachtet man lediglich die Regelung im OR und SchKG, ist es für eine arbeitnehmende Person im Konkurs des Arbeitgebers ratsam, das Arbeitsverhältnis so schnell als möglich fristlos aufzulösen (vgl. Art. 337a OR), sofern die Konkursverwaltung nicht in das Arbeitsverhältnis eintritt ihrerseits die fristlose Kündigung ausspricht. Dauert das Arbeitsverhältnis nach der Konkurseröffnung mit dem bisherigen Arbeitgeber fort, richten sich die nach der Konkurseröffnung entstehenden Forderungen gegen den Arbeitgeber persönlich, was zwangsläufig in einen Totalverlust mündet, falls es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person
handelt. Tritt demgegenüber die Konkursverwaltung in den Arbeitsvertrag ein, besteht für die arbeitnehmende Person ein kleines Verlustrisiko, da alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis zu Masseschulden werden.
Im Bereich des Arbeitslosenversicherungsrechts ist der systematische Zusammenhang zu Art. 11 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 1 AVIG zu beachten. Nach Art. 11 Abs. 3 AVIG ist ein Arbeitsausfall nicht anrechenbar, für den der arbeitslosen Person Lohnansprüche Entschädigungsansprüche wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses zustehen. Art. 29 Abs. 1 AVIG bestimmt, dass die Kasse die Arbeitslosenentschädigung auszahlt, wenn sie begründete Zweifel darüber hat, ob die versicherte Person für die Zeit des Arbeitsausfalls gegenüber ihrem bisherigen Arbeitgeber Lohn- Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG hat ob sie erfüllt werden. Im Gegenzug subrogiert die Kasse im Umfang der ausgerichteten Taggelder in alle Ansprüche der versicherten Person samt dem gesetzlichen Konkursprivileg (Art. 29 Abs. 2 AVIG). Als arbeitslos gilt gemäss Art. 10 Abs. 1 AVIG zwar nur, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht. Dabei ist jedoch nicht relevant, ob aus rechtlicher Sicht noch ein Arbeitsverhältnis besteht, sondern einzig, ob im Sinne einer faktischen Betrachtungsweise die für ein Arbeitsverhältnis typischen Leistungen der Vertragsparteien (Arbeit und Lohn) noch erbracht werden nicht (Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Ulrich Meyer (Hrsg.), Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 2. Auflage, Basel 2007, Rz 129, S. 2219). Da im Falle des Konkurses die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers immer zweifelhaft ist, hat die arbeitnehmende Person ab der faktischen Beendigung des Arbeitsverhältnisse Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, auch wenn ihr noch Ansprüche wegen ungerechtfertigter fristloser Auflösung des Arbeitsvertrages Lohnansprüche für die nach der Konkurseröffnung ablaufende ordentliche Kündigungsfrist zustehen (vgl. Kurt Meier, a.a.O., S. 44). Da die Insolvenzentschädigung nach der bis zum 30. Juni 2003 gültigen Fassung von Art. 52 Abs. 1 AVIG nur Lohnforderungen für die Zeit vor der Konkurseröffnung abdeckte, bestand lediglich eine kleine Lücke in dem Zeitraum, in dem die arbeitnehmende Person in Unkenntnis der Konkurseröffnung noch weiterarbeitete und für diese Zeit zwischen die Maschen der Insolvenz- und Arbeitslosenentschädigung fiel (ARV 2001 Nr. 33; BGE 119 V 56; Kurt Meier, a.a.O., S. 44; Urs Burgherr, a.a.O., S. 121 f.). Diese Deckungslücke für die Zeit zwischen Konkurseröffnung und Kenntnisnahme der
Konkurseröffnung durch die arbeitnehmende Person, während der diese weder Insolvenzentschädigung noch Arbeitslosenentschädigung beanspruchen konnte, wurde vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Nach Auffassung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts lag allenfalls eine rechts- sozialpolitische Lücke vor, die vom Gericht hinzunehmen war (BGE 119 V 56 E. 4c).
Aus teleologischer Sicht kann die per 1. Juli 2003 in Kraft getretene Ergänzung von Art. 52 Abs. 1 AVIG, wonach auch "allfällige Lohnforderungen für Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung" von der Insolvenzentschädigung gedeckt werden, nur die Schliessung der in der vorangehenden Erwägung erwähnten Deckungslücke bezwecken (vgl. Urs Burgherr, a.a.O., S. 122). Aus diesem Grund ist die Einschränkung der Deckung durch die Insolvenzentschädigung auf Lohnforderungen für Arbeitsleistungen nach Konkurseröffnung, die in Unkenntnis der Konkurseröffnung erbracht wurden, geboten. Wären streng nach dem Wortlaut von Art. 52 Abs. 1 AVIG auch Arbeitsleistungen, die in Kenntnis der Konkurseröffnung erbracht werden, durch die Insolvenzentschädigung gedeckt, entstünden erhebliche Fehlanreize: Für die Arbeitnehmenden bestünde ein Anreiz, möglichst lange weiterzuarbeiten, während ohne die Insolvenzentschädigung eine möglichst rasche fristlose Auflösung der Arbeitsverhältnisse geboten wäre (vgl. E. 4.4.3 und E. 4.4.4). Für die
Konkursverwaltung ihrerseits bestünde keine Veranlassung mehr, im Interesse der Masse nach Art. 211 Abs. 2 SchKG den Eintritt in das Arbeitsverhältnis zu erklären: Die Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung, welche der Konkursmasse zu Gute kommen, würden durch die Insolvenzentschädigung finanziert.
Die Auslegung nach den anerkannten Auslegungsmethoden hat somit gezeigt, dass der Wortlaut von Art. 52 Abs. 1 AVIG zu weit ist und der Einschränkung bedarf. Anspruch auf Insolvenzentschädigung soll nur für jenen Zeitraum bestehen, in dem Arbeitnehmende in Unkenntnis der Konkurseröffnung weitergearbeitet haben. Insofern ist Art. 75a AVIV gesetzeskonform. Art. 75a AVIV geht jedoch noch weiter und schliesst einen Anspruch auf Insolvenzentschädigung nicht erst ab dem Zeitpunkt der
positiven Kenntnis von der Konkurseröffnung aus. Aus Art. 75a AVIV, wonach nach der Konkurseröffnung entstandene Lohnforderungen nur von der Insolvenzentschädigung gedeckt sind, "solange die versicherte Person in guten Treuen nicht wissen konnte, dass der Konkurs eröffnet worden war", ergibt sich, dass bereits die fahrlässige
Unkenntnis bzw. das Kennen müssen der Konkurseröffnung einen Anspruch auf Insolvenzentschädigung ausschliesst. Es stellt sich die Frage, ob diese zusätzliche Einschränkung gesetzeskonform ist.
Die Auslegung von Art. 52 Abs. 1 AVIG hat ergeben, dass der Ausschluss der Deckung durch die Insolvenzentschädigung von Arbeitsleistungen, die in positiver Kenntnis von der Konkurseröffnung erbracht wurden, geboten ist. Die Auslegung ergibt jedoch keinerlei Hinweise, dass bereits die fahrlässige Unkenntnis der Konkurseröffnung einen Anspruch auf Insolvenzentschädigung ausschliessen sollte. Es steht dem Verordnungsgeber nicht zu, ohne explizite Ermächtigung im Gesetz in einer Vollzugsverordnung gewährte Ansprüche überschiessend einzuschränken. Art. 75a AVIV ist deshalb insofern gesetzwidrig, als ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung bereits ausgeschlossen ist, wenn die arbeitslose Person von der Konkurseröffnung lediglich hätte Kenntnis haben müssen. Vielmehr besteht ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung für alle Lohnforderungen für Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung, die bis zum Zeitpunkt der effektiven Kenntnisnahme von der Konkurseröffnung erbracht wurden (gl.M. Thomas Nussbaumer, a.a.O., Rz 628,
S. 2369).
Aus den in den Akten liegenden Arbeitsrapporten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer offenbar bis zum 31. Oktober 2006 weitergearbeitet hat (act. G 8.1/16). Es finden sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, auf wessen Veranlassung hin weitergearbeitet wurde. Die Beschwerdegegnerin führt in ihrem
Einspracheentscheid aus, ob die Mitarbeiter rechtzeitig über die Konkurseröffnung informiert worden seien, entziehe sich der Kenntnis der Arbeitslosenkasse (act.
G 8.1/2). Damit ist die Kasse ihrer Pflicht zur genügenden Abklärung des Sachverhaltes nicht ausreichend nachgekommen (Art. 43 Abs. 1 ATSG; Untersuchungsgrundsatz). In der Praxis erscheint in der Regel der Konkursbeamte innert kurzer Zeit im Betrieb und informiert die Angestellten über den Konkurs. Durch Beizug der Konkursakten ist es somit höchstwahrscheinlich möglich, den Zeitpunkt festzustellen, in dem der Beschwerdeführer effektiv über die Konkurseröffnung orientiert wurde. Die Sache ist deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt zur ergänzenden Abklärung und entsprechender Neuverfügung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Dem Beschwerdeführer ist dabei eine Insolvenzentschädigung für geleistete Arbeit bis zum
Zeitpunkt der effektiven Kenntnisnahme von der Konkurseröffnung zuzusprechen. Dabei ist zu beachten, dass insgesamt nur ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung für einen Zeitraum von vier Monaten besteht. D.h. für die Bestimmung des Zeitraums, für den Anspruch auf Insolvenzentschädigung besteht, ist ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Konkurseröffnung vier Monate zurückzurechnen, falls die Abklärungen ergeben, dass der Beschwerdeführer nach der Konkurseröffnung tatsächlich in Unkenntnis der Konkurseröffnung weitergearbeitet hat (vgl. Urs Burgherr, a.a.O., S. 124; Thomas Nussbaumer, a.a.O., Rz 628, S. 2370).
5.
Art. 75a AVIV erwähnt weiter, dass ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung für Lohnforderungen für Arbeitsleistungen nach der Konkurseröffnung nur besteht, wenn die versicherte Person in guten Treuen nicht wissen konnte, dass diese Forderungen nicht Masseschulden darstellen. In der Lehre wird zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Erfordernis überflüssig ist, weil bei Unkenntnis über den Insolvenztatbestand auch kein Wissen über die rechtliche Einordnung der Forderung im Konkursverfahren bestehen kann (Thomas Nussbaumer, a.a.O., Rz 628, S. 2369 f.). Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) geht jedoch davon aus, dass Masseschulden von der Deckung ausgeschlossen sind (ALV-Praxis 2004/1, Blatt 18). Diese Einschränkung ergibt sich jedoch nicht aus dem Wortlaut von Art. 75a AVIV. In der Lehre weist Nussbaumer darauf hin, dass der Ausschluss von Masseschulden ungerechtfertigt sei, da sich weder Art. 52 Abs. 1 AVIG noch den Materialien eine solche Einschränkung entnehmen lasse. Zudem seien auch die Masseschulden nicht in jedem Fall gedeckt (Thomas Nussbaumer, a.a.O., Rz 628, S. 2370). Im vorgeschlagenen neuen Art. 52
Abs. 1bis AVIG soll demgegenüber explizit festgehalten werden, dass Masseschulden
von der Deckung durch Insolvenzentschädigung ausgeschlossen sind (BBl 2008,
S. 7785). Die Frage, ob der Ausschluss von Masseschulden schon de lege lata gerechtfertigt ist, muss vorliegend jedoch nicht beantwortet werden. Da der Konkurs mangels Aktiven eingestellt wurde, erscheint es als äusserst unwahrscheinlich, dass sich im Rahmen der weiteren Abklärungen ergibt, dass die Konkursverwaltung in den Arbeitsvertrag mit dem Beschwerdeführer eingetreten ist.
6.
Im Sinne der voranstehenden Erwägungen und in teilweiser Gutheissung der Beschwerde ist der Einspracheentscheid vom 22. August 2008 aufzuheben und die Sache zu ergänzender Abklärung und Neuverfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).
Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende Beschwerde führende Partei Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Als Obsiegen gilt auch die Rückweisung an den Versicherungsträger zur weiteren Abklärung (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2009, Art. 61 Rz 117). Gemäss Art. 22 der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten (HonO; sGS 963.75) ist im Bereich der Verwaltungsrechtspflege eine Pauschalentschädigung zuzusprechen. Gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO beträgt das pauschale Honorar vor Versicherungsgericht Fr. 1'000.- bis Fr. 12'000.-. Praxisgemäss wird im Bereich der Arbeitslosenversicherung von einer mittleren Entschädigung von Fr. 3'000.- ausgegangen. Eine mittlere Entschädigung erscheint vorliegend als angemessen. Die Beschwerdegegnerin ist deshalb zu verpflichten, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.- zu bezahlen.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG
entschieden:
1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom
22. August 2008 aufgehoben und die Sache zur ergänzenden Abklärung und neuen
Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.- zu bezahlen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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