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Urteil Versicherungsgericht (SG - AVI 2007/89)

Zusammenfassung des Urteils AVI 2007/89: Versicherungsgericht

Der Beschwerdeführer L. hat gegen die Arbeitslosenkasse des Kantons St. Gallen geklagt, weil diese die Rückerstattung der Kurskosten für besuchte Kurse abgelehnt hat. Es ging um die rechtzeitige Einreichung der erforderlichen Unterlagen. Nach verschiedenen Schriftwechseln und Entscheiden wurde die Beschwerde teilweise gutgeheissen, und die Sache wurde zur Befragung von Zeugen an die Arbeitslosenkasse zurückverwiesen. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigung zugesprochen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AVI 2007/89

Kanton:SG
Fallnummer:AVI 2007/89
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:AVI - Arbeitslosenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid AVI 2007/89 vom 10.04.2008 (SG)
Datum:10.04.2008
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 86 Abs. 2 AVIV, Art. 39 Abs. 1 ATSG. Fraglich, ob Unterlagen zur Geltendmachung von Kursvergütungen rechtzeitig eingereicht wurden. Rückweisung zur weiteren Abklärung (Befragung von Auskunftspersonen), nachdem die Verwaltung angebotene Beweise nicht abgenommen hat (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 10. April 2008, AVI 2007/89).
Schlagwörter: Beweis; Gallen; Zeugen; Unterlagen; Sachverhalt; Hinweis; Kurskosten; Sendung; Versicherung; Person; Recht; Gericht; Beweismittel; Verfügung; Einsprache; Briefeinwurf; Verwaltung; Auskunftspersonen; Abklärung; Beweiswürdigung; Kurse; Vergütungen; Frist; Beweise; Entscheid; Geltendmachung; Beweislast; Personen
Rechtsnorm: Art. 24 ATSG ;Art. 39 ATSG ;Art. 4 BV ;Art. 43 ATSG ;Art. 61 AVIG;Art. 62 AVIG;
Referenz BGE:104 V 211; 105 III 43; 105 V 216; 109 Ia 185; 110 V 132; 117 V 245; 119 V 344; 119 V 372; 122 V 157; 126 V 360; 127 V 231; 131 V 410; 92 I 257;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AVI 2007/89

Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterinnen Marie Löhrer und Marie- Theres Rüegg Haltinner; Gerichtsschreiber Jürg Schutzbach

Entscheid vom 10. April 2008

in Sachen

L. ,

Beschwerdeführer,

gegen

Kantonale Arbeitslosenkasse, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

betreffend

Kursbesuch (Kurskosten) Sachverhalt:

A.

    1. L. meldete sich am 3. März 2003 beim RAV St. Gallen zur Arbeitsvermittlung an (act. G 3.24). Sein letztes Arbeitsverhältnis bei der A. AG, wurde von der Arbeitgeberin am 26. Februar 2003 zunächst per 31. August 2003 aufgelöst, wobei der Versicherte ab sofort freigestellt war (act. G 3.4). Später verlängerte sich die Kündigungsfrist infolge Krankheit auf den 30. September 2003 (act. G 3.17). Da der Versicherte von Arbeitslosigkeit bedroht war, wurde ihm der Besuch von 7 Modulkursen bewilligt (Verfügungen vom 12. Mai 2003; act. G 9.1 bis 9.7). Gemäss Aktennotiz des RAV St. Gallen vom 9. Mai 2003 zahlte der Versicherte die Kurskosten selber im Voraus, wobei ihm diese Auslagen von der Arbeitslosenversicherung nach Beendigung des jeweiligen Kurses rückerstattet würden, sofern der Versicherte den Kurs lückenlos besucht habe (act. G 3.6).

    2. Am 14. Dezember 2006 erkundigte sich der Versicherte beim RAV St. Gallen, wann die Kurskosten auf das Konto von B. überwiesen worden seien. Die Kontoinhaberin habe seinerzeit die Kursauslagen vorfinanziert und ihn nun darauf aufmerksam gemacht, dass der Betrag immer noch ausstehend sei, was natürlich nicht stimmen könne (act. G 3.89). Mit E-Mails vom 17. und 31. Januar 2007 teilte das RAV St. Gallen dem Versicherten mit, dass für die beantragten Kurse weder die erforderlichen monatlichen Kursbescheinigungen noch die Zahlungsbestätigungen eingereicht worden seien. In allen sieben Verfügungen sei der Hinweis enthalten gewesen, dass der Anspruch auf die bewilligten Leistungen erlösche, wenn er nicht innert dreier Monaten nach dem Ende der Kontrollperiode, auf die er sich beziehe, geltend gemacht werde. Da der letzte Kurs bis zum 9. September 2003 gedauert habe, hätten alle Unterlagen und Zahlungsbestätigungen bis spätestens Ende Dezember 2003 eingereicht werden müssen. Die Rückerstattung der Kursgelder für die im Jahr 2003 besuchten Kurse könne somit nicht mehr über die Arbeitslosenversicherung vorgenommen werden (act. G3.90).

      Mit Verfügung vom 25. Mai 2007 wies sodann die Arbeitslosenkasse des Kantons St. Gallen die Rückerstattung der Kurskosten für die vom 7. Mai bis 3. September 2003 besuchten Kurse ab, da die Unterlagen zur Geltendmachung der Vergütungen für die

      Module (Kursbescheinigungen, Zahlungsbestätigungen) weder beim RAV St. Gallen noch bei der kantonalen Arbeitslosenkasse eingetroffen seien (act. G 3.99).

    3. Gegen diese Verfügung erhob der Versicherte Einsprache, mit welcher er im Wesentlichen geltend machte, er habe die Unterlagen am Abend des 27. September 2003, und damit rechtzeitig, in den Briefkasten des RAV St. Gallen geworfen (act. G 3.100). Mit Entscheid vom 9. Juli 2007 wies die Kasse die Einsprache ab, da der behauptete Einwurf nicht nachgewiesen sei und der Einsprecher die Beweislast trage (act. 3.102).

B.

    1. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 4. September 2007 mit dem Antrag auf Aufhebung der Verfügung vom 15. Mai 2007 (richtig: 25. Mai 2007). Sodann seien dem Beschwerdeführer die Kurskosten von insgesamt Fr. 16'315.-- unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu erstatten. Er habe die Unterlagen zur Geltendmachung der Vergütungen für die Kursmodule innert Frist am 27. September 2003 eingereicht. Er habe an diesem Abend mit C. und D. Minigolf gespielt. Auf der Heimfahrt nach St. Gallen habe man einen kleinen Umweg via Stadtzentrum zur Unterstrasse gemacht, um den Briefeinwurf tätigen zu können. Bei Bedarf seien die genannten Personen als Zeugen zu befragen. Es sei ihm mehrmals von offizieller Stelle (RAV) glaubhaft gemacht worden, dass die Auszahlung erfolgt sei. Somit müsse auch die Zustellung erfolgreich verlaufen sein. Er habe deswegen keinen Anlass gehabt, mittels rechtzeitiger Nachfrage das Beweisrisiko zu vermindern. Ausserdem seien die Kurskosten damals von B. vorgestreckt worden. Aus Rücksicht auf seine schwierige Situation habe sie davon abgesehen, ihn schon früher auf die Rückzahlung der von ihr vorausbezahlten Kurse anzusprechen (act. G 1).

    2. Mit Beschwerdeantwort vom 2 Oktober 2007 beantragt die Verwaltung Abweisung der Beschwerde. Die Unterlagen zur Geltendmachung der Vergütungen für die Module (Kursbescheinigungen, Zahlungsbestätigungen) seien weder beim RAV St. Gallen noch bei der kantonalen Arbeitslosenkasse eingetroffen; die Sendung sei nicht eingeschrieben zugestellt worden. Der Beschwerdeführer trage deshalb die Folgen der Beweislosigkeit bezüglich der rechtzeitigen Abgabe. Da es unwahrscheinlich sei, dass

      die Bekannten des Beschwerdeführers sich nach Ablauf von mehr als drei Jahren noch genau an das Datum der Sendungsaufgabe erinnern könnten, sei auf die Einvernahme von Zeugen Auskunftspersonen zu verzichten. Um das Beweisrisiko zu vermeiden, hätte der Beschwerdeführer die Unterlagen per eingeschriebener Postsendung einreichen mittels rechtzeitiger Nachfrage sicherstellen sollen, dass diese eingetroffen seien. Da er dies unterlassen habe, falle die Beweislage zu seinen Ungunsten aus, so dass die Frist zur Geltendmachung als nicht gewahrt anzusehen sei. Selbst wenn jedoch von einer rechtzeitigen Abgabe der Unterlagen auszugehen wäre, wäre immer noch unklar, welchen Inhalt die Sendung hatte (act. G 3).

    3. Mit Replik vom 23. Oktober 2007 macht der Beschwerdeführer geltend, die Angaben des Personalberaters, nicht über bezahlte unbezahlte Kurskosten gesprochen zu haben, treffe nicht zu. Ausserdem weist er darauf hin, dass die fraglichen sieben Kurse bereits bewilligt gewesen waren, und ihm für den Fall des lückenlosen Besuchs zugesichert worden sei, dass die Kurskosten rückerstattet würden. Den Tatbestand des lückenlosen Kursbesuchs habe er erfüllt (act. G 5). Die Beschwerdegegnerin verzichtet auf eine Duplik (act. G 7).

Erwägungen:

1.

Vorliegend ist unbestritten, dass dem Beschwerdeführer der Besuch von sieben Kursmodulen, dauernd vom 7. Mai 2003 bis 9. September 2003, inklusive Swiss Education Card, mit Verfügungen vom 12. Mai 2003 bewilligt wurde (Implementing MS Windows 2000 Professional and Server, Implementing an MS Windows 2000 Network Infrastructure, Implementing and Administering MS Windows 2000 Directory Services, Designing a Secure Windows 2000 Network, Designing an MS Windows 2000 Directory Services Infrastructure, Internetworking Fundamentals und Implementing and Managing MS Exchange 2000; act. G 9.1 bis 9.7). Im Weiteren ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer die bewilligten Kurse lückenlos besucht und bezahlt hat (act. G 3.92). Bislang unbestritten geblieben ist schliesslich die Höhe der fraglichen Ausbildungskosten (Fr. 16'315.-- [Kurskosten Fr. 14'510.--, Reisespesen Fr. 1'325.--, Verpflegungskosten Fr. 480.--], vgl. act. G 3.91). Ausserdem ist die Leistung nicht im

Sinn von Art. 24 Abs. 1 ATSG verwirkt (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, Art. 24 Rz 14). Umstritten ist einzig die rechtzeitige Geltendmachung der Vergütungen innert der Dreimonatsfrist gemäss Art. 86 Abs. 2 AVIV.

2.

    1. Gemäss Art. 62 Abs. 2 AVIG (bis 30. Juni 2003: Art. 61 Abs. 3 und 63 AVIG) erstattet die Versicherung dem Teilnehmer der Teilnehmerin die nachgewiesenen notwendigen Auslagen für die Teilnahme an der Bildungsmassnahme. Die Kasse zahlt die Vergütungen in der Regel zusammen mit dem Taggeld aus, wenn die versicherte Person die Auslagen bis Ende der Kontrollperiode nachweist. Kursbesucher, die keine Taggelder beziehen, legen ihre Unterlagen der Kasse jeweils bis Monatsende vor. Rechnungen für Kursbeiträge sowie für grössere Anschaffungen von Lehrmitteln können der Kasse zur direkten Bezahlung eingereicht werden (Art. 86 Abs. 1 AVIV). Die Vergütungen werden nicht ausgerichtet, wenn sie die versicherte Person nicht spätestens drei Monate nach Ablauf des Monats, in dem die betreffenden Kosten angefallen sind, geltend macht (Art. 86 Abs. 2 AVIV). Bei dieser Frist handelt es sich um eine Verwirkungsfrist (Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Rz 698, mit Hinweis auf BGE 119 V 372 E. 4 und BGE 117 V 245 E. 3).

    2. Art. 39 Abs. 1 ATSG bestimmt, schriftliche Eingaben müssten spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherungsträger eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung übergeben werden. Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit einer Parteihandlung im Verfahren trägt grundsätzlich diejenige Partei, welche diese Handlung vorzunehmen hat. Wo für die Ausübung eines Rechts eine Verwirkungsfrist läuft, trägt demgemäss die das Recht ausübende Partei die Beweislast für die Einhaltung der Frist. Wird für die Übermittlung einer schriftlichen Eingabe die Post benützt, umfasst die Beweislast für die fristgerechte Rechtsausübung nicht nur das Beweisrisiko für die rechtzeitige Postaufgabe (vgl. dazu BGE 109 Ia 185 oben, 98 Ia 249, 97 III 15 f., 82 III 102), sondern auch dasjenige für den zur Fristwahrung erforderlichen Inhalt der Postsendung. Eine Umkehr der Beweislast greift lediglich Platz, wenn die Partei den Beweis der Rechtzeitigkeit aus Gründen nicht erbringen kann, die von der Behörde zu

verantworten sind (BGE 92 I 257 E. 3). Da indessen nach dem im Sozialversicherungsprozess herrschenden Untersuchungsgrundsatz das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen hat, greifen diese Beweislastregeln erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, auf Grund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 5. Juli 2004 [C 285/03] E. 4.2, mit Hinweis auf BGE 105 V 216 mit Hinweis).

Im Sozialversicherungsrecht ist der Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Das Gericht hat vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die es von allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigt (BGE 126 V 360 E. 5b, 125 V 195 E. 2, je mit Hinweisen). Andererseits dürfen die Verwaltung als verfügende Instanz und - im Beschwerdefall - das Gericht eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen überzeugt sind (Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., S. 135). Der Nachweis des Zustellungsdatums kann auch auf Grund von Indizien gestützt auf die gesamten Umstände erbracht werden (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 5. Juli 2004 [C 285/03] E. 4.3, mit Hinweis auf BGE 105 III 43 E. 3 S. 46).

3.

    1. Vorliegend macht die Beschwerdegegnerin geltend, die erforderlichen Unterlagen zur Geltendmachung der Vergütungen (Kursbescheinigungen, Zahlungsbestätigungen) seien weder beim RAV St. Gallen noch bei der Arbeitslosenkasse eingegangen. Demgegenüber macht der Beschwerdeführer bereits in seinem Mail vom 18. Januar 2007 an das RAV St. Gallen geltend, er habe den Umschlag mit den erforderlichen Unterlagen direkt in den RAV-Briefkasten eingeworfen. Da der Briefkasten bereits stark gefüllt gewesen sei, habe er das Couvert so weit wie möglich nach hinten gestossen. Als Anerkennung für die prompten Serviceleistungen habe er der Sendung noch Fr.

      20.-- für die Kaffeekasse beigelegt. Das Couvert habe den Vermerk "persönlich" getragen (act. G 3.90). In seiner Einsprache vom 16. März 2007 führte er weiter aus,

      dass er am Abend des 27. September 2003 (Samstag) mit zwei Bekannten nach E. , gefahren sei, um Minigolf zu spielen. Die Unterlagen hätten bereits im Vorfeld für Gesprächsstoff gesorgt, da er den Begleitbrief auf dem Drucker des Kollegen ausgedruckt habe. Auf der Heimfahrt hätten ihm die Mitfahrer gestattet, einen kleinen Umweg via Stadtzentrum zum RAV St. Gallen zu fahren (act. G 3.91).

    2. Diese Darstellung des Beschwerdeführers erscheint durchaus plausibel. Zudem blieb der Beschwerdeführer von Anfang an bei seiner Version, was ebenfalls ein Indiz für deren Glaubwürdigkeit darstellt. Nachdem indessen auch dem RAV nicht unterstellt werden kann, die Unterlagen bewusst aus den Akten entfernt zu haben, ist nach der vorliegenden Aktenlage ein Briefeinwurf nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt.

      Bereits in seinem Mailverkehr mit dem RAV führte der Beschwerdeführer aus, dass er beim Briefeinwurf in Begleitung zweier Bekannter gewesen sei (Mail vom 2. Februar 2007; act. G 3.90). Die Beschwerdegegnerin warf in der Folge in ihrer Verfügung vom

      25. Mai 2007 die Frage auf, ob diese Begleitpersonen als Zeugen Auskunftspersonen befragt werden sollen. Sie sah mit der Begründung davon ab, dass sich diese nach mehr als drei Jahren wahrscheinlich nicht mehr an das Datum der Sendungsaufgabe erinnern könnten (act. G 3.99).

      In der Einsprache vom 24. Juni 2007 verlangte der Beschwerdeführer die Einvernahme dieser Zeugen bzw. die Befragung seiner Bekannten als Auskunftspersonen. Die Beschwerdegegnerin habe trotz Zeitablauf auch die involvierten Mitarbeiter des RAV befragt und als Beweis angenommen. Es seien deshalb auch seine als Beweis aufgeführten Personen zu befragen, zumal sich diese - im Gegensatz zu den RAV- Mitarbeitern - nur an diese eine Begebenheit erinnern müssten (act. G 3.100). Im Einspracheentscheid verzichtete die Beschwerdegegnerin erneut mit der gleichen Begründung auf die Einvernahme der Begleitpersonen als Zeugen Auskunftspersonen.

    3. Mithin stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen auf die Erhebung von Beweismitteln verzichtet werden kann bzw. wann eine antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen werden kann. Zulässig ist die Nichtabnahme eines Beweismittels etwa

      dann, wenn die zu beweisende Tatsache bereits auf Grund der abgenommenen Beweise zur Überzeugung des Gerichts dargetan ist, und es als ausgeschlossen erscheint, dass weitere Beweismittel an diesem Beweisergebnis etwas ändern. Unproblematisch ist die Ablehnung von Beweismitteln, die objektiv untauglich sind, einen bestimmten Beweis zu erbringen. Ist ein Beweisergebnis jedoch bereits durch Zweifel erschüttert worden, ist es unzulässig, den Gegenbeweis durch antizipierte Beweiswürdigung zu verweigern. Aus Gründen der Waffengleichheit ist es auch unzulässig, (im Zivilprozess) nach Anhörung der Zeugen des Klägers mit antizipierter Beweiswürdigung auf die Zeugen des Beklagten zu verzichten. Mit Zurückhaltung ist schliesslich auf ein Beweismittel zu verzichten, weil seit dem zu beweisenden Ereignis eine lange Zeit vergangen ist. Es muss hier geradezu als ausgeschlossen erscheinen, dass mit weiteren Beweismassnahmen noch Näheres in Erfahrung gebracht werden kann. Blosse Zweifel an der Tauglichkeit und Ergiebigkeit eines Beweismittels dürfen jedoch dessen Abnahme nicht verhindern.

      Zurückhaltung bei der Ablehnung eines Beweismittels ist auch bei subjektiv untauglichen Beweismitteln angebracht. Etwa dann, wenn das Gericht bei einem stark befangenen Zeugen zur Auffassung gelangt, dass es selbst bei dessen Befragung nicht zur gebotenen Überzeugung gelangen könnte (Christoph Leuenberger / Beatrice Uffer- Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, S. 287 f., mit Hinweisen). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung umfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör auch das Recht, Beweisanträge zu stellen, und - als Korrelat - die Pflicht der Behörde zur Beweisabnahme. Beweise sind im Rahmen dieses verfassungsmässigen Anspruchs indessen nur über jene Tatsachen abzunehmen, die für die Entscheidung der Streitsache erheblich sind. Auf weitere Beweisvorkehren kann auch dann verzichtet werden, wenn der Sachverhalt, den eine Partei beweisen will, nicht rechtserheblich ist, wenn bereits Feststehendes bewiesen werden soll, wenn von vornherein gewiss ist, dass der angebotene Beweis keine Abklärungen herbeizuführen vermag, wenn die Behörde den Sachverhalt gestützt auf ihre eigene Sachkenntnis bzw. jene ihrer fachkundigen Beamten zu würdigen vermag (BGE 104 V 211E. a mit Hinweisen). Gelangt die Verwaltung das Gericht bei pflichtgemässer Beweiswürdigung zur Überzeugung, der Sachverhalt, den eine Partei beweisen will, sei nicht rechtserheblich der angebotene Beweis vermöge keine Abklärungen herbeizuführen, kann auf ein beantragtes Beweismittel verzichtet werden. In der damit

      verbundenen antizipierten Beweiswürdigung kann kein Verstoss gegen das rechtliche Gehör nach Art. 4 BV erblickt werden (BGE 122 V 157 E. 1d; BGE 119 V 344 E. 3c in fine mit Hinweisen).

    4. Vorliegend bot der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin die Befragung von Zeugen an. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin erscheint nicht von Vornherein ausgeschlossen, dass die Befragung dieser Personen als Zeugen Auskunftspersonen zur Erhellung des rechtserheblichen Sachverhalts beitragen kann, etwa auch zur Frage, weshalb sich B. bei einem ausstehenden Betrag von über Fr. 16'000.-- erst nach über drei Jahren beim Beschwerdeführer nach dem Verbleib des Geldes erkundigt hat. Jedenfalls kann nicht von Vornherein gesagt werden, die vorgeschlagenen Zeugen könnten sich nicht mehr an das fragliche Ereignis erinnern. Der angebotene Zeugenbeweis erscheint damit nicht objektiv untauglich. Er erscheint aber auch nicht subjektiv untauglich. Zwar handelt es sich um Bekannte des Beschwerdeführers. Indessen ist bis jetzt ungeklärt, in welcher Beziehung diese Bekannten zum Beschwerdeführer stehen. Mithin kann auf Grund der heutigen Aktenlage nicht gesagt werden, diese Personen seien derart befangen, dass selbst dann nicht auf deren Aussage abgestellt werden könnte, wenn sie den vom Beschwerdeführer geschilderten Sachverhalt bestätigen würden. Schliesslich ist auch im Sinn der Waffengleichheit der vom Beschwerdeführer angebotene Beweis abzunehmen, befragte die Beschwerdegegnerin doch auch die Mitarbeiter des RAV St. Gallen.

      Auch kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass selbst bei belegtem Briefeinwurf immer noch offen bliebe, welchen Inhalt die Sendung hatte. Vielmehr ist auch bezüglich dieser Frage auf denjenigen Sachverhalt abzustellen, der nach erfolgter Beweisabnahme als überwiegend wahrscheinlich erscheint.

    5. Nach Art. 61 lit. c ATSG stellt das Versicherungsgericht unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei. Dabei steht es grundsätzlich in seinem pflichtgemässen Ermessen, weitere Abklärungen selber vorzunehmen in Aufhebung des Einspracheentscheides der Verfügung die Sache zu diesem Zwecke an die Verwaltung zurückzuweisen (vgl. BGE 127 V 231 E. 2a, 122 V 163

      oben). Indes darf eine Rückweisung nicht einer Verweigerung des gerichtlichen Rechtsschutzes gleichkommen, was etwa dann der Fall ist, wenn wegen besonderer Gegebenheiten nur ein Gerichtsgutachten andere gerichtliche Beweismassnahmen geeignet sind, zur Abklärung des Sachverhalts beizutragen. Unzulässig ist die Rückweisung auch, sofern sie nach den Umständen als unverhältnismässig erscheint. Liegen sachliche Gründe vor, ist sie aber regelmässig mit dem Untersuchungsgrundsatz und dem Prinzip eines einfachen und raschen Verfahrens vereinbar (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 30. Januar 2006 [K 36/05] E. 4.1; BGE 131 V 410 E. 2.1.1 mit Hinweisen).

      Vorliegend stellte sich die Frage der Befragung der damaligen Mitfahrer des Beschwerdeführers als Auskunftspersonen Zeugen bereits im Verwaltungsverfahren. Im Einspracheverfahren beantragte der Beschwerdeführer sodann ausdrücklich die Befragung von C. und D. . Die Beschwerdegegnerin verzichtete darauf jeweils mit dem Argument, dass sich diese Mitfahrer wahrscheinlich nicht mehr an den Briefeinwurf erinnern könnten. Eine solche pauschale antizipierte Beweiswürdigung ist nach dem vorstehend Gesagten jedoch nicht zulässig. Vielmehr hat die Verwaltung die notwendigen Abklärungen in Anwendung von Art. 43 Abs. 1 ATSG von Amtes wegen vorzunehmen und die erforderlichen Auskünfte einzuholen. Dabei kann die Behörde Beteiligte, Auskunftspersonen Zeugen befragen (Art. 12 Abs. 1 VRP[SG]). Nachdem die Beschwerdegegnerin die gebotenen Abklärungsmassnahmen unterlassen hat, erscheint eine Rückweisung zur Abnahme der beantragten Beweise als angemessen. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass dem Beschwerdeführer ansonsten eine Instanz verloren geht.

      Nachdem - auf Grund der Nähe der zu befragenden Personen zum Beschwerdeführer - der persönliche Eindruck massgebend erscheint, wird die Beschwerdegegnerin C. und D. persönlich anzuhören und darüber ein Protokoll zu erstellen haben. Dabei ist sie grundsätzlich frei, ob sie diese Personen als Auskunftspersonen Zeugen befragen will (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 1. September 2006 [U 61/06] E. 1.3.2, mit Hinweis auf Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen: dargestellt am Verfahren vor Verwaltungsgericht, 2. Aufl., S. 494 N 984).

    6. Ergeben diese Abklärungen, dass ein Briefeinwurf mit den erforderlichen Unterlagen als überwiegend wahrscheinlich erscheint, wäre somit davon auszugehen, dass die Sendung in den Machtbereich bzw. die Risikosphäre des RAV gelangt ist. Diesfalls müsste sich der Beschwerdeführer nicht entgegenhalten lassen, dass die Sendung allenfalls beim RAV verloren gegangen ist.

Im Fall, dass die Beschwerdegegnerin zum Schluss gelangen sollte, dass der Briefeinwurf selber der Inhalt der Sendung nicht als überwiegend wahrscheinlich erscheint, wird die Beschwerdegegnerin sodann zu prüfen haben, ob allenfalls die verwirkte Frist wiederhergestellt werden kann. Dabei wird sie zu prüfen haben, ob das Schweigen von B. als Hindernis für das rechtzeitige Handeln des Beschwerdeführers angesehen werden könnte (nach dessen Wegfall der Beschwerdeführer offenbar rasch handelte), ob dem Beschwerdeführer ein Vorwurf daraus erwächst, dass er sich nach dem geltend gemachten Briefeinwurf nicht von sich aus bei B. über das Eintreffen der Zahlung erkundigte.

4.

    1. Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen und die Streitsache zur Einvernahme der beiden Mitfahrer C. und D. an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG). Im Weiteren beantragt der Beschwerdeführer sinngemäss eine Parteientschädigung. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass einer nicht vertretenen Partei der Zeitaufwand für das Erstellen von Rechtsschriften grundsätzlich nicht entschädigt wird, und Barauslagen werden nur ersetzt, wenn sie erheblich und nachgewiesen sind (GVP 1993, 111). So setzt der Anspruch auf eine Parteientschädigung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter anderem voraus, dass die Interessenwahrung einen hohen Arbeitsaufwand notwendig macht, der den Rahmen dessen überschreitet, was der Einzelne üblicher- und zumutbarerweise nebenbei zur Besorgung der persönlichen Angelegenheiten auf sich zu nehmen hat; erforderlich ist somit ein Arbeitsaufwand, welcher die normale (z.B. erwerbliche) Betätigung während einiger Zeit erheblich beeinträchtigt (BGE 110 V 132

E. 4d).

Vorliegend geht es zwar um einen erheblichen Betrag. Indessen musste der Beschwerdeführer keinen das übliche Mass überschreitenden Aufwand auf sich nehmen. Vielmehr konnte er sich auf die Darstellung seiner Sachverhaltsversion beschränken. Die Ausrichtung einer Parteientschädigung an den Beschwerdeführer fällt deshalb im konkreten Fall nicht in Betracht.

Demgemäss hat das Versicherungsgericht entschieden:

  1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der angefochtene Einspracheentscheid aufgehoben und die Streitsache zur Erhebung der weiteren Beweise im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

  3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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