Zusammenfassung des Urteils AHV 2016/20: Versicherungsgericht
Die B. GmbH wurde gegründet und später insolvent. Der ehemalige Geschäftsführer A. wurde aufgrund nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von Fr. 77'614.35 verpflichtet. Er legte Einspruch ein, der jedoch abgelehnt wurde. A. argumentierte, dass er nicht grob fahrlässig gehandelt habe, da er versucht habe, die Firma zu retten. Das Gericht entschied jedoch, dass er als Geschäftsführer und Inhaber der Gesellschaft grob fahrlässig gehandelt habe. Die Schadenersatzforderung wurde bestätigt.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AHV 2016/20 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AHV - Alters- und Hinterlassenenversicherung |
Datum: | 28.09.2018 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 52 Abs. 1 und 2 AHVG. Schadenersatz für entgangene Sozialversicherungsbeiträge. Vorliegend sind der Schaden und das Verschulden umstritten. Der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Schaden ist nachvollziehbar begründet. Demgegenüber kann der Beschwerdeführer keine substantiierten Einwände dagegen vorbringen. Nachdem die Firma während längerer Zeit ihrer Beitragsabrechnungs- und - ablieferungspflicht nur schleppend oder gar nicht nachgekommen ist, ist von einem groben Verschulden sowohl der Arbeitgeberin als auch des Beschwerdeführers als verantwortlichem, aber untätigem Organ auszugehen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. September 2018, AHV 2016/20). |
Schlagwörter: | Schaden; Höhe; Beiträge; Quot; Schadenersatz; Posten; Gesellschaft; Recht; Schadens; Verschulden; Arbeitgeber; Konkurs; Lohnbeiträge; Person; Organ; Einkommen; Forderung; Jahresabrechnung; Ehefrau; Arbeitgeberin; Geschäftsführer; Firma; Verwaltung; Ausgleichskasse; Über; Schadenersatzverfügung; Sozialversicherungsbeiträge |
Rechtsnorm: | Art. 138 OR ;Art. 14 AHVG ;Art. 51 AHVG ;Art. 52 AHVG ;Art. 55 OR ; |
Referenz BGE: | 121 V 244; 141 V 487; |
Kommentar: | - |
Besetzung
Versicherungsrichterinnen Marie-Theres Rüegg Haltinner (Vorsitz), Christiane Gallati Schneider und Michaela Machleidt Lehmann; Gerichtsschreiber Jürg Schutzbach
Geschäftsnr. AHV 2016/20
Parteien
A. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Adrian Fiechter, Anwalt und Beratung GmbH, Poststrasse 6, Postfach 239, 9443 Widnau, gegen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons
St. Gallen, Ausgleichskasse und Familienausgleichskasse, Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen, Beschwerdegegnerin,
Gegenstand
Schadenersatzforderung (i.S. B. GmbH, in Konkurs) Bundesrechtliche Forderung: Fr. 74'442.60 Kantonalrechtliche Forderung: Fr. 3'171.75
Sachverhalt
A.
Die B. GmbH wurde am 6. Oktober 2010 gegründet und war seit 1. Oktober 2010 bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (SVA) als beitragspflichtige Arbeitgeberin erfasst. A. war von der Gründung bis zur Löschung der Gesellschaft am 8. Dezember 2014 als deren Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift im Handelsregister eingetragen. Über die Gesellschaft wurde am 24. März 2014 der Konkurs eröffnet. Nachdem die SVA bereits mit
Schadenersatzverfügung vom 2. April 2014 (nicht bei den Akten) Schadenersatz in Höhe von Fr. 50'887.10 betreffend abgeschriebene Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum von Juni 2011 bis August 2012 bei A. geltend gemacht hatte, erliess sie am 18. Mai 2016 eine weitere Schadenersatzverfügung für entgangene Beiträge im Zeitraum von Juli 2012 bis Februar 2014 in Höhe von Fr. 74'442.60 (bundesrechtliche Beiträge) und Fr. 3'171.75 (kantonalrechtliche Beiträge), total somit Fr. 77'614.35. A. hätte als Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH dafür sorgen müssen, dass die Gesellschaft die ihr übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben korrekt erfülle. Dies habe er offensichtlich unterlassen, weshalb er für den entstandenen Schaden aufzukommen habe (act. G 8.2/24). Die dagegen erhobene Einsprache vom 17. Juni 2016/30. August 2016 - die Lohnbeiträge seien im Wesentlichen bezahlt worden - wies die SVA mit Entscheid vom 2. Dezember 2016 ab (act. G 8.2/25, 34 und 37).
B.
B.a Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 16. Dezember 2016 samt Zusatzbegründung vom 23. Januar 2017 mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheids. Ausserdem sei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtsverbeiständung für das vorliegende Verfahren zu bewilligen. Der Beschwerdeführer sei durch einen Steuerberater als Fachperson und eine Treuhandfirma beraten worden. Er sei nie darauf aufmerksam gemacht worden, dass ausstehende Lohnbeiträge nicht bezahlt worden seien, insbesondere auch nicht über die rechtlichen Konsequenzen einer solchen Nichtbezahlung. Dass er sich auf Auskünfte von Steuerberater und Treuhandfirma abgestützt habe, stehe nicht im Widerspruch zur Unübertragbarkeit von Aufgaben gemäss Art. 810 Abs. 2 Ziff. 4 OR. Der Beschwerdeführer habe damit weder absichtlich noch grobfahrlässig gehandelt, zumal er alles unternommen habe, um die Firma zu retten. Er habe praktisch Tag und Nacht gearbeitet, um insbesondere die Löhne, aber auch die Leasingraten und die Treibstoffkosten für die Fahrzeuge bezahlen zu können. Im Konkurs der Gesellschaft hätten dementsprechend keine offenen Lohnforderungen und keine wesentlichen Forderungen für Leasingraten und Benzinrechnungen kolloziert werden müssen. Auf Grund dieser immensen Belastung habe er sich den notwendigen Überblick nicht verschaffen können. Des Weiteren werde auch der geltend gemachte Schaden in Höhe von Fr. 77'614.35 bestritten. In der angefochtenen Verfügung würden
Lohnbeiträge in Höhe von Fr. 74'472.60 (richtig: 74'442.60) geltend gemacht. Dagegen bestehe eine Verlustscheinforderung über Fr. 51'685.85 für angeblich ausstehende Lohnbeiträge und mit Schreiben der SVA vom 13. April 2016 seien angeblich offene Sozialversicherungsbeiträge von Fr. 83'517.45 geltend gemacht worden. Die Schadenersatzforderung sei somit völlig widersprüchlich und nicht genügend substantiiert. Zur effektiven Ermittlung der Lohnbeiträge seien die Jahresabrechnungen 2011 bis 2014 zu berücksichtigen. Davon seien die Zahlungen der B. GmbH in Abzug zu bringen. Diese Zahlungen seien nur teilweise berücksichtigt worden (act. G 1 und 3).
Mit Beschwerdeantwort vom 1. März 2017 beantragt die Verwaltung Abweisung der Beschwerde. Es treffe nicht zu, dass die Einzahlungen des Beschwerdeführers in der Schadensberechnung nicht berücksichtigt worden seien. Vielmehr seien diese an die Posten 2011/0002, 0003 und 0006 angerechnet worden (act. G 8). Ein weiterer Schriftenwechsel fand nicht statt.
Mit Eingaben vom 24. April 2017 und 31. August 2017 reicht der Beschwerdeführer weitere Unterlagen zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ein (act. G 13 und 15).
Erwägungen
1.
Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch (Art. 52 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung; AHVG, SR 831.10). Die Arbeitgeber sind verpflichtet, von dem von ihnen ausgerichteten Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit die Arbeitnehmerbeiträge in Abzug zu bringen, mit der Ausgleichskasse abzurechnen sowie die erforderlichen Angaben zu machen, und die
Beiträge zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch der Ausgleichskasse zu entrichten (Art. 14 Abs. 1 und Art. 51 AHVG, Art. 34 und 36 der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung; AHVV, SR 831.101). Die Missachtung dieser Pflichten verletzt Vorschriften der Versicherung im Sinne von Art. 52 AHVG. Art. 52 Abs. 1 AHVG sieht eine Verschuldenshaftung nach öffentlichem Recht vor. Damit eine Schadenersatzpflicht entstehen kann, müssen alle Haftungsvoraussetzungen gegeben sein, d.h. es muss ein Schaden eingetreten sein, der auf ein widerrechtliches und schuldhaftes Verhalten des verantwortlichen Organs zurückzuführen ist. Zudem muss zwischen dem Verhalten der belangten Person und dem eingetretenen Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang gegeben sein. Diese Haftungsordnung gilt auch für die Beitragsforderungen der Familienausgleichskasse (Art. 47 des bis Ende 2017 in Kraft gewesenen Kinderzulagengesetzes [KZG SG; nGS 44-47], Art. 1 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Bundesgesetzgebung über die Familienzulagen [sGS 371.1], Art. 25 lit. c des Bundes¬gesetzes über die Familienzulagen [SR 836.2]). Die Schadenersatzforderung verjährt zwei Jahre, nachdem die zuständige Ausgleichskasse vom Schaden Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Eintritt des Schadens (Art. 52 Abs. 3 AHVG).
2.
2.1 Vorliegend ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer ab Eintragung der B. GmbH in das Handelsregister im Oktober 2010 bis zu deren Löschung im Dezember 2014 als einziger Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift eingetragen war und damit eine Organstellung innehatte. Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch im Wesentlichen die Berechnung des Schadens sowie das Verschulden, während die übrigen Haftungsvoraussetzungen sowie die Rechtzeitigkeit der Schadenersatzverfügung nicht umstritten sind.
2.2
Die Schadenersatzpflicht des verantwortlichen Organs setzt zunächst den Eintritt eines Schadens bei der Ausgleichskasse voraus. Der Schaden kann unbezahlt gebliebene paritätische AHV/IV/EO- und ALV-Beiträge, Familienzulagen-Beiträge, Verwaltungskostenbeiträge, Mahngebühren, Veranlagungs- und Betreibungskosten
sowie Verzugszinsen für rückständige Beiträge umfassen (THOMAS NUSSBAUMER, Das Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG, in: SCHAFFHAUSER/KIESER [Hrsg.], Aktuelle Fragen aus dem Beitragsrecht der AHV, St. Gallen 1998, S. 100). Zeitliche Grenze des zu berücksichtigenden Schadens bildet grundsätzlich die Konkurseröffnung. Die schadenersatzpflichtige Person hat auf Grund ihrer Mitwirkungspflichten den Schadensbetrag substantiiert zu bestreiten, soweit die Forderung nicht auf rechtskräftigen Verfügungen beruht (ZAK 1991 S. 125, AHI-Praxis 1993 S. 172, SVR 2001 AHV S. 51 Nr. 15).
In Bezug auf den Schaden macht der Beschwerdeführer geltend, die Schadenersatzforderung sei nicht genügend substantiiert. So würden in der angefochtenen Verfügung vom 18. Mai 2016 ausstehende Lohnbeiträge in Höhe von Fr. 74'472.60 (richtig: 74'442.60) geltend gemacht. Dagegen bestehe eine Verlustscheinforderung über Fr. 51'685.85 für angeblich ausstehende Lohnbeiträge, und mit Schreiben der SVA vom 13. April 2016 seien angeblich offene Sozialversicherungsbeiträge von Fr. 83'517.45 geltend gemacht worden. Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass die Beitragsberechnungen auf den durch die Gesellschaft deklarierten Lohnsummen basieren (Jahresabrechnung 2012: Fr. 374'940.-- x 10,3 % = AHV/IV/EO-Beiträge in Höhe von Fr. 38'618.80 [act. G 8.1/96
und G 8.4 Posten 2013/0003]; Jahresabrechnung 2013: Fr. 378'943.-- x 10,3 % = AHV/ IV/EO-Beiträge in Höhe von Fr. 39'031.15 [act. G 8.1/198 und 201, G 8.4 Posten 2014/0003]; Jahresabrechnung 2014; Fr. 74'070.-- x 10,3 % = AHV/IV/EO-Beiträge in Höhe von Fr. 7'629.20 [act. G 8.1/230 und 233, G 8.4 Posten 2014/0009]). Der konkrete Schaden ergibt sich sodann aus den Schadensberechnungsblättern. Darin wird der Schaden betreffend die in der Verfügung vom 18. Mai 2016 und im angefochtenen Einsprtacheentscheid vom 2. Dezember 2016 genannten Posten 2012/0010, 0012 - 0014, 0017, 2013/0001 - 0002, 0005 - 0014, 2014/0001 - 0002 detailliert dargestellt. Dabei handelt es sich um offen gebliebene Beitragspauschalen samt Nebenkosten für die Monate Juli 2012, September bis November 2012, abzüglich einer Gutschrift aus der Jahresabrechnung 2012 in Höhe von Fr. 5'219.95 (Posten 2013/0003), sämtliche Pauschalen inkl. Nebenkosten für das Jahr 2013 sowie die Pauschalen inkl. Nebenkosten für die Monate Januar und Februar 2014. Demgegenüber wurden die auszugleichenden Beiträge aus der Jahresabrechnung 2013 in Höhe von Fr. 2'725.20 sowie der aus der offen gebliebenen März 2014-Pauschale resultierende Schaden in
Höhe von Fr. 3'177.90, welche Rechnungen vom 4. bzw. 13. März 2014 erst nach Konkurseröffnung fällig wurden (Posten 2014/0003 und 0005), zu Recht nicht mehr in die Schadensberechnung einbezogen (daher auch die Differenz zu dem im Schreiben vom 13. April 2016 genannten Betrag von Fr. 83'517.45 [act. G 1.4]). Ebenfalls wurden die bereits mit Schadenersatzverfügung vom 2. April 2014 geltend gemachten Betreffnisse (Posten 2011/0004 - 0005, 2012/0001, 0004 - 0005, 0008 - 0009 und 0011 [vgl. act. G 8.2/37 S. 2]) in Höhe von Fr. 50'887.10 (Verlustschein infolge Pfändung vom
Januar 2016 [act. G 1.5]; vgl. auch Verlustscheine vom 26. April 2013, 21. Juni
2013, 10. September 2013, 8. Oktober 2013 und 19. Februar 2014 in Höhe von
insgesamt Fr. 50'838.20 [act. G 8.1/109, 124, 148, 150 - 152, 196 und 197]) vorliegend nicht erneut berücksichtigt (act. G 8.2/2 - 5 und 7 - 10; vgl. auch Kontoauszug [act. G 8.4] und act. G 8.1/239 - 285). Schliesslich wurden auch die vom Beschwerdeführer im Einspracheverfahren (Fr. 15'629.90 und Fr. 1'090.-- [Einzahlungen vom 19. April 2011,
März 2012, 17. April 2012, 13. Juli 2012 sowie Überweisung durch das Betreibungsamt Au ["Zahlung Post"]; vgl. act. G 8.2/28]) sowie im vorliegenden Beschwerdeverfahren geltend gemachten Einzahlungen (Fr. 4'651.45, Fr. 4'770.75 [korrekt: Fr. 119.30] sowie Fr. 5'128.20 [Einzahlungen vom 16. Dezember 2011; act G
1.7 und act. G 8.2/35.11 ff.]) ordnungsgemäss verbucht, nämlich in den Posten 2011/0001 - 0003, 0005 - 0008, 2012/0002 - 0003, sodass auch diese Einzahlungen bei der Schadensberechnung bereits berücksichtigt sind (act. G 8.4). Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Einspracheentscheid wurde auch die Teilzahlung des Betreibungsamtes Au in Höhe von insgesamt Fr. 1'090.-- verbucht (Fr. 595.-- + Fr.
495.-- ["Zahlung Post" vom 25. Juni 2012 und vom 4. Oktober 2012]; hinzu kommt eine weitere Teilzahlung des Betreibungsamtes in Höhe von Fr. 495.-- ["Zahlung Post" vom 25. Februar 2013 [alle Posten 2011/0005]], act. G 8.4; vgl. auch act. G 8.2/28.5]). Schliesslich liegt ein Konkursverlustschein in Höhe von Fr. 136'284.10 bei den Akten (act. G 8.1/236), wobei die Beschwerdegegnerin für den Betrag von Fr. 50'887.10 bereits früher Schadenersatz beim Beschwerdeführer geltend gemacht hat. Nachdem der Beschwerdeführer gegen die detaillierte und nachvollziehbare Schadensaufstellung der Beschwerdegegnerin keine substantiierten Einwände vorbringen kann, ist der Schaden (mindestens) in der verfügten Höhe von Fr. 77'614.35 (davon Fr. 74'442.60 bundesrechtliche Beiträge und Fr. 3'171.75 kantonalrechtliche Beiträge) ausgewiesen.
2.3
Bei der Prüfung der Verschuldensfrage ist zu berücksichtigen, dass sowohl ein Verschulden der Arbeitgeberin wie des verantwortlichen Organs vorliegen muss. Nach der Rechtsprechung ist nicht jede Verletzung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben durch die Arbeitgeberin ohne weiteres einem qualifizierten Verschulden ihrer Organe gleichzusetzen. Vorausgesetzt ist vielmehr ein Normverstoss von einer gewissen Schwere. Eine Nichtabrechnung Nichtbezahlung der Beiträge genügt noch nicht, um ein qualifiziertes Verschulden anzunehmen. Vielmehr sind die gesamten Umstände zu würdigen. Die Frage der Dauer des Normverstosses ist dabei ein Beurteilungskriterium, das im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist und im Sinne der Rechtsprechung zu den Entlastungsgründen zur Verneinung der Schadenersatzpflicht führen kann (BGE 121 V 244 E. 4b mit Hinweisen). Von einem qualifizierten Verschulden ist in der Regel auszugehen, wenn etwa eine Arbeitgeberin über längere Zeit ihre Abrechnungs- und/oder Ablieferungspflichten nur schleppend bloss teilweise erfüllt. Gegen ein qualifiziertes Verschulden kann beispielsweise eine relativ kurze Dauer des Beitragsausstands sprechen der Umstand, dass eine Arbeitgeberin bei ungenügender Liquidität zunächst für das Überleben des Unternehmens wesentliche andere Forderungen (insbesondere solche der Arbeitnehmer und Lieferanten) befriedigt, sofern sie auf Grund der objektiven Umstände und einer seriösen Beurteilung der Lage annehmen darf, sie werde die geschuldeten Beiträge innert nützlicher Frist nachzahlen können (BGE 121 V 244 E. 4b mit Hinweis; Urteil des Bundesgerichts vom 18. Januar 2011, 9C_330/2010, E. 3.4). Bei der Verschuldensbeurteilung gilt ein objektiver Verschuldensmassstab, weshalb subjektive Entschuldbarkeit die Gründe für die Mandatsübernahme unbeachtlich sind (UELI KIESER, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: ULRICH MEYER [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 3. Auflage, G 460 mit Hinweisen). Das Mass der gebotenen Sorgfalt hängt immer von den Umständen ab, wozu auch die Grösse der Firma und die Anzahl Verwaltungsräte gehören. Bei einem einzigen Verwaltungsrat gilt ein strengerer Massstab (Urteil des Bundesgerichts vom 10. Dezember 2010, 9C_325/2010, E. 5.1).
Vorliegend ist die B. GmbH ihrer Beitragsabrechnungs- und Ablieferungspflicht während längerer Zeit nur schleppend bzw. überhaupt nicht nachgekommen. So bestanden die Zahlungsschwierigkeiten bereits seit September 2011, als für den Zeitraum von Juni bis September 2011 infolge erheblich zu geringer
Beitragspauschalen eine Nachbelastung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von Fr. 14'617.05 anfiel (Rechnung vom 29. September 2011 [Posten 2011/0004]). Anschliessend erhöhte die Beschwerdegegnerin die Beitragspauschalen ab Oktober 2011 massiv, nämlich von Fr. 4'631.45 pro Quartal auf Fr. 5'128.20 pro Monat (Posten 2011/0005 ff. [act. G 8.4]). Während die Beitragspauschalen November und Dezember 2011 sowie Februar 2012 wiederum bezahlt wurden, mussten ab März 2012 bis zum Konkurs im März 2014 praktisch sämtliche Pauschalen sowie die auszugleichenden Beiträge (Ausnahme 2012, als eine anrechenbare Gutschrift in Höhe von Fr. 5'219.95 resultierte [Posten 2013/0003]) gemahnt, betrieben und schliesslich abgeschrieben werden (act. G 8.4). Ebenso mussten sämtliche Jahresabrechnungen 2010 bis 2013 jeweils gemahnt werden (act. G 8.1/6, 29, 91 und 194). Die Gesellschaft hat sich somit praktisch während der gesamten Zeit ihres Bestehens nur sehr ungenügend um ihre Beitragsabrechnungs- und -ablieferungspflichten gekümmert. Wie schliesslich die Betreibungen und Pfändungsverlustscheine bzw. Abschreibungen im Kontoauszug zeigen, hat die Gesellschaft den Betrieb während rund zweieinhalb Jahren unter anderem auf Kosten der AHV geführt, ohne dass Aussicht auf eine Sanierung bestanden hätte. Unter diesen Umständen kann ein grobes Verschulden der Arbeitgeberin nicht zweifelhaft sein.
Der Beschwerdeführer selber macht geltend, er sei von einem Steuerberater und einer Treuhandfirma betreut worden. Er sei von diesen Personen nie darauf aufmerksam gemacht worden, dass ausstehende Lohnbeiträge nicht bezahlt worden seien, insbesondere auch nicht auf die rechtlichen Folgen unbezahlter Lohnbeiträge. Er habe damit weder fahrlässig noch grobfahrlässig gehandelt. Er habe vielmehr alles unternommen, um die B. GmbH zu retten. Er habe versucht, die Löhne der Fahrer und die Betriebskosten der Fahrzeuge (Leasing, Treibstoff) zu bezahlen. Dass ersteres nicht zutrifft, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Zahlungsbefehle jeweils an den Beschwerdeführer selber an seine Ehefrau (die bis am 30. September 2013 als Direktorin mit Einzelunterschrift im Handelsregister eingetragen war [act. G 8.2/11.2]) ausgehändigt wurden (z.B. act. G 8.1/76.1 [Posten 2012/10], 88.1 [Posten 2012/12], 89.1 [Posten 2012/13] usw.), so dass ihm die offenen Beitragsforderungen der Beschwerdegegnerin bekannt sein mussten. Im Übrigen ging der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben selber davon aus, dass die Firma "gerettet" werden müsse, was ebenfalls impliziert, dass ihm die angespannte finanzielle Lage
bewusst war. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, würde ihn dies nicht entlasten, hat er sich doch als einziger Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift einer überschaubaren GmbH über die Belange des Unternehmens - namentlich über potentiell existenzbedrohende Schulden - zu informieren. So gehören die Festlegung der Organisation der Gesellschaft im Rahmen von Gesetz und Statuten, die Ausgestaltung des Rechnungswesens und der Finanzkontrolle sowie die Aufsicht über die Personen, denen Teile der Geschäftsführung übertragen sind, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen zu den unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben eines Geschäftsführers einer GmbH (Art. 810 Abs. 2 Ziff. 2 - 4 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Fünfter Teil: Obligationenrecht [OR, SR 220]]). Mithin vermag ihn der Beizug eines Steuerberaters und einer Treuhandfirma nicht zu entlasten. Vielmehr haftet er für unerlaubte Handlungen Unterlassungen dieser Hilfspersonen (Art. 55 OR). Ob der Beschwerdeführer gegenüber diesen Personen allenfalls einen zivilrechtlichen Regressanspruch aus unsorgfältiger Auftragserfüllung geltend machen kann, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und braucht hier nicht geklärt zu werden. Erst recht stellt die blosse Unkenntnis der Haftungsfolgen nach Art. 52 AHVG keinen Exkulpationsgrund dar. Schliesslich vermag den Beschwerdeführer nicht zu entlasten, dass er zunächst andere, für das Überleben der Unternehmung wichtiger erscheinende Forderungen bezahlt hat. So ist weder ersichtlich noch wird geltend gemacht, dass für die Sanierung des Unternehmens ein Konzept bestanden hat. Im Weiteren kann bei der fortgesetzten Dauer der Beitragsausstände nicht mehr von einem bloss kurzfristigen, d.h. unterjährigen Liquiditätsengpass, ausgegangen werden, der zur Hoffnung berechtigt hätte, die Firma könne die ausstehenden Beiträge innert nützlicher Frist nachzahlen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 17. September 2007, 9C_111/2007, E. 3.1). Mit der Beschwerdegegnerin ist somit festzustellen, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer und Inhaber der Gesellschaft - gerade auch angesichts der offensichtlich angespannten finanziellen Lage - verpflichtet gewesen wäre, jeweils nur so viele Löhne auszuzahlen, als die unmittelbar darauf anfallenden Sozialversicherungsbeiträge hätten bezahlt werden können. Indem er sich als verantwortliches Organ der Gesellschaft nicht um diese grundlegenden Pflichten gekümmert hat, ist ihm zumindest ein grobfahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.
2.4
Schliesslich sind auch die weiteren Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schadenersatz erfüllt. So musste die Beschwerdegegnerin ab September 2011, also bereits ein knappes Jahr nach Anschluss der Gesellschaft, die Monatspauschalen sowie die auszugleichenden Beiträge in der Regel mahnen und betreiben (vgl. Kontokorrentauszug [act. G 8.4]). Insgesamt hat die B. GmbH von zu entrichtenden Beiträgen (inkl. Verwaltungskosten) in Höhe von rund Fr. 166'000.-- lediglich rund Fr. 33'000.-- bezahlt, wobei die letzte Beitragszahlung am 17. April 2012 - knapp zwei Jahre vor Konkurseröffnung - erfolgte (auszugleichende Beiträge 2011 [act. G. 8.4, Posten 2012/0003]). Danach hat sie keine Beiträge mehr geleistet. Damit hat die Gesellschaft gegen die in Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV statuierte Beitragsablieferungspflicht verstossen, womit die Widerrechtlichkeit als Haftungsvoraussetzung gegeben ist. Zwischen dem schuldhaften Verhalten des Beschwerdeführers und dem Schadenseintritt besteht sodann ein adäquater Kausalzusammenhang. Hätte der Beschwerdeführer ordnungsgemäss für die Beitragsabrechnung und -ablieferung gesorgt, wäre der Beschwerdegegnerin kein Schaden in der genannten Höhe entstanden.
3.
Schliesslich ist unbestritten, dass die Schadenersatzverfügung vom 18. Mai 2016 rechtzeitig ergangen ist, nachdem am 24. März 2014 der Konkurs über die B. GmbH eröffnet worden war und der Beschwerdegegnerin am 5. August 2014 mitgeteilt wurde, dass die Gläubiger der 2. und 3. Klasse voraussichtlich mit einem vollständigen Verlust ihrer Forderung rechnen müssen (act. G 8.1/226.2). Die Geltendmachung von Schadenersatz ist auch nicht während des Einsprache- Beschwerdeverfahrens verjährt, nachdem diese Verfahren die Verjährung unterbrechen und die Verjährungsfrist nach Abschluss des Gerichtsverfahrens von Neuem zu laufen beginnt (Art. 138 Abs. 1 OR, BGE 141 V 487 E. 2.3 S. 489 f. mit Hinweisen).
4.
Zusammenfassend sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als schadenersatzpflichtiges Organ erfüllt. Die Beschwerdegegnerin hat demnach den Beschwerdeführer zu Recht verpflichtet, Schadenersatz für entgangene bundes- und kantonalrechtliche Beiträge in Höhe von Fr. 74'442.60 bzw. Fr. 3'171.75, total somit Fr. 77'614.35 (inkl. Nebenkosten), zu bezahlen. Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts; ATSG, SR 830.1).
5.
Mit Gesuch vom 20. Februar 2017 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung durch Rechtsanwalt lic. iur. Adrian Fiechter. Dabei deklarierte er ein monatliches Einkommen für sich von Fr. 4'000.-- sowie ein solches für seine Ehefrau in Höhe von Fr. 1'500.--. Demgegenüber machte er monatliche Ausgaben in Höhe von insgesamt Fr. 4'981.-- geltend (act. G 7.1). In der Steuererklärung 2015 deklarierte er ein steuerbares Einkommen von Fr.
4'168.-- sowie ein steuerbares Vermögen von Fr. 0.-- (act. G 7.5). Mit Schreiben vom 6. März 2017 forderte die Verfahrensleitung den Beschwerdeführer auf, weitere Unterlagen zum Beweis der prozessualen Bedürftigkeit einzureichen (Erfolgsrechnung 2016 betreffend die geltend gemachte selbstständige Erwerbstätigkeit [act. G 10]). Mit Eingabe vom 24. April 2017 reichte der Beschwerdeführer sodann eine "Erfolgsrechnung" einer Firma "C. " für das Jahr 2015 ein, da jene für 2016 noch nicht erstellt sei. Zudem machte er nun geltend, seine Ehefrau sei seit Mai 2016 nicht mehr erwerbstätig (act. G 13). Mit einem weiteren Schreiben der Verfahrensleitung vom
26. April 2017 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, den Widerspruch betreffend das Erwerbseinkommen der Ehefrau aufzuklären sowie die Erfolgsrechnung 2016 und die Steuerveranlagung 2015 einzureichen (act. G 14). Am 31. August 2017 reichte der Beschwerdeführer die verlangten Unterlagen ein und führte aus, beim angegebenen monatlichen Einkommen der Ehefrau von Fr. 1'500.-- handle es sich um ein Versehen (act. G 15).
Zunächst ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer den Widerspruch betreffend
die Erwerbseinkünfte der Ehefrau nicht plausibel erklären kann. Auch seine eigenen
Einkünfte kann der Beschwerdeführer nicht schlüssig darlegen. Bei den nachträglich eingereichten "Bilanzen" und "Erfolgsrechnungen" der Firma "C. " der Jahre 2015 und 2016 handelt es sich lediglich um rudimentäre Auflistungen angeblicher Aktiven und Passiven bzw. Erträge und Aufwände. Ein Erstellungsdatum dieser Dokumente ist ebenso wenig erkennbar wie deren Urheberschaft. Angeblich stammen sie von einer Bekannten, welche diesen Freundschaftsdienst neben ihren Familienpflichten wahrnimmt (act. G 13.2). Beim "Abschluss" 2016 fehlen die Bilanzsummen und die Summe der Aufwände; das Blatt mit den Erträgen fehlt gar vollständig. Aus dem "Dokument" geht noch nicht einmal hervor, ob es überhaupt das genannte Jahr betrifft (act. G 13.1 und 15.2). Insbesondere die Angaben betreffend das Jahr 2016 stellen damit blosse, nicht überprüfbare Parteibehauptungen dar und sind für die Bestimmung der Prozessarmut nicht geeignet. Die einzig brauchbaren Angaben stammen aus der Steuerveranlagung 2015. Daraus geht hervor, dass der Beschwerdeführer Einkünfte aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von insgesamt Fr. 95'412.-- erzielt hat, davon Fr. 46'665.-- aus selbstständiger Erwerbstätigkeit. Diesbezüglich stellte die Steuerverwaltung auf die Erfolgsrechnung 2015 ab, wobei sie zum ausgewiesenen Gewinn von Fr. 4'665.08 den geltend gemachten Lohnaufwand (Eigenlohn) von Fr. 42'000.-- addierte. Für die Ehefrau veranlagte die Steuerbehörde kein Einkommen (act. G 13.1 und 15.3). Nach Abzug der Berufskosten sowie der nicht unerheblichen Schuldzinsen und Krankheitskosten sowie der Sozialabzüge verbleibt ein steuerbares Einkommen von Fr. 52'100.--; steuerbares Vermögen ist keines vorhanden (act. G 15.3). Auf Grund dieser Angaben ist eine Prozessarmut nicht ausgewiesen. Bei den im Formular geltend gemachten - und bei den Steuerabzügen noch nicht berücksichtigten - Ausgaben von jährlich rund Fr. 25'000.-- (Wohnungsmiete Fr. 1'621.-- x 12 = Fr. 19'452.--, Steuern von Fr. 3'582.-- [gemäss vorliegender Veranlagung 2015; act. G 15.3] sowie Kosten für auswärtige Verpflegung von Fr. 200.-- x 12 = Fr. 2'400.--), ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in der Lage ist, die anfallenden Anwaltskosten selber zu übernehmen. Mithin rechtfertigen die vorliegenden Verhältnisse nicht die Bewilligung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes (vgl. Art. 61 lit. f ATSG). Das entsprechende Gesuch ist folglich abzuweisen.
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung wird abgewiesen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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