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Urteil Versicherungsgericht (SG - AHV 2015/3)

Zusammenfassung des Urteils AHV 2015/3: Versicherungsgericht

Die Beschwerdegegnerin, die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, forderte Schadenersatz von A., dem einzigen Verwaltungsrat der konkursiten B. AG, für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt Fr. 98'978.85. A. berief sich auf Verjährung, da die Beiträge älter als fünf Jahre waren. Die Sozialversicherungsanstalt wies die Einsprache ab, da sie erst mit ausreichender Schadenskenntnis ab dem 17. Juli 2014 die Forderung geltend machte. Das Gericht entschied zugunsten der Beschwerdegegnerin und verpflichtete A. zur Zahlung des Schadens. Der Richter ist männlich.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AHV 2015/3

Kanton:SG
Fallnummer:AHV 2015/3
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:AHV - Alters- und Hinterlassenenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid AHV 2015/3 vom 11.08.2016 (SG)
Datum:11.08.2016
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 52 Abs. 1 und 3 AHVG. Schadenersatz. Verschulden. Verjährung. Grundsätzlich gilt im Konkursfall Schadenskenntnis mit Auflage von Kollokationsplan und Inventar. Vorliegend ist aber unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt (telefonische Nachfrage bei Konkursamt: Es werde keine Dividende ausbezahlt) genügende Kenntnis davon hatte, dass sie mit ihrer gesamten Forderung zu Verlust kommen wird. Diesbezüglich ist die Schadenersatzverfügung rechtzeitig ergangen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände (Zahlungsmoral der Arbeitgeberin, provisorische Pfändungsverlustscheine) haben indessen keine kenntnisauslösende Wirkung. Verschulden bejaht, da kein Exkulpationsgrund erkennbar ist (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 11. August 2016,AHV 2015/3).Entscheid vom 11. August 2016
Schlagwörter: Schaden; Konkurs; Beiträge; Schadens; Schadenersatz; Ausgleichskasse; Sozialversicherungsbeiträge; Posten; Höhe; Arbeitgeber; Recht; Verjährung; Verfügung; Gesellschaft; Betreibung; Urteil; Aktiven; Sozialversicherungsanstalt; Arbeitgeberin; Einsprache; Zeitraum; Verjährungsfrist; Frist; Organ; Forderung
Rechtsnorm: Art. 14 AHVG ;Art. 16 AHVG ;Art. 51 AHVG ;Art. 52 AHVG ;Art. 716a OR ;Art. 717 OR ;
Referenz BGE:126 V 443; 129 V 11; 136 V 268; 141 V 487;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AHV 2015/3

Besetzung

Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterinnen

Miriam Lendfers und Marie Löhrer; Gerichtsschreiber Jürg Schutzbach Geschäftsnr.

AHV 2015/3

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Max Auer, LL.M., Auer & Wittibschlager, Obere Bahnhofstrasse 48, Postfach 1328, 9500 Wil SG,

    gegen

    Sozialversicherungsanstalt des Kantons

    St. Gallen, Ausgleichskasse und Familienausgleichskasse, Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen, Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand

    Schadenersatzforderung (i.S. B. AG; in in Konkurs) Streitwert bundesrechtliche Forderung: Fr. 86'429.95 Streitwert kantonalrechtliche Forderung: Fr. 12'548.90 Sachverhalt

    A.

    1. Die B. AG war seit 1. Januar 2009 als beitragspflichtige Arbeitgeberin bei der Kantonalen Ausgleichskasse St. Gallen angeschlossen. Über die AG wurde am 3. Juli 2012 der Konkurs eröffnet und am 31. August 2012 mangels Aktiven wieder eingestellt. Am 3. Oktober 2012 wurde die Einstellung mangels Aktiven wieder aufgehoben (vgl. Online-Handelsregisterauszug; abgerufen am 13. Mai 2016). Mit Verfügung vom 1. September 2014 forderte die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen als kantonale Ausgleichskasse und Familienausgleichskasse vom einzigen Verwaltungsrat A. Schadenersatz für entgangene bundesrechtliche Beiträge in Höhe von Fr. 86‘429.95 sowie für entgangene kantonalrechtliche Beiträge in Höhe von Fr. 12‘548.90, insgesamt somit Fr. 98‘978.85. Nach Art. 716a Abs. 1 Ziff. 5 und Art. 717 OR habe die Verwaltung die mit der Geschäftsführung beauftragten Personen zu überwachen und

      sich regelmässig über den Geschäftsgang unterrichten zu lassen. A. habe als Verwaltungsrat die Pflicht gehabt, dafür zu sorgen, dass die der Gesellschaft als Arbeitgeberin übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben korrekt erfüllt würden. Dies habe er offensichtlich unterlassen, weshalb er für den entstandenen Schaden aufzukommen habe (act. G 3.2/35).

    2. Mit Einsprache vom 1. Oktober 2014 berief sich A. auf die Verjährung in Bezug auf sämtliche Sozialversicherungsbeiträge, die den Zeitraum vor September 2009 beträfen und damit (im Verfügungszeitpunkt) älter als fünf Jahre seien. Gemäss eigenen Angaben der Sozialversicherungsanstalt hätten sich die Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum von Januar 2009 bis August 2009 auf Fr. 29‘270.50 belaufen. Diese Beiträge könnten, da absolut verjährt, nicht mehr vom Einsprecher gefordert werden. Die Schadenersatzforderung sei deshalb in jedem Fall von Fr. 86‘429.95 auf maximal

      Fr. 57‘159.45 zu kürzen. Weiter sei auf Grund des Umstands, dass seit Juli 2011 bis zum Konkurs keine bzw. seit 2009 nie Sozialversicherungsbeiträge bezahlt worden seien und die Sozialversicherungsanstalt regelmässig Betreibungen angehoben und jedes Mal Pfändungsverlustscheine erhalten habe, erstellt, dass die Sozialversicherungsanstalt spätestens mit der Konkurseröffnung vom 28. August 2012 (richtig: 3. Juli 2012) Kenntnis des Schadens gehabt habe. Da die Verfügung vom 1. September 2014 nicht innerhalb der zweijährigen relativen Verjährungsfrist ergangen sei, sei der Schadenersatzanspruch der Sozialversicherungsanstalt verjährt und deshalb im Gesamten nicht mehr einforderbar (act. G 3.2/36).

    3. Mit Entscheid vom 19. Februar 2015 wies die Sozialversicherungsanstalt die Einsprache ab. Die Ausgleichskasse erlange in dem Zeitpunkt Kenntnis vom Schaden, in welchem sie unter Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen müsse, dass die tatsächlichen Gegebenheiten es nicht mehr erlaubten, die Beiträge einzufordern. Im Fall eines Konkurses bestehe in der Regel erst mit der Auflage von Kollokationsplan und Inventar ausreichende Schadenskenntnis im Sinn von Art. 52 Abs. 3 AHVG. Zwar sei zutreffend, dass die Ausgleichskasse gegenüber der B. AG seit Juli 2009 auf Grund nicht erfüllter Zahlungspflichten regelmässig Betreibungsverfahren habe anheben müssen. Diese hätten schliesslich am 29. März 2010 erstmals zu einem provisorischen Pfändungsverlustschein geführt. Der Einwand des Einsprechers, die Ausgleichskasse habe bereits früher Kenntnis des Schadens

gehabt, da sie aus den mehrfachen Betreibungen gegen die konkursite Firma bereits Pfändungsverlustscheine erhalten habe, sei unzutreffend, da nur definitive, nicht aber provisorische Verlustscheine kenntnisauslösend seien. Da bei Pfändungen die Vermögenswerte, die für eine Firma zur Weiterführung ihrer Geschäftstätigkeit notwendig seien, nicht eingefordert bzw. verwertet werden dürften, könne es durchaus sein, dass im Konkursverfahren noch grössere Vermögenswerte zur Deckung der Schulden beigezogen werden könnten. Die Ausgleichskasse könne daher auch bei einem vor dem Konkurs durchgeführten Pfändungsverfahren erst mit Auflage des Kollokationsplans konkret abschätzen, in welchem Umfang ihre Forderungen allenfalls noch beglichen werden könnten. Ein Kollokationsplan liege zwar noch nicht vor, gemäss Auskunft des Konkursamtes vom 17. Juli 2014 stehe indessen fest, dass keine Dividende ausbezahlt werde. Seitens der Ausgleichskasse bestehe mithin ab diesem Zeitpunkt ausreichende Schadenskenntnis, womit die Verjährungsfristen gemäss Art. 52 Abs. 3 AHVG mit der Schadenersatzverfügung vom 1. September 2014 ohne weiteres gewahrt worden seien. Schliesslich würden die einzelnen Schadenspositionen vom Einsprecher nicht bestritten. Er könne auch aus dem Umstand nichts ableiten, dass die Arbeitgeberin ab Juli 2011 keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt und keine Löhne mehr ausgerichtet habe, beziehe sich die Schadenersatzverfügung doch lediglich auf Beiträge bis Juni 2011 (act. G 3.2/42).

B.

    1. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 23. März 2015 mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheids. Zur Begründung werden im Wesentlichen die Ausführungen in der Einsprache betreffend Verjährung wiederholt. Die einzelnen Schadenspositionen werden sodann mit Nichtwissen bestritten (act. G 1).

    2. Mit Beschwerdeantwort vom 12. Mai 2015 beantragt die Verwaltung Abweisung der Beschwerde. Auch die Beschwerdegegnerin wiederholt zur Begründung im Wesentlichen die Ausführungen im Einspracheentscheid. Der Beschwerdeführer habe sodann in der Anmeldung vom 11. Mai 2009 eine Lohnsumme 2009 von Fr. 316‘000.-- deklariert. Auf dieser Basis seien die monatlichen Pauschalrechnungen ausgestellt worden. Am 26. Januar 2010 sei die neue Jahreslohnsumme 2010 auf Fr. 450‘000.--

erhöht worden. Ab Februar 2010 seien die Beitragsrechnungen auf dieser Basis in Rechnung gestellt worden. Für das Jahr 2011 sei die Jahreslohnsumme auf Fr. 380‘000.-- reduziert worden. Ab Februar 2011 seien die Pauschalrechnungen dieser Lohnsumme angepasst worden (act. G 3). Ein weiterer Schriftenwechsel fand nicht statt.

Erwägungen

1.

Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen (Art. 52 Abs. 1 AHVG). Nach ständiger Rechtsprechung gilt diese Haftung entgegen dem (früheren) Wortlaut des Gesetzes nicht nur für die Arbeitgeber, sondern auch für die Organe von Arbeitgebern (BGE 129 V 11, 126 V 237, 123 V 12 E. 5b S. 15, je mit Hinweisen; seit 1. Januar 2012 ausdrücklich geregelt in Art. 52 Abs. 2 AHVG). Die Arbeitgeber sind verpflichtet, von dem von ihnen ausgerichteten Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit die Arbeitnehmerbeiträge in Abzug zu bringen, mit der Ausgleichskasse abzurechnen sowie die erforderlichen Angaben zu machen, und die Beiträge zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch der Ausgleichskasse zu entrichten (Art. 14 Abs. 1 und Art. 51 AHVG, Art. 34 und 36 AHVV). Die Missachtung dieser Pflichten verletzt Vorschriften der Versicherung im Sinne von Art. 52 AHVG. Art. 52 Abs. 1 AHVG sieht eine Verschuldenshaftung nach öffentlichem Recht vor. Damit eine Schadenersatzpflicht entstehen kann, müssen alle Haftungsvoraussetzungen gegeben sein, d.h. es muss ein Schaden eingetreten sein, der auf ein widerrechtliches und schuldhaftes Verhalten des verantwortlichen Organs zurückzuführen ist. Zudem muss zwischen dem Verhalten der belangten Person und dem eingetretenen Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang gegeben sein. Diese Haftungsordnung gilt auch für die Beitragsforderungen der Familienausgleichskasse (Art. 47 des Kinderzulagengesetzes [KZG SG; sGS 371.1] in Verbindung mit Art. 25 lit. c des Bundesgesetzes über die Familienzulagen [SR 836.2]). Die Schadenersatzforderung verjährt zwei Jahre nachdem die zuständige Ausgleichskasse vom Schaden Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Eintritt des Schadens (Art. 52 Abs. 3 AHVG).

2.

    1. Vorliegend bestreitet der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Rechtzeitigkeit der Schadenersatzverfügung. So seien sämtliche Sozialversicherungsbeiträge, die älter als fünf Jahre seien und damit den Zeitraum vor September 2009 beträfen, absolut verjährt, da diese bei Erlass der Schadenersatzverfügung (1. September 2014) mehr als fünf Jahre zurücklägen. Entgegen dieser Ansicht gilt es die fünfjährige Verjährungsfrist, die gemäss Art. 52 Abs. 3 AHVG an die Entstehung des Schadens anknüpft, von den ebenfalls fünfjährigen Verjährungsfristen (bzw. Verwirkungsfristen) nach Art. 16 Abs. 1

      und 2 AHVG - nach welcher Beiträge nach Ablauf der Frist nicht mehr eingefordert bezahlt werden können bzw. verfügte Beitragsforderungen erlöschen - zu unterscheiden. Vorliegend wurden die Beiträge jeweils nach erfolgloser Mahnung und Betreibung zur Fristwahrung verfügungsweise festgesetzt (vgl. Rz 5021 der Wegleitung über den Bezug der Beiträge in der AHV, IV und EO [WBB]). Dies geschah für die Beiträge 2009 (Posten 2009/0001 bis 2009/0008 sowie 2010/0002 [Jahresabrechnung 2009]) im Zeitraum von 2. November 2009 bis 20. August 2010 (act. G 3.3/15, 18, 20,

      27, 45, 46, 54, 74 und 114). Die unbezahlt gebliebenen Beiträge 2010 (Posten 2010/0001, 2010/0004 bis 2010/0005, 2010/0007 bis 2010/0012, 2010/0016) wurden

      im Zeitraum zwischen dem 20. August 2010 und dem 30. September 2011 mit

      Verfügung geltend gemacht (act. G 3.3/113, 116, 139, 157, 194, 195, 203 - 205, 241 und 276). Die unbezahlt gebliebenen und als Schaden geltend gemachten Beiträge 2011 (Posten 2011/0001, 2011/0004 bis 2011/0008) wurden im Zeitraum vom 30. September 2011 bis zum 4. Januar 2012 mit Verfügung geltend gemacht (act. G 3.3/278, 295, 303, 307, 309 und 325). Somit sind für sämtliche Beiträge weder die Veranlagungsverwirkung nach Art. 16 Abs. 1 AHVG noch die Vollstreckungsverwirkung nach Abs. 2 derselben Bestimmung eingetreten. Die absolute Verjährungsfrist nach Art. 52 Abs. 3 AHVG knüpft demgegenüber an den Eintritt des Schadens an. Dieser gilt rechtsprechungsgemäss als eingetreten, sobald anzunehmen ist, dass die geschuldeten Beiträge aus rechtlichen tatsächlichen Gründen nicht mehr eingefordert werden können, sei es durch Eintritt der Beitragsverwirkung, sei es durch Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin (Ueli Kieser, Rechtsprechung des Bundesgerichts zur AHV, 3. Aufl., Art. 52 Rz 14; BGE 126 V 443 E. 3a). Dass die Beitragsverwirkung vorliegend nicht eingetreten ist, wurde vorstehend bereits ausgeführt. Indessen wurde am 3. Juli 2012 der Konkurs über die B. AG eröffnet

      und am 31. August 2012 mangels Aktiven wieder eingestellt. Die Einstellung mangels Aktiven wurde sodann mit Verfügung des Kreisgerichts C. vom 3. Oktober 2012 wieder aufgehoben (Online-Handelsregisterauszug, abgerufen am 13. Mai 2016). Gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die Beiträge ab Konkurseröffnung nicht mehr im ordentlichen Verfahren nach Art. 14 ff. AHVG erhoben werden können und der Schaden damit eingetreten ist (BGE 141 V 487 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen; anders allerdings etwa BGE 126 V 443 E. 3c, wonach für den Schadenseintritt auf den Zeitpunkt der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven abgestellt wurde; die Überlegung, dass der Schaden erst dann als eingetreten gelten soll, wenn sicher ist, dass die Ausgleichskasse aus dem Konkursverfahren keine [genügende] Befriedigung erhält, ergibt sich auch aus Urteil 9C_123/2008 E. 4, wonach eine allfällige Konkursdividende an die offenen Beiträge der Arbeitgeberin angerechnet wird [und in diesem Umfang gar kein Schaden entstehen kann] und nicht etwa an die Schadenersatzforderung gegenüber dem Organ). So anders - und selbst ohne anschliessende Durchführung eines summarischen Konkursverfahrens - würde vorliegend die absolute Verjährung frühestens am 3. Juli 2017 eintreten. Nachdem selbst diese Frist bis heute nicht abgelaufen ist, kann offen bleiben, ob sie allenfalls durch Annahme eines späteren Schadenseintritts erst zu einem späteren Zeitpunkt zu laufen begonnen hat durch allfällige Unterbrechungen verlängert worden ist. Die absolute Verjährung der Schadenersatzforderung ist jedenfalls noch nicht eingetreten.

    2. Der Beschwerdeführer macht im Weiteren geltend, die Beschwerdegegnerin habe bereits zu einem früheren Zeitpunkt genügende Kenntnis des Schadens gehabt, weshalb die zweijährige relative Verjährungsfrist abgelaufen sei. Auf Grund des Umstandes, dass die B. AG seit Januar 2009 nie Sozialversicherungsbeiträge bezahlt habe und die Beschwerdegegnerin regelmässig Betreibungen angehoben und jedes Mal Pfändungsverlustscheine erhalten habe, sei erstellt, dass die Beschwerdegegnerin spätestens mit der Konkurseröffnung am 28. August 2012 (richtig: 3. Juli 2012 [Publikation im SHAB am 10. Juli 2012]) und der Einstellung mangels Aktiven am 31. August 2012 sicher gewesen sei, dass die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge nicht gedeckt seien und der Schaden in vollem Umfang eingetreten sei. Die Einstellung mangels Aktiven führe unweigerlich zur Erkenntnis, dass die B. AG über kein Vermögen verfüge und die Beschwerdegegnerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Verlust kommen würde. Die

Beschwerdegegnerin habe am 31. August 2012 sichere Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der B. AG gehabt. Dies umso mehr, als im Rahmen der Betreibungen jeweils überschiessende Betriebsergebnisse gepfändet worden seien und nie auch nur ein geringer Teil der bestehenden Schulden habe abgetragen werden können. Die zweijährige Frist sei damit bei Erlass der Schadenersatzverfügung am 1. September 2014 bereits abgelaufen gewesen. Dem ist jedoch mit der Beschwerdegegnerin entgegen zu halten, dass die zunächst verfügte Einstellung des Konkurses mangels Aktiven per 31. August 2012 mit Verfügung des Kreisgerichts C. vom 3. Oktober 2012 (Publikation im SHAB am 9. Oktober 2012) wieder aufgehoben wurde und das Konkursamt D. das Konkursverfahren am 10. Oktober 2012 (wieder) eröffnet und den Gläubigern eine Frist für die Forderungseingabe bis am 16. November 2012 eingeräumt hatte (act. G 3.3/385). Bei Durchführung des Konkursverfahrens besteht in der Regel mit der Auflage von Kollokationsplan und Inventar ausreichende Schadenskenntnis (z.B. Urteil 9C_325/2010 des Bundesgerichts vom 10. Dezember 2010, E. 2.1.2). Dass ein solcher Kollokationsplan bis zum Erlass des Einspracheentscheids vom 19. Februar 2015 ergangen wäre, ist aus den Akten nicht ersichtlich (vgl. act. G 3.2/5.1). Indessen ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin am 17. Juli 2014 vom Konkursamt D. informiert wurde, dass keine Dividende ausbezahlt werde (Telefonnotiz selben Datums [act. G 3.2/7]). Dass die Beschwerdegegnerin bereits zu einem (noch) früheren Zeitpunkt Kenntnis des Schadens hatte hätte haben können, ist indessen nicht ersichtlich. Zwar erhielt sie bereits in den Jahren 2010 und 2011 mehrere provisorische Pfändungsverlustscheine (act. G 3.3/64, 118, 179 und 240). Diese haben indessen keine fristaus¬lösende Wirkung (Urteil 9C_48/2010 E. 2.2, mit Hinweis auf ZAK 1991 S. 125, H 116/85, E. 2a). Im Weiteren kann auch nicht aus der Tatsache, dass die B. AG Zeit ihres Bestehens Mühe bekundete mit der Beitragszahlungspflicht, auf eine genügende Schadenskenntnis geschlossen werden, stellt doch eine schlechte Compliance für Aussenstehende keinen sicheren Gradmesser für die Fähigkeit eben Unfähigkeit einer Arbeitgeberin dar, ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Dazu kommt, dass die B. bis im Juni 2012 noch (Teil-)Zahlungen leistete, d.h. beinahe bis zur Konkurseröffnung (vgl. Beitragsübersicht, act. G 3.1/4). Mithin ist festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin frühestens ab dem 17. Juli 2014 genügende Kenntnis davon hatte, dass die gesamte Beitragsforderung (inkl. Nebenkosten) ungedeckt

bleiben und damit ein entsprechender Schaden entstehen würde. Indem sie den Schaden mit Verfügung vom 1. September 2014 beim Beschwerdeführer geltend machte, hat sie die zweijährige relative Verjährungsfrist ohne weiteres eingehalten.

3.

    1. Die gerichtliche Überprüfung ergibt, dass auch die weiteren Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schadenersatz gegenüber dem Beschwerdeführer erfüllt sind, wenn auch die Beschwerdegegnerin in ihrer Verfügung vom 1. September 2014 und im angefochtenen Einspracheentscheid vom 19. Februar 2015 nur rudimentäre Ausführungen dazu gemacht hat. So bestreitet der Beschwerdeführer zu Recht nicht, dass er als einziger Verwaltungsrat der konkursiten B. AG für die Beitragsablieferungspflicht der Arbeitgeberin verantwortlich war und damit als Organ gemäss Art. 52 Abs. 2 AHVG in Anspruch genommen werden kann (vgl. Art. 716a Abs. 1 OR).

    2. Der Schaden wird vom Beschwerdeführer mit Nichtwissen bestritten. Indessen ergibt sich die Schadensumme aus den eingereichten Unterlagen: Für das Jahr 2009 wurde jeweils eine monatliche Pauschale von Fr. 3‘732.75, insgesamt somit Fr. 44‘792.90 in Rechnung gestellt (Kontoauszug vom 30. April 2015, Posten 2009/0001 bis 2009/0008 [act. G 3.1/5]). Aus der Jahresabrechnung 2009 vom 4. Februar 2010 resultierten zunächst auszugleichende Beiträge in Höhe von Fr. 4‘803.70 (Posten 2010/0002), woran am 21. Oktober 2010 eine Gutschrift in Höhe von Fr. 3‘172.95 angerechnet werden konnte (Posten 2010/0013). Die Sozialversicherungsbeiträge für 2009 belaufen sich somit auf Fr. 46‘423.65 (Fr. 44‘792.90 + Fr. 4‘803.70 - Fr. 3‘172.95 [vgl. auch Beitragsübersicht vom 30. April 2015; act. G 3.1/4]). Für 2010 wurden insgesamt Fr. 61‘903.50 pauschal in Rechnung gestellt (Januar 2010: Fr. 3‘732.75 [Posten 2010/0001]; ab Februar 2010: monatlich Fr. 5‘288.25 [Posten 2010/0001, 2010/0003 - 0012, 2010/0015 - 0016]). Aus der Jahresabrechnung 2010 resultierte sodann eine weitere Gutschrift in Höhe von Fr. 1‘567.65 (Posten 2011/0002). Die Sozialversicherungsbeiträge 2010 belaufen sich somit auf Fr. 60‘335.85. Für 2011 schliesslich wurde zunächst eine Monatspauschale von Fr. 5‘430.10 veranschlagt (Januar 2011 [Posten 2011/0001]). Ab Februar 2011 wurden die Pauschalen auf Fr. 4‘585.45 reduziert (Posten 2011/0004 - 0012), sodass bis Oktober 2011 insgesamt Fr.

      46‘699.15 in Rechnung gestellt wurden. Aus der Jahresabrechnung für 2011 betreffend ausbezahlte Löhne Januar bis Juli 2011 über Fr. 151'031.60 (act. G 3.3/280, 288) resultierte sodann eine Gutschrift von Fr. 20‘297.40 (Posten 2011/0013), sodass sich die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge 2011 auf Fr. 26‘401.75 belaufen. Insgesamt belaufen sich die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge damit auf Fr. 133‘161.25 (Fr. 46‘423.65 + Fr. 60‘335.85 + Fr. 26‘401.75 [vgl. auch Beitragsübersicht vom 30. April 2015; act. G 3.1/4]). Hinzu kommen Mahngebühren in Höhe von insgesamt Fr. 720.--, Verzugszinsen in Höhe von insgesamt Fr. 12‘494.50, eine Ordnungsbusse von Fr. 50.--, zusätzliche Erhebungsgebühren von Fr. 1‘400.-- sowie Betreibungskosten von Fr. 4‘509.65, total somit Fr. 152‘335.40. Davon werden zwei CO2-Rückvergütungen in Höhe von insgesamt Fr. 423.70 sowie die geleisteten Zahlungen von insgesamt Fr. 52‘855.90 in Abzug gebracht. Damit bleibt ein Betrag von Fr. 99‘055.80 ungedeckt, der den Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2011 (ohne Februar und November 2010) umfasst (vgl. Beitragsübersicht, Kontoauszug vom 30. April 2015 und Berechnungsblätter [act. G 3.1/4 und 5, 3.2/9ff.]). Die Beschwerdegegnerin verzichtete sodann auf die Erhebung von nach dem Oktober 2011 bzw. nach der Jahresabrechnung 2011 vom 3. November 2011 entstandenen Mahn- und Betreibungskosten sowie Verzugszinsen in Höhe von Fr. 76.95 (Posten 2011/0014), sodass die verfügte Schadensumme von Fr. 98‘978.85 resultiert. Dieser Schaden ist aufgrund der Akten begründet; auch die Aufteilung in die bundesrechtliche Forderung von Fr. 86'429.95 und in die kantonalrechtliche Forderung von Fr. 12'548.90 erscheint ausgewiesen (vgl. Berechnungsblätter in act. G 3.2/9ff.). Im Übrigen reichte der Rechtsvertreter die in der Beschwerde vom 23. März 2015 angekündigte umfassende Stellungnahme (zum Schaden) nicht ein.

    3. Weitere Haftungsvoraussetzung für die Schadenersatzforderung ist die Widerrechtlichkeit. Vorliegend kam die Gesellschaft der Beitragsablieferungspflicht nach Art. 14 Abs. 1 und Art. 51 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV nicht vollumfänglich nach, was zum Schaden der Beschwerdegegnerin geführt hat. Die Gesellschaft, bzw. deren Organ, haben damit die Beitragszahlungspflicht betreffend die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Ausstände missachtet, womit die Widerrechtlichkeit als Haftungsvoraussetzung gegeben ist. Ein Rechtfertigungsgrund ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht

      vorgebracht.

    4. Die Haftung nach Art. 52 AHVG ist keine Kausalhaftung, sondern setzt nach dem klaren Wortlaut und Sinn des Gesetzes ein zumindest grobfahrlässiges Verhalten voraus (BGE 136 V 268 E. 3 S. 274). Der Begriff der Grobfahrlässigkeit im Sinne von Art. 52 AHVG ist gleich zu verstehen wie im übrigen Haftpflicht- und Versicherungsrecht, so dass grobfahrlässig handelt, wer eine elementare Vorsichtsmassnahme missachtet bzw. das ausser Acht lässt, was jedem verständigen Menschen in gleicher Lage und unter gleichen Umständen als beachtlich hätte einleuchten müssen (Urteil 9C_330/2010 vom 18. Januar 2011 E. 3.2 mit Hinweisen). Vorausgesetzt ist des Weiteren, dass die Möglichkeit zu einem rechtmässigen Alternativverhalten bestand, was zutrifft, wenn ein pflichtgemäss handelndes Organ den Schaden hätte verhindern können. Der Beschwerdeführer hat als zuständiger Verwaltungsrat zugelassen, dass die B. AG seit ihrem Anschluss an die Beschwerdegegnerin per Januar 2009 bis zum Juni 2011, also während zweieinhalb Jahren, Löhne in beträchtlicher Höhe (vgl. Jahresabrechnungen 2009 - 2011 [act. G 3.3/42, 190 und 280]) ausgerichtet hat, ohne die darauf anfallenden Sozialversicherungsbeiträge pflichtgemäss abzuführen. Die Beschwerdegegnerin musste von Anfang an jede Monatspauschale mahnen und betreiben. Soweit die Gesellschaft (bzw. das Betreibungsamt) überhaupt Zahlungen geleistet hatte, geschah dies jeweils um Monate gar Jahre verspätet. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, und es ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass es dafür einen nachvollziehbaren Grund gibt. Bei einer derart lang anhaltenden Phase, während der eine Gesellschaft ihrer Beitragsablieferungspflicht nicht ordnungsgemäss nachkommt, kann ohnehin nicht mehr von einem entschuldbaren Grund ausgegangen werden. Die Rechtsprechung anerkennt es als entschuldbar, wenn eine Gesellschaft während maximal eines Jahres die Beiträge aussetzt, vorausgesetzt, die verantwortlichen Organe konnten bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgehen, die vorübergehende Nichtablieferung der Beiträge führe zu einer baldigen Sanierung der Gesellschaft und damit zur Aussicht, die Forderungen der Ausgleichskasse innert nützlicher Frist begleichen zu können (Urteil des Bundesgerichts 9C_111/2007 vom 17. September 2007 E. 3.1). Zudem muss ein auch in zeitlicher Hinsicht konkretes Sanierungskonzept vorliegen (Urteil H 34/02 vom 4. März 2004 E. 5.2). Nicht entschuldbar ist die Beitragsrückbehaltung, wenn eine Sanierung nicht ernsthaft erwartet werden kann (Urteil 9C_117/2011 vom 29. März 2011 E. 4 mit Hinweis auf

      Urteil 9C_330/2010 vom 18. Januar 2011 E. 3.4 und Urteil H 28/84 vom 21. August 1985 E. 3). Indem der Beschwerdeführer trotz offenbar schlechter Finanzlage der Gesellschaft während zweieinhalb Jahren Löhne auszahlte, ohne die darauf anfallenden Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäss abzuliefern und ohne erkennbares Konzept, wie die Situation der Gesellschaft verbessert werden könnte, mithin ohne Aussicht, die ausstehenden Beiträge innert nützlicher Frist begleichen zu können, ist ihm zumindest ein grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.

    5. Schliesslich muss zwischen der schuldhaften Verletzung von Vorschriften und dem Eintritt des Schadens ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen. Ein Ergebnis hat dann als adäquate Ursache eines Schadens zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach allgemeiner Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg in der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt des Erfolgs durch das Ereignis also allgemein als begünstigt erscheint (AHI 1994 S. 204 mit Hinweisen). Vorliegend ist ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen den Unterlassungen des Beschwerdeführers und dem eingetretenen Schaden gegeben. Hätte der Beschwerdeführer dafür gesorgt, dass die B. AG ihrer Beitragsablieferungspflicht nachkommt bzw. nur so viele Löhne ausbezahlt, als darauf Beiträge entrichtet werden können, wäre kein Schaden in dieser Höhe entstanden.

4.

Zusammenfassend sind die Voraussetzungen für die Leistung von Schadenersatz erfüllt. Exkulpations- Rechtfertigungsgründe liegen keine vor. Die Beschwerdegegnerin hat demnach den Beschwerdeführer zu Recht verpflichtet, Schadenersatz für entgangene Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von Fr. 98‘978.85 (inkl. Nebenkosten) zu bezahlen. Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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