Kanton: | SG |
Fallnummer: | AHV 2012/9 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AHV - Alters- und Hinterlassenenversicherung |
Datum: | 08.10.2013 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 29quinquies Abs. 3 Ingress und lit. c AHVG. Art. 50b Abs. 1 und 3 AHVV. Splitting (Einkommensteilung im Scheidungsfall). Die Ausgleichskasse setzte das Ende der Splittingperiode auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils fest. Der Beschwerdeführer argumentiert demgegenüber, es könne für die Splittingperiode nicht auf die zufällige, und von der Überlastung der Gerichte abhängige Dauer des Scheidungsverfahrens ankommen. Letzteres habe in seinem Fall unverhältnismässig lange gedauert. Dies verletze die Verfahrensgarantien von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK auf eine gerichtliche Beurteilung innert angemessener Frist. Zudem trete mit der Trennung gemäss Art. 118 Abs. 1 ZGB von Gesetzes wegen Gütertrennung ein, weshalb die nach der Trennung erwirtschafteten AHV-Beiträge nicht mehr gesplittet werden dürften. Vielmehr sei für das Splittingende auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Trennung der Ehe, spätestens aber auf den Zeitpunkt der Einreichung des gemeinsamen Scheidungsbegehrens abzustellen. Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen. So löst die gerichtliche Trennung die Ehe nicht auf; die Getrennten bleiben rechtsgültig verheiratet und es findet namentlich kein Vorsorgeausgleich statt (E. 2.1). Ebenso wenig wird die Ehe durch das gemeinsame Scheidungsbegehren aufgelöst, weshalb auch nicht auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist. Die Scheidung wird (erst) mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils vollstreckbar und damit die Ehe im Sinn von Art. 29quinquiesAbs. 3 lit. c und Art. 50b Abs. 3 AHVV aufgelöst (E. 2.2 mit Hinweis auf BGE 135 V 361 E. 5.1). Die behauptete überlange Dauer des Scheidungsverfahrens hätte mittels Rechtsverweigerungsbeschwerde angegangen werden müssen und kann nicht im Splittingverfahren korrigiert werden (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 8. Oktober 2013, AHV 2012/9). |
Zusammenfassung: | Die Ehe von A. und seiner Ex-Ehefrau B. wurde geschieden, und die Ostschweizerische Ausgleichskasse für Handel und Industrie führte die Einkommensteilung durch. A. war mit der Dauer des Splittings nicht einverstanden und forderte, dass das Ende des Splittings auf den Zeitpunkt des gemeinsamen Scheidungsbegehrens im Dezember 2009 festgelegt wird. Die Ausgleichskasse beharrte jedoch auf ihrer Berechnung bis zum Rechtskraftdatum der Scheidung im März 2012. Der Beschwerdeführer argumentierte, dass die lange Dauer des Scheidungsverfahrens zu Nachteilen führe, aber das Gericht wies die Einsprache ab. Die Beschwerdegegnerin verlangte, dass die Splittingperiode gemäss dem rechtskräftigen Scheidungsdatum festgelegt werde. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und es wurden keine Gerichtskosten erhoben. |
Schlagwörter: | Scheidung; Splitting; Verfahren; Zeitpunkt; Splittingperiode; Kanton; Rechtskraft; Ehegatten; Kantonsgericht; Ausgleichskasse; Einsprache; Gericht; Scheidungsurteil; Einkommen; Quot; Verfahrens; Scheidungsurteils; Begründung; Trennung; Gallen; Scheidungsverfahren; Gesetzes; Gütertrennung; Scheidungsbegehren; Eintritt; Erwägung; Scheidungsverfahrens; Splittingdauer; Wesentlichen |
Rechtsnorm: | Art. 118 ZGB ; Art. 123 ZGB ; Art. 159 ZGB ; Art. 19 Or; Art. 29 BV ; Art. 6 EMRK ; |
Referenz BGE: | 135 V 361; |
Kommentar: | - |
hat
am 8. Oktober 2013 in Sachen
,
Beschwerdeführer,
gegen
Ostschweizerische Ausgleichskasse für Handel und Industrie, Lindenstrasse 137, Postfach 345, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
betreffend
Splitting (Einkommensteilung im Scheidungsfall)
in Erwägung gezogen:
Sachverhalt
A.
Die Ehe von A. und seiner Ex-Ehefrau B. wurde geschieden. Die Rechtskraft des Scheidungsurteils des Kantonsgerichts St. Gallen trat am 30. März 2012 ein (act. G 3.1/5). In der Folge nahm die Ostschweizerische Ausgleichskasse für Handel und Industrie (nachfolgend: Ausgleichskasse) antragsgemäss die Einkommensteilung für den Scheidungsfall vor (nicht bei den Akten). Mit Schreiben vom 18. Juli 2012 teilte A. der Ausgleichskasse mit, er sei mit der Dauer des Splittings nicht einverstanden. Als Splittingende solle nicht auf den Zeitpunkt des
Eintritts der Rechtskraft der Ehescheidung abgestellt werden, sondern auf den Zeitpunkt der Eingabe des gemeinsamen Scheidungsbegehrens am 1. Dezember 2009. Als Begründung führte er auf, die Dauer des Scheidungsverfahrens sei ungebührlich lange ausgefallen. Es könne nicht sein, dass ihm deswegen erhebliche Nachteile erwüchsen (act. G 3.1/1).
Mit Verfügung vom 20. August 2012 beharrte die Ausgleichskasse auf ihrer Berechnungsweise, die von einer Ehedauer vom 24. August 1990 bis zum 30. März 2012 und damit von einer Splittingdauer vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 2011 ausging (act. G 3.1/2).
Mit Einsprache vom 9. September 2009 machte der Versicherte wiederum im Wesentlichen geltend, das Scheidungsverfahren habe zu lange gedauert. So sei die Ehe vom Kreisgericht Altstätten am 30. November 2007 gerichtlich getrennt worden. Somit habe ab diesem Zeitpunkt keine Ehe im Sinn von Art. 159 ff. ZGB mehr bestanden. Zudem trete gemäss Art. 118 Abs. 1 ZGB von Gesetzes wegen Gütertrennung ein, weshalb die nach dem genannten Datum erwirtschafteten AHV- Beiträge nicht mehr gesplittet werden dürften. Nachdem die Scheidung von beiden Ehegatten beantragt worden sei, hätte das Gericht die Scheidung aussprechen müssen, was es aber nicht getan habe. Vielmehr habe es auf eine von beiden Ehegatten unterzeichnete Scheidungskonvention gewartet. Bislang liege nur eine Teilkonvention vor (wohl den Scheidungspunkt betreffend). Diese hätte aber bereits nach dem gemeinsamen Scheidungsbegehren ausgesprochen werden müssen. Die Scheidung "im Ganzen" (wohl die Nebenfolgen betreffend) sei immer noch nicht abgeschlossen. Das erstinstanzliche Verfahren habe über zwei Jahre beansprucht und habe damit überlang gedauert. Dies verletze die Garantien von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK auf eine gerichtliche Beurteilung innert angemessener Frist. Sinngemäss sei damit das Abstellen auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung als willkürlich zu betrachten. Es sei - wiederum sinngemäss - nicht einsichtig, weshalb es für die Splittingdauer auf die von der Arbeitslast der Gerichte abhängige und damit zufällige Dauer des Scheidungsverfahrens ankommen solle (act. G 3.1/3).
Mit Entscheid vom 19. Oktober 2012 wies die Ausgleichskasse die Einsprache
wiederum mit der Begründung ab, massgebend für die Splittingdauer sei die
gemeinsame Versicherungsdauer eines Ehepaars, die sich aus dem Heiratsdatum und dem Datum des rechtskräftigen Scheidungsurteils ergebe. Dies gelte auch dann, wenn der Scheidungsprozess länger als üblich dauere und zwischen der gerichtlichen Trennung und dem rechtskräftigen Scheidungsurteil mehrere Jahre lägen (act. G 3.1/4).
B.
Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom
5. November 2012 mit dem Antrag, die Splittingperiode sei entsprechend der gerichtlich angeordneten Gütertrennung per 30. November 2007 anzupassen. Zur Begründung werden im Wesentlichen die Ausführungen in der Einsprache wiederholt. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die von der Verwaltung veranschlagte längere Splittingperiode offensichtlich unbillig im Sinn von Art. 123 Abs. 2 ZGB sei (act. G 1).
Mit Beschwerdeantwort vom 27. November 2012 beantragt die Verwaltung Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung verweist sie auf den Einspracheentscheid und ergänzt, dass gemäss Art. 50b Abs. 1 und 3 AHVV das rechtskräftige Scheidungsdatum als Ende der Splittingperiode festzulegen sei (act. G 3).
Mit Replik vom 28. Dezember 2012 weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass das Verfahren um die Scheidungsfolgen noch beim Kantonsgericht St. Gallen anhängig sei, weshalb dessen Entscheid noch abzuwarten sei (act. G 5). Die Beschwerdegegnerin verzichtet auf eine Duplik (act. G 7).
Erwägungen
1.
Gemäss Art. 29quinquies Abs. 3 Ingress und lit. c des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) werden bei Auflösung der Ehe durch Scheidung Einkommen, welche die Ehegatten während der Kalenderjahre der gemeinsamen Ehe erzielt haben, geteilt und je zur Hälfte den beiden Ehegatten angerechnet. Gemäss Abs. 4 lit. a derselben Bestimmung unterliegen der Teilung und gegenseitigen Anrechnung nur Einkommen aus der Zeit zwischen dem 1. Januar nach
Vollendung des 20. Altersjahres und dem 31. Dezember vor Eintritt des Versicherungsfalles beim Ehegatten, welcher zuerst rentenberechtigt wird. Diese Bestimmung ist nicht anwendbar für das Kalenderjahr, in dem die Ehe geschlossen aufgelöst wird (Abs. 5). Gemäss Art. 50b Abs. 1 und 3 der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV; 831.101) werden die Einkommen von Ehepaaren in jedem Kalenderjahr, in dem beide Ehegatten in der AHV versichert gewesen sind, hälftig geteilt. Die Einkommen im Jahr der Eheschliessung und im Jahr der Auflösung der Ehe werden nicht geteilt.
2.
Zunächst ist zur Frage Stellung zu nehmen, ob das Ende der Splittingperiode auf das Datum der gerichtlichen Trennung, den 30. November 2007, festzulegen ist, wie dies der Beschwerdeführer ab Einreichung der Einsprache geltend macht. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Trennung keine Ehe im Sinn von Art. 159 ff. ZGB mehr bestanden habe und von Gesetzes wegen Gütertrennung (Art. 118 ZGB) eingetreten sei. Diese Auffassung trifft indessen nicht zu. Wie sich aus dem (die Beitragspflicht einer getrennt lebenden, nicht erwerbstätigen Versicherten betreffenden) Urteil des Bundesgerichts vom 17. Juli 2009 (BGE 135 V 361) ergibt, löst die gerichtliche Trennung die Ehe nicht auf; die Getrennten bleiben rechtsgültig verheiratet. Abgesehen von der von Gesetzes wegen eintretenden Gütertrennung (Art. 118 Abs. 1 ZGB) sowie einigen weiteren, hier nicht interessierenden Folgen, bleiben die allgemeinen zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe - namentlich die finanzielle Beistands- und Unterhaltspflicht, aber auch der Personenstand der Eheleute und das gegenseitige Erbrecht - weiterhin bestehen. Aus dem gleichen Grund findet auch kein Vorsorgeausgleich im Sinn von Art. 122 - 124 ZGB statt. Hätte der Sozialversicherungsgesetzgeber im hier interessierenden Bereich vom zivilrechtlichen Verständnis, wonach die Ehetrennung für die Ehegatten nicht nur erb-, sondern auch sozialversicherungsrechtlich grundsätzlich ohne Folgen bleibt, abweichen wollen, hätte er dies auf Gesetzes- Verordnungsstufe ausdrücklich geregelt, wie dies auch in anderen Bereichen der AHV/IV-Gesetzgebung der Fall ist, wenn an die Tatsache der gerichtlichen Ehetrennung respektive die richterliche Auflösung des gemeinsamen Haushalts bestimmte, gegenüber ungetrennten Ehen abweichende Rechtsfolgen geknüpft werden sollen (E. 5.3.3 ff.). Nachdem somit die Ehe während der Zeit der
gerichtlichen Trennung noch nicht aufgelöst war, kann vorliegend das Ende der
Splittingperiode nicht auf den 30. November 2007 festgelegt werden.
Im Weiteren ist zu prüfen, ob das Ende der Splittingperiode wenigstens auf den
1. Dezember 2009 vorverschoben werden kann, wie dies der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 18. Juli 2012 an die Beschwerdegegnerin geltend machte. Der Beschwerdeführer begründete dies damit, dass zu diesem Zeitpunkt das gemeinsame Scheidungsbegehren eingereicht worden sei und es nicht sachgerecht sei, das Splitting bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils (30. März 2012) weiterzuführen. Daraus erwachse ihm ein nicht gerechtfertigter Nachteil (act. G 3.1/1). Dieser Auffassung ist ebenfalls nicht zu folgen. Die Scheidung wird (erst) mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils vollstreckbar und damit die Ehe im Sinn von Art. 29quinquies Abs. 3 lit. c und Art. 50b Abs. 3 AHVV aufgelöst (vgl. BGE 135 V 361 E. 5.1). Dies war gemäss Informationsschreiben des Kantonsgerichts St. Gallen vom 11. Mai 2012 am 30. März 2012 der Fall (act. G 3.1/5). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend und es ergibt sich nicht aus den Akten, dass er während des laufenden kreisgerichtlichen Scheidungsverfahrens eine Rechtsverweigerungsbeschwerde an das Kantonsgericht (Art. 319 lit. c ZPO) erhoben hätte, um sich gegen die behauptete Verletzung der Verfahrensgarantien von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK zur Wehr zu setzen. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang seine Ausführung in der Replik vom 28. Dezember 2012, wonach er "diverse Einsprachen [an das Kantonsgericht] weitergezogen" habe, "unter anderem das überlange Verfahren beim Gericht, weshalb erst nach Jahren die Scheidung ausgesprochen wurde" (act. G 5). Jedenfalls ist auf Grund dieser Formulierung davon auszugehen, dass die nach Meinung des Beschwerdeführers überlange Verfahrensdauer - wenn überhaupt - erst nach Vorliegen des kreisgerichtlichen Urteils beim Kantonsgericht moniert wurde. Eine nachträgliche Beschleunigung des Verfahrens, und damit ein früherer Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils, ist nicht mehr möglich. Es hat damit bei dem vom Kantonsgericht bescheinigten Rechtskraftdatum sein Bewenden. Damit bleibt es auch bei der Splittingperiode vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 2011. Ob der Beschwerdeführer auf Grund des behaupteten Schadens allenfalls einen Schadenersatzanspruch gegen den Kanton geltend machen kann (Art. 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes [sGS 161.1]), ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (was aber mangels Widerrechtlichkeit jedenfalls dann zu verneinen wäre,
wenn es für die Verfahrensdauer plausible Gründe gibt). Selbst wenn man aber von einer (durch das zuständige Gericht festgestellten) Verletzung der Verfahrensgarantien von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK ausgehen wollte, könnte dies nicht automatisch dazu führen, dass das Ende der Splittingperiode auf den Zeitpunkt der Einreichung der Scheidungsklage bzw. des gemeinsamen Scheidungsbegehrens per Ende 2009 Anfang 2010 festzusetzen wäre. Vielmehr wäre diesfalls ein angemessener Zeitpunkt festzulegen. Die Frage kann aber nach dem Gesagten offen bleiben.
Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).
Demgemäss hat die Präsidentin
als Einzelrichterin im Verfahren gemäss Art. 19 OrgV
entschieden:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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