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Urteil Versicherungsgericht (SG - AHV 2008/6)

Zusammenfassung des Urteils AHV 2008/6: Versicherungsgericht

Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen stellte bei einer Arbeitgeberkontrolle fest, dass die S. GmbH einen Betrag nicht als AHV-pflichtigen Lohn deklariert hatte. Die SVA verlangte daraufhin paritätische Beiträge nachzuzahlen, gegen die die S. GmbH Einspruch einlegte. Nach mehreren Entscheiden wurde festgestellt, dass die Auszahlung an den Praktikanten als beitragspflichtiger Lohn zu qualifizieren ist. Das Gericht wies die Beschwerde ab und entschied, dass die Aufwandentschädigung als Lohn im Sinne des AHVG zu betrachten ist. Die Gerichtskosten wurden nicht erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AHV 2008/6

Kanton:SG
Fallnummer:AHV 2008/6
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:AHV - Alters- und Hinterlassenenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid AHV 2008/6 vom 09.01.2009 (SG)
Datum:09.01.2009
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 5 und 9 AHVG, Art. 9 AHVV: Beitragsrechtliche Qualifizierung einer im Rahmen eines Praktischen Studiensemesters einer Fachhochschule ausbezahlten Aufwandentschädigung als Lohn (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 9. Januar 2009, AHV 2008/6).
Schlagwörter: ändig; Arbeit; Praktikum; Vereinbarung; Praktikant; Gallen; Recht; Praktikums; Erwerbstätigkeit; Beiträge; Einsprache; Sozialversicherungsbeiträge; Person; Auszubildende; Studiensemester; Aufwandentschädigung; Barlohn; Verhältnis; Verfahren; Ausbildung; Praktische; Entscheid; Kantons; Ausgleichskasse; Studiensemesters; Begründung
Rechtsnorm: Art. 344 OR ;Art. 5 AHVG ;Art. 8 AHVG ;Art. 9 AHVG ;
Referenz BGE:122 V 283; 132 V 220;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AHV 2008/6

Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterin Marie-Theres Rüegg Haltinner, Versicherungsrichter Franz Schlauri; a.o. Gerichtsschreiberin Barbara Köpfli Entscheid vom 9. Januar 2009

in Sachen

S. GmbH, Beschwerdeführerin, gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse des Kantons

St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

und

R. ,

Beigeladener,

betreffend

Nachbelastung von paritätischen Beiträgen Sachverhalt:

A.

    1. Am 21. November 2007 führte die Sozialversicherungsanstalt des Kantons

      St. Gallen (SVA) als kantonale Ausgleichskasse bei der S. GmbH, St. Gallen, eine

      Arbeitgeberkontrolle durch. Dabei stellte sie fest, dass die Entschädigung von

      Fr. 6'500.--, die dem Absolventen der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Soziale Arbeit St. Gallen (FHS), R. , im Rahmen des Praktischen Studiensemesters pro 2004 ausbezahlt wurde, nicht als AHV-pflichtiger Lohn deklariert wurde (act. G 1.1). Mit Verfügung vom 4. Dezember 2007 verpflichtete die SVA die S. GmbH u.a., auf diesem Betrag (AHV-pflichtige Bruttolohnsumme: Fr. 6'918.--) die paritätischen Beiträge von Fr. 982.50 inkl. Verwaltungskosten nachzuzahlen (vgl. act. G 6.1.4).

    2. Gegen diese Nachzahlungsverfügung erhob M. als Geschäftsführer mit Einzelunterschrift im Namen der S. GmbH am 17. Januar 2008 Einsprache. Er stellte den Antrag, für die an R. bezahlte Aufwandentschädigung seien keine AHV-Prämien zu erheben. Dabei handle es sich nicht um Lohn, weshalb keine Pflicht zur Bezahlung von Sozialleistungen bestehe. Dies gehe aus der Praktikumsvereinbarung klar hervor (act. G 6.1.5).

    3. Mit Entscheid vom 7. April 2008 wies die SVA die Einsprache ab. Zur Begründung führte sie aus, der Betrag von insgesamt Fr. 6'500.--, der R. für die Monate September bis Dezember 2004 ausbezahlt worden sei, gelte als Barlohn resp. als massgebender Bruttolohn von Fr. 6'918.--, auf dem die Beiträge geschuldet seien. Die Nachzahlungsverfügung der Ausgleichskasse sei zu Recht ergangen (act. G 1.1).

B.

    1. Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die Beschwerde vom 3. Mai 2008 (act. G 1). Mit summarischer Beschwerdebegründung vom 8. Mai 2008 (act. G 2) und Ergänzung vom 31. Mai 2008 wird beantragt, der Einspracheentscheid sei unter Kostenfolge zulasten der SVA aufzuheben. Die Beschwerdeführerin macht zudem geltend, die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge seien je nach Verfahrensausgang der FHS aufzuerlegen, während ihr eine Umtriebsentschädigung von Fr. 2'000.-- zuzusprechen sei. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor, für die Nichtbezahlung der möglicherweise geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge treffe sie keine Schuld. Laut Ziff. 6 der Vereinbarung begründe das Praktikum kein arbeits- ausbildungsrechtliches Verhältnis mit einer entsprechenden Vergütung. Der Praktikumseinsatz sei Bestandteil des Studiums, die Studierenden blieben während des praktischen Studiensemesters an der FHS eingeschrieben und hätten während dieser Zeit auch die Studiengebühr zu entrichten. Dem Studenten sei während des Praktikums eine Aufwandentschädigung von Fr. 1'500.-- pro Monat gewährt worden. Die zuständige Stelle der FHS habe auf Anfrage der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass darauf keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien. Überdies enthalte die Vereinbarung einen abschliessenden Katalog sämtlicher Pflichten der Praxisstelle, in dem die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht enthalten sei. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass die Angaben im Vereinbarungsformular der staatlichen Institution FHS und deren mündlichen Erläuterungen zutreffend seien (act. G 4).

    2. Die Beschwerdegegnerin reicht keine Duplik ein, hält aber am Antrag auf Abweisung der Bewerde fest. Zur Begründung verweist sie auf die Erwägungen des Einspracheentscheids (act. G 6).

C.

Am 11. September 2008 wird R. über das hängige Verfahren orientiert und zum Prozess beigeladen (act. G 8). Eine Stellungnahme zur Streitsache hat er nicht eingereicht.

Erwägungen:

1.

Da in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 132 V 220 E. 3.1.1), sind im vorliegenden Verfahrendie bis zum 31. Dezember 2004 geltenden materiellen Bestimmungen anzuwenden.

2.

    1. Jede in der Schweiz ausgeübte Erwerbstätigkeit ist in der Alters- und Hinterlassenenversicherung obligatorisch versichert und grundsätzlich beitragspflichtig (Art. 1 Abs. 1 lit. b und Art. 4 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVG; SR 831.10]). Der Begriff "Erwerbstätigkeit" wird weder im Gesetz noch in der Verordnung inhaltlich näher umschrieben und wird in der Praxis und in der Rechtsprechung sehr weit gefasst. Im Vordergrund steht der Zusammenhang zwischen einer Tätigkeit und dem Zufluss geldwerter Leistungen (vgl. Hanspeter Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl., Bern 1996, S. 19 f. und 66 ff.).

    2. Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht der Erwerbstätigen richtet sich unter anderem danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte Erwerbseinkommen als solches aus selbständiger aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist (Art. 5 und Art. 8 f. AHVG sowie Art. 6 ff. der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVV; SR 831.101]). Als Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit gilt nach Art. 5 Abs. 2 AHVG jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gilt nach Art. 9 Abs. 1 AHVG jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt. Die Frage, ob eine selbständige unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, beurteilt sich gemäss ständiger Rechtsprechung nicht aufgrund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien. Für die Organe der AHV ist grundsätzlich nicht entscheidend, ob die Erwerbstätigkeit gestützt auf einen Arbeitsvertrag, einen Auftrag eine andere Vereinbarung erfolgt. Unerheblich ist auch die Eigenqualifikation eines Vertragsverhältnisses durch die Parteien, entscheidend sind vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse

vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu sein (BGE 122 V 283 E. 2a).

3.

    1. Streitig und zu prüfen ist, ob die an den Praktikanten R. im Jahr 2004 ausbezahlte Aufwandentschädigung als beitragspflichtiger Lohn zu qualifizieren ist, auf dem die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin die paritätischen Beiträge zu entrichten hat.

    2. Die Beschwerdegegnerin hat ihren Entscheid damit begründet, dass R. als

eine einem Auszubildenden gleichgestellte Person einen Barlohn erhalten habe, der als massgebender Lohn zu qualifizieren sei. Die Beschwerdeführerin bringt demgegenüber vor, laut Vereinbarung begründe der Praktikumseinsatz kein arbeits- ausbildungsrechtliches Verhältnis mit einer entsprechenden Vergütung.

4.

    1. Im Gegensatz zum Lehrvertrag (Art. 344 – 346a des Schweizerischen Obligationenrechts [OR; SR 220]) beinhaltet ein Praktikum zwar keine umfassende und systematische Berufsausbildung, sondern bezweckt während einer befristeten Zeit die praktische Ergänzung des schulischen Ausbildungsteils und dient damit der beruflichen Ausbildung der lernenden Person. Als Auszubildende gelten neben Personen, die im Sinn des Berufsbildungsgesetzes (SR 412.10) und Art. 344 ff. OR einen Lehrvertrag abgeschlossen haben, jedoch u.a. auch Praktikantinnen bzw. Praktikanten mit zeitlich begrenztem Lehrgang. Als massgebender Lohn der Auszubildenden und der ihnen gleichgestellten Personen gilt sowohl der Bar- als auch der Naturallohn vom 1. Januar an, welcher der Vollendung des 17. Altersjahrs folgt (Wegleitung des Bundesamts für Sozialversicherungen [BSV] über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO [WML], N 4147 f., Version mit Gültigkeit ab 1. Januar 2004). Bei der Absolvierung des Praktikums hatte R. (geboren 1978, act. G 4.2) das 17. Altersjahr bereits vollendet.

      1. Vorliegend war die Dauer des Praktischen Studiensemesters auf 20 Wochen befristet. Der Lehrgang bzw. der Inhalt des Praktikums richtete sich nach dem Ausbildungsplan für das Praktische Studiensemester des FHS-Studiengangs

        "Ingenieur-Architektur" (act. G 4.2; Ziff. 2.1) und diente damit nicht dem wirtschaftlichen Zweck des Unternehmens, sondern der beruflichen Ausbildung des Praktikanten. Angesichts dieser Umstände ist das Praktische Studiensemester als ein Praktikum im Sinn der zitierten Wegleitung des BSV einzustufen und damit – entgegen dem anderslautenden Passus in der Vereinbarung – als ausbildungsrechtliches Verhältnis zu betrachten.

      2. Der Praktikant verrichtete persönlich Arbeit auf Weisung und im Dienst der Beschwerdeführerin. Somit war er während des Einsatzes arbeitsorganisatorisch in deren Betrieb eingegliedert. Dies kommt neben dem Umstand, dass er als Auszubildender auf die Vermittlung berufsspezifischer Kenntnisse und Erfahrungen durch die Verantwortlichen der Praxisstelle angewiesen war (vgl. act. G 4.2; Ziff. 2.1), beispielsweise auch dadurch zum Ausdruck, dass er bei mehr als zweitägiger Krankheit eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen hatte dass eine Probezeit sowie die Kündigungsmodalitäten geregelt wurden (act. G 4.2; Ziff. 3.2/4 und Ziff. 4). Der Arbeitseinsatz wurde mit einer Entschädigung abgegolten; Arbeitseinrichtungen, Betriebsmittel und Material stellte die Beschwerdeführerin zur Verfügung (act. G 4.2; Ziff. 3.2/1). Der Praktikant hatte weder ein spezifisches Unternehmerrisiko zu tragen noch Investitionen zu tätigen und war daher auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht vom Einsatzort abhängig.

4.2 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Praktikant als unselbständig Erwerbstätiger zu betrachten ist. Da der Natural- Barlohn als massgebender Lohn der Auszubildenden und der ihnen gleich gestellten Personen gilt (WML, N 4148), ist die ausgerichtete Aufwandentschädigung von monatlich Fr. 1'500.-- als Barlohn und damit als Lohn im Sinn von Art. 5 AHVG zu qualifizieren.

5.

    1. Im Sinn der Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).

    2. Ob die Beschwerdeführerin nach Bezahlung der paritätischen Beiträge an die

Beschwerdegegnerin eine Forderung gegenüber der FHS geltend machen kann, ist

eine juristische Frage, die nicht in diesem Verfahren entschieden werden kann. Immerhin bleibt anzufügen, dass verständlich erscheint, wenn sich die Beschwerdeführerin auf die Richtigkeit der in der Vereinbarung abgegebenen Erklärung der FHS verlassen hat, auch wenn es Sache der AHV-Behörde ist zu entscheiden, ob Sozialversicherungsbeiträge geschuldet sind.

Demgemäss hat das Versicherungsgericht

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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