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Urteil Verwaltungsgericht (LU - V 08 213)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:V 08 213
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsrechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid V 08 213 vom 27.08.2009 (LU)
Datum:27.08.2009
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 337c Abs. 3 OR; §§ 19 Abs. 4 und 72 Abs. 2 PG. Tatbestand und Rechtsfolgen der fristlosen Auflösung richten sich gemäss § 19 Abs. 4 PG nach den Bestimmungen des Obligationenrechts. Erst wenn eine einvernehmliche Regelung bezüglich einer Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR nicht gelingen sollte, kann sich die betroffene Person klageweise an das Gericht wenden.
Zusammenfassung:Die Beschwerdeführerin fordert eine Entschädigung von fünf Monatslöhnen aufgrund einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung. Die Vorinstanz betrachtet diesen Antrag als systemwidrig und ausgeschlossen, da dem Arbeitgeber die gesetzlich vorgesehene Wahlmöglichkeit vorenthalten würde. Bei einer ungerechtfertigten fristlosen Kündigung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadenersatz und eine Entschädigung gemäss den Bestimmungen des Obligationenrechts. Die Höhe der Entschädigung darf den Lohn des Arbeitnehmers für sechs Monate nicht übersteigen und wird aufgrund der konkreten Umstände festgelegt. Im Falle einer rechtswidrigen fristlosen Kündigung schuldet die Vorinstanz Schadenersatz nach den entsprechenden Rechtsgrundlagen. Einvernehmliche Lösungen bezüglich des Schadensersatzes und der Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR sind vor gerichtlichen Entscheidungen anzustreben.
Schlagwörter: Arbeit; Entschädigung; Recht; Kündigung; Schadenersatz; Arbeitsverhältnis; Feststellung; Entlassung; Umstände; Beschwerdeverfahren; Gericht; Mitarbeiterin; Vorinstanz; Höhe; Arbeitnehmer; Arbeitsverhältnisses; Beurteilung; Rechtswidrigkeit; Antrag; Zahlung; Arbeitgeber; Wahlmöglichkeit; Verfügung; Auflösung; Rechtsfolge; Anspruch; BG-Urteil
Rechtsnorm: Art. 337c OR ; Art. 337f OR ; Art. 362 OR ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-
Entscheid
Aus den Erwägungen:

2. - a) Die Beschwerdeführerin verlangt neben der Feststellung, dass die fristlose Entlassung ungerechtfertigt sei, auch eine Entschädigung von fünf Monatslöhnen infolge ungerechtfertigter fristloser Entlassung. Diesen Antrag begründet sie damit, dass es sich bei der Entschädigung, die sich auf Art. 337c Abs. 3 OR stütze, um eine eigentliche Strafzahlung handle, deren Höhe vom Richter unter Würdigung aller Umstände festzulegen sei. Die Strafzahlung sei damit untrennbar mit der ungerechtfertigten fristlosen Entlassung und deren konkreten Umständen verknüpft. Die ihr zustehenden Schadenersatzansprüche werde sie hingegen klageweise geltend machen.

Die Vorinstanz bezeichnet demgegenüber diesen Antrag als systemwidrig und völlig ausgeschlossen, werde doch dem Arbeitgeber die gesetzlich (§ 72 Abs. 2 PG) vorgesehene Wahlmöglichkeit - Widerruf der Verfügung und Wiedereinstellung der Beschwerdeführerin aber Entschädigung der Betroffenen - vorenthalten. Zudem könne in einem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nur über den Streitgegenstand, nämlich über die angefochtene Verfügung, entschieden werden.

b) Nach § 19 Abs. 4 PG richten sich Tatbestand und Rechtsfolgen der fristlosen Auflösung nach den Bestimmungen des Obligationenrechts. Einzig eine Abfindung nach § 25 PG bleibt vorbehalten. Damit sind die Art. 337ff. OR angesprochen, die folglich kraft Verweisung als kantonales öffentliches Recht gelten (LGVE 2003 II Nr. 2 E. 2b). Als Rechtsfolge einer ungerechtfertigten fristlosen Kündigung hat danach ein Arbeitnehmer Anspruch auf Ersatz dessen, was er verdient hätte, wenn das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit beendigt worden wäre (Art. 337c Abs. 1 OR). Er hat sich daran anrechnen zu lassen, was er infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erspart hat und was er durch anderweitige Arbeit verdient zu verdienen absichtlich unterlassen hat (Abs. 2).

Zu diesem Schadenersatz hinzu kommt nach Art. 337c Abs. 3 OR der Anspruch des ungerechtfertigt Entlassenen auf eine Entschädigung. Diese Entschädigung wird gemeinhin als Strafgeld als Pönale bezeichnet. Ihrer Natur nach weist sie einerseits präventiven Straf-, andererseits Genugtuungscharakter auf, ohne aber Schadenersatz im klassischen Sinn darzustellen (BG-Urteil 4C.278/2003 vom 5.11.2003, E. 3.1; LGVE 2006 II Nr. 4 E. 3a mit weiteren Hinweisen). Die Höhe dieser Entschädigung darf den Lohn des Arbeitnehmers für sechs Monate nicht übersteigen und ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bemessen.

c) Sollte das Gericht zum Schluss kommen, dass die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschwerdeführerin rechtswidrig war, ergibt sich somit aus diesen Rechtsgrundlagen, dass die Vorinstanz vorab Schadenersatz nach Art. 337c Abs. 1 und 2 OR schuldet. Zu ersetzen sind dabei neben dem regulären Lohn auch alle sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden geldwerten Vorteile (z.B. Abgeltung von Ferienansprüchen usw., vgl. statt vieler Portmann, in: Basler Kommentar OR I, 4.Aufl., Basel 2007, N 3 zu Art. 337c). Dieser Schadenersatz ist zwingend geschuldet, da es sich bei Art. 337c Abs. 1 OR gemäss Art. 362 Abs. 1 und 2 OR um eine relativ zwingende Norm handelt, von der zuungunsten der Arbeitnehmerin nicht abgewichen werden darf.

Die Schadenersatzsumme kann die Vorinstanz nicht hoheitlich verfügen. Das Gemeinwesen und die betroffene Privatperson stehen sich bei Schadenersatzfragen grundsätzlich als gleichgeordnete Rechtssubjekte gegenüber (LGVE 2003 II Nr. 1 E. 11b). Nach der gerichtlichen Feststellung einer rechtswidrigen fristlosen Kündigung haben sich die Beteiligten somit bezüglich des Schadenersatzes nach Art. 337c Abs. 1 und 2 OR auseinanderzusetzen und eine einvernehmliche Lösung zu suchen. Es spricht - trotz des Wortlauts von Art. 337c Abs. 3 OR - nichts dagegen, dass die Beteiligten dabei ebenfalls versuchen, sich auch bezüglich dieser Entschädigung nach 337c Abs. 3 OR zu einigen. Erst wenn eine solche einvernehmliche Regelung nicht gelingen sollte, kann sich die Betroffene klageweise an das Gericht wenden. Das Klageverfahren nach § 75 PG kommt folglich auch für die Entschädigung nach § 19 Abs. 4 PG in Verbindung mit Art. 337c Abs. 3 OR zur Anwendung (vgl. auch § 162 Abs. 1 lit. d VRG). Einvernehmliche Lösungen sind zudem aus Gründen des Rechtsfriedens gerichtlichen Beurteilungen grundsätzlich vorzuziehen, und mit dieser Regelung des Verfahrens haben die Beteiligten dem Gericht nicht bereits im Beschwerdeverfahren sämtliche Umstände, welche die Höhe der Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR beeinflussen können, vorzubringen. Denn bei der Bemessung derselben können auch Umstände, die die Rechtmässigkeit einer fristlosen Kündigung nicht beeinflussen, eine Rolle spielen (z.B. Schwere des Verschuldens des Arbeitgebers, Mitverschulden des Arbeitnehmenden, persönliche und wirtschaftliche Situation der Betroffenen, Grad der Persönlichkeitsverletzung, Dauer der Anstellung usw.; vgl. BG-Urteile 4C.253/2005 vom 16.11.2005, E. 5.2 und 5.4 sowie 4C.278/2003 vom 5.11.2003, E. 3; Portmann, a.a.O., N 6 zu Art. 337c; Vischer, Der Arbeitsvertrag, Basel 2005, S. 262).

Hingegen kann der Vorinstanz nicht zugestimmt werden, wenn sie geltend macht, mit einer Beurteilung der Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR bereits im Beschwerdeverfahren würde sie der in § 72 Abs. 2 PG vorgesehenen Möglichkeit beraubt, die ehemalige Mitarbeiterin bei einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Kündigung wieder einzustellen. Mit § 19 Abs. 4 PG und dessen Verweis auf das Bundeszivilrecht und damit auf Art. 337ff. OR besteht für die Folgen der fristlosen Entlassung einer Mitarbeiterin eine besondere gesetzliche und abschliessende Grundlage (vgl. LGVE 2006 II Nr. 4 E. 2b und 3). Damit kommt die in § 72 Abs. 2 PG vorgesehene Wahlmöglichkeit bei einer ungerechtfertigten fristlosen Kündigung gar nicht zur Anwendung. Im Übrigen ist eher unwahrscheinlich, dass eine Behörde eine Mitarbeiterin, die sie fristlos entlassen hat, nach einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Kündigung wieder anstellt. Das unabdingbare gegenseitige Vertrauen im Arbeitsverhältnis wird spätestens mit Erlass der fristlosen Entlassung zerstört und eine Weiterbeschäftigung wäre diesfalls wohl auch der ehemaligen Mitarbeiterin nicht mehr zuzumuten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei der Beurteilung einer fristlosen Kündigung das Gericht im Beschwerdeverfahren ausschliesslich deren Rechtsmässigkeit -widrigkeit festzustellen hat. Sollte das Gericht die Rechtswidrigkeit einer fristlosen Kündigung feststellen und sollten sich die Beteiligten im Nachgang dazu nicht über den Schadenersatz und eine allfällige Entschädigung nach Art. 337c Abs. 1-3 OR einigen können, hat die betroffene ehemalige Mitarbeiterin diesbezüglich den Klageweg zu beschreiten.

Entsprechend ist im vorliegend zu beurteilenden Beschwerdeverfahren über die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Beschwerdeführerin ausschliesslich auf ihr Feststellungsbegehren einzutreten.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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