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Urteil Verwaltungsgericht (LU - SG 06 1)

Zusammenfassung des Urteils SG 06 1: Verwaltungsgericht

A leidet an einer Tetraplegie und wurde mehrmals im Zentrum B behandelt. Das Zentrum B forderte von der Krankenversicherung C die Kostenübernahme gemäss ihrem Tarif, die C jedoch ablehnte. Es kam zu einem Rechtsstreit, bei dem das Gericht entscheiden musste, welcher Tarif anzuwenden ist. Es stellte sich heraus, dass die Klägerin berechtigt war, ihren Tarif zu verlangen, da die Indikationen für die Behandlungen erfüllt waren. Die Beklagte konnte sich nicht auf die Spitalliste des Kantons Zug berufen, um die Zahlung zu verweigern. Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin, die berechtigt war, die Kosten gemäss ihrem Tarif zu verlangen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts SG 06 1

Kanton:LU
Fallnummer:SG 06 1
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Schiedsgericht nach Art. 89 KVG
Verwaltungsgericht Entscheid SG 06 1 vom 06.04.2010 (LU)
Datum:06.04.2010
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 39 Abs. 1 lit. e, Art. 41 Abs. 2, Art. 43 Abs. 4, ARt. 89 KVG. Bei der vorliegend zu beurteilenden Spitalliste ist die Kategorie "Paraplegie" nicht vorgesehen. Die Bezeichnung "breite spezialisierte und hochspezialisierte Versorgung" weist nicht ohne weiteres auf eine Spezialisierung im Bereich Paraplegie hin. Bezüglich dieser Patientenkategorie ist von einer offenen Spitalliste auszugehen, weshalb sich die Beklagte nicht unter Berufung auf die Spitalliste der Leistungspflicht gegenüber der Klägerin entziehen kann. Die vertragliche Indikation der plegiebedingten Komplikation ist aufgrund der medizinischen Akten ausgewiesen. Keine Verzugszinspflicht.
Schlagwörter: Spital; Spitalliste; Leistung; Kanton; Tarif; Kantons; Vertrag; Aufenthalt; Behandlung; Indikation; Balgrist; Leistungserbringer; Zentrum; Universitätsklinik; Aufenthalte; Leistungen; Paraplegie; Patienten; Spitäler; Kategorie; Komplikation; Klage; Abteilung; Primärversorgung; Versicherer
Rechtsnorm: Art. 24 KVG ;Art. 26 ATSG ;Art. 32 KVG ;Art. 39 KVG ;Art. 41 KVG ;Art. 43 KVG ;Art. 46 KVG ;Art. 56 KVG ;Art. 89 KVG ;
Referenz BGE:127 V 398;
Kommentar:
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Entscheid des Verwaltungsgerichts SG 06 1

A, geboren 1943 und wohnhaft in Z (Kt. Zug), leidet an einer sensomotorisch kompletten Tetraplegie sub C6 (ASIA A). Er weilte vom 6. Juni bis zum 15. Juli 2005 während 40 Tagen und vom 7. bis zum 23. Dezember 2005 während 17 Tagen im Zentrum B zur Behandlung verschiedener Komplikationen. Ebenso weilte er während 153 Tagen vom 24. Mai bis zum 23. Oktober 2006 im Zentrum B. Dieses stellte jeweils an die zuständige Krankenversicherung C ein Kostengutsprachegesuch im Rahmen der Tagespauschale über Fr. x, welches die C in dieser Höhe ablehnte und nur im Umfang der Tagespauschale analog der Universitätsklinik Balgrist anerkannte.

Nach den ersten beiden Hospitalisationen rief das Zentrum B im Februar 2006 das Schiedsgericht nach Art. 89 KVG des Kantons Luzern an und beantragte, für die damals streitigen beiden Aufenthalte im Jahre 2005 sei eine Tagestaxe von Fr. x gemäss Vertrag zwischen dem Zentrum B und der santésuisse Zentralschweiz zu vergüten. Der entsprechende Vermittlungsversuch verlief unvermittelt.

Anlässlich des weiteren Aufenthaltes von A im Jahre 2006 gelangte das Zentrum B an die paritätische Vertrauenskommission zwischen dem Zentrum B und der santésuisse Zentralschweiz, welche sich am 30. August 2007 betreffend die Anwendbarkeit der Spitalliste des Kantons Zug für nicht zuständig erachtete und dazu nicht Stellung nahm, jedoch die vertragliche Indikation für die Hospitalisation von A im Zentrum B für gegeben hielt.

Am 26. September 2007 reichte das Zentrum B gegen C Klage ein mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte habe für die Hospitalisationen ihres Versicherten A folgende Beträge nebst Zins zu 5% vom Gesamtbetrag seit 1. Januar 2007 zu bezahlen:

Aufenthalt vom 6.6.2005 - 15.7.2005 (40 Tage à Fr. x)

Aufenthalt vom 7.12.2005 - 23.12.2005 (17 Tage à Fr. x)

Aufenthalt vom 24.5.2006 - 23.10.2006 (153 Tage à Fr. x)

Alles unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten.

In der Begründung wurde im Wesentlichen geltend gemacht, für den Aufenthalt von A bei der Klägerin seien die vertraglichen Indikationen eindeutig gegeben gewesen. Zudem könne sich die Beklagte nicht auf eine Spitalliste des Kantons Zug berufen, da dieser Kanton über eine sogenannte offene Spitalliste verfüge, welche nicht abschliessend sei.

Die Beklagte beantragte in ihrer Klageantwort Abweisung der Klage unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Klägerin. Sie beharrte auf dem Umstand, dass die Klägerin auf keiner Spitalliste des Kantons Zug aufgeführt sei. Sie erachtete die Universitätsklinik Balgrist mit der Abteilung ParaCare als Spitallisten-Klinik des Kantons Zug und will deshalb nur den dort verwendeten Tagespauschaltarif von Fr. y (Jahr 2005) bzw. Fr. z (Jahr 2006) angewendet wissen. Schliesslich bestritt sie auch die Indikation für den Aufenthalt bei der Klägerin. Es habe sich dabei um Akutbehandlungen gehandelt und nicht um eine notfallmässige Aufnahme bei Primärversorgung. In formeller Hinsicht bemängelte sie die Verletzung des rechtlichen Gehörs, da sie nie vom Schlichtungsverfahren vor der paritätischen Vertrauenskommission Kenntnis erhalten habe.

Das Gericht setzte im Juli 2009 einen zweiten Rechtsschriftenwechsel an, um verschiedene offene Fragen zu klären. Zudem forderte es die Klägerin auf, sämtliche medizinischen Berichte betreffend die Aufenthaltsdauer zu edieren, damit die strittige Frage der Indikation beurteilt werden könne. Hierauf reichte die Klägerin die entsprechenden Unterlagen ein und beharrte nochmals auf dem Klagebegehren. In der Duplik erneuerte die Beklagte ebenfalls die Rechtsbegehren der Klageantwort, wobei sie nicht mehr auf dem formellen Einwand der Verletzung des rechtlichen Gehörs beharrte.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 bediente die Klägerin das Gericht mit Kopien von drei an die Beklagte zugestellten Rechnungen vom 26. Oktober 2009 für die drei Aufenthalte von A in den Jahren 2005 und 2006.

Im März 2010 edierte das Gericht bei der Staatskanzlei des Kantons Zug die beiden Regierungsratsbeschlüsse vom 16. Dezember 1997 betreffend Spitalliste für die stationäre kantonale und für die stationäre ausserkantonale Spitalversorgung, welche den Parteien anschliessend zur Kenntnis gebracht wurden.

Aus den Erwägungen:

1.- Gemäss Art. 89 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) beurteilt ein kantonales Schiedsgericht Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern. Zuständig ist das Schiedsgericht desjenigen Kantons, dessen Tarif zur Anwendung gelangt, desjenigen Kantons, in dem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt. Vorliegend ist die Klägerin Leistungserbringerin. Ihr Sitz befindet sich im Kanton Luzern, womit das Schiedsgericht des Kantons Luzern im Sinne von Art. 89 KVG örtlich zuständig ist.

2.- Zu beurteilen ist die Frage, ob die Beklagte der Klägerin für die Aufenthalte von A die Tagestaxe von Fr. y (gemäss Tarif der Universitätsklinik Balgrist im 2005) eine solche von Fr. x (gemäss Tarif der Klägerin) zu vergüten hat. Dabei ist die Aufenthaltsdauer vom 6. Juni bis 15. Juli 2005 sowie vom 7. Dezember bis zum 23. Dezember 2005 zu beurteilen. Ebenfalls zu beurteilen ist die Aufenthaltsdauer vom 24. Mai bis 23. Oktober 2006, wobei hier die Beklagte die Tagespauschale von Fr. z (gemäss Tarif der Universitätsklinik Balgrist im 2006) zur Anwendung bringt.

3.- a) Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen gemäss den Art. 25 - 31 KVG nach Massgabe der in Art. 32 - 34 KVG festgelegten Voraussetzungen (Art. 24 KVG). Diese Leistungen umfassen sowohl ambulante wie auch stationäre Behandlungen in der allgemeinen Abteilung eines Spitals (Art. 25 Abs. 2 lit. a und e KVG). Gemäss Art. 32 Abs. 1 KVG müssen diese Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Gemäss Art. 56 Abs. 2 KVG kann die Vergütung von Leistungen, die nicht mehr im Rahmen der Wirtschaftlichkeit liegen, verweigert werden.

Die Versicherten können unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen. Bei stationärer Behandlung muss der Versicherer die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der im Wohnkanton der versicherten Person gilt (Art. 41 Abs. 1 KVG in der bis 31.12.2008 gültig gewesenen und hier anwendbaren Fassung). Die Tarife werden in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern vereinbart (Tarifvertrag) in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde festgesetzt (Art. 43 Abs. 4 KVG).

b) Zwischen dem Zentrum B und der santésuisse Zentralschweiz bzw. der santésuisse der Schweizerischen Krankenversicherer besteht seit Jahren ein Vertrag über die Leistung der Krankenversicherer bei ambulanter und stationärer Behandlung in der allgemeinen Abteilung (nachfolgend Vertrag genannt). Für die vorliegende Streitsache (Behandlungen in den Jahren 2005 und 2006) ist unbestrittenermassen die Vertragsversion mit den Anhängen, wie sie ab 1. Januar 2004 in Kraft waren, massgebend. Anhang I des Vertrages sieht eine Tagespauschale von Fr. x für die allgemeine Abteilung vor. Der Vertrag enthält im Abschnitt B unter dem Titel "Leistungsvoraussetzungen" folgende Bestimmung:

Vergütungen durch die Krankenversicherer werden nur dann erbracht, wenn das Zentrum B die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, die erforderlichen Nachweise erbracht hat, die Indikationen klar vorliegen und die versicherten Personen anspruchsberechtigt sind. Im übrigen richtet sich die Leistungspflicht nach den Spitallisten der Wohnkantone der Patienten.

Das Zentrum B nimmt krankenversicherte Personen gemäss Ziff. F1 nach Massgabe der verfügbaren Betten zur Behandlung Begutachtung auf.

In Abschnitt F wird unter dem Titel "Indikationen" unter Ziff. 1 Folgendes festgehalten:

Die vereinbarten Tagestaxen gemäss Anhang I gelten im stationären Bereich für spitalbedürftige und genussberechtigte Versicherte.

Stationär aufnahmeberechtigt sind:

- Patienten mit Paraoder Tetraplegie jeder Aetiologie zur notfallmässigen Primärversorgung, Behandlung und Rehabilitation.

- Paraund Tetraplegiker mit plegiebedingten Komplikationen, insbesondere Dekubitalulzera Affektionen des Urogenitalsystems.

- Patienten mit schweren, neurogen bedingten Deformitäten der Wirbelsäule.

- Tetraplegiker zur operativen Verbesserung ihrer Armund Handfunktionen.

- Patienten mit vom Zentralnervensystem ausgehenden chronischen, invalidisierenden Schmerzen zur diagnostischen und therapeutischen Anästhesie.

4.- Vorerst ist die Frage zu prüfen, ob die Beklagte mit dem Hinweis, die Klägerin sei nicht auf der Spitalliste des Kantons Zug aufgeführt, die Leistungspflicht gemäss Vertrag ablehnen kann.

a) Gemäss Art. 43 Abs. 4 KVG werden Tarife und Preise in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern (Tarifvertrag) vereinbart in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde festgesetzt. Parteien eines Tarifvertrages sind einzelne mehrere Leistungserbringer deren Verbände einerseits sowie einzelne mehrere Versicherer deren Verbände andererseits (Art. 46 Abs. 1 KVG). Ist ein Verband Vertragspartei, so ist der Tarifvertrag für die Mitglieder des Verbandes nur verbindlich, wenn sie dem Vertrag beigetreten sind. Auch Nichtmitglieder, die im Vertragsgebiet tätig sind, können dem Vertrag beitreten (Art. 46 Abs. 2 KVG). Gemäss der von der Beklagten aufgelegten Vertragskopie vom 25. März 2004 sind alle in der Region tätigen Krankenversicherer diesem Vertrag beigetreten, somit auch die Beklagte.

b) Die Beklagte legt die für den strittigen Zeitpunkt massgebende Spitalliste des Kantons Zug zu den Akten, in welcher fünf Kliniken im eigenen Kanton und elf ausserkantonale Spitäler aufgeführt sind. Die Klägerin befindet sich nicht auf dieser Liste. Diese ihrerseits weist darauf hin, dass es sich bei dieser Spitalliste um eine sogenannte offene Liste handle, welche nicht abschliessend sei. Dies gehe aus einem Schreiben von Landammann Joachim Eder, Gesundheitsdirektion des Kantons Zug, hervor, welcher dies in seinem Schreiben vom 11. August 2004 bestätige und erwähne, dass alle ausserkantonalen Spitäler zur Verrechnung von Leistungen für Patientinnen und Patienten aus dem Kanton Zug zu Lasten der sozialen Krankenversicherung zugelassen seien, sofern und soweit diese auf der Spitalliste des Standortkantons aufgeführt seien (kläg. Bel. 12). Die Klägerin macht geltend, weder sie noch das ParaCare Balgrist seien explizit auf der Spitalliste des Kantons Zug aufgeführt. Die Universitätsklinik Balgrist sei vielmehr nur für spezielle Orthopädie aufgeführt. Die Beklagte bestreitet die Ansicht der sogenannten "offenen Spitalliste" und weist darauf hin, dass die Universitätsklinik Balgrist auf der Spitalliste aufgeführt sei. Der vermerkte Hinweis auf den Leistungsauftrag hinsichtlich "spez. Orthopädie" habe als "spezialisierte Orthopädie" spezifiziert werden müssen, da natürlich auch im öffentlichen Spital des Kantons Zug eine Reihe von orthopädischen Eingriffen vorgenommen werden können. Für die Paraplegie sei eine solche Einschränkung nicht nötig, da im Kanton Zug ohnehin keine Behandlungsmöglichkeiten im zur Diskussion stehenden Sinne möglich seien. Mit diesem Hinweis zitiert die Beklagte aus einem Schreiben von Dr. med. D, Kantonsarzt in Zug, vom 19. Juni 2006 (bekl. Bel. 4). Der Kantonsarzt gehe davon aus, dass die ParaCare Balgrist als Abteilung der Universitätsklinik Balgrist auch ohne konkrete Nennung des Leistungsauftrages Paraplegie auf der Spitalliste figuriere.

Der Begriff der "offenen Spitalliste" gründet nicht auf einer gesetzlichen Grundlage. Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG spricht von "nach Leistungsaufträgen in Kategorien gegliederten Spitallisten", womit sinngemäss eine geschlossene, klar definierte Liste gemeint ist. Da jedoch gewisse Kantone keine abschliessende Aufzählung von Fachgebieten (Kategorien) vornehmen, spricht man in der Praxis auch von "offenen" Spitallisten (siehe RKUV 6/1998 521, BGE 127 V 398). Im vom Gericht edierten Regierungsratsbeschluss vom 16. Dezember 1997 betreffend Spitalliste für die ausserkantonale Spitalversorgung wird als erste Ziffer erwähnt, dass alle ausserkantonalen Spitäler zur Verrechnung von Leistungen für Patientinnen und Patienten aus dem Kanton Zug zulasten der sozialen Krankenversicherung zugelassen seien, sofern und soweit sie auf der Spitalliste des Standortkantons aufgeführt seien. In Ziffer 2 erfolgen dann gewisse Bedingungen, so unter anderem, dass ein öffentlich subventioniertes Spital im Kanton Zug die Behandlung nicht anbiete und dass prioritär die Zuweisung unter ein im Anhang aufgeführtes Vertragsspital zu erfolgen habe. Dieser Regierungsratsbeschluss (RRB) zur Spitalliste ausserkantonaler Spitäler definiert somit klar eine "offene Liste". Eingeschränkt wird diese offene Liste folgerichtig durch klar zugeordnete Vertragsspitäler im Anhang.

Der Ansicht der Beklagten, wonach mit der Nennung der ParaCare Balgrist im Anhang des RRB das Vertragsspital definiert sei, kann allerdings nicht gefolgt werden. Die aufgrund der beiden Regierungsratsbeschlüsse publizierte Spitalliste des Kantons Zug (bekl. Bel. 2) enthält sieben diverse Fachbereiche (Kategorien), welche den einzelnen elf ausserkantonalen Spitälern konkret zugeordnet sind. So sind unter dem Titel "spezielle Orthopädie" die Schulthess Klinik Zürich und die Universitätsklinik Balgrist aufgeführt. Ein Fachbereich Paraplegie existiert nicht. Hingegen gibt es eine spezielle Kolonne für "breite spezialisierte und hochspezialisierte Versorgung". Für diese Bereiche sind das Universitätsspital Zürich, das Kantonsspital Luzern sowie das Inselspital Bern vorgesehen. Würde man der Ansicht der "abschliessenden Spitalliste" folgen, so wäre allenfalls ein Tarif dieser drei Spitäler anzuwenden. Für die Anwendung des Tarifs der "Balgrist Orthopädische Universitätsklinik" (so die Bezeichnung in der Spitalliste) fehlen klare Angaben, um darunter auch die Paraplegie zu subsumieren. Die Beklagte hatte deshalb keine Grundlage für die Anwendung eines Tarifs der Universitätsklinik Balgrist. Damit ist aber die Frage, ob demzufolge vorliegend der Vertragstarif mit der Klägerin zu Anwendung gelangt, noch nicht beantwortet.

c) Beansprucht der Versicherte aus medizinischen Gründen einen andern Leistungserbringer, so richtet sich die Kostenübernahme nach dem Tarif, der für diesen Leistungserbringer gilt. Medizinische Gründe liegen bei einem Notfall vor wenn die erforderlichen Leistungen nicht angeboten werden:

a. (...)

b. bei stationärer teilstationärer Behandlung im Wohnkanton in einem auf der Spitalliste des Wohnkantons nach Art. 39 Abs. 1 Buchstabe e aufgeführten ausserkantonalen Spital (Art. 41 Abs. 2 KVG).

Gemäss Art. 39 Abs. 1 KVG werden Anstalten deren Abteilungen, die der stationären Behandlung akuter Krankheiten der stationären Durchführung von Massnahmen der medizinischen Rehabilitation dienen (Spitäler), zugelassen, wenn sie:

a. - d. (...)

e. auf der nach Leistungsaufträgen in Kategorien gegliederten Spitalliste des Kantons aufgeführt sind.

Aufgrund des Vorerwähnten steht fest, dass die Klägerin nicht auf der Spitalliste aufgeführt ist, andererseits diese auch keine Kategorie Paraplegie enthält. Es stellt sich vorliegend die Frage, ob die Kategorie mit der Sammelbezeichnung "breite spezialisierte und hochspezialisierte Versorgung" dafür genügend Ersatz bietet. Ist dies zu bejahen, so könnte die Klägerin aufgrund der zitierten Gesetzesbestimmungen nicht den eigenen Tarif anwenden. Wäre dies zu verneinen, so müsste festgehalten werden, dass die Kategorie "Paraplegie" in der Spitalliste des Kantons Zug nicht vorgesehen ist und es sich somit tatsächlich für diesen Bereich um eine offene Spitalliste handeln würde.

Die Bezeichnung "breite spezialisierte und hochspezialisierte Versorgung" weist nicht ohne weiteres auf eine Spezialisierung im Bereich Paraplegie hin. Angesichts der Tatsache, dass in der Schweiz u.a. mit der ParaCare Balgrist und der Klägerin besondere Kliniken für Paraplegiker existieren, kann nicht mit einer generellen Umschreibung interpretiert werden, dass nun die drei Spitäler in Zürich, Luzern und Bern ebenfalls als hochspezialisierte Listenspitäler in diesem Fachbereich mitgemeint sind. Insofern ist auch die Meinung des Zuger Gesundheitsdirektors Joachim Eder in seinem Schreiben vom 11. August 2004 an den damaligen Direktor der Klägerin nachvollziehbar und stimmt offensichtlich mit dem RRB vom 16. Dezember 1997 überein, wonach der Versicherer bei einem Versicherten, welcher die Leistung eines ausserkantonalen, nicht subventionierten Privatspitals in Anspruch nimmt, grundsätzlich entsprechend dem konkret vereinbarten Tarif eine vollkostendeckende Taxe zu übernehmen hat. Regierungsrat Eder beschränkte und bezog sich bei dieser Aussage selbstredend ausdrücklich auf Paraplegiker-Patienten. Somit ist bezüglich dieser Patientenkategorie von einer offenen Spitalliste auszugehen, was zur Folge hat, dass sich die Beklagte nicht unter Berufung auf die Spitalliste des Kantons Zug der Leistungspflicht gegenüber der Klägerin entziehen kann. Damit erübrigt sich aber die Prüfung der Frage, ob in concreto medizinische Gründe im Sinne von Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG vorliegen, bzw. ist festzustellen, dass die Spitalliste des Kantons Zug für den Fachbereich Paraplegie nicht massgebend sein kann, um die Voraussetzung der medizinischen Gründe zu definieren.

Mit dieser Feststellung allein ist aber die Frage nach dem anwendbaren Tarif noch nicht definitiv beantwortet. Das Bundesgericht hat in langjähriger Rechtsprechung festgehalten, dass in der bis zum 31. Dezember 2008 gültig gewesenen (und vorliegend auch anwendbaren) Fassung von Art. 41 KVG hinsichtlich der Wahlfreiheit des Versicherten zwischen der Zulassung des Leistungserbringers und der tarifrechtlichen Frage unterschieden werden müsse. Ersteres bedinge nicht zwingend die Anwendung des Tarifs des Leistungserbringers (BGE 127 V 398, zusammengefasst in BG-Urteil 9C_690/2008 vom 30.4.2009 E. 3.1). In seinem Entscheid vom 30. April 2009 ging das Bundesgericht jedoch von einer weiten Interpretation der medizinischen Gründe nach Art. 41 Abs. 2 lit. b KVG aus, indem es den Tarifschutz auch auf denjenigen des ausserkantonalen Spitals bezog (BG-Urteil 9C_690/2008 vom 30.4.2009 E. 3.4).

Als Zwischenresultat ergibt sich, dass die Berufung der Beklagten auf die Spitalliste des Kantons Zug vorliegend nicht taugt, um einen anderen, als den Tarif der Klägerin anzuwenden, sofern die weiteren, nachfolgend zu behandelnden Voraussetzungen gegeben sind.

5.- Die Beklagte bestreitet das Vorhandensein der vertraglichen Indikation zur stationären Behandlung bei der Klägerin. Es habe sich gemäss Kostengutsprache um Akutbehandlungen gehandelt und nicht um Notfallbehandlungen, wie dies im Vertrag vorgesehen sei.

Die Klägerin hatte im Gesuch um Kostengutsprache vom 6. Juni 2005 unter dem Titel "Indikation" tatsächlich die Rubrik "Patient mit Para-Tetraplegie jeder Aetiologie zur notfallmässigen Primärversorgung, Behandlung und Rehabilitation" angezeichnet. Daraus wäre allerdings keine genügende Indikation gemäss Vertrag als gegeben zu erachten, war doch A schon seit dem Jahre 2002 an Tetraplegie erkrankt, und beim Eintritt bei der Klägerin vom 6. Juni 2005 handelte es sich deshalb nicht um eine Primärversorgung. Aus den zusätzlichen Informationen geht jedoch hervor, dass sich A notfallmässig zur Wiederaufnahme einer invasiveren Schmerztherapie gemeldet habe. Dem Austrittsbericht vom 8. August 2005 ist zu entnehmen, dass auch ein unklarer Infekt vorhanden war sowie eine Erweiterung des dissezierenden Aortenaneurysmas mit Ausdehnung der Dissektion in die rechte Arteria iliaca communis mit Zunahme der Thrombosierung des falschen Lumens (kläg. Beleg 25). Damit ist die Indikation der unter Erwägung 3b erwähnten plegiebedingten Komplikationen für den Aufenthalt im Sommer 2005 erfüllt. Am 7. Dezember 2005 musste A notfallmässig zur Behandlung einer Sepsis urologischer Aetiologie nach Cystofixeinlage hospitalisiert werden. Er wurde mit der Ambulanz eingeliefert, nachdem er hohes Fieber entwickelte (Austrittsbericht vom 29.12.2005). Auch damit erfüllte A die oben erwähnte Indikation der notfallmässigen Behandlung. Schliesslich erfolgte die Einlieferung vom 24. Mai 2006 aufgrund eines Dekupitalulkus Grad IV B mit Taschenbildung über dem Tuber ischiadicum links und eines Rezidiv-Ulkus über dem Os sacrum Grad II. Im Verlauf der Behandlung stellten sich verschiedene Komplikationen ein, wie dies aus dem Austrittsbericht vom 31. Oktober 2006 hervorgeht (kläg. Beleg 27).

Die Beklagte bestreitet die Indikationen für die drei Aufenthalte von A generell ohne weitere konkrete Angaben. Sie weist in ihrer Klageantwort auf ein Schreiben von PD Dr. med. E, stv. Chefarzt und Leiter Gefässchirurgie am Inselspital Bern, vom 20. Dezember 2007 hin. In der Duplik wird erwähnt, es handle sich nicht um Primärversorgungen und für die Aufenthalte im Dezember 2005 und im Sommer 2006 sei nicht die Paraplegie im Vordergrund gestanden. Wie oben erwähnt, erfolgte die Indikation für den ersten Aufenthalt im Juni/Juli 2005 aufgrund der plegiebedingten Komplikation, eine Primärversorgung war nicht gegeben. Auch die beiden folgenden Aufenthalte waren plegiebedingt, was gerade Dr. E in seinem Schreiben vom 20. Dezember 2007 bestätigte, indem er ausführt, dass die beiden Spitalaufenthalte bedingt waren durch bekannte Komplikationen bei Tetraparese. Dr. E erwähnt, dass diese Aufenthalte auch im Inselspital hätten stattfinden können. Dies mag sehr wohl zutreffen, ist jedoch nicht massgebend. Relevant ist vorliegend allein die Indikation der plegiebedingten Komplikation gemäss Vertrag. Die vertragliche Indikation ist somit zweifellos erfüllt. Die Beklagte macht denn auch keine näheren Angaben, inwiefern dies trotz der medizinischen Berichte nicht der Fall sein sollte.

6.- Schliesslich stellt die Beklagte fest, dass von Seiten der Klägerin noch nie eine Rechnung für die Hospitalisationen erstellt worden sei. Dies sei aber gemäss Vertrag Voraussetzung für die Bezahlung der Leistung.

Die Klägerin hatte mit dem Kostengutsprachegesuch stets verlangt, dass die Kostengutsprache aufgrund des Tarifs der Klägerin (Fr. x) erfolge. Die Beklagte hat dies stets bestritten. Es ist nachvollziehbar, dass während dieses streitigen Verfahrens noch keine Rechnungstellung erfolgte. Schliesslich erstellte die Klägerin am 26. Oktober 2009 die Schlussrechnungen für die drei Aufenthalte mit dem Tarif über Fr. x. Die Forderung war - abgesehen von der Höhe des Tarifs und der grundsätzlichen Frage der Indikation - stets unbestritten und insofern liquid. Die nachfolgende Rechnungsstellung ändert am Bestand und der Berechtigung der Forderung nichts.

Insofern aber die Klägerin einen Zins von 5% vom Gesamtbetrag seit 1. Januar 2007 verlangt, ist dem Begehren nicht zu folgen. Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene ATSG sieht in Art. 26 eine für sämtliche Sozialversicherungen (mit Ausnahme der beruflichen Vorsorge gemäss BVG) geltende Regelung der Verzugsund Vergütungszinsen vor. Nach Abs. 1 dieser Norm sind für fällige Beitragsforderungen und Beitragsrückerstattungsansprüche Verzugsund Vergütungszinsen zu leisten. Gemäss Abs. 2 der Bestimmung sind die Sozialversicherungen für ihre Leistungen nach Ablauf von 24 Monaten nach der Entstehung des Anspruchs, frühestens aber 12 Monate nach dessen Geltendmachung verzugszinspflichtig, sofern die versicherte Person ihrer Mitwirkungspflicht vollumfänglich nachgekommen ist. Art. 26 Abs. 2 ATSG hat das Versicherungsverhältnis zum Gegenstand und sieht eine Verzugszinspflicht nur zu Lasten der Sozialversicherungen auf deren Leistungen gegenüber dem Versicherten vor (EVG-Urteile K 4/06 vom 15.11.2006 und K 40/05 vom 12.1.2006). Auf den hier zu beurteilenden Fall der Forderung eines Leistungserbringers ist sie nicht anwendbar.

Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass die Klägerin berechtigt ist, für die drei Aufenthalte von A den Tarif gemäss Vertrag zu verrechnen und somit die mit der Schlussrechnung vom 26. Oktober 2009 gestellte Forderung zu Recht besteht.

(...)

Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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