A. - A erlitt anlässlich eines Hausbrandes im Oktober 1993 starke Rauchvergiftungen mit nachhaltigen psychischen Folgen nebst Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen. Mit Verfügung vom 15. März 1996 gewährte die SUVA als Unfallversicherer für die Restfolgen der psychogenen Störung eine einmalige finanzielle Entschädigung von insgesamt Fr. 72936.- auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 100% ab 1. April 1996, 75% ab 1. April 1997, 50% ab 1. August 1997, 25% ab 1. Dezember 1997 und 0% ab 1. April 1998. Gegen diese Verfügung erhob B namens A Einsprache mit dem Antrag, die Invalidenrente sei den tatsächlichen Verhältnissen anzupassen und neu mit einer 100%-igen Erwerbsunfähigkeit zu verfügen. Die Einsprache wurde mit Entscheid vom 10. Juni 1996 abgewiesen.
B. - Gegen diesen Entscheid reichte B am 26. Oktober 1996 beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Mit Entscheid vom 18. Dezember 1996 trat das angerufene Gericht mangels örtlicher Zuständigkeit nicht auf die Beschwerde ein und überwies die Beschwerdeakten an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern. Mit Schreiben vom 9. April 1997 reichte die SUVA die Akten des Versicherungsfalles ein und machte geltend, die Beschwerde sei zu spät erfolgt. Im Gegensatz zum Kanton Aargau kenne der Kanton Luzern im Verwaltungsrechtspflegegesetz keine Gerichtsferien. Die dreimonatige Beschwerdefrist sei aber bei Einreichung der Beschwerde am 26. Oktober 1996 bereits abgelaufen gewesen. Würde auf die Beschwerde eingetreten, würde derjenige Versicherte privilegiert, der seine Beschwerde bei einem örtlich unzuständigen Gericht (mit Gerichtsferien) einreicht gegenüber demjenigen, welcher die Beschwerde direkt beim örtlich zuständigen Gericht (ohne Gerichtsferien) einreicht.
In seiner Stellungnahme beantragte Rechtsanwalt C sinngemäss Eintreten auf die Beschwerde vom 26. Oktober 1996 unter Hinweis auf die Begründung des Nichteintretensentscheides des aargauischen Verwaltungsgerichtes, das in den Erwägungen ausgeführt habe, A dürfe kein Nachteil daraus erwachsen, dass sein Vertreter die Beschwerde bei einem örtlich unzuständigen Gericht eingereicht habe. Dieses Urteil sei in Rechtskraft erwachsen. Über die Frage der rechtzeitigen Einreichung sei bereits materiell entschieden. Im übrigen sei in der Verfügung vom 15. März 1996 bereits die Kreisagentur Aarau als Beschwerdeeinreichungsstelle bezeichnet worden. Als juristischer Laie sei B davon ausgegangen, dass auch die gerichtliche Beschwerde in Aarau einzureichen sei. Eine Privilegierung von einzelnen Versicherten - wie die SUVA dies behaupte - sei im konkreten Fall nicht gegeben, da die Einreichung beim örtlich unzuständigen Gericht nicht zum vorneherein mit der Absicht der Fristwahrung und somit rechtsmissbräuchlich vorgenommen worden sei.
Das Verwaltungsgericht ist auf die Beschwerde nicht eingetreten:
1. - Gemäss Art. 106 Abs. 1 des Unfallversicherungsgesetzes (UVG) können Einspracheentscheide beim zuständigen kantonalen Gericht mit Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerdefrist beträgt bei Einspracheentscheiden über Versicherungsleistungen drei Monate, in den übrigen Fällen 30 Tage. Nach Art. 107 Abs. 2 UVG ist das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in welchem der Betroffene seinen Wohnsitz hat. Die Kantone regeln das Verfahren, das verschiedenen Minimalanforderungen zu genügen hat (Art. 108 UVG).
Es ist vorliegend unbestritten, dass die Beschwerde vom 26. Oktober 1996 erst nach Ablauf von drei Monaten erfolgt ist und bei einem örtlich unzuständigen Gericht eingereicht wurde. Streitig ist allein die Frage, ob die Tatsache, dass das aargauische Verwaltungsverfahrensrecht die dreimonatige Frist verlängert, dazu führen kann bzw. muss, dass die noch in dieser verlängerten Frist eingereichte Beschwerde unabhängig von den Regelungen des am Ort des zuständigen Gerichts geltenden Verfahrensrechts als rechtzeitig erfolgt betrachtet werden muss. Wenn diese Frage verneint werden muss, wäre die Beschwerde verspätet eingereicht worden, da das luzernische Verwaltungsverfahrensrecht keine Gerichtsferien vorsieht.
2. - Der Beschwerdeführer macht vorab geltend, das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau habe bereits über die Rechtzeitigkeit der Beschwerde befunden. Dieses Urteil sei in Rechtskraft erwachsen, weshalb das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern über diese Frage nicht mehr befinden könne.
Dem ist offensichtlich nicht so. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau ist auf die Beschwerde im Ganzen nicht eingetreten. Es hat die Beschwerde vollumfänglich zur Beurteilung dem zuständigen Gericht überwiesen. Eine Teilbeurteilung im Formellen hat es nicht vorgenommen und wäre auch nicht rechtens gewesen. Dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern obliegt die vollumfängliche Beurteilung des Beschwerdefalles sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau in den Erwägungen den allgemeinen Hinweis aufgeführt hat, dass dem Beschwerdeführer die Rechtsmittelfrist gewahrt bleibe. Die dazu angeführten Hinweise auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zeigen auf, dass dabei auf die allgemeine Rechtspraxis und zum Teil auf gesetzliche Bestimmungen Bezug genommen wird, wonach die innert Frist beim unzuständigen Gericht eingereichten Eingaben als rechtzeitig erfolgt betrachtet werden. Damit ist aber die Frage nach der massgebenden Frist noch nicht beantwortet.
3. - Art. 108 UVG bestimmt unter dem Titel Verfahrensrecht was folgt: Die Kantone regeln das Verfahren ihrer Versicherungsgerichte. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen: (Es folgt eine Aufzählung in lit. a-i.) Zur Verfahrensregelung vor ihren Gerichten sind die Kantone schon kraft ihrer Souveränität, die in diesem Punkt nicht eingeschränkt ist, befugt. Der erste Satz in Art. 108 UVG hat nur hinsichtlich der nachfolgenden Auflagen einen Sinn, wobei erst noch fraglich ist, inwieweit solche Auflagen verfassungskonform sind (BGE 116 V 272 Erw. 5b in fine). Zur Verfahrensregelung gehören auch Bestimmungen hinsichtlich der Gerichtsferien und des Rechtsstillstandes (BGE 116 V 265ff.). Insoweit solche Bestimmungen nicht von Bundesrechts wegen zu beachten sind - wobei deren Verfassungsmässigkeit aufgrund von Art. 113 Abs. 3 BV nicht überprüft werden kann -, gelten die Verfahrensbestimmungen der Kantone.
Das Unfallversicherungsgesetz gewährt in Art. 106 Abs. 1 eine dreimonatige Frist zur Beschwerdeerhebung. Weitere Anforderungen hinsichtlich Fristbemessung sind insbesondere in den Auflagen des Art. 108 UVG nicht enthalten. Somit ist das zuständige Gericht, das sein für ihn massgebendes kantonales Verfahrensrecht anwendet, an keine weiteren Auflagen gebunden (vgl. auch RKUV 1994 S. 208f.).
4. - Die Bestimmungen über die Handhabung der Fristen finden sich in Art. 97 UVG. Der letzte Satz von Absatz 1 dieser Gesetzesbestimmung lautet wie folgt: Gelangt die Eingabe rechtzeitig an einen unzuständigen Versicherer eine unzuständige Behörde, so gilt die Frist als gewahrt. Zu beachten ist, dass dieser Satz in unmittelbarem Zusammenhang zum ersten Satz dieses Absatzes steht, der generell die Einhaltung einer Frist wie folgt regelt: Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist (...) übergeben werden.
Grundsätzlich gilt somit die Beachtung des letzten Tages der Frist. Ob sich diese Frist aufgrund des kantonalen Verfahrensrechtes verlängert, bestimmt sich nach dem massgebenden kantonalen Recht. Die Bestimmungen des letzten Satzes in Abs. 1 von Art. 97 UVG wollen den Rechtssuchenden davon bewahren, dass zwischen der rechtzeitigen Einreichung und der Weiterweisung an die zuständige Behörde ein Fristablauf eintritt (siehe dazu auch BGE 118 Ia 241). Die bereits verspätet erfolgte Einreichung bei einer unzuständigen Behörde vermag aber die verpasste Frist nicht wiederherzustellen. Daran vermag auch der Umstand, dass am Ort des unzuständigen Gerichts allfällige Gerichtsferien bestehen, nichts zu ändern.
Eine gegenteilige Interpretation würde darauf hinauslaufen, dass die Verfahrensbestimmungen eines einzelnen Kantons hinsichtlich Gerichtsferien und Rechtsstillstand praktisch in allen Kantonen zur Anwendung kämen. Jedesmal wenn ein Beschwerdeführer bei einem unzuständigen Gericht in einem Kanton mit ferienbedingt verlängerten Fristen eine Beschwerde einreicht, müsste das zuständige Gericht - unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs - fremde statt die eigenen Verfahrensregeln anwenden. Dies tangiert die kantonale Verfahrenshoheit in verfassungswidriger Weise und widerspricht im übrigen auch dem Sinn von Satz 1 des Art. 108 UVG. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass sich das Wort rechtzeitig im letzten Satz des Art. 97 Abs. 1 UVG nicht auf die unzuständige Behörde und die von ihr angewandten Verfahrensregeln, sondern auf die Fristbestimmung in Satz 1 der genannten Gesetzesbestimmung bezieht.
5. - Insofern der Beschwerdeführer geltend macht, er habe nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt und die Beschwerde gutgläubig beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau eingereicht, ist er nicht zu hören. Es geht vorliegend nicht um die Frage des Rechtsmissbrauchs, ansonsten die Beschwerde gegebenenfalls schon aus diesem Grund abgewiesen werden müsste. Der Beschwerdeführer kann sich auch nicht darauf berufen, gutgläubig gehandelt zu haben. Aus der Tatsache, dass seinerzeit in der Verfügung die Zweigstelle Aarau als Einspracheinstanz bezeichnet worden ist, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Im Einspracheentscheid selber wurde korrekt das Versicherungsgericht jenes Kantons, in dem der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz hat, als zuständig bezeichnet. Der gute Glaube könnte dem Beschwerdeführer dann zugebilligt werden, wenn in diesem Entscheid das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau als Beschwerdeinstanz bezeichnet worden wäre. In diesem Falle käme der Grundsatz zur Anwendung, dass aus einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung dem Rechtssuchenden kein Rechtsnachteil erwachsen darf, sofern die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung nicht offenkundig ist. Im vorliegenden Fall war die Rechtsmittelbelehrung korrekt. Der damalige Vertreter des Beschwerdeführers hätte bei obwaltender Sorgfalt das zuständige Gericht leicht erkennen können. Der Hinweis des jetzigen Parteivertreters, dem damaligen Vertreter als juristischem Laien könne diesbezüglich kein Vorwurf gemacht werden, geht somit fehl.
6. - Gründe, die eine Wiederherstellung der Frist rechtfertigen würden, sind vorliegend nicht ersichtlich und werden zu Recht auch nicht geltend gemacht.
Aufgrund der gemachten Ausführungen ist festzustellen, dass die Beschwerde vom 26. Oktober 1996 gegen den Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 10. Juni 1996 im Sinne von Art. 97 UVG verspätet eingereicht worden ist. Auf die Beschwerde kann somit nicht eingetreten werden.
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