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Urteil andere Verwaltungsbehörden (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:Rsth L 2003 9
Instanz:andere Verwaltungsbehörden
Abteilung:Regierungsstatthalter des Amtes Luzern
andere Verwaltungsbehörden Entscheid Rsth L 2003 9 vom 21.08.2003 (LU)
Datum:21.08.2003
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Erwachsenen- und Einzeladoption. Artikel 264b und 266 ZGB. Die Einzeladoption bietet keinen Ersatz für das fehlende Eherecht gleichgeschlechtlicher Partner.

Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 20 IPRG ; Art. 264b ZGB ; Art. 265 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Jolanta Kren Kostkiewicz; Max Keller;
Entscheid
1. Zuständig für Entscheide über Adoptionen ist gemäss § 1 der Verordnung über die Adoptionen (SRL Nr. 203) die Regierungsstatthalterin oder der Regierungsstatthalter am Wohnsitz der gesuchstellenden Personen. Damit ist die sachliche Zuständigkeit zur Beurteilung des vorliegenden Gesuchs gegeben. Der Gesuchsteller ist in der luzernischen Gemeinde X angemeldet. Aufgrund der vom Gesuchsteller eingereichten Unterlagen und seines Verhaltens bestehen jedoch Zweifel über die örtliche Zuständigkeit des Regierungsstatthalters des Amtes Luzern.

In seiner Eingabe vom 5. Februar 2003 gibt der Gesuchsteller sowohl den ausländischen Ort Z wie auch die Gemeinde X als seinen Wohnort an. Gemäss Artikel 20 Absatz 1a des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) hat eine natürliche Person ihren Wohnsitz in dem Staat, in dem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Niemand kann an mehreren Orten zugleich Wohnsitz haben (Art. 20 Abs. 2 IPRG). Mit Aufenthalt ist ein Verweilen an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Land gemeint. Dieses Verweilen darf nicht bloss vorübergehend sein, sondern muss mit der Absicht dauernden Verbleibens verbunden sein. Die Absicht des dauernden Verbleibens äussert sich darin, dass die Person in ihrem Verhalten zeigt, dass sie an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Land den Mittelpunkt ihrer persönlichen und beruflichen Beziehungen begründet oder beibehält (Max Keller/Jolanta Kren Kostkiewicz, IPRG-Kommentar [Hrsg: Heini/Keller/Siehr/Vischer/Volken], N 18 ff. zu Art. 20). Die Absicht tritt nach aussen dadurch in Erscheinung, dass eine Person an einem Ort den Mittelpunkt oder Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen hat. Dabei kommt es nicht auf den inneren Willen, sondern darauf an, auf welche Absicht die erkennbaren Umstände objektiv schliessen lassen. Wenn sich die Beziehungen auf mehrere Orte verteilen, so liegt für die Bestimmung des Wohnsitzes das Hauptgewicht nicht auf dem Ort der Berufstätigkeit, sondern auf den Beziehungen des häuslichen Lebens, zu nahen Angehörigen, Freundesund Bekanntenkreis (Tuor/Schnyder/Schmid, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11.Aufl., Zürich 1995, S. 84). Indizien, nicht aber genügende Beweise für die Erlangung eines zivilrechtlichen Wohnsitzes sind die Hinterlegung der Papiere und die Zahlung von Steuern.

Aus den vom Gesuchsteller aufgelegten Akten geht hervor, dass er seine beruflichen Beziehungen in Z hat, verfügt er doch dort über ein Geschäft, in dem er, der erwachsene B, den er adoptieren will, und ein Kompagnon arbeiten. Aus dem Abklärungsbericht der Gemeinde X vom 8. Juli 2003 geht hervor, dass er hier keine Angehörigen mehr hat. Er habe zwar noch Verwandte, zu welchen er aber keinen Kontakt pflege. Während seiner Krankheitszeit sei er in einem Krankenhaus in Z hospitalisiert gewesen. Ausser den Eltern von B, seinem Kompagnon und Angestellten der Firma gebe es keine weiteren Personen oder Institutionen, welche Auskünfte über die Beziehung zwischen ihm und B erteilen könnten. Gemäss eigenen Aussagen liegt der Lebensmittelpunkt des Gesuchstellers überall dort, wo er Grundstücke besitzt. Der längere Krankheitsaufenthalt im dortigen Krankenhaus, der Wohnsitz von B, die berufliche Tätigkeit und die sozialen Kontakte weisen darauf hin, dass der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Gesuchstellers in Z liegt. Dies wird zusätzlich durch die Tatsache bestätigt, dass die vom Gesetz als Voraussetzung für eine Adoption verlangte Hausgemeinschaft von fünf Jahren nach den Angaben im Gesuch im Wesentlichen in Z gelebt wurde, wo B in einer eigenen Wohnung im Haus des Gesuchstellers wohnt. Somit ist davon auszugehen, dass sich auch der tatsächliche Wohnsitz des Gesuchstellers dort befindet.

Unter diesen Umständen ist der Regierungsstatthalter des Amtes Luzern örtlich nicht zuständig. Auf das Gesuch kann daher nicht eingetreten werden. Selbst wenn darauf eingetreten werden könnte, müsste das Gesuch aus folgenden Überlegungen - die angesichts ihrer grundsätzlichen Bedeutung nicht unerwähnt bleiben sollen - wahrscheinlich abgelehnt werden.

2. Gemäss Artikel 264b Absatz 1 ZGB darf eine unverheiratete Person allein adoptieren, wenn sie das fünfunddreissigste Altersjahr zurückgelegt hat. Das Kind muss wenigstens sechzehn Jahre jünger sein als die Adoptiveltern. Ist das Kind urteilsfähig, so ist zur Adoption seine Zustimmung notwendig (Art. 265 Abs. 1 und 2 ZGB). Fehlen Nachkommen, so darf eine mündige oder entmündigte Person adoptiert werden, wenn wichtige Gründe vorliegen und die zu adoptierende Person während wenigstens fünf Jahren mit den Adoptiveltern in Hausgemeinschaft gelebt hat (Art. 266 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB).

Der Gesuchsteller wurde am 6. Juni 1938 geboren und hat damit das fünfunddreissigste Altersjahr zurückgelegt. Der Altersunterschied zu B beträgt mehr als sechzehn Jahre, und dieser hat seine Zustimmung zur Adoption erklärt. Grundsätzlich wären damit die formellen Voraussetzungen der Artikel 264b und 265 ZGB erfüllt. Es ist aber zu beachten, dass die Einzeladoption einen sachlichen Ausnahmefall darstellt. Sie verschafft dem Kind nur einen Elternteil und führt es nicht wie die Stiefkindadoption und die anderen Adoptionsformen in eine vollständige Familie (Peter Breitschmid, Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2002, N 1 zu Art. 264b ZGB). Trotz des Ausnahmecharakters der Einzeladoption sind vom Gesetz wichtige Gründe nicht explizit vorgeschrieben, was aber nichts daran ändert, dass das Kindeswohl unter dem speziellen Gesichtspunkt, dass dem Kind nur ein Elternteil verschafft wird, zu würdigen ist. Eine Einzeladoption ist deshalb nicht primär in der rechtlichen Ausgestaltung, jedoch sachlich ein Ausnahmefall. Sie kann aber dennoch dem Kindeswohl dienen (Breitschmid, a.a.O., N 5 zu Art. 264b ZGB). Im vorliegenden Fall fällt auf, dass der Gesuchsteller weder im Gesuch noch im Rahmen der Erkundigungen zum Abklärungsbericht wichtige Gründe vorgebracht hat, weshalb die Auflösung der rechtlichen Beziehung zu den leiblichen Eltern und die Begründung eines Kindesverhältnisses zu nur einem neuen Elternteil dem Kindeswohl entsprechen sollte.

Die Einzeladoption bietet insbesondere keinen Ersatz für das fehlende Eherecht gleichgeschlechtlicher Partner. Insbesondere darf die Behörde auch nicht Hand bieten, dass durch Adoption eine familienrechtliche Beziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern geschaffen wird: Dies nicht deshalb, weil diesen die rechtliche Stabilisierung ihrer Beziehung vorenthalten werden soll, sondern weil das durch Adoption geschaffene Eltern-Kind-Verhältnis nicht Fundament einer partnerschaftlichen Beziehung abgeben kann und zudem unauflöslich ist (Breitschmid, a.a.O., N 2 und 3 zu Art. 264b ZGB). Der Gesuchsteller ist offenbar nicht bereit, über seine persönlichen Beziehungen und seine Lebensweise Auskunft zu geben. Die Beantwortung der gestellten Fragen ist aber wesentlicher Bestandteil zur Abklärung, ob die Adoption dem Wohl des zu Adoptierenden dient. Werden diese Fragen nicht beantwortet, muss davon ausgegangen werden, dass die Grundlage zur Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses nicht gegeben ist. Nach den gesamten Informationen und Unterlagen kann im vorliegenden Fall unter anderem eine gleichgeschlechtliche Beziehung nicht ausgeschlossen werden. Selbst wenn auf das Gesuch eingetreten werden könnte, müsste es daher abgewiesen werden.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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