Der Beschwerdegegner vertritt die Gegenpartei des Beschwerdeführers in einer nachbarrechtlichen Streitsache vor Amtsgericht. Der Beschwerdeführer hatte im dorti-gen Verfahren nach eigenen Angaben u.a. behauptet, sein Nachbar dessen Famili-enangehörige hätten einen für die Beweisführung wichtigen Marchstein beiseite schaf-fen lassen. Daraufhin schrieb der Beschwerdegegner dem Beschwerdeführer, er verbiete ihm, das Grundstück seiner Mandanten zu betreten, ansonsten er wegen Hausbzw. Landfriedensbruchs strafrechtlich verfolgt werde. Im Weiteren drohte er dem Be-schwerdeführer auch strafrechtliche Schritte an für den Fall, dass dieser seinen Vorwurf wiederholen sollte, seine Mandanten hätten einen Grenzstein verrückt, unkenntlich ge-macht, falsch gesetzt verfälscht. Daraufhin gelangte der Beschwerdeführer an die Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte mit dem Begehren, der Beschwerdegegner sei wegen dieser Androhungen zu disziplinieren, da er damit versuche, ihn in der Prozess-führung zu behindern. Die Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte hat die Beschwerde abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
3. - Der Anwalt darf sich bei der Verfechtung der Interessen seines Auftraggebers nur der von der Rechtsordnung vorgesehenen Angriffsund Verteidigungsmittel bedie-nen. Insbesondere hat es der Anwalt zu unterlassen, die Gegenpartei durch Drohung zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Die Drohung mit einer nicht aussichtslosen Ziviloder Strafklage ist allerdings dann als zulässig zu betrachten, wenn die in Aus-sicht gestellte Klage mit der Streitsache in direktem Zusammenhang steht. Ein sachli-cher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn der Rechtsanwalt mit einer Strafanzeige droht, um jemanden von der Begehung eines Delikts abzuhalten (Zemp Heini, Das Lu-zerner Anwaltsrecht, Winterthur 1968, S. 110f.; Handbuch über die Berufspflichten des Rechtsanwaltes im Kanton Zürich, herausgegeben vom Verein Zürcherischer Rechtsan-wälte auf der Grundlage der 1969 erschienenen Dissertation von Dr. Paul Wegmann, Zürich 1988, S. 170f.). Bei der Grenzziehung zwischen zulässigem und unzulässigem Vorgehen ist zu berücksichtigen, ob begründeter Anlass zu scharfem Vorgehen bestan-den ob dieses ausschliesslich der Provokation gedient hat (LGVE 1990 I Nr. 30; Handbuch S. 168).
3.1. Der Beschwerdeführer hat in einem nachbarrechtlichen Streit nach eigenen Angaben den Vorwurf erhoben, die Klientschaft des Beschwerdegegners hätte einen Marchstein beiseite schaffen lassen. Dies ist ehrenrührig, falls sich der Entlastungsbe-weis nicht erbringen lässt. Die Strafanzeige ist ein rechtlich zulässiges Mittel gegenüber einer Behauptung ehrenrührigen Inhalts. Zudem erfolgte die beanstandete Äusserung des Beschwerdegegners als Reaktion auf eine Anschuldigung des Beschwerdeführers; sie stand mithin in einem sachlichen Zusammenhang mit dem geführten Prozess. Die Drohung mit einer Strafanzeige verfolgte den Zweck, mögliche künftige Ehrverletzun-gen des Beschwerdeführers gegenüber der Klientschaft des Beschwerdegegners zu ver-hindern. Damit war sie im Sinne der zitierten Lehre und Rechtsprechung zulässig, da sowohl das Mittel als auch der verfolgte Zweck zulässig waren, ebenso die Verknüpfung von Mittel und Zweck. Es ging dem Beschwerdegegner offensichtlich nicht darum, den Beschwerdeführer in seiner Prozessführung zu behindern, sondern darum, seine Klient-schaft vor zukünftigen (ungerechtfertigten) Anschuldigungen zu bewahren. Eine Stan-deswidrigkeit des Beschwerdegegners ist daher zu verneinen.
3.2. Der Beschwerdeführer beanstandet weiter die Drohung des Beschwerdegeg-ners mit einer Anzeige wegen Hausbzw. Landfriedensbruchs für den Fall, dass der Be-schwerdeführer das Grundstück der Klientschaft des Beschwerdegegners betrete. Nach Auffassung des Beschwerdeführers will der Beschwerdegegner damit im Prozessverlauf Vorteile für seine Mandanten herbeidrohen. Der Beschwerdeführer legt allerdings nicht dar, inwiefern der Beschwerdegegner seiner Klientschaft dadurch Vorteile im Prozess verschaffen könnte, zumal auch nicht bekannt ist, was der genaue Gegenstand jenes Prozesses ist. Im Übrigen kann keine Standeswidrigkeit darin erblickt werden, dass der Beschwerdegegner dem Beschwerdeführer das Betreten des Grundstücks seiner Klient-schaft mit Nachdruck verboten hat. Ein unberechtigtes Betreten des Grundstücks der Klientschaft des Beschwerdegegners durch den Beschwerdeführer würde gegebenenfalls den Tatbestand des Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB) erfüllen, weshalb die Drohung mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs ein erlaubtes Mittel darstellt, einen be-fürchteten Eingriff abzuwehren. Nicht einschlägig ist hingegen die Drohung mit einer Anzeige wegen «Landesfriedensbruch» (gemeint wohl Landfriedensbruch). Landfrie-densbruch im Sinne von Art. 260 StGB steht im vorliegenden Fall nicht zur Diskussion, da dieser Straftatbestand nicht das Eindringen in fremdes Land mit Strafe bedroht, son-dern die Teilnahme an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei der mit vereinten Kräf-ten gegen Menschen Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden (Art. 260 Abs. 1 StGB). Vielmehr hat der Beschwerdegegner die Ausdrücke Hausfriedensbruch und «Landesfriedensbruch» als Synonyme verwendet, was in Kenntnis der juristischen Ter-minologie unzutreffend ist. Nachdem sich aus dem Zusammenhang aber ohne weiteres ergibt, dass es dem Beschwerdegegner darum ging, Übergriffe des Beschwerdeführers auf das Grundstück seiner Klientschaft zu verhindern, schadet die falsche juristische Ausdrucksweise unter dem Titel des Standesrechts nicht. Eine Standeswidrigkeit des Beschwerdegegners ist daher auch in diesem Punkt zu verneinen. Nicht zu entscheiden ist im vorliegenden Verfahren darüber, inwieweit dem Beschwerdeführer allenfalls ge-stützt auf den von ihm angerufenen § 93a Ziff. 1 EGZB zum Unterhalt seiner Einfrie-dungen ein Recht zum Betreten des Grundstücks der Klientschaft des Beschwerdegeg-ners zusteht.
Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte, 9. Oktober 2000 (AR 00 21)
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