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Urteil Verwaltungsgericht (LU - A 97 336)

Zusammenfassung des Urteils A 97 336: Verwaltungsgericht

Der Stadtrat von Luzern ordnete im März 1997 eine Vormundschaft für die 1946 geborene Person A an und entzog ihr später den Führerausweis aufgrund eines psychischen Leidens. A wurde aufgefordert, sich von einem Vertrauensarzt auf ihre Fahrtauglichkeit untersuchen zu lassen, was sie nicht innerhalb der Frist tat. Das Strassenverkehrsamt entzog daraufhin beide Führerausweise rückwirkend ab Mai 1997. A legte Beschwerde ein, um ihren Führerausweis zurückzuerhalten. Das Verwaltungsgericht entschied, dass die Verwaltung den Sachverhalt von Amtes wegen ermitteln muss und dass A Mitwirkungspflichten hat, um ihre Fahreignung nachzuweisen. Das Gericht betonte die Bedeutung einer psychiatrischen Untersuchung und dass die Verwaltung klare Fragen an den Sachverständigen stellen muss.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts A 97 336

Kanton:LU
Fallnummer:A 97 336
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Abgaberechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid A 97 336 vom 18.12.1997 (LU)
Datum:18.12.1997
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 9 Abs. 1 VZV; § 53 VRG. Sicherungsentzug eines Führerausweises; Geltung des Untersuchungsgrundsatzes bei der Eignungsabklärung. Die Administrativbehörde hat den massgebenden Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln. Im Rahmen einer Eignungsabklärung bedeutet dieser Grundsatz, dass die Verwaltung eine Person, bei der sie eine medizinisch begründete Ungeeignetheit im Strassenverkehr vermutet, nicht einfach einem Sachverständigen «übergeben» darf. Sie hat diesem vielmehr einen bestimmten, sachbezogenen Auftrag zu erteilen.
Schlagwörter: ändig; Verwaltung; Führer; Abklärung; Sachverhalt; Verfügung; Amtes; Schaffhauser; Mitwirkungspflichten; Eignung; Sachverständigen; Sinne; Strassenverkehrsamt; Fahreignung; Führerausweis; Gesundheit; Untersuchung; Behörde; Verfahren; Aufgabe; Fragen; Luzern; Führerausweise; Gutachten; Behörden; Sachverhaltes; Tatsachen; Sachverhalts
Rechtsnorm: Art. 370 ZGB ;
Referenz BGE:117 V 379;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts A 97 336

Im März 1997 ordnete der Stadtrat von Luzern über die 1946 geborene A eine Vormundschaft im Sinne von Art. 370 ZGB an und ernannte Amtsvormund B zum Vormund. Am 14. Mai 1997 verfügte das Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern gegenüber A den sofortigen vorsorglichen Entzug ihres Führerund Schiffsführerausweises, weil aufgrund ihres psychischen Leidens die Fahreignung nicht mehr gegeben sei. Zugleich hielt es sie an, sich auf eigene Kosten von einem Vertrauensarzt (Spezialarzt der Psychiatrie) auf ihre Fahrtauglichkeit hin untersuchen zu lassen und den Arztbericht dem Strassenverkehrsamt innert drei Monaten zuzustellen. Nachdem A innerhalb der eingeräumten Frist kein Arztzeugnis beigebracht hatte, entzog das Strassenverkehrsamt mit Verfügung vom 26. September 1997 beide Führerausweise auf unbestimmte Zeit, rückwirkend ab dem 14. Mai 1997. Ferner wies es darauf hin, die Wiedererteilung des Führerausweises werde auf Gesuch hin geprüft unter der Bedingung, dass ein spezialärztliches Gutachten über die Fahreignung eingereicht werde.

Gegen die letzte Verfügung legte A selbständig Beschwerde an das Verwaltungsgericht ein mit dem Antrag, ihr den Führerausweis wiederzuerteilen.

Aus den Erwägungen:

3. - c) Die Behörden treffen die notwendigen Massnahmen, wobei die besonderen Verfahrensbestimmungen massgebend sind, die der Bundesgesetzgeber erlassen hat, so namentlich in der VZV. Die bundesgesetzlichen Normen werden ferner ergänzt durch die Bestimmungen des VRG, namentlich durch § 37 (Handeln von Amtes wegen), § 53 (Abklärung des Sachverhaltes von Amtes wegen), § 46 (Rechtliches Gehör) und § 48ff. (Akteneinsichtsrecht).

Das Administrativverfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz und der Rechtsanwendung von Amtes wegen beherrscht. Die Offizialmaxime besagt, dass die Verwaltung den Sachverhalt von Amtes wegen ermitteln muss. Diese hat von sich aus für die richtige und vollständige Abklärung aller entscheidrelevanten Tatsachen zu sorgen; sie untersteht dem Gebot der materiellen Wahrheitsforschung. Die Untersuchungspflicht als zwingende Verfahrensvorschrift dient der Sicherung der inhaltlichen Rechtmässigkeit der Verfügung (Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, Rz. 2649). Indessen gelten diese Grundsätze nicht uneingeschränkt, sondern finden ihre Ergänzung in den verschiedenen Mitwirkungspflichten der Parteien (LGVE 1992 II Nr. 47 Erw. 3a). Aus Treu und Glauben können Mitwirkungspflichten dann abgeleitet werden, wenn die Tatsachen für die Behörden nur schwer zugänglich sind bzw. lediglich die Partei in der Lage ist, zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen. Aus dem letztgenannten Grund ergeben sich beispielsweise Mitwirkungspflichten des von einer Administrativmassnahme Betroffenen im Sinne von Erscheinungspflichten. Sind Abklärungen über die Fahreignung bzw. die Gesundheit des Betroffenen erforderlich, hat er einer entsprechenden behördlichen Anordnung Folge zu leisten. Umfang und Art der jeweiligen Mitwirkungspflichten werden durch die Kriterien der Zumutbarkeit und der Verhältnismässigkeit bestimmt. Kommt eine mitwirkungspflichtige Person ihrer Obliegenheit, zur Abklärung des Sachverhaltes beizutragen, nicht nach, so wird dadurch die Beweislast nicht geändert; ihr Verhalten kann aber im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (Schaffhauser, a.a.O., Rz. 2650).

Im Rahmen der Eignungsabklärung bestimmt Art. 9 Abs. 1 VZV, dass u.a. eine psychiatrische Untersuchung durch eine von der Behörde zu bezeichnende Stelle angeordnet werden kann, wenn Zweifel an der charakterlichen psychischen Eignung des Führers bestehen. Ferner hat die Verwaltung dem Arzt auf Begehren alle Akten zur Verfügung zu stellen, welche die körperliche und psychische Eignung des zu Untersuchenden betreffen. Die Verwaltung darf den einer medizinischen Ungeeignetheit Verdächtigen nicht einfach dem Sachverständigen «übergeben». Sie hat diesem vielmehr einen bestimmten, sachbezogenen Auftrag zu erteilen, weil sie das Verfahren aufgrund des Vorliegens bestimmter Auffälligkeiten, die berechtigte Zweifel an der Eignung begründen, eingeleitet hat. Diese gaben Anlass zur Abklärung der Frage, ob solchem Verhalten eine eignungsbeeinträchtigende Krankheit ein solches Gebrechen zugrunde liegt (Schaffhauser, a.a.O., Rz. 2656). So ist es Aufgabe der Verwaltung, die Fragen an den Sachverständigen (Arzt) richtig, genau und ins einzelne gehend zu stellen. Aufgabe des Sachverständigen ist es, diese Fragen (und keine anderen) zu beantworten. Weil das medizinische (bzw. psychologische psychiatrische) Gutachten der Sachverhaltsfeststellung dient, haben sich die Fragen und die Antworten auf den Tatbestand zu beziehen. So ist es unzulässig, den medizinischen Sachverständigen danach zu fragen, ob der Betroffene im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit. b SVG noch als medizinisch geeignet zu be-trachten sei. Diese Rechtsfrage hat allein die Verwaltung zu beantworten (Schaffhauser, a.a.O., Rz. 2657). Vielmehr hat der Arzt den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, ob und gegebenenfalls inwiefern sich der Gesundheitsschaden auf die Fahrfähigkeit des Betroffen auswirkt (vgl. dazu auch BGE 117 V 379 Erw. 3e zur Aufgabe des Arztes im Bereich zu medizinischen Kausalitätsfragen im Sozialversicherungsrecht).
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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