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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2022.00009)

Zusammenfassung des Urteils VG.2022.00009: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus hat in einem Urteil vom 21. April 2022 eine Kompetenzstreitigkeit im Bereich des Erwachsenenschutzes behandelt. Es wurde festgestellt, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Glarus für die Validierung eines Vorsorgeauftrags örtlich zuständig ist. Die Zuständigkeit wurde aufgrund verschiedener rechtlicher Bestimmungen und internationaler Abkommen geprüft. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Antragstellerin für die Validierung des Vorsorgeauftrags zuständig ist. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2022.00009

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2022.00009
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2022.00009 vom 21.04.2022 (GL)
Datum:21.04.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Erwachsenenschutz: Kompetenzstreitigkeit
Schlagwörter: ändig; Zuständigkeit; Erwachsene; Behörde; Erwachsenen; Glarus; Antrag; Gallen; Schutz; Antragstellerin; Vorsorgeauftrag; Erwachsenenschutz; HEsÜ; Validierung; Vermögens; Heimatort; Vorsorgeauftrags; Kanton; Behörden; Verwaltungsgericht; Kindes; Erwachsenenschutzbehörde; Kantons; Gericht; Entscheid; Schweiz; Dringlichkeit; Beschwerdeinstanz
Rechtsnorm: Art. 3 IPRG ;Art. 444 ZGB ;Art. 450 ZGB ;Art. 83 IPRG ;Art. 85 IPRG ;
Referenz BGE:141 III 84; 142 III 56; 86 II 323; 87 II 132;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2022.00009

Geschäftsnummer: VG.2022.00009 (VG.2022.1139)
Instanz: K2
Entscheiddatum: 21.04.2022
Publiziert am: 04.07.2022
Aktualisiert am: 11.01.2023
Titel: Vormundschaft

Resümee:

Erwachsenenschutz: Kompetenzstreitigkeit

Das Verwaltungsgericht ist als gerichtliche Beschwerdeinstanz im Sinne von Art. 444 Abs. 4 ZGB für die Beurteilung der vorliegenden Kompetenzstreitigkeit sachlich und örtlich zuständig (E. II/1.2).
Das hiesige Verwaltungsgericht kann einzig über die Zuständigkeit der KESB Glarus verbindlich entscheiden (E. II/2).
Die Bestimmungen des Übereinkommens über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13. Januar 2000 (HEsÜ) sind auch im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten als nationales Recht anzuwenden (E. II/4.2). Eine Dringlichkeitszuständigkeit der Antragstellerin lässt sich nicht begründen E. II/4.3). Die örtliche Zuständigkeit nach Art. 85 Abs. 3 IPRG liegt am Heimatort (E. II/4.4).

Feststellung der Zuständigkeit der KESB Glarus.

Auf eine von der KESB gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in Zivilsachen ist das Bundesgericht am 22. Juni 2022 nicht eingetreten (5A_393/2022).
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 21. April 2022

 

 

II. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichterin Sally Leuzinger, Verwaltungsrichter Walter Salvadori und Gerichtsschreiberin i.V. MLaw Valentina Flückiger

 

 

in Sachen

VG.2022.00009

 

 

 

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde

Antragstellerin

des Kantons Glarus

 

 

 

 

gegen

 

 

 

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde

Antragsgegnerin

Region St. Gallen

 

 

 

betreffend

 

 

Kompetenzstreitigkeit

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

1.1 A.______, wohnhaft im Land B.______, bezeichnete mit Vorsorgeauftrag vom 31. Juli 2018 seine Tochter, C.______, als Vorsorgebeauftragte. Nachdem diese am 12. Februar 2021 bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Glarus (KESB Glarus) die Validierung des Vorsorgeauftrags beantragt hatte, ersuchte sie Letztere am 23. Februar 2021 zusätzlich um Erlass superprovisorischer Massnahmen. Die KESB Glarus trat am 25. Februar 2021 mangels örtlicher Zuständigkeit auf die Gesuche nicht ein und überwies die Sache an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Region St. Gallen (KESB St. Gallen) zur Behandlung.

 

1.2 In der Folge gelangte die KESB St. Gallen am 16. März 2021 zum Schluss, dass sie örtlich nicht zuständig sei. Sie trat auf die Anträge von C.______ ebenfalls nicht ein und überwies die Sache an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Wil-Uzwil (KESB Wil-Uzwil), welche ihrerseits die Akten am 17. März 2021 retournierte. Dies unter Hinweis, dass sie, die KESB St. Gallen, sich zwecks einer abschliessenden Klärung der Zuständigkeit an die KESB Glarus zu wenden habe.

 

2.

2.1 C.______ gelangte mit Beschwerde vom 29. März 2021 ans Verwaltungsgericht (Verfahren VG.2021.00026) und beantragte die Aufhebung der Verfügung der KESB Glarus vom 25. Februar 2021. Die KESB Glarus sei anzuweisen, den Antrag auf Validierung des Vorsorgeauftrags von A.______ vom 31. Juli 2018 zu behandeln und die beantragten superprovisorischen Massnahmen zu erlassen.

 

2.2 Das Verwaltungsgericht sistierte am 1. April 2021 das Verfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen über die bei dieser anhängig gemachten Beschwerde. Am 13. Juli 2021 hob Letztere die Verfügung der KESB St. Gallen vom 16. März 2021 auf und wies die Sache zur Durchführung des Meinungsaustauschverfahrens mit der KESB Glarus an diese zurück. Der Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

 

2.3 In der Folge nahm das Verwaltungsgericht das bei ihm anhängige Verfahren VG.2021.00026 wieder auf und hiess die Beschwerde am 13. Januar 2022 gut. Es hob die Verfügung der KESB Glarus vom 25. Februar 2021 auf und wies die Sache an diese zur Durchführung eines Meinungsaustauschverfahrens mit der KESB St. Gallen zurück.

 

3.

Nachdem ein Meinungsaustauschverfahren zwischen der KESB Glarus und der KESB St. Gallen erfolglos geblieben war, unterbreitete die KESB Glarus die Frage ihrer Zuständigkeit am 10. Februar 2022 dem Verwaltungsgericht. Die KESB St. Gallen verzichtete am 14. Februar 2022 auf eine Stellungnahme.

 

II.

1.

1.1 Gemäss Art. 444 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 (ZGB) prüft die Erwachsenenschutzbehörde ihre Zuständigkeit von Amtes wegen. Hält sie sich nicht für zuständig, so überweist sie die Sache unverzüglich der Behörde, die sie als zuständig erachtet (Abs. 2). Zweifelt sie an ihrer Zuständigkeit, so pflegt sie einen Meinungsaustausch mit der Behörde, deren Zuständigkeit in Frage kommt (Abs. 3). Kann im Meinungsaustausch keine Einigung erzielt werden, so unterbreitet die zuerst befasste Behörde die Frage ihrer Zuständigkeit der gerichtlichen Beschwerdeinstanz (Abs. 4).

 

1.2 Vorliegend wurde das Gesuch um Validierung des Vorsorgeauftrags von A.______ zuerst bei der Antragstellerin eingereicht, welche in der Folge mangels örtlicher Zuständigkeit nicht darauf eintrat. Demgemäss handelt es sich bei der Antragstellerin um die erstbefasste Behörde. Zuständige kantonale Beschwerdeinstanz ist das Verwaltungsgericht (Art. 450 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 67 des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs im Kanton Glarus vom 7. Mai 1911 [EG ZGB]). Entsprechend ist es auch als gerichtliche Beschwerdeinstanz im Sinne von Art. 444 Abs. 4 ZGB für die Beurteilung der vorliegenden Kompetenzstreitigkeit sachlich und örtlich zuständig. Da auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf das vorliegende Gesuch einzutreten.

 

2.

Bei interkantonalen Zuständigkeitskonflikten kann die kantonale Beschwerdeinstanz nur festlegen, ob die Behörde des eigenen Kantons zuständig ist nicht. Erachtet die Beschwerdeinstanz eine ausserkantonale Behörde als zuständig, muss sie einen Nichteintretensentscheid fällen. Gegen den Nichteintretensentscheid kann eine Klage beim Bundesgericht erhoben werden (vgl. BGE 141 III 84 E. 4.7; Luca Maranta/Christoph Auer/Michèle Marti, in Thomas Geiser/Christiana Fountoulakis [Hrsg.], BSK ZGB I, 6. A., Basel 2018, Art. 444 N. 16, mit Hinweisen). Das hiesige Verwaltungsgericht kann dementsprechend einzig über die Zuständigkeit der Antragstellerin verbindlich entscheiden.

 

3.

3.1 Die Antragstellerin ist der Auffassung, für die Validierung des Vorsorgeauftrags örtlich nicht zuständig zu sein. Der Erwachsenenschutz kenne keine Zuständigkeit der Behörden am Heimatort. A.______ habe vor seinem Wegzug ins Land B.______ im Kanton St. Gallen gewohnt und den Vorsorgeauftrag bei einem Notar in St. Gallen aufgesetzt. Überdies liege sein Vermögen auf St. Galler Bankkonten und er habe sich zuletzt in einer Klinik in St. Gallen untersuchen lassen. Aufgrund dieser Umstände bestehe ein enger Bezug von A.______ zu St. Gallen, weshalb gestützt auf Art. 85 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 (IPRG) die dortige KESB örtlich zuständig sei.

 

3.2 Die Antragsgegnerin stellte sich im Rahmen des Meinungsaustauschverfahrens auf den Standpunkt, die Antragstellerin sei gestützt auf Art. 7 des Übereinkommens über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13. Januar 2000 (HEsÜ) für die Validierung des Vorsorgeauftrags örtlich zuständig. Es handle sich um eine subsidiäre Zuständigkeit der Behörden des Heimatstaates, wobei innerstaatlich die Behörde des Heimatortes und nicht diejenige am letzten Wohnsitz zuständig sei. Die Anknüpfung an den Heimatort sei im IPRG verbreitet, wobei auch eine Anwendung von Art. 85 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 IPRG zu einer Zuständigkeit der Antragstellerin führe, da sich diese zuerst mit dem Fall befasst habe.

 

4.

4.1 A.______ ist Schweizer Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt im Land B.______ und Heimatort in Glarus Nord. Er war vormals in der Schweiz wohnhaft und verfügt über Vermögenswerte bei verschiedenen Bankinstituten in der Schweiz. Dementsprechend liegt ein internationaler Sachverhalt vor, wobei strittig und zu beurteilen ist, ob die örtliche Zuständigkeit an seinen Heimatort anknüpft, wodurch die Antragstellerin für die Validierung des Vorsorgeauftrags zuständig wäre.

 

4.2 Das Land B.______ ist zwar kein Vertragsstaat des HEsÜ. Die Schweiz hat dessen räumlichen Anwendungsbereich aber auch auf Nichtkonventionsstaaten erweitert. Art. 85 Abs. 2 IPRG verpflichtet die schweizerischen Behörden und Gerichte dabei, die Bestimmungen des HEsÜ auch im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten als nationales Recht anzuwenden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sämtliche Regelungen des Abkommens auch im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten zur Anwendung gelangen. Vom erweiterten Anwendungsbereich sind generell die Bestimmungen über die Behördenzusammenarbeit ausgenommen. Art. 6 f. HEsÜ gelangen demnach vorliegend nicht zur Anwendung. Sodann ist in Bezug auf Art. 9 HEsÜ (Zuständigkeit am Ort des gelegenen Vermögens) festzuhalten, dass die Botschaft zur Umsetzung der Übereinkommen über internationale Kindesentführung sowie zur Genehmigung und Umsetzung der Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und Erwachsenen vom 28. Februar 2007 eine reine Vermögenszuständigkeit gegenüber Nichtvertragsstaaten nicht vorgesehen hat (BBl 2007 2595 ff., 2610; Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich PQ180018-O/U vom 5. April 2018 E. 3.2). Es bleibt somit eine Zuständigkeit nach Art. 85 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 HEsÜ (sogenannte Dringlichkeitszuständigkeit) zu prüfen (vgl. zum Ganzen Daniel Füllemann, Das internationale Privat- und Zivilprozessrecht des Erwachsenenschutzes, Diss. 2008, Rz. 207 und 215).

 

4.3

4.3.1 Gemäss Art. 85 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 HEsÜ sind in allen dringenden Fällen die Behörden jenes Vertragsstaates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Erwachsene ihm gehörendes Vermögen befindet, zuständig, die erforderlichen Schutzmassnahmen zu treffen. Im Bereich des Vermögensschutzes kann eine Dringlichkeit dann bejaht werden, wenn sofortige Sicherungsmassnahmen notwendig sind der bevorstehende Wertezerfall des Vermögens einen sofortigen Verkauf desselben erforderlich macht. Das Erfordernis der Dringlichkeit ist restriktiv zu handhaben. Die örtliche Zuständigkeit befindet sich am Lageort des Vermögens (Füllemann, Rz. 217 ff.).

 

4.3.2 Vorliegend ist das Kriterium der Dringlichkeit nicht erfüllt. Zum einen ist A.______ offenbar nicht mehr imstande, selbständig Vermögensdispositionen zu veranlassen. Vielmehr ist er hierfür auf die Hilfe seiner Tochter angewiesen. Zum anderen spricht die seit Einreichung des Validierungsgesuchs am 12. Februar 2021 verstrichene Zeit gegen eine Dringlichkeit. Folglich droht kein unmittelbarer Vermögenszerfall, welcher ein sofortiges Einschreiten notwendig machen würde. Die Zuständigkeit der Antragstellerin lässt sich demnach nicht auf Art. 85 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 HEsÜ stützen.

 

4.4

4.4.1 Gemäss Art. 85 Abs. 3 IPRG sind die schweizerischen Gerichte Behörden (ausserdem) zuständig, wenn es für den Schutz einer Person von deren Vermögen unerlässlich ist. Die Bestimmung begründet die Zuständigkeit, wenn sich diese nicht aus dem HEsÜ ergibt und es zum Schutz der Person des Vermögens unerlässlich ist. Dabei handelt es sich um eine subsidiäre Zuständigkeit, welche vergleichbar mit der Notzuständigkeit ist (BGE 142 III 56 E. 2.1.4). Sie ist zu bejahen, wenn der in Frage stehende Erwachsene schutzbedürftig ist und dies ohne die Wahrnehmung der Zuständigkeit durch schweizerische Behörden auch bliebe, weil keine ausländische Behörde entsprechend tätig wird. Art. 85 Abs. 3 IPRG setzt voraus, dass das behördliche Tätigwerden zum Schutz der betroffenen Person bzw. deren Vermögen notwendig bzw. unerlässlich ist. Dringlichkeit ist demgegenüber keine Voraussetzung (Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich PQ180018-O/U vom 5. April 2018 E. 3.3, mit Hinweisen).

 

Die Schutzbedürftigkeit ist Gegenstand des Verfahrens in der Sache. Sie erweist sich aber auch für die Begründung der internationalen Notzuständigkeit im vorgenannten Sinne als zentral, womit es sich um eine doppelrelevante Tatsache handelt. Doppelrelevante Tatsachen müssen in einem Zivilverfahren im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung nicht bewiesen werden. Über sie wird aufgrund der Behauptungen und Anträge des Rechtssuchenden entschieden. Dabei hat das Gericht zu prüfen, ob diese behaupteten Tatsachen schlüssig sind, bzw. ob aus ihnen rechtlich auf den vom Kläger geltend gemachten Gerichtsstand geschlossen werden kann (BGer-Urteil 4A_619/2020 vom 17. Februar 2021 E. 2.1.2). Demgemäss ist vorliegend lediglich zu beurteilen, ob aufgrund der im Recht liegenden Akten eine Schutzbedürftigkeit von A.______ gegeben sein könnte (vgl. auch Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich PQ180018-O/U vom 5. April 2018 E. 3.3, mit Hinweisen).

 

4.4.2 Die bis anhin bereits mit dem Fall befassten Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden haben sich zur Schutzbedürftigkeit von A.______ bislang nicht geäussert. Aus den Akten im Verfahren VG.2021.00026 ergibt sich immerhin, dass im Februar 2018 bei A.______ eine leichte semantische Demenz diagnostiziert wurde. Im Gesuch um Validierung des Vorsorgeauftrags vom 12. Februar 2021 bringt die Vorsorgebeauftragte überdies vor, dass sich sein physischer und psychischer Gesundheitszustand seit der oben erwähnten Diagnostizierung dramatisch verschlechtert habe, weshalb mittlerweile davon ausgegangen werden müsse, dass er urteilsunfähig sei. Sein Vermögen in der Höhe von vormals Fr. 1,8 Mio. drohe rapide abzunehmen, da er sich in regelmässigen Abständen fünfstellige Beträge ins Land B.______ überweisen lasse, was wohl auf Druck seiner aus dem Land B.______ stammmenden Lebenspartnerin geschehe. Nach dem Dargelegten bestehen somit zumindest Anhaltspunkte dafür, dass ein Schutzbedürfnis besteht, welches die Validierung des Vorsorgeauftrags zum Schutz des in der Schweiz gelegenen Vermögens erforderlich machen könnte. Dies genügt zur Begründung einer Zuständigkeit gemäss Art. 85 Abs. 3 IPRG.

 

4.4.3 In Art. 85 Abs. 3 IPRG äussert sich der Gesetzgeber nicht explizit zur örtlichen Zuständigkeit. Der Bundesrat hat sich jedoch bereits in der Botschaft zum IPRG vom 10. November 1982 zu Art. 83 Abs. 3 IPRG, welcher in unveränderter Form dem heutigen Art. 85 Abs. 3 IPRG entspricht, dahingehend ausgesprochen, dass hierbei an den Heimatort anzuknüpfen sei (BBl 1982 263 ff., 380). Hintergrund dieser Präzisierung ist Art. 30 des mit Schaffung des IPRG aufgehobenen Bundesgesetzes betreffend die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter vom 25. Juni 1891 (NAG), wonach die Behörde des Heimatkantons einer auswandernden landesabwesenden Person für die Bestellung einer Vormundschaft zuständig ist (vgl. hierzu auch BGE 87 II 132 und BGE 86 II 323). Auch in der Lehre wird einhellig die Auffassung vertreten, als Heimatbehörden seien die Behörden des Heimatortes anzusehen (Andreas Bucher, in: Commentaire Romand, Loi sur le droit internationale privé, Convention de Lugano, Basel 2011, Art. 85 IPRG N. 145, wobei der französische Begriff `lieu d'origine` als Heimatort und nicht etwa Herkunftsort zu übersetzen ist; siehe hierzu auch Florence Guillaume, in Andrea Büchler et al. [Hrsg.], FamKomm Erwachsenenschutz, Bern 2013, Haager Erwachsenenschutzübereinkommen, N. 59, mit Hinweis auf Bucher, Art. 85 IPRG N. 331). Schliesslich hat sich das Bundesgericht den Lehrmeinungen und der Ansicht gemäss bundesrätlicher Botschaft angeschlossen, indem es Folgendes festgehalten hat: `[Art. 85 Abs. 3 IPRG] permet à l'autorité du lieu d'origine d'intervenir, en cas de besoin, pour protéger un ressortissant suisse établi à l'étranger, même si la mesure risque de ne pas être reconnue dans le pays de la résidence habituelle` (vgl. BGE 142 III 56 E. 2.1.4 und BGer-Urteil 5A_795/2016 vom 14. Dezember 2016 E. 6.1).

 

Insgesamt ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin für die Validierung des Vorsorgeauftrags von A.______ gestützt auf Art. 85 Abs. 3 IPRG örtlich zuständig ist.

 

4.5 Hinzuweisen ist lediglich ergänzend darauf, dass auch die Anwendung der Bestimmungen über die Behördenzusammenarbeit des HEsÜ, was in der Lehre teilweise vertreten wird (vgl. etwa Nico Renz, Der Vorsorgeauftrag und seine Validierung, Diss. 2019, Rz. 411 ff.), zu einer Zuständigkeit der Antragstellerin führen würde. Der diesfalls einschlägige Art. 7 Abs. 1 HEsÜ sieht vor, dass die Behörden des Vertragsstaates, welchem der Erwachsene angehört, zuständig sind, Massnahmen zum Schutz der Person des Vermögens des Erwachsenen zu treffen, wenn sie der Auffassung sind, dass sie besser in der Lage sind, das Wohl des Erwachsenen zu beurteilen (sogenannte Heimatzuständigkeit). Die Lehre hält hierzu übereinstimmend fest, dass die örtliche Zuständigkeit (unter anderem) am Heimatort liegt (Bucher, Art. 85 IPRG N. 331; Füllemann, Rz. 197; Guillaume, N. 59). Demgemäss wäre auch bei dieser Annahme eine örtliche Zuständigkeit der Antragstellerin zu bejahen.

 

III.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben (vgl. Art. 135 Abs. 1 VRG).

Demgemäss erkennt die Kammer:

1.

Es wird festgestellt, dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Glarus für die Validierung des Vorsorgeauftrags von A.______ örtlich zuständig ist.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

4.

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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