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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2019.00134)

Zusammenfassung des Urteils VG.2019.00134: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführerin, A.______AG, forderte Schadenersatz vom Kanton Glarus aufgrund der Entsorgung von Akten durch das Betreibungs- und Konkursamt. Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus wies die Beschwerde ab, da die Haftungsvoraussetzungen gemäss Art. 5 SchKG nicht erfüllt waren. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die vernichteten Akten für die Realisierung der offenen Forderungen unerlässlich waren. Die Gerichtskosten von CHF 9'000 wurden der Beschwerdeführerin auferlegt, und es wurde keine Parteientschädigung gewährt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2019.00134

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2019.00134
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2019.00134 vom 30.04.2020 (GL)
Datum:30.04.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Staatshaftung: Voraussetzungen für eine Haftung nach Art. 5 SchKG nicht erfüllt
Schlagwörter: Schaden; Konkurs; SchKG; Akten; Staat; Haftung; Staatshaftung; Betreibungs; Forderung; Recht; Forderungen; Konkursamt; Kanton; Apos; Glarus; Beschwerdegegner; Debitoren; Verjährung; Konkursamts; Verhalten; Geschäftsakten; Entsorgung; Kantons; Amtsträger; Staatshaftungsbegehren; Schadens; Pflicht; Projektordner; üllt
Rechtsnorm: Art. 5 KG ;Art. 6 KG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Krauskopf, Gasser, zum Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2014

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2019.00134

Geschäftsnummer: VG.2019.00134 (VG.2020.916)
Instanz: K1
Entscheiddatum: 30.04.2020
Publiziert am: 18.06.2020
Aktualisiert am: 18.06.2020
Titel: Anderes

Resümee:

Staatshaftung: Voraussetzungen für eine Haftung nach Art. 5 SchKG nicht erfüllt

Bei einer Haftung gestützt auf Art. 5 SchKG handelt es sich um eine Kausalhaftung öffentlich-rechtlicher Natur und nicht um eine Zivilrechtsstreitigkeit (E. II/1.2).
Die Beschwerdeführerin hat den Schaden nur ungenügend substantiiert (E. II/4.)
In der Aufbewahrung und der Sicherung der Geschäftsakten sowie der daraufhin erfolgten Beschädigung und Entsorgung der Akten ist keine Pflichtwidrigkeit eines Behördenmitglieds zu sehen, weshalb keine Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 5 SchKG vorliegt (E. II/5).
Von der Beschwerdeführerin bleibt unbewiesen, dass der mutmassliche Schaden überwiegend wahrscheinlich wegen der Vernichtung der streitbetroffenen Akten eingetreten ist, weshalb es am erforderlichen Kausalzusammenhang mangelt (E. II/6).
Weil die Haftungsvoraussetzungen gemäss Art. 5 SchKG nicht erfüllt sind, kann die Frage der Verjährung des Haftungsanspruchs offengelassen werden (E. II/7).

Abweisung der Beschwerde.


 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 30. April 2020

 

 

I. Kammer

 

 

in Sachen

VG.2019.00134

 

 

 

A.______AG

Beschwerdeführerin

 

vertreten durch Rechtsanwalt B.______

 

 

 

gegen

 

 

 

Kanton Glarus

Beschwerdegegner

 

 

und

 

 

C.______

Beigeladene

 

D.______

 

E.______

 

 

betreffend

 

 

Staatshaftung

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

1.1 Der Präsident des Kantonsgerichts Glarus eröffnete am […] den Konkurs über die F.______AG, was am […] sowohl im Amtsblatt des Kantons Glarus als auch im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert wurde. Im Rahmen des Konkursverfahrens wurden diverse Forderungen kolloziert. Der diesbezügliche Plan lag vom […] bis zum […] beim Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Glarus auf und erwuchs zusammen mit dem Inventar ebenso in Rechtskraft, wie der vom […] bis zum […] aufgelegte Nachtrag zum Kollokationsplan.

 

1.2 Am 26. Mai 2015 erklärte das Betreibungs- und Konkursamt gegenüber der A.______AG, welche im Konkurs der F.______AG mit ungesicherten Forderungen im Umfang von Fr. 1'009'679.66 zugelassen wurde, dass die Mehrheit der Gläubiger auf die Geltendmachung von nicht realisierbaren Debitoren im Betrag von Fr. 10'257'255.65 verzichtet habe und sie zusammen mit vier weiteren Gläubigern antragsgemäss ermächtigt werde, die Massarechte in eigenem Namen und auf eigene Gefahr geltend zu machen. In der Folge schieden sämtliche Abtretungsgläubiger bis auf die A.______AG aus.

 

2.

2.1 Am 8. November 2016 machte die A.______AG gegenüber dem Regierungsrat des Kantons Glarus gestützt auf das Gesetz über die Haftung der Gemeinwesen und ihrer Amtsträger vom 5. Mai 1991 (Staatshaftungsgesetz, SHG) Schadenersatzansprüche geltend. Als Begründung führte sie an, Mitarbeitende des Betreibungs- und Konkursamts hätten sämtliche Akten zu den relevanten Debitoren entsorgt. Dadurch sei es ihr nicht möglich, die offenen Forderungen der F.______AG zu substantiieren und zu belegen, weshalb ein Totalverlust der ausgewiesenen Forderungen drohe.

 

2.2 Nachdem der Regierungsrat das Staatshaftungsverfahren zu Gunsten eines informellen Vorverfahrens durch die Betriebshaftpflichtversicherung des Kantons Glarus, die […], sistiert hatte, verneinte Letztere einen Anspruch der A.______AG auf Schadenersatz. In der Folge hielt die A.______AG am 12. Februar 2018 und am 5. September 2018 an ihrem Staatshaftungsbegehren fest, worauf der Regierungsrat das Verfahren wiederaufnahm und das Staatshaftungsbegehren mit Entscheid vom 22. Oktober 2019 abwies.

 

3.

3.1 Gegen den Entscheid des Regierungsrats vom 22. Oktober 2019 gelangte die A.______AG mit Beschwerde vom 25. November 2019 ans Verwaltungsgericht und beantragte sinngemäss dessen Aufhebung. Der Kanton Glarus sei zu verpflichten, Schadenersatz in der Höhe von Fr. 1'351'252.- nebst Zins zu 5 % seit dem 8. November 2016 zu bezahlen; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Kantons Glarus. In prozessualer Hinsicht ersuchte die A.______AG darum, dass das Verfahren vorerst auf die Frage der Verjährung zu beschränken sei.

 

3.2 Am 26. November 2019 lud das Verwaltungsgericht E.______, C.______ sowie D.______ als aktive ehemalige Mitarbeiter des Betreibungs- und Konkursamts von Amtes wegen ins Verfahren bei und gab ihnen sowie dem Kanton Glarus Gelegenheit, vorerst zur Frage der Verjährung Stellung zu nehmen. C.______ und D.______ verzichteten am 18. Dezember 2019 auf die Einreichung einer Stellungnahme. Der Kanton Glarus liess sich am 8. Januar 2020 vernehmen und beantragte die Abweisung der Beschwerde; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der A.______AG. E.______ liess sich innert Frist nicht vernehmen.

 

II.

1.

1.1 Im Bereich des Betreibungs- und Konkursrechts werden der Grundsatz der Staatshaftung sowie die Verjährung von Ansprüchen aus Staatshaftung abschliessend durch das Bundesrecht geregelt, wobei dem kantonalen Recht einzig der Rückgriff des Kantons auf den Verursacher des Schadens und die Ausgestaltung des Verfahrens zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs überlassen wird (BGer-Urteil 5P.471/2003 vom 29. März 2004 E. 1.1).

 

1.2 Demgemäss ist das vorliegende Staatshaftungsbegehren gestützt auf Art. 5 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 (SchKG) zu prüfen. Dabei handelt es sich um eine Kausalhaftung öffentlich-rechtlicher Natur und nicht um eine Zivilrechtsstreitigkeit (BGE 126 III 431 E. 2c/bb), weshalb das Verwaltungsgericht gemäss Art. 12 Abs. 1 SHG i.V.m. Art. 105 Abs. 1 lit. c des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Mai 1986 (VRG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig ist. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

 

2.

2.1 Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe im Januar 2016 von der Entsorgung der Debitoren-Projektordner durch Mitarbeitende des Betreibungs- und Konkursamts erfahren. Da diese elementar für die Geltendmachung von Forderungen gegenüber den Schuldnern der F.______AG seien, habe sie erst in diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Schaden gehabt, weshalb ihr Staatshaftungsbegehren innert der einjährigen Verjährungsfrist gemäss Art. 6 Abs. 1 SchKG gestellt worden sei. Sodann seien die noch offenen Debitoren der F.______AG ohne die vernichteten Akten nicht realisierbar. Der Schaden sei deshalb offensichtlich und überdies habe sie diesen rechtsgenüglich nachgewiesen sowie quantifiziert. Ferner seien die Räumlichkeiten der F.______AG nach Eröffnung des Konkurses versiegelt und die Debitoren-Projektordner trotz Erhaltungspflicht durch das Betreibungs- und Konkursamt entsorgt worden, was als widerrechtlich zu qualifizieren sei. Schliesslich sei das Erheben von Forderungsklagen gegenüber den Schuldnern der F.______AG ohne die erforderlichen Akten aussichtslos, weshalb der Schaden kausal zum widerrechtlichen Verhalten der Amtsträger des Betreibungs- und Konkursamts sei.

 

2.2 Der Beschwerdegegner vertritt die Auffassung, der Schadenersatzanspruch der Beschwerdeführerin sei verjährt. Letztere habe im Rahmen einer Sichtung der Konkursakten bereits im Juni 2015 Kenntnis von der Entsorgung der angeblich essenziellen Akten gehabt, weshalb die einjährige relative Verjährungsfrist im Juni 2016 geendet habe und das Staatshaftungsbegehren im November 2016 zu spät gestellt worden sei. Sodann sei keine Pflichtverletzung durch aktive ehemalige Mitarbeiter des Betreibungs- und Konkursamts ersichtlich. So seien weder die beiden Wassereinbrüche vorhersehbar gewesen noch sei die Entsorgung der dadurch beschädigten und daraufhin entsorgten Geschäftsakten pflichtwidrig gewesen. Ferner sei nicht erstellt, dass die Forderungen in der Gesamthöhe von Fr. 1'351'252.- mit Hilfe der entsorgten Akten realisierbar gewesen wären. Folglich mangle es auch an der Kausalität zwischen dem Vorgehen der Amtsträger des Betreibungs- und Konkursamts und dem Schaden. Die Voraussetzungen für eine Staatshaftung seien damit nicht erfüllt.

 

3.

3.1 Gemäss Art. 5 Abs. 1 SchKG haftet der Kanton primär und exklusiv für den Schaden, den die Beamten und Angestellten, ihre Hilfspersonen, die ausseramtlichen Konkursverwaltungen, die Sachwalter, die Liquidatoren, die Aufsichts- und Gerichtsbehörden sowie die Polizei bei der Erfüllung der Aufgaben, die ihnen das Gesetz zuweist, widerrechtlich verursachen. Überdies besteht der Anspruch auf Genugtuung, wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt. Der Anspruch auf Schadenersatz verjährt in einem Jahr von dem Tage hinweg, an welchem der Geschädigte von der Schädigung Kenntnis erlangt hat, jedenfalls aber mit dem Ablauf von zehn Jahren, von dem Tage der Schädigung an gerechnet (Art. 6 Abs. 1 SchKG in der bis am 31. Dezember 2018 geltenden Fassung).

 

3.2 Bei Art. 5 SchKG handelt es sich um eine Kausalhaftung. Der Staat hat bei dieser nur für den ordnungsgemässen Betriebsablauf einzustehen, nicht schlechthin dafür, dass niemandem etwas passiert. Dabei spielt die subjektive Seite der handelnden Personen, mithin deren Verschulden, aber nicht die geringste Rolle. Der Geschädigte muss einzig (aber immerhin) einen objektiv vermeidbaren Betriebsfehler nachweisen, um die Haftung auszulösen. Haftungsgrund ist somit letztlich eine objektivierte Unsorgfalt (vgl. Dominik Gasser, in Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin [Hrsg.], Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, Art. 1 - 158 SchKG, 2. A., Basel 2010, Art. 5 N. 7 f.).

 

3.3

3.3.1 Der Begriff des Schadens, die Schadensart und die Schadensberechnung gemäss Art. 5 SchKG sind analog dem Privatrecht zu entnehmen. Es gilt mithin der klassische Schadensbegriff, wonach der Schaden eine unfreiwillige Verminderung des Reinvermögens darstellt und der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand nach dem schädigenden Ereignis und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte, entspricht. Er kann in einer Vermehrung der Passiven, einer Verminderung der Aktiven in entgangenem Gewinn bestehen. Geltend gemacht werden kann dabei nur der direkte Schaden. Der sogenannte Reflexschaden bzw. indirekte Schaden begründet grundsätzlich keinen Anspruch nach SchKG. Bei der Bemessung des Schadens sind analog dem Privatrecht die Herabsetzungsgründe gemäss Art. 44 des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 30. März 1911 (Obligationenrecht, OR) zu beachten, wobei den Geschädigten eine Schadenminderungspflicht trifft, weshalb er für sein Selbstverschulden einstehen muss. Der Schaden muss durch ein Vollstreckungsorgan erfolgen, wobei die Aufzählung der Vollstreckungsorgane in Art. 5 SchKG abschliessend ist (Frédéric Krauskopf/Mona Erb, in Alexander R. Markus/Stephanie Hrubesch-Millauer/Rodrigo Rodriguez [Hrsg.], Zivilprozess und Vollstreckung national und international – Schnittstellen und Vergleiche, Festschrift für Jolanta Kren Kostkiewicz, Bern 2018, S. 534 f.; Patrick Müggler, in Jolanta Kren Kostkiewicz/Dominik Vock [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. A., Zürich 2017, Art. 5 N. 6 ff.).

 

3.3.2 Der Schaden muss sodann in Erfüllung der Aufgaben des betreffenden Vollstreckungsorgans, die ihm das Gesetz zuweist, entstanden sein. In Analogie zu Art. 55 OR ist dabei nichts Anderes als in dienstlicher Verrichtung zu verstehen, d.h. in funktionellem Zusammenhang mit der zu verrichtenden hoheitlichen Aufgabe. Den Amtshandlungen gleichgestellt sind Unterlassungen solcher Handlungen, soweit eine Pflicht zum Handeln gegeben ist. Bloss bei Gelegenheit zugefügter Schaden lässt die Haftung nicht entstehen. Bei Fehlen dieses Konnexes greift die Staatshaftung nicht. In Frage kommt dann jedoch eine persönliche Haftung des Vollstreckungsorgans, insbesondere jene nach Art. 41 OR. Im Zweifel wird der Zusammenhang im Interesse des Geschädigten jedoch zu bejahen sein (Gasser, Art. 5 N. 35 f.; Krauskopf/Erb, S. 533).

 

3.3.3 Die Schadenszufügung muss des Weiteren widerrechtlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie in Verletzung der gesetzlichen Ordnung erfolgt ist, sei es, dass sie ein absolutes Recht des Geschädigten verletzt (Erfolgsunrecht), sei es, dass sie eine Vermögensschädigung durch Verstoss gegen eine einschlägige Schutznorm bewirkt (Verhaltensunrecht). Vorausgesetzt ist, dass die verletzten Verhaltensnormen (insbesondere SchKG, Verordnungen, Kreisschreiben, Formulare in ihrem obligatorischen Inhalt, usw.) dem Schutz von solchen Vermögensschädigungen dienen. Die Widerrechtlichkeit entfällt bei gesetzeskonformem, fehlerfreiem Verhalten der Organe und Beamten. Bei einer Verletzung absoluter Rechte (wie Leben, Gesundheit Eigentum), für die kein Rechtfertigungsgrund besteht, folgt die Widerrechtlichkeit des schädigenden Verhaltens direkt aus diesem Erfolg. Es bedarf darüber hinaus keines besonders qualifizierenden Merkmals des schädigenden Verhaltens im Sinne eines verpönten verwerflichen Verhaltens. Eine blosse Vermögensschädigung ohne gleichzeitigen Eingriff in ein absolutes Recht ist dagegen nur dann widerrechtlich, wenn sie auf der Verletzung einer Amtspflicht beruht, die dem Schutz vor solchen Schädigungen dient. Dabei stellt allerdings nicht jede noch so geringfügige Amtspflichtverletzung eine haftungsbegründende Widerrechtlichkeit dar. Vielmehr ist erforderlich, dass eine für die Ausübung der amtlichen Funktion wesentliche Pflicht betroffen ist. Weiter reicht nicht aus, dass sich die schädigende Handlung im Nachhinein als gesetzwidrig erweist. Haftungsbegründend ist lediglich eine unentschuldbare Fehlleistung, die einem pflichtbewussten Beamten nicht unterlaufen wäre (Gasser, Art. 5 N. 40; Krauskopf/Erb, S. 533 f.; Marco Levante, in Daniel Hunkeler [Hrsg.], Kurzkommentar zum Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2. A, Basel 2014, Art. 5 N. 5).

 

3.3.4 Ferner muss die fragliche Handlung des Vollstreckungsorgans analog dem Privatrecht natürlich und adäquat kausal für den Eintritt des Erfolgs (Schaden) gewesen sein. Während die natürliche Kausalität eine Tatfrage darstellt, ist die adäquate Kausalität eine Rechtsfrage. Gefragt wird nach einer generellen, objektiven Eignung der Handlung bzw. nach der objektiven Voraussehbarkeit des Erfolges, wobei die subjektive Voraussehbarkeit für den Schädiger irrelevant ist (Gasser, Art. 5 N. 37; Levante, Art. 5 N. 6; Müggler, Art. 5 N. 17).

 

3.4 Bei einer Haftung nach Art. 5 SchKG richtet sich die Beweislast nach Art. 8 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 (ZGB). Demzufolge hat der mutmasslich Geschädigte die Haftungsvoraussetzungen zu beweisen, während der Kanton allfällige Entlastungsgründe wie höhere Gewalt und überwiegendes Selbst- Drittverschulden, Rechtfertigungsgründe, die objektive Unvermeidbarkeit des Betriebsfehlers die Verjährung gemäss Art. 6 SchKG geltend zu machen hat. Für den Nachweis des natürlichen bzw. hypothetischen Kausalzusammenhangs gilt allgemein das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, wonach die Partei, welche behauptet, ein bestimmtes Verhalten eines Schädigers sei kausal für den Schaden gewesen, keinen strikten Beweis für den von ihm behaupteten Kausalverlauf, sondern nur den Beweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu erbringen hat (Gasser, Art. 5 N. 56; Krauskopf/Erb, S. 535 ff.; Fabiana Theus Simoni, in Willi Fischer/Thierry Luterbacher [Hrsg.], Kommentar zu den schweizerischen Haftpflichtbestimmungen, Zürich 2016, Art. 5 SchKG N. 33).

 

4.

Die Beschwerdeführerin macht einen Schaden in der Höhe von Fr. 1'351'252.- geltend und begründet dies damit, dass diverse Forderungen gegenüber der F.______AG ohne die Akten, welche von den Beamten des Beitreibungs- und Konkursamtes entsorgt worden seien, uneinbringlich seien. Dementsprechend macht sie einen reinen Vermögensschaden geltend, wobei der Beschwerdegegner im angefochtenen Entscheid zu Recht darauf hinweist, dass ein solcher nur dann erstellt und genügend substantiiert ist, wenn die Uneinbringlichkeit der streitbetroffenen Forderungen zweifelsfrei feststeht. Dies ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin vorliegend nicht der Fall. So wird von ihr zunächst nicht rechtsgenüglich dargelegt, dass eine betreibungsrechtliche Geltendmachung der noch offenen Geldschulden gegenüber der F.______AG unmöglich gewesen wäre. Gegen diese Annahme spricht namentlich bereits der Umstand, dass sowohl die Beschwerdeführerin selbst als auch die G.______ als Globalzessionarin ihre Ansprüche offenbar mit den vorhandenen Akten zumindest teilweise geltend machen konnten, wobei für Letztere nach ihrer Befriedigung kein Interesse an weiteren diesbezüglichen Handlungen bestand. Dass die Beschwerdeführerin auch gegenüber den übrigen Schuldnern, deren Zahlungen sie nun mittels des Staatshaftungsbegehrens realisieren will, ähnliche Anstrengungen unternommen hat, bringt sie hingegen weder vor noch ergibt sich dies aus den Akten. Vielmehr erweckt die Beschwerdeführerin durch das Einreichen des Staatshaftungsbegehrens den Anschein, dass sie sich solche zeit- und kostenintensiven Bemühungen ersparen wollte, wobei gerade die Entsorgung einzelner Akten eine passende Gelegenheit hierfür bot.

 

Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerdeführerin den Schaden nur ungenügend substantiiert hat, weil sie nicht glaubhaft dargetan hat, dass die noch offenen Forderungen nur mit Hilfe der durch die Amtsträger des Betreibungs- und Konkursamtes entsorgten Akten und nicht auf dem betreibungsrechtlichen Weg realisierbar gewesen wären. Darüber hinaus weist der Beschwerdegegner zu Recht darauf hin, dass für eine allfällig unmögliche Realisierung von Debitoren ohne Weiteres auch andere Umstände denkbar wären. Damit scheitert eine Staatshaftung gestützt auf Art. 5 SchKG bereits an einem ungenügend nachgewiesenen Schaden.

 

5.

Sodann wird von der Beschwerdeführerin, wie bereits erwähnt, ein reiner Vermögensschaden ohne gleichzeitigen Eingriff in absolute Rechte geltend gemacht. Ein solcher ist nur dann widerrechtlich, wenn er auf der Verletzung einer Amtspflicht beruht, die dem Schutz vor solchen Schädigungen dient (vgl. vorstehende E. II/3.3.3). Mit Blick auf den massgebenden Sachverhalt ist hierzu festzuhalten, dass die Geschäftsakten der F.______AG gemäss den Beigeladenen wegen der Besichtigung der Geschäftsliegenschaft im dort befindlichen Keller sichergestellt wurden, um sie vor dem Zugriff von unberechtigten Interessenten zu schützen. Daraufhin sei es zu nicht vorhersehbaren Wasserschäden gekommen, welche die Akten teilweise zerstört hätten. Diese Aussagen bekräftigen die Beigeladenen insbesondere mit Fotografien, wobei sich auf diesen nicht ohne Weiteres erkennen lässt, um welche Akten es sich gehandelt hat.

 

Den übereinstimmenden Aussagen der Beigeladenen folgend, lässt sich in dem von ihnen geschilderten Vorgehen entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin allerdings keine Pflichtwidrigkeit im Sinne von Art. 5 SchKG erkennen. So stellen die Sicherung und die Aufbewahrung von Geschäftsakten in einem Konkursverfahren zwar für die Ausübung der amtlichen Funktion wesentliche Pflichten von Konkurs- und Betreibungsbeamten dar, wobei sich diese sowohl aus Art. 1 der Verordnung über die Aufbewahrung der Betreibungs- und Konkursakten vom 5. Juni 1996 (VABK) als auch aus Art. 13 ff. der Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter vom 13. Juli 1911 (KOV) ergeben. Dennoch liegt keine unentschuldbare Fehlleistung vor, die einem pflichtbewussten Beamten nicht unterlaufen wäre. So kamen die Amtsträger des Betreibungs- und Konkursamts ihrer Sicherungs- und Aufbewahrungspflicht durch die Siegelung der Geschäftslokalität und die Einlagerung der Akten im Keller rechtsgenüglich nach, zumal eine solche an einem sicheren Ort vor dem Zugriff unberechtigter Dritter und nicht zwingend in einer Amtslokalität zu erfolgen hat. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Amtsträger nicht mit einem Wassereinbruch im Keller der Geschäftsliegenschaft rechnen mussten. Dagegen spricht einerseits, dass die Ursache für den Wassereinbruch bei einer nahegelegenen Baustelle lag, wobei sich eine solche Problematik jederzeit auch an einem anderen Ort hätte stellen können. Andererseits wurden im Keller schon früher Geschäftsakten archiviert, wobei sich die Frage eines Wassereinbruchs offenbar nie gestellt hatte. Anderweitiges lässt sich weder den Akten entnehmen noch wird dies von der Beschwerdeführerin geltend gemacht. Folglich ist in der Aufbewahrung und der Sicherung der Geschäftsakten im Keller der Geschäftslokalität der F.______AG sowie der daraufhin erfolgten Beschädigung und Entsorgung der Akten keine Pflichtwidrigkeit eines Behördenmitglieds des Betreibungs- und Konkursamts zu sehen, weshalb keine Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 5 SchKG vorliegt. Dass aber die Akten nicht im Keller gelagert worden sind, ist eine reine unbelegte Behauptung der Beschwerdeführerin, welche die übereinstimmenden Aussagen der Beigeladenen nicht in Zweifel zu ziehen vermag.

 

6.

Schliesslich ist mit dem Beschwerdegegner darin einig zu gehen, dass die von der Beschwerdeführerin als essentiell taxierten Projektordner für die Durchsetzung bzw. Realisierung der offenen Debitoren nicht überwiegend wahrscheinlich geeignet gewesen wären, weshalb keine Kausalität vorliegt. Zwar kann der Beschwerdeführerin darin gefolgt werden, dass kein strikter Beweis für den natürlichen Kausalzusammenhang möglich ist, was angesichts der entsorgten Akten in der Natur der Sache liegt. Wie dem Einvernahmeprotokoll des ehemaligen Geschäftsführers der F.______AG vom 14. Dezember 2012 jedoch entnommen werden kann, lagen die seiner Ansicht nach relevanten Ursachen des Konkurses in der schlechten Zahlungsmoral der Kunden. Damit weist er, obwohl er im Besitz sämtlicher Geschäftsakten war, implizit selbst auf eine gewisse Uneinbringlichkeit der offenen Forderungen hin. Andernfalls er die Forderungen hätte selbst realisieren und dadurch den Konkurs hätte abwenden können. Des Weiteren war es, wie oben dargelegt, sowohl der Beschwerdeführerin als auch der G.______ als globale Debitorenzessionarin offenbar möglich, ihre Ansprüche ganz zumindest teilweise ohne die streitbetroffenen Projektordner zu befriedigen. Dass die übrigen Forderungen wegen den untergangenen Projektordner uneinbringlich wären, legt die Beschwerdeführerin hingegen nicht rechtsgenüglich dar. Ferner beantragte das Betreibungs- und Konkursamt den Gläubigern der F.______AG am 29. April 2015 auf die Eintreibung ihrer Ansprüche zu verzichten. Dem kamen in der Folge über 400 Gläubiger nach. Dies spricht ebenso gegen die Annahme, dass die streitbetroffenen Projektordner für die Realisierung der offenen Debitoren geeignet waren, wie der Umstand, dass das Notariat […] als amtlicher Liquidator im Nachlass des verstorbenen ehemaligen Geschäftsführers der F.______AG die Forderung in der Höhe von Fr. 807'009.- am 23. August 2018 an die Beschwerdeführerin abtrat. Insgesamt ergibt sich daraus, dass keine Hinweise dafür bestehen, dass die von der Beschwerdeführerin erwähnten Projektordner der F.______AG geeignet waren, die noch offenen Forderungen zu realisieren. Im Übrigen weist der Beschwerdegegner zu Recht darauf hin, dass die Abtretung von Rechtsansprüchen nicht mit einer Erfolgsgarantie verbunden ist. Insgesamt bleibt von der Beschwerdeführerin damit unbewiesen, dass der mutmassliche Schaden überwiegend wahrscheinlich wegen der Vernichtung der streitbetroffenen Akten eingetreten ist, weshalb es am erforderlichen Kausalzusammenhang mangelt.

 

7.

Zusammenfassend sind die Haftungsvoraussetzungen gemäss Art. 5 SchKG nicht erfüllt. So scheitert eine Haftung des Beschwerdegegners bereits an einem genügend substantiierten Schaden, wobei der Beschwerdeführerin insbesondere der Nachweis nicht gelungen ist, dass die noch offenen Forderungen uneinbringlich bzw. nur mittels der entsorgen Akten realisierbar gewesen wären. Hinzu kommt, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Entsorgung der Akten und dem nur ungenügend substantiierten Vermögensschaden der Beschwerdeführerin nicht mit dem Grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt ist. Ferner lässt sich im Vorgehen der Amtsträger keine widerrechtliche Amtshandlung erkennen, welche einem pflichtbewussten Beamten nicht unterlaufen wäre. Demgemäss sind die Haftungsvoraussetzungen gemäss Art. 5 SchKG nicht erfüllt, womit die Frage der Verjährung des Haftungsanspruchs (Art. 6 Abs. 1 SchKG) offengelassen werden kann.

 

Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.

 

III.

1.

Die Gerichtskosten von pauschal Fr. 9'000.- sind ausgangsgemäss der Beschwerdeführerin aufzuerlegen und mit dem bereits geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu verrechnen (Art. 134 Abs. 1 lit. c VRG).

 

2.

Mangels Obsiegens steht der Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung zu (Art. 138 Abs. 3 lit. a VRG). Behörden, worunter der Beschwerdegegner fällt, haben nur ausnahmsweise Anspruch auf eine Parteientschädigung, weil die Beantwortung von Rechtsmitteln zu ihrem angestammten Aufgabenbereich gehört (Art. 138 Abs. 4 VRG). Da vorliegend kein besonderer Umstand vorliegt, der eine Parteientschädigung rechtfertigen würde, ist dem Beschwerdegegner eine solche nicht zuzusprechen.

Demgemäss erkennt die Kammer:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Gerichtskosten von Fr. 9'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem bereits geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

3.

Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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