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Urteil Verwaltungsgericht (GL - OG.2023.00051)

Zusammenfassung des Urteils OG.2023.00051: Verwaltungsgericht

Der Privatkläger hat Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Körperverletzung erhoben, nachdem beim Aufpumpen eines Rads bei einer Feuerwehrübung ein Unfall mit schweren Verletzungen passierte. Die Staatsanwaltschaft entschied, keine Untersuchung anzustellen, da keine klaren Hinweise auf strafbares Verhalten vorlagen. Das Obergericht des Kantons Glarus wies die Beschwerde ab und legte die Gerichtskosten von CHF 800 dem Privatkläger auf. Die Gewinnerperson ist weiblich (d) und der Richter ist Marianne Dürst Benedetti.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts OG.2023.00051

Kanton:GL
Fallnummer:OG.2023.00051
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid OG.2023.00051 vom 15.12.2023 (GL)
Datum:15.12.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Privat; Kläger; Privatkläger; Manometer; Staats; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Felge; Kunststofffelge; Unternehmen; Nichtanhandnahme; Motorspritze; Feuerwehr; Unfall; Manometers; Druck; Hersteller; Fragen; Person; Körper; Recht; Körperverletzung; Defekt; Druckluftpumpe; Gutachten; Verfahren; Privatklägers; Verletzung
Rechtsnorm: Art. 102 StGB ;Art. 12 StGB ;Art. 396 StPO ;
Referenz BGE:135 IV 56; 137 IV 285; 142 IV 333;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts OG.2023.00051

Geschäftsnummer: OG.2023.00051 (OGS.2024.163)
Instanz: OG2
Entscheiddatum: 15.12.2023
Publiziert am: 06.03.2024
Aktualisiert am: 06.03.2024
Titel: Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung

Resümee:

 

 

Kanton Glarus

 

Obergericht

 

 

 

 

Es wirken mit: Obergerichtsvizepräsidentin lic. iur. Marianne Dürst Benedetti, Oberrichterin Monika Trümpi und Oberrichterin Brigitte Müller sowie Gerichtsschreiberin MLaw Jennifer Zbinden.

 

 

Beschluss vom 15. Dezember 2023

 

 

Verfahren OG.2023.00051

 

 

A.______

Privatkläger und

Beschwerdeführer

 

vertreten durch MLaw Sarah Eichenberger Caballero, RechtsanwältinVertreterin,

 

 

gegen

 

 

Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus

 

Beschwerdegegnerin

 

vertreten durch den Staatsanwalt lic. iur. Patrick Fluri Vertreter,

 

 

 

betreffend

 

 

 

Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung

 

 

Rechtsbegehren des Beschwerdeführers (gemäss Eingabe vom 28. August 2023, act. 2):

 

1.

Die Nichtanhandnahmeverfügung vom 15. August 2023 betreffend unbekannte Täterschaft sei aufzuheben und es sei die Beschwerdegegnerin anzuweisen, eine Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen die unbekannte Täterschaft zu eröffnen.

 

 

2.

Die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, ein Gutachten über die Beschaffenheit des geborstenen Rads vom Typ `Safety Wheel` sowie über die Pressluftpistole mit integriertem Manometer der Marke `Walmec/Typ: PG/8` einzuholen.

 

 

3.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich 7.7 % Mehrwertsteuer zu Lasten des Staates.

____________________

 

 

Das Gericht zieht in Betracht:

 

 

I. Prozessgeschichte

1.  

1.1. Am 20. April 2023 fand im Feuerwehrdepot [...] eine Feuerwehrübung statt (act. 9/8.1.01 S. 2; act. 9/8.1.03 Frage 1). Im Vorfeld dieser stellte der für die Feuer­wehrübung anwesende B.______ fest, dass das Rad der Motorspritze platt war (act. 9/8.1.04 Frage 5). Da die Motorspritze für die Feuerwehrübung benötigt wurde, beschlossen er und sein Feuerwehrkollege C.______, das Rad aufzupumpen (act. 9/8.1.02 Frage 2; act. 9/8.1.03 Frage 5; act. 9/8.1.04 Fragen 1 und 6). Während des Pumpvorgangs zersprang plötzlich dessen Felge (act. 9/8.1.03 Frage 1). Dabei wurden einzelne Teile der Felge weggeschleudert und trafen den ca. zwei Meter davon entfernt stehenden Materialwart der Feuerwehr A.______ (nachfolgend Privatkläger) am Kopf und insbesondere am linken Auge (act. 9/8.1.02 Frage 2; act. 9/8.1.03 Frage 2; act. 9/8.1.04 Fragen 1 und 3).

 

1.2. Die Polizei erlangte auf einer allgemeinen Patrouillenfahrt zufälligerweise Kenntnis von diesem Vorfall und leitete in der Folge die Tatbestandsaufnahme ein (act. 9/8.1.01 S. 2). Insbesondere befragte sie die am Unfall beteiligten Personen, erstellte einen Fotobogen und holte ergänzende Unterlagen ein (act. 9/8.1.02-9/8.1.05; act. 9/8.1.07-9/8.1.08; act. 9/3.1.01). Mit Rapport vom 16. Juni 2023 leitete sie das Ergebnis ihrer Ermittlungen der Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus weiter (act. 9/8.1.01).

 

2.  

Mit Verfügung vom 15. August 2023 entschied die Staatsanwaltschaft, keine Untersuchung anhand zu nehmen. Daneben verfügte sie, dass die am 20. April 2023 durch die Kantonspolizei Glarus bei der Feuerwehr [...] sichergestellten Gegenstände (Reifen der Motorspritze, geborstene Kunststofffelge, Pressluftpistole mit integriertem Manometer; Dok GL 64334-69728) der Gemeinde [...], Feuerwehr [...], ausgehändigt werden (vgl. zum Ganzen act. 1).

 

3.  

Gegen diese Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft erhob der Privatkläger mit Eingabe vom 28. August 2023 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Glarus (act. 2). Den geforderten Kostenvorschuss zahlte er innert Frist ein (act. 7). Das Obergericht holte zur Beschwerde keine Stellungnahmen ein (vgl. Art. 390 Abs. 2 StPO), zog aber die Akten der Staatsanwaltschaft im Verfahren SA.2023.00524 (nachfolgend act. 9/0.1.01 ff.) bei.

 

 

II. Prozessuales

1.  

1.1. Das Obergericht ist als Rechtsmittelinstanz in Strafsachen für die Behandlung von Beschwerden zuständig (Art. 17 Abs. 2 lit. a GOG GL [GS III A/2]).

 

1.2. Vorliegend angefochten ist eine Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft (act. 1). Die betreffende Verfügung ist der Beschwerde zugänglich (Art. 310 Abs. 2 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 und Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO). Die
Beschwerdefrist von zehn Tagen (Art. 310 Abs. 2 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 und Art. 396 Abs. 1 StPO) ist vorliegend eingehalten (act. 1-2).

 

1.3. Der Geschädigte konstituierte sich mit Schreiben vom 25. August 2023 als Privat- und Strafkläger (act. 9/3.1.02). Dadurch erlangte er im vorliegenden Strafverfahren Parteistellung (Art. 118 Abs. 1 StPO sowie Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO). Der Privatkläger ist somit zur Beschwerde gegen die verfügte Nichtanhandnahme der Strafuntersuchung legitimiert (Art. 310 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 322 Abs. 2 StPO; Patrick Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich/St. Gallen 2011, N. 110).

 

2.  

2.1. Mit Beschwerde können in Bezug auf den angefochtenen Entscheid Rechtsverletzungen, eine unvollständige unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie Unangemessenheit gerügt werden (Art. 393 Abs. 2 StPO).

 

2.2. Vorliegend macht der Privatkläger sowohl Rechtsverletzungen als auch eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung geltend (act. 2 N. 8 ff.).

 

 

III. Beurteilung

1.  

1.1. Die Staatsanwaltschaft hielt in ihrer Nichtanhandnahmeverfügung fest, dass der Privatkläger am 20. April 2023 unzweifelhaft eine schwere Augenverletzung erlitten habe und insofern der objektive Tatbestand von Art. 125 StGB (fahrlässige Körperverletzung) erfüllt sei. Aufgrund der Ergebnisse des polizeilichen Ermittlungsverfahrens sei jedoch nicht ersichtlich, wer welche Sorgfaltspflichten verletzt haben könnte. So bestünden keine Hinweise darauf, dass eine der beteiligten Personen die verwendeten Geräte falsch bedient gegen Sicherheitsbestimmungen verstossen hätte. Auch die von der Kantonspolizei angeregte Expertise betreffend die Funktionstüchtigkeit des Manometers sowie der Kunststofffelge könnten keine hinreichenden Hinweise auf ein strafbares Verhalten ergeben. So hätten sich im polizeilichen Ermittlungsverfahren keine Hinweise auf äusserliche und damit erkennbare Defekte des Manometers der Kunststofffelge ergeben. Der Herstellerfirma seien bislang keine vergleichbaren Fälle bekannt gewesen. Auch wenn möglich erscheine, dass allenfalls ein nicht erkennbarer Defekt der Felge Ursache für deren Bersten gewesen sei, könnte ein solcher niemandem strafrechtlich vorgeworfen werden, weil dieser eben gerade nicht hätte erkannt und damit die Verletzungen des Privatklägers nicht hätten vermieden werden können (vgl. zum Ganzen act. 1 N. 5).

 

1.2. Insbesondere entfalle eine Strafbarkeit von C.______, welcher gemeinsam mit B.______ das Rad aufpumpte. So hätten sie zunächst das Rad auf 0.6 bar aufgepumpt, ohne dass es zu Problemen gekommen sei. Anschliessend hätten sie das Rad geprüft und festgestellt, dass dieses noch nicht ausreichend aufgepumpt gewesen sei. Auf der Felge sei ein maximaler Reifendruck von 2.0 bar angegeben gewesen. Ihre Beobachtungen hätten sich somit mit den vorhandenen Informationen gedeckt, weshalb es für sie keine Anhaltspunkte gegeben habe, dass der erreichte Druck von 0.6 bar nicht den Tatsachen entsprechen sollte. Da die Felge unmittelbar nach der Wiederaufnahme des Pumpvorgangs geborsten sei, seien der Unfall sowie die Verletzung des Privatklägers nicht vorhersehbar gewesen (vgl. zum Ganzen act. 1 N. 5).

 

2.  

2.1. Der Privatkläger argumentiert dagegen, dass die Staatsanwaltschaft es unterlassen habe, die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Hinblick auf einen allfälligen Mangel am Manometer und/oder an der Kunststofffelge abzuklären (act. 2 N. 10). Dies obwohl die Kantonspolizei Glarus in ihrem Rapport ausdrücklich um Erstellung einer Expertise über das Manometer sowie die Kunststofffelge ersucht habe (act. 2 N. 9). Die Staatsanwaltschaft habe damit den Sachverhalt ungenügend abgeklärt und den Untersuchungsgrundsatz (Art. 6 StPO) verletzt (act. 2 N. 10). Entgegen der Staatsanwaltschaft könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass, falls C.______ und B.______ kein strafrechtliches Verschulden am Ereignis vom 20. April 2023 träfe, nicht eine andere natürliche juristische Person für das Bersten der Kunststofffelge und somit für die Körperverletzung des Beschwerdeführers strafrechtlich verantwortlich sei (act. 2 N. 11).

 

2.2. Der Privatkläger habe während des Pumpvorganges eine Wölbung am Manometer feststellen können (act. 2 N. 13). Er sei jedoch nicht mehr rechtzeitig dazu gekommen, die anderen Beteiligten zu warnen (act. 2 N. 13). Wenn nun also die Felge zerborsten sei, obwohl der Maximaldruck von 2.0 bar vermeintlich nicht erreicht wurde, müsse dies auf einen technischen Mangel zurückzuführen sein (act. 2 N. 13). Es könne sein, dass C.______ tatsächlich nicht habe erkennen können, ob ein technischer Defekt am Manometer vorgelegen habe. Allerdings könne daraus nicht abgeleitet werden, ob ein Mangel an der Druckluftpumpe bzw. dem Manometer vorgelegen habe, für welchen sich der Hersteller, der Vertreiber und/oder eine natürliche Person sowohl straf- als auch zivilrechtlich zu verantworten habe (act. 2 N. 15).

 

2.3. Auch habe die Staatsanwaltschaft nicht hinreichend abgeklärt, ob die Kunststofffelge selbst einen Mangel aufgewiesen habe (act. 2 N. 16 f.). Falls C.______ nicht habe erkennen können, ob ein technischer Defekt an der Felge vorgelegen haben, könne daraus nicht geschlossen werden, dass mit Sicherheit kein Mangel an der Felge vorgelegen habe, für welchen sich der Hersteller der Felgen [...], die Wartungsfirma der Motorspritze [...] der Hersteller der Motorspritze [...] sowohl straf- als auch zivilrechtlich zu verantworten habe (act. 2 N 18). Es genüge hierfür nicht, dass sich der Offizier der Feuerwehr [...] bei der Herstellerfirma erkundigt habe, ob ähnliche Vorfälle bekannt seien (act. 2 N. 19). Unzureichend sei auch, dass eine Servicerechnung der [...] AG vorliege, welche ausweise, dass die Laufräder kontrolliert seien (act. 2 N. 19).

 

3.  

Die Staatsanwaltschaft verfügt gemäss Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind. Sie eröffnet demgegenüber eine Strafuntersuchung, wenn sich aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatverdacht ergibt (Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO). Die Frage, ob ein Strafverfahren über eine Nichtanhandnahme erledigt werden kann, beurteilt sich nach dem aus dem Legalitätsprinzip abgeleiteten Grundsatz `in dubio pro duriore` (lat. für `im Zweifel für das Härtere`). Danach darf die Nichtanhandnahme gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen (vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 6B_258/2022 vom 12. Januar 2023 E. 3.2.3, m.w.H.; Urteil des Bundesgerichts 6B_1104/2017 vom 13. April 2018 E. 2.3.1, beide m.w.H.).

 

4.  

4.1. Der fahrlässigen Körperverletzung macht sich strafbar, wer fahrlässig einen Menschen am Körper an der Gesundheit schädigt (Art. 125 Abs. 1 StGB). Fahrlässig begeht ein Verbrechen Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB).

 

4.2. Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Dies ist der Fall, wenn der Täter im Zeitpunkt der Tat auf Grund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat. Daneben ist erforderlich, dass die zum Erfolg führenden Geschehensabläufe für den konkreten Täter mindestens in ihren wesentlichen Zügen voraussehbar sowie vermeidbar waren. Demgemäss muss das Verhalten geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen mindestens zu begünstigen (vgl. zum Ganzen BGE 135 IV 56 E. 2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_735/2020 vom 18. August 2021 E. 3.2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_606/2017 vom 13. November 2017 E. 2.2, je m.w.H.).

 

5.  

5.1. Der Privatkläger erlitt am 20. April 2023 im Vorfeld einer Feuerwehrübung aufgrund einer berstenden Kunststofffelge eine schwere Augapfelprellung, ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma sowie eine Rissquetschwunde über dem linken Augenlid (act. 9/3.1.01; act. 9/8.1.01 S. 4; act. 9/8.1.02 Frage 22). Es ist unter den Parteien deshalb unbestritten, dass der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nach Art. 125 StGB aus objektiver Sicht erfüllt ist (vgl. act. 1 N. 5; act. 2 N. 9). Umstritten ist dagegen, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht davon ausging, dass die Verletzung des Privatklägers eindeutig niemandem subjektiv angelastet werden könne (vgl. hierzu act. 1 N. 5 und act. 2 N. 8 ff.).

 

5.2. Die Staatsanwaltschaft prüfte in ihrer Nichtanhandnahmeverfügung diesbezüglich zunächst eine mögliche Strafbarkeit von C.______ (vgl. act. 1 N. 5), welcher gemeinsam mit B.______ das Laufrad aufpumpte. Dabei ist unstrittig, dass C.______ und B.______ das Rad der Motorspritze zunächst auf 0.5 bis 0.6 bar aufpumpten, ohne dass es zu Problemen kam (act. 9/8.1.02 Frage 2; act. 9/8.1.03 Frage 6; act. 9/8.1.04 Frage 1). Anschliessend prüften sie das Rad und entschieden sich, dieses weiter aufzupumpen, da dieses noch nicht ausreichend aufgepumpt war (act. 9/8.1.02 Frage 2; act. 9/8.1.03 Frage 6; act. 9/8.1.04 Frage 1). Auf der Felge war ein maximaler Reifendruck von 2.0 bar angegeben (act. 9/8.1.02 Frage 2; act. 9/8.1.03 Frage 6; act. 9/8.1.04 Frage 1). Die Felge barst dabei kurz nach Wiederaufnahme des Pumpvorgangs (act. 9/8.1.02 Frage 2; act. 9/8.1.03 Frage 6; act. 9/8.1.04 Frage 1).

 

5.3. C.______ und B.______ gaben übereinstimmend an, dass die Kunststofffelge, das Manometer und die Druckluftpumpe – soweit von ihnen beurteilbar – vor dem Unfall in einwandfreiem Zustand waren (vgl. act. 9/8.1.03 Fragen 10-13, 21-22 und 24; act. 9/8.1.04 Fragen 11-14, 22, 24-25 und 27; vgl. auch act. 9/8.1.01 S. 4). Der Privatkläger als zuständiger Materialwart der Feuerwehr bestätigte, dass die Druckluftschläuche sowie die zum Aufpumpen verwendete Pressluftpistole mit integriertem Manometer seines Wissens nach einwandfrei funktionierten (act. 9/8.1.02 Fragen 14-15). Ihm fiel einzig auf, dass der plastifizierte Karton mit der `Bar` Skala des Manometers vor dem Bersten der Felge eine leichte Wölbung aufgewiesen habe (act. 9/8.1.02 Frage 4 im Vergleich zu act. 9/8.1.03 Frage 15; act. 9/8.1.04 Fragen 16-17). Auf den entsprechenden Hinweis des Privatklägers konnten C.______ und B.______ jedoch nicht mehr reagieren, da die Felge bereits in diesem Moment barst (act. 9/8.1.04 Frage 1).

 

5.4. Die am Unfall Beteiligten führten übereinstimmend aus, dass es sich beim Aufpumpen des Rades um das übliche Vorgehen gehandelt habe und sie nicht wissen, was sie falsch gemacht hätten (act. 9/8.1.02 Frage 7; act. 9/8.1.03 Fragen 7-8; act. 9/8.1.04 Fragen 8-9). Der Privatkläger ging zudem selbst davon aus, dass soweit er das beurteilen könne, es zu keiner Fehlmanipulation durch C.______ und B.______ gekommen sei (act. 9/8.1.02 Frage 9). Es ist somit nicht ersichtlich, dass C.______ bzw. B.______ sorgfaltswidrig gehandelt haben sollten; zumal sie das Rad wie üblich aufpumpten, sich an den maximalen Reifendruck hielten und keine äusserlichen Materialschwächen erkannten. Der Unfall sowie die Verletzung des Privatklägers waren für sie deshalb nicht vorhersehbar und somit auch nicht vermeidbar. Es ist somit der Staatsanwaltschaft zuzustimmen (act. 1 N. 5), dass sich aus dem polizeilichen Ermittlungsverfahren keine Hinweise auf eine Strafbarkeit von C.______ bzw. B.______ ergeben hat (act. 1 N. 5). Insofern hat die Staatsanwaltschaft ihnen gegenüber zu Recht kein Strafverfahren anhand genommen. Dies wurde vom Privatkläger in seiner Beschwerde denn auch nicht beanstandet (vgl. act. 2 N. 8 ff.).

 

6.  

6.1. Der Privatkläger rügt jedoch, dass die Staatsanwaltschaft ein Gutachten zur Funktionsfähigkeit des Manometers bzw. der Kunststofffelge hätte einholen müssen (act. 2 N. 9 f.). Ohne ein solches könne eine Strafbarkeit des Herstellers der Felgen [...], der Wartungsfirma der Motorspritze [...], des Herstellers der Motorspritze [...] und des Herstellers und Vertreibers der Druckluftpumpe bzw. des Manometers nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden (act. 2 N. 15 und N. 18).

 

6.2. Bei den vom Privatkläger aufgeführten möglichen Tätern handelt es sich allesamt um juristische Personen bzw. Unternehmen. Ein Verbrechen Vergehen kann nach Art. 102 Abs. 1 StGB nur dann einem Unternehmen zugerechnet werden, wenn in einem Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks ein Verbrechen Vergehen begangen wird und dieses aufgrund mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden kann (subsidiäre Verantwortlichkeit des Unternehmens). Eine originäre Verantwortlichkeit eines Unternehmens fällt vorliegend schon ausser Betracht, weil Körperverletzungsdelikte keine Anlasstaten nach Art. 102 Abs. 2 StGB sind.

 

6.3. Voraussetzung für die Verantwortlichkeit eines Unternehmens ist, dass im Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks eine Straftat begangen wurde. Die Bestimmung knüpft mithin an ein begangenes Vergehen Verbrechen an. Dabei muss nachgewiesen sein, dass die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Gelingt dieser Nachweis nicht, entfällt die Strafbarkeit des Unternehmens. Andernfalls ergäbe sich eine reine Kausalhaftung, welche vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollt war (vgl. zum Ganzen BGE 142 IV 333 E. 4.1, m.w.H.).

 

6.4. Mit dem Privatkläger ist davon auszugehen, dass ein Gutachten über die Funktionsfähigkeit des Manometers bzw. der Kunststofffelge allenfalls Klarheit schaffen könnte, ob die Verletzung des Privatklägers auf einen Defekt in der Kunststofffelge, in der Druckluftpumpe am Manometer zurückgeführt werden kann eine andere (ungeklärte) Ursache hat. Der Privatkläger übersieht jedoch, dass es für die strafrechtliche Verantwortlichkeit der aufgeführten Unternehmen nicht ausreichen würde, wenn nachgewiesen würde, dass sie ein mangelhaftes Produkt vertrieben bzw. hergestellt hätten. Für eine Verurteilung wäre vielmehr zusätzlich der Nachweis erforderlich, dass ein Organ bzw. Mitarbeiter des Unternehmens sorgfaltswidrig die Körperverletzung des Privatklägers verursacht hat. Hierfür müsste diese Person bei der Herstellung, beim Vertrieb bei der Wartung des Produktes einen allfälligen Defekt sorgfaltswidrig nicht bemerkt zwar bemerkt, dann aber sorgfaltswidrig darauf verzichtet haben diesen zu beheben, obwohl sie hätte vorausahnen können, dass der Defekt einen Unfall wie den vorliegenden verursachen könnte.

 

6.5. Wie die Staatsanwaltschaft zu Recht festhielt (act. 1 N. 5), kann dies vorliegend unabhängig von der Einholung eines Gutachtens ausgeschlossen werden. So waren gemäss übereinstimmender Aussage der am Unfall beteiligten Personen die Kunststofffelge, das Manometer und die Druckluftpumpe – soweit von ihnen beurteilbar – vor dem Unfall in einwandfreiem Zustand (vgl. act. 9/8.1.02 Frage 15; act. 9/8.1.03 Fragen 10-13, 21-22 und 24; act. 9/8.1.04 Fragen 11-14, 22, 24-25 und 27; vgl. auch act. 9/8.1.01 S. 4). Weder für den Privatkläger als Materialwart der Feuerwehr noch für die am Unfall beteiligten C.______ und B.______ war der Unfall mit den Verletzungsfolgen für den Privatkläger voraussehbar (vgl. vorne E. III.5.4.). Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch die Vertreiber der Kunststofffelge, des Manometers und der Druckluftpumpe den Unfall mit Verletzungsfolgen nicht voraussehen konnten. Ihnen kann somit unabhängig vom Ergebnis eines Gutachtens keine Sorgfaltspflichtverletzung angelastet werden. Dasselbe gilt auch für die Hersteller der Felge, der Druckluftpumpe, des Manometers und der Motorspritze. Aufgrund der vorhandenen Akten kann ausgeschlossen werden, dass die für die Herstellung verantwortliche Person bereits bei der Herstellung der Felge, der Druckluftpumpe, des Manometers bzw. der Motorspritze einen allfälligen Defekt erkannte resp. hätte erkennen müssen und die Folgen des Defekts (schwerer Unfall bei der Benutzung) voraussah resp. hätte voraussehen müssen. So waren die Geräte und namentlich das Manometer bei der Feuerwehr bereits mehrere Jahre im Einsatz (act. 9/8.1.02 Frage 4; vgl. auch act. 9/8.1.01 S. 5; act. 9/8.1.04 Frage 5; act. 9/8.1.05) und funktionierten zuvor einwandfrei. Da das Gutachten nur über die Funktionstüchtigkeit des Manometers sowie der Kunststofffelge eingeholt werden soll (act. 2 S. 2 und N. 9), ist auch nicht ersichtlich, wie sich daraus eine Sorgfaltspflichtverletzung der Wartungsfirma der Motorspritzen ergeben soll.

 

6.6. Insgesamt ging die Staatsanwaltschaft somit zutreffend davon aus, dass sich vorliegend keine Hinweise auf eine sorgfaltswidrige bzw. strafbare Handlung einer Person ergeben haben und somit die Körperverletzung des Privatklägers auch nicht einem Unternehmen zugerechnet werden kann. Die Strafbarkeit der Vertreiber bzw. Hersteller der Kunststofffelge, der Druckluftpumpe, des Manometers und der Motorspritze kann unabhängig vom Resultat eines Gutachtens eindeutig ausgeschlossen werden (vgl. act. 1 N. 5). Allein die Tatsache, dass sich aus einem allfälligen Gutachten Hinweise auf eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Herstellers bzw. des Vertreibers ergeben könnten (vgl. Art. 55 OR und Art. 4 PrHG), rechtfertigt es nicht, eine Strafuntersuchung an Hand zu nehmen (vgl. hierzu BGE 137 IV 285 E. 2.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_364/2013 vom 29. August 2013 E. 2; vgl. auch Christof Riedo/Gerhard Fiolka, in: Basler Kommentar Strafprozessordnung/Jugendstrafprozessordnung, 3. Aufl., Basel 2023, N. 34 f. zu Art. 6 StPO). Etwas anderes kann der Privatkläger auch nicht aus Art. 6 StPO (Untersuchungsgrundsatz) ableiten. So werden die Strafbehörden im Falle einer Nichtanhandnahme von ihrer Verpflichtung zur Sachverhaltsfeststellung nach Art. 6 StPO gerade entbunden (Christof Riedo/Gerhard Fiolka, a.a.O., N. 36 zu Art. 6 StPO). Die Staatsanwaltschaft hat somit zu Recht davon abgesehen, eine Strafuntersuchung zu eröffnen.

 

 

IV. Kosten- und Entschädigungsfolgen

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Verfahrensausgang entsprechend dem Privatkläger aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist dabei auf CHF 800.– festzulegen und vom geleisteten Kostenvorschuss zu beziehen (Art. 8 Abs. 2 lit. b der Verordnung zu den Kosten im Zivil- und Strafprozess vom 22. Dezember 2010 [GS III A/5]). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen (Art. 436 Abs. 1 StPO i.V.m. 433 Abs. 1 StPO e contrario).

 

____________________

 

 

Das Gericht beschliesst:

 

1.

Die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft vom 15. August 2023 im Verfahren SA.2023.00524 wird abgewiesen.

 

 

2.

Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden auf CHF 800.— festgesetzt. Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt und von dem von ihm geleisteten Kostenvorschuss bezogen.

 

 

3.

Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

 

 

4.

Schriftliche Mitteilung an:

 

[...]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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