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Urteil Verwaltungsgericht (GL - OG.2021.00101)

Zusammenfassung des Urteils OG.2021.00101: Verwaltungsgericht

Das Obergericht des Kantons Glarus hat in einem Fall von privatrechtlicher Baueinsprache entschieden, dass das strittige Bauvorhaben nicht mit dem im Grundbuch eingetragenen Näherbaurecht vereinbar ist. Der Beklagte wurde daher angewiesen, das Bauvorhaben nicht auszuführen. Die Gerichtskosten und eine Parteientschädigung wurden dem Beklagten auferlegt. Der Beklagte hat gegen dieses Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Die Kläger argumentieren, dass das Bauprojekt des Beklagten die Ausübung ihres Näherbaurechts verhindert, da die Baubewilligungsbehörde keine zwei Mehrfamilienhäuser mit einem Gebäudeabstand von 2.1 Metern bewilligen würde. Das Gericht entschied jedoch, dass die Kläger nicht nachgewiesen haben, dass ihnen die Ausübung ihres Näherbaurechts durch das Bauprojekt des Beklagten unmöglich gemacht wird. Daher bleibt die Frage der Unmöglichkeit offen. Das Gericht bestätigte auch, dass das gegenseitige Näherbaurecht im Kanton Glarus nicht gegen zwingende Grenz- und Gebäudeabstandsvorschriften verstösst. Der Fall wird weiterhin vor Gericht verhandelt, um die genauen Umstände des Näherbaurechts zu klären.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts OG.2021.00101

Kanton:GL
Fallnummer:OG.2021.00101
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid OG.2021.00101 vom 04.11.2022 (GL)
Datum:04.11.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Näherbaurecht; Grenz; Kanton; Vorinstanz; Beklagten; Parteien; Recht; Dienstbarkeitsvertrag; Grundbuch; Gebäude; Berufung; Liegenschaft; Kantons; Näherbaurechts; Grenzabstand; Näherbaurechte; Baubewilligung; Meter; Grundstück; Glarus; Urteil; Gebäudeabstand; Verfahren; Gericht; Bauvorhaben; Klägern; Apos; Klage
Rechtsnorm: Art. 20 OR ;Art. 737 ZGB ;Art. 779 ZGB ;
Referenz BGE:136 III 60;
Kommentar:
Peter Liver, Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 2022

Entscheid des Verwaltungsgerichts OG.2021.00101

Geschäftsnummer: OG.2021.00101 (OGZ.2024.129)
Instanz: OG1
Entscheiddatum: 04.11.2022
Publiziert am: 17.04.2024
Aktualisiert am: 17.04.2024
Titel: Privatrechtliche Baueinsprache

Resümee:

 

Kanton Glarus

 

Obergericht

 

 

Es wirken mit: Obergerichtspräsidentin Dr. iur. Petra Hauser, Oberrichterin Monika Trümpi, Oberrichterin Brigitte Müller, Oberrichterin lic. iur. Marianne Dürst Benedetti und Oberrichterin Ruth Hefti sowie Gerichtsschreiberin MLaw Jennifer Zbinden.

 

 

Urteil vom 4. November 2022

 

 

Verfahren OG.2021.00101

 

 

A.______

Beklagter und

Berufungskläger

 

vertreten durch lic. iur. Christian Suter, Rechtsanwalt

 

gegen

 

 

1. B.______

 

2. C.______

Kläger und

Berufungsbeklagte

 

beide vertreten durch lic. iur. Werner Marti, Rechtsanwalt

 

 

betreffend

 

 

 

Privatrechtliche Baueinsprache

 

 

Anträge von A.______ (gemäss Eingaben vom 7. Dezember 2021, act. 42, vom 28. Februar 2022, act. 50, und vom 20. April 2022, act. 54, sinngemäss):

 

1.

Es sei das Urteil des Kantonsgerichts Glarus vom 5. November 2021 im Verfahren ZG.2019.01195 aufzuheben und die Klage vom 10. Dezember 2019 vollumfänglich abzuweisen.

 

 

2.

Eventualiter sei das Urteil des Kantonsgerichts Glarus aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

 

 

3.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, auch im vorinstanzlichen Verfahren, zu Lasten der solidarisch haftenden Kläger.

 

Anträge von B.______ und C.______ (gemäss Eingaben vom 24. Januar 2022, act. 48, und vom 6. April 2022, act. 52, sinngemäss):

 

1.

Es sei die Berufung vollumfänglich abzuweisen.

 

 

2.

Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beklagten.

____________________

 

 

Das Gericht zieht in Betracht:

 

 

I. Prozessgeschichte

1.  

1.1. B.______ und C.______ (nachfolgend Kläger) sind seit dem 12. Februar 2015 je hälftige Miteigentümer der Liegenschaften Nrn. [...], Grundbuch [...], Gemeinde [...] (act. 3/13, 33/2 und act. 33/3). Eigentümer der Nachbarliegenschaft Nr. [...] ebenfalls Grundbuch [...], Gemeinde [...], ist seit dem 1. Juni 2011 A.______ (nachfolgend Beklagter; vgl. act. 33/6). Zwischen den Liegenschaften Nrn. [...] und [...] einerseits sowie zwischen den Liegenschaften Nrn. [...] und [...] andererseits besteht je ein im Grundbuch eingetragenes gegenseitiges Näherbaurecht (act. 33/2, act. 33/3 und act. 33/6). Dieses umfasst gemäss dem öffentlich beurkundeten Dienstbarkeitsvertrag das Recht, bis auf einen Meter an die gemeinsame Grenze zu bauen (act. 33/5).

 

1.2. Die örtliche Situation stellt sich wie folgt dar (vgl. auch die vorinstanzliche Darstellung in act. 39 S. 3):

 

[...]

 

2.  

2.1. Der Beklagte plant seit ca. 10 Jahren, die bestehenden Gebäude auf seiner Liegenschaft Nr. 343 abzubrechen und unter Ausnützung des im Grundbuch eingetragenen Näherbaurechts ein Mehrfamilienhaus zu erstellen (act. 33/4). Im Jahr 2012 reichte er hierfür erstmals ein Baugesuch bei der Gemeinde [...] ein. Sowohl für dieses Baugesuch als auch für sein zweites Baugesuch aus dem Jahr 2015 wurde die Baubewilligung vom Departement Bau und Umwelt aufgehoben (act. 27/1 S. 3, S. 35; act. 27/2 S. 6-7).

 

2.2. Am 8. März 2019 reichte der Beklagte der Gemeinde [...] ein überarbeitetes Baugesuch Nr. [...] ein. Das darin geplante Bauvorhaben weist gegenüber den Liegenschaften Nrn. [...] der Kläger nur einen Grenzabstand von 1.1 Metern auf (act. 2 S. 3; act. 26 S. 4; act. 3/14; act. 33/4).

 

2.3. Der Gemeinderat [...] erteilte dem Beklagten für dieses Bauprojekt am 15. Juli 2019 die Baubewilligung unter Auflagen und wies die von den Klägern erhobene Einsprache ab (act. 33/4). Zur Klärung der nachbarrechtlichen Abmachungen verwies er die Kläger auf den Zivilweg (act. 33/4 S. 8; vgl. Art. 51 Abs. 8 RBG GL [GS VII B/1/1]). Dieser Baubewilligungsentscheid des Gemeinderates [...] wurde – mittlerweile rechtskräftig – vom Departement Bau und Umwelt bestätigt (act. 20/1-20/2).

 

3.  

3.1. In der Folge reichten die Kläger am 24. Juli 2019 ein Schlichtungsgesuch bei der Schlichtungsbehörde des Kantons Glarus ein mit dem Begehren, es sei dem Beklagten zivilrechtlich verbieten zu lassen, das öffentlich-rechtlich bewilligte Bauvorhaben Nr. [...] auszuführen ausführen zu lassen (act. 1). Am 19. August 2019 ersuchten sie das Kantonsgericht Glarus zudem, das beantragte zivilrechtliche Verbot zur Ausführung des Bauvorhabens Nr. [...] bereits vorsorglich auszusprechen (act. 1 im Verfahren ZG.2019.00837).

 

3.2. Diesem Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen kam der Kantonsgerichtspräsident mit Verfügung vom 23. Dezember 2019 nach und verbot dem Beklagten einstweilen, das öffentlich-rechtlich bewilligte Bauvorhaben Nr. [...] auszuführen ausführen zu lassen (act. 22 im Verfahren ZG.2019.00837).

 

4.  

4.1. In der Zwischenzeit erhoben die Kläger nach Ausstellen der Klagebewilligung am 10. Dezember 2019 in der Hauptsache Klage und beantragten, dass dem Beklagten definitiv verboten wird, das öffentlich-rechtlich bewilligte Bauvorhaben Nr. [...] auszuführen ausführen zu lassen (act. 2). Dies mit der Begründung, dass der Beklagte sich für die Unterschreitung des Grenzabstandes gegenüber den Liegenschaften der Kläger nicht auf das im Grundbuch eingetragene Näherbaurecht berufen könne (act. 2 S. 6). Denn die Auslegung der gegenseitigen Näherbaurechte ergebe, dass gegenseitige Duldungspflichten bestehen, welche miteinander verknüpft seien (act. 2 S. 6-7). Die Parteien seien damals davon ausgegangen, dass beide bis einen Meter an die Grenze bauen können (act. 31 S. 4). Die Baubewilligungsbehörde werde jedoch niemals zwei Mehrfamilienhäuser mit nur 2.1 Metern Gebäudeabstand voneinander bewilligen (act. 2 S. 6). Da somit nicht beide Parteien das ihnen gegenseitig eingeräumte Recht ausüben können, sei der Vertrag widerrechtlich bzw. weise einen unmöglichen Inhalt auf (act. 2 S. 8). Wenn beide Parteien die gleichen Rechte hätten, dürfe das Recht des Einen nicht das Recht des Anderen verunmöglichen (act. 31 S. 5).

 

4.2. Der Beklagte bestritt, dass das Näherbaurecht widerrechtlich bzw. unmöglich sei und beantragte die Abweisung der Klage soweit darauf einzutreten sei (act. 26). Es sei davon auszugehen, dass die Kläger gute Chancen auf den Erhalt einer Ausnahmebewilligung hätten, da dies dem Ziel der Verdichtung entspreche. Selbst wenn die Kläger keine Ausnahmebewilligung erhalten würden, führe dies nicht zur Widerrechtlichkeit der strittigen Näherbaurechte. Denn in diesem Fall wäre nicht das Näherbaurecht widerrechtlich, sondern das von den Klägern zur Baubewilligung eingegebene Projekt (act. 26 S. 9). Der Beklagte habe sich nur dazu verpflichtet, die Unterschreitung des Grenz- und des Gebäudeabstandes durch die Kläger zu dulden. Nicht verpflichtet habe er sich dagegen, den Klägern eine öffentlich-rechtliche Baubewilligung zu verschaffen (act. 26 S. 12). Der Beklagte verunmögliche die Ausübung des Näherbaurechts durch die Kläger in keiner Weise (act. 26 S. 13). Es sei korrekt, dass die Kläger dulden müssen, dass der gesetzliche Grenz- und Gebäudeabstand vom Beklagten unterschritten werden dürfe und dass auch der Beklagte dies gegenüber den Klägern zu dulden habe. Dies bedeute entgegen der klägerischen Ansicht jedoch nicht, dass das Recht des Beklagten nur dann gültig sei, wenn auch die Kläger die ihr zustehenden Rechte ausüben können. Eine solche Bedingung ergebe sich weder aus dem Grundbucheintrag noch aus dem Dienstbarkeitsvertrag (act. 26 S. 14).

 

5.  

Mit Urteil vom 5. November 2021 entschied das Kantonsgericht, das strittige Bauvorhaben lasse sich nicht mit dem Inhalt des Näherbaurechts vereinbaren. Es untersagte dem Beklagten deshalb, das öffentlich-rechtlich bewilligte Bauvorhaben Nr. [...] (Neubau Mehrfamilienhaus inkl. Pfahlfundation) auszuführen bzw. ausführen zu lassen. Der nicht beanstandete Abbruch der bestehenden Gebäude Nrn. [...] auf der Liegenschaft Nr. [...] stehe dem Dienstbarkeitsvertrag dagegen nicht entgegen, weshalb es die Klage in diesem Punkt abwies (act. 39 S. 12-13 Dispositivziffern 1-2). Zudem verfügte das Kantonsgericht, dass nach unbenutztem Ablauf der Berufungsfrist die vorsorglichen Massnahmen durch den Hauptsachenentscheid ersetzt würden (act. 39 S. 13 Dispositivziffer 3). Die Gerichtsgebühr für den Hauptsachenentscheid, die Kosten des Massnahmeverfahrens sowie die Kosten des Schlichtungsverfahrens von insgesamt CHF 8'050.— auferlegte es dem Beklagten und verpflichtete ihn, den Klägern eine Parteientschädigung von CHF 8'000.— zu bezahlen (act. 39 Dispositivziffern 4-7).

 

6.  

Gegen dieses Urteil erhob der Beklagte am 7. Dezember 2021 fristgerecht Berufung beim Obergericht des Kantons Glarus mit den eingangs wiedergegebenen Anträgen (act. 42). Die Kläger beantragten die Abweisung der Berufung (act. 48). An der Instruktionsverhandlung vom 6. Juli 2022 fanden die Parteien keine Einigung (act. 59). Wie der Beklagte mit E-Mail vom 25. Juli 2022 mitteilte, scheiterten auch die unter den Parteien im Anschluss an die Instruktionsverhandlung fortgeführten Vergleichsgespräche (act. 60-62).

An seiner Sitzung vom 4. November 2022 fällte das Obergericht seinen Entscheid (act. 64).

 

 

II. Formelles

1.  

1.1. Erstinstanzliche Endentscheide in vermögensrechtlichen Angelegenheiten mit einem Streitwert von mindestens CHF 10'000.— können mit Berufung angefochten werden (Art. 308 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 ZPO). Lautet das Rechtsbegehren nicht auf eine bestimmte Geldsumme, setzt das Gericht den Streitwert fest, sofern sich die Parteien darüber nicht einigen ihre Angaben offensichtlich unrichtig sind (Art. 91 Abs. 2 ZPO).

 

1.2. Die von den Klägern gestellten Rechtsbegehren lauteten nicht auf eine bestimmte Geldsumme (act. 2 S. 2). Beide Parteien sind sich einig, dass der Streitwert CHF 30'000.— übersteigt, wobei der Beklagte anhand der geltend gemachten Baukosten pro Kubik sogar von einem Streitwert von CHF 3.336 Millionen ausgeht (act. 31 S. 6; act. 42 S. 17; act. 48 S. 11).

 

1.3. Wie dies die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat (act. 39 S. 5. E. III.2.), ist vorliegend die Streitwertschätzung anhand der Wertminderung der Liegenschaften der Kläger bzw. der Wertsteigerung der Liegenschaft des Beklagten bei Umsetzung des Bauprojektes festzusetzen (vgl. BGE 136 III 60 E. 1.1.1, m.w.H.). Auf die basierend darauf vorgenommene Schätzung des Streitwerts durch die Vorinstanz ist somit auch im Berufungsverfahren abzustellen, zumal keine konkreten Hinweise vorliegen, dass die Wertminderung bzw. Wertsteigerung höher bzw. tiefer wäre. Jedenfalls nicht abgestellt werden kann entgegen dem Beklagten (act. 31 S. 6) auf die Kosten des gesamten Neubaus. Denn vorliegend ist nicht der gesamte Neubau strittig, sondern nur der Teil, welcher den gesetzlichen Grenzabstand von vier Metern unterschreitet.

 

2.  

Das Urteil des Kantonsgerichts vom 5. November 2021 ist somit mit Berufung anfechtbar (Art. 308 ZPO). Die Berufung des Beklagten wurde rechtzeitig erhoben (act. 41-42). Die übrigen Prozessvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Insbesondere wird die örtliche Zuständigkeit vor Obergericht vom Beklagten zu Recht nicht mehr beanstandet (vgl. act. 42 S. 17 sowie die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz in act. 39 S. 4 E. III.1.). Das Obergericht des Kantons Glarus ist für die Beurteilung der Berufung zuständig (Art. 17 Abs. 1 lit. b GOG GL [GS III A/2]). Auf die Berufung ist einzutreten.

 

3.  

Mit Berufung können eine unrichtige Rechtsanwendung (lit. a) und eine unrichtige Feststellung des Sachverhaltes (lit. b) geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO).

 

4.  

Die Akten des vorinstanzlichen Verfahrens ZG.2019.01195 (act. 1-41) sowie die Akten des Massnahmeverfahrens ZG.2019.00837 (act. 1-26) wurden beigezogen. Die Akten des Berufungsverfahrens werden im vorinstanzlichen Dossier weitergeführt (ab act. 42).

 

 

III. Materielles

1.  

1.1. Der Grenzabstand für Bauten und Anlagen beträgt vorbehältlich anderer nachbarrechtlichen Abmachungen vier Meter (Art. 51 Abs. 1 RBG GL). Die Einhaltung der Grenzabstandsvorschriften bzw. das Vorliegen einer nachbarrechtlichen Abmachung ist von der Baubewilligungsbehörde zu prüfen (Art. 51 Abs. 7 RBG GL). Inhaltlich unklare nachbarrechtliche Abmachungen sind auf dem zivilrechtlichen Weg zu klären (Art. 51 Abs. 8 RBG GL).

 

1.2. Vorliegend möchte der Beklagte auf seiner Liegenschaft Nr. [...] ein Mehrfamilienhaus mit einem Grenzabstand von 1.1 Metern zu den Liegenschaften der Kläger Nrn.[...] bauen. Unbestritten ist, dass ihm dies nur möglich ist, wenn er sich zur Unterschreitung des ordentlichen Grenzabstandes auf das im Grundbuch eingetragene gegenseitige Näherbaurecht berufen kann (vgl. act. 33/4 S. 8). Was dieses Näherbaurecht genau beinhaltet und ob es überhaupt gültig ist, ist zwischen den Parteien jedoch umstritten und Gegenstand des vorliegenden Zivilverfahrens.

 

2.  

Die Vorinstanz ermittelte zur Klärung dieser Fragen den Inhalt des strittigen Näherbaurechts nach der Stufenordnung gemäss Art. 738 ZGB. Dabei hielt sie fest, dass der Grundbucheintrag allein keinen Aufschluss darüber gebe, mit welchem Sinn und zu welchem Zweck der Dienstbarkeitsvertrag abgeschlossen worden sei (act. 39 S. 9 E. IV.5.). Sie legte deshalb anschliessend den Dienstbarkeitsvertrag vom 15. Februar 1990 (act. 33/5), mit welchem das Näherbaurecht begründet wurde, aus (act. 39 S. 9-12 E. IV.6-IV.9.3.). Nach der Vorinstanz sei der Dienstbarkeitsvertrag dabei so auszulegen, dass die Parteien sich bei der Einräumung des unentgeltlichen, gegenseitigen Näherbaurechtes mit spiegelbildlichen Rechten und Pflichten gleich berechtigen und verpflichten wollten. Die Vorstellung der Parteien müsse gewesen sein, dass auf den Liegenschaften dereinst zwei Bauten mit einem Gebäudeabstand von zwei Metern stehen würden. Im Dienstbarkeitsvertrag schwinge daher implizit die Bedingung mit, dass von der zuständigen Behörde auch dem Zweitbauenden eine Baubewilligung unter Ausnutzung des Näherbaurechts erteilt werde. Dies sei jedoch vorliegend sehr unsicher (act. 39 S. 11 E. IV.9.2.). Das strittige Bauvorhaben sei deshalb nicht mit dem Inhalt des Dienstbarkeitsvertrages vereinbar und zu unterlassen (act. 39 S. 12 E. V.). Es dürfe nicht sein, dass eine Partei den Dienstbarkeitsvertrag faktisch ausheble und sich so ihrer Pflichten entledigen könne (act. 39 S. 12 E. IV.9.3.). Da sie, anders als die Kläger, den Erhalt einer Ausnahmebewilligung jedoch nicht gänzlich ausschloss, erachtete sie den Dienstbarkeitsvertrag weder als unmöglich noch widerrechtlich (act. 39 S. 9 E. IV.7.).

 

3.  

Der Beklagte rügt diese Argumentation der Vorinstanz als rechtsfehlerhaft und auf einem falschen Sachverhalt beruhend (act. 42 S. 4). Dabei beanstandet er zunächst, dass die Vorinstanz die Dienstbarkeit überhaupt ausgelegt hatte, da der Inhalt der Dienstbarkeit unter den Parteien gar nicht strittig gewesen sei (act. 42 S. 18). Die Vorinstanz hätte ihre Begründung nach der Feststellung, dass die Dienstbarkeit weder unmöglich noch widerrechtlich sei, abbrechen müssen. Mit ihrem Vorgehen habe sie das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt (act. 42 S. 18-19; act. 50 S. 4-5).

Sodann rügt der Beklagte, dass die Dienstbarkeit rechtsfehlerhaft ausgelegt worden sei. So weiche die Vorinstanz ohne sachlichen Grund vom Wortlaut des Dienstbarkeitsvertrages ab und glaube zu wissen, was die ursprünglichen Parteien gewollt haben, anstatt auf den die Dienstbarkeit objektiviert auszulegen (act. 42 S. 20 und S. 24). Die Erwägung der Vorinstanz, dass die Erteilung einer Ausnahmebewilligung als sehr unsicher erscheine, sei unhaltbar, da gemäss den öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften sehr wohl eine Ausnahmebewilligung erhältlich gemacht werden könne und die Kläger keinen Beweis erbringen, dass es im vorliegenden Fall gerade nicht möglich sei (act. 42 S. 6-8). Ein Näherbaurecht bedeute nicht, dass der jeweils berechtigte Grundeigentümer verpflichtet wäre, dafür zu sorgen, dass der jeweils andere Grundeigentümer ebenfalls ein Bauprojekt realisieren könne (act. 42 S. 11). Eine solche Pflicht, welche die Vorinstanz in ihrem Entscheid zu konstruieren versuche, sei bei Näherbaurechten nicht vorgesehen und widerspreche dem Wesen der Dienstbarkeit (act. 42 S. 12). In Lehre und Rechtsprechung sei anerkannt, dass im Kontext gegenseitiger Näherbaurechte eine gewisse Präjudizierung durch den Erstbauenden eintreten könne (act. 42 S. 13). Diese Präjudizierung begründe weder die Widerrechtlichkeit noch die Unmöglichkeit des Dienstbarkeitsvertrages und stelle auch keine einseitige Abänderung des Vertragsinhaltes dar (act. 42 S. 16 und S. 22). Im Ergebnis führe die Argumentation der Vorinstanz zu einem Verbot von gegenseitigen Näherbaurechten, was dem Ziel der Verdichtung zuwiderlaufe (act. 42 S. 25-26).

 

4.  

Die Kläger argumentieren dagegen, dass der Beklagte für eine Hauptbaute mit einem Grenzabstand von einem Meter und einem Gebäudeabstand von zwei Metern keine Baubewilligung erhalten werde (act. 48 S. 3-5). Die Beweislast, ob eine Ausnahmebewilligung erhältlich gemacht werden könne, obliege dem Beklagten (act. 48 S. 4 und S. 11).

Die Vorinstanz habe die spiegelbildliche Verbindung von Rechten und Pflichten aus dem Dienstbarkeitsvertrag korrekt dargestellt (act. 48 S. 11-12). Es sei zutreffend, dass die Partei, welche zuerst eine Baubewilligung erhalte, mit der Erstellung der Baute auf den Vertragsinhalt zulasten der anderen Vertragspartei einwirke und den Vertrag einseitig abändere. Die Klage sei primär mit dem Argument abzuweisen, dass es sich beim Dienstbarkeitsvertrag um einen nichtigen Vertrag handle. Sollte der Vertrag dagegen als gültig beurteilt werden, sei er so auszulegen, wie von der Vorinstanz (act. 48 S. 13).

 

5.  

5.1. Entgegen den Vorbringen des Beklagten (act. 42 S. 18) war es korrekt und zulässig, dass die Vorinstanz das strittige Näherbaurecht zunächst auslegte. Denn nur so lässt sich der Inhalt des strittigen Näherbaurechts ermitteln. Entgegen dem Beklagten (act. 42 S. 18) interpretierten die Parteien den Inhalt des Näherbaurechts gerade nicht gleich. So bestritt der Beklagte in seiner Klageantwort die Ausführungen der Kläger, dass die gegenseitigen Duldungspflichten miteinander verknüpft seien (act. 26 S. 14). Die Frage der Auslegung wurde von den Klägern zudem bereits in ihrer Klage selbst thematisiert (act. 2 S. 6-7) und im Rahmen der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vertieft (act. 31 S. 3-5). Eine Gehörsverletzung des Beklagten ist diesbezüglich somit nicht ersichtlich.

 

5.2. Es war ebenfalls zulässig, dass die Vorinstanz die Klage schliesslich gestützt auf eine andere als von den Klägern angerufene rechtliche Grundlage gutgeheissen hat. Denn das Gericht wendet das Recht von sich aus an und ist in der rechtlichen Würdigung der Tatsachen frei (Art. 57 ZPO; Myriam A. Gehri, in: Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Basel 2017, N. 4 zu Art. 57 ZPO). Inhaltlich stützte sich die Vorinstanz dabei auf das Argument der Kläger, dass die gegenseitigen Duldungspflichten beim vorliegenden Näherbaurecht miteinander verknüpft seien und nur ausgeübt werden können, wenn der Nachbar sein Recht auch ausüben könne (vgl. act. 2 S. 6-8; act. 31 S. 4-5; act. 39 S. 11-12 E. IV.9.2.-V.). Der einzige Unterschied liegt darin, dass die Vorinstanz davon ausging, es sei nicht ganz ausgeschlossen, dass die Kläger eine Ausnahmebewilligung für ihr Bauvorhaben erhalten würden.

 

6.  

Wie von der Vorinstanz und den Parteien ausgeführt, ist der Inhalt des Näherbaurechts durch Auslegung nach der Stufenordnung von Art. 738 ZGB zu ermitteln. Zum genauen Vorgehen kann dabei auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (act. 39 S. 8 E. IV.4.), welche vom Beklagten nicht beanstandet wurden (act. 42 S. 17). Die basierend darauf vorgenommene konkrete Auslegung des Näherbaurechts ist im Nachfolgenden zu überprüfen. Dabei wird entsprechend dem vorinstanzlichen Urteilsaufbau und der Stufenordnung von Art. 738 ZGB zunächst der Grundbucheintrag (E. III.6.1.) und anschliessend der Dienstbarkeitsvertrag ausgelegt (E. III.6.2.).

 

 

6.1. Grundbucheintrag

 

6.1.1. Das vorliegend strittige Näherbaurecht wird im Grundbuchauszug aller drei involvierten Liegenschaften parallel und unter einheitlicher Nummer, wie folgt aufgeführt (vgl. hierzu auch act. 39 S. 8-9 E. IV.5.):

-

Grundbuchauszug der Liegenschaft Nr. [...], Recht/Last: Näherbaurecht zugunsten und zulasten Grundstück Nr. [...] (act. 33/6);

-

Grundbuchauszug der Liegenschaft Nr. [...], Recht/Last: Näherbaurecht zugunsten und zulasten Grundstück Nr. [...] (act. 33/2);

-

Grundbuchauszug der Liegenschaft Nr. [...], Recht/Last: Näherbaurecht zugunsten und zulasten Grundstück Nr. [...].

 

6.1.2. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung umfasst der Grundbucheintrag `Näherbaurecht` das Recht, in einem geringeren als dem gesetzlichen Abstand an die Grenze des Nachbargrundstücks zu bauen, d.h. auf unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten beizubehalten. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Baurechtsdienstbarkeiten (Art. 675 Abs. 1 und Art. 779 Abs. 1 ZGB) baut der aus einem Näherbaurecht berechtigte Eigentümer auf seinem eigenen Grundstück und nicht auf dem belasteten Grundstück, und dessen Eigentümer wiederum hat keinen Eingriff in die Substanz seines Grundstücks, sondern die Unterschreitung des gesetzlichen Mindestgrenzabstandes durch den berechtigten Eigentümer auf dem Nachbargrundstück zu dulden (Urteil des Bundesgericht 5A_377/2017 vom 27. Februar 2018 E. 2.3.2, m.w.H.; vgl. auch Maja Schüpbach Schmid, Das Näherbaurecht in der zürcherischen baurechtlichen Praxis, Entlebuch 2001, S. 37 und S. 53; Peter Liver, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Die Dienstbarkeiten und Grundlasten, Erster Band: Die Grunddienstbarkeiten, Zürich 1968, N. 187 zu Art. 730 ZGB).

 

6.1.3. Die sich aus dem Näherbaurecht ergebende Duldungspflicht bedeutet für den Eigentümer des belasteten Grundstücks folglich, dass er die Abwehr des Näherbaus zu unterlassen hat; das zivilrechtliche Näherbaurecht steht somit der Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Grenzabstandsvorschriften entgegen. Mithin beinhaltet das Näherbaurecht einen Verzicht, in Bezug auf den Grenzabstand die sich aus dem Grundeigentum ergebenden Abwehrrechte geltend zu machen. Aus dem Näherbaurecht kann darüber hinaus jedoch grundsätzlich keine Pflicht des Eigentümers des belasteten Grundstücks abgeleitet werden, es zu unterlassen, auf dem belasteten Grundstück eine Baute zu erstellen, welche in der Zukunft die Ausübung des Näherbaurechts aufgrund von den dann geltenden öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften erschweren verunmöglichen könnte. Ein solches Bauverbot auf dem Landstreifen, dessen Umfang durch die vom öffentlichen Baurecht vorgegebenen Grenz- und Gebäudeabstände bestimmt wird, geht über die grundsätzlich mit dem Näherbaurecht verbundene Duldungspflicht hinaus und kann sich entsprechend auch nicht auf Art. 737 Abs. 3 ZGB stützen. Diese Bestimmung besagt zwar, dass der Dienstbarkeitsbelastete nichts vornehmen darf, was die Ausübung der Dienstbarkeit verhindert erschwert (Art. 737 Abs. 3 ZGB). Damit wird jedoch nur festgehalten, wie der bestehende Inhalt einer Grunddienstbarkeit anzuwenden ist (vgl. Etienne Petitpierre, in Basler Kommentar, 6. Aufl., Basel 2019, N. 2 zu Art. 737 ZGB). Eine zusätzliche Pflicht des Dienstleistungsbelasteten lässt sich daraus nicht ableiten (so im Ergebnis auch das Obergericht des Kantons Bern ZK 15 239 vom 2. Juli 2015 E. 10; kritisch hierzu Sacha Vallati, Dienstbarkeiten und Bauvorhaben, Zürich/Basel/Genf 2021, N. 164-166). Die Sicherstellung eines solchen Bauverbotsstreifens mittels einer Abrückungspflicht muss sich daher aus der Dienstbarkeit selber ergeben. Besteht der Grundbucheintrag lediglich im Wort `Näherbaurecht`, kann daraus noch nicht auf eine Abrückungspflicht geschlossen werden.

 

6.1.4. Gemäss Lehre und Rechtsprechung gibt es dabei verschiedene Arten von Näherbaurechten. Unterschieden werden einerseits einseitige und gegenseitige sowie andererseits generelle und projektbezogene Näherbaurechte.

 

6.1.5. Von einem einseitigen Näherbaurecht wird gesprochen, wenn sich ein Grundeigentümer einseitig dazu verpflichtet, eine Baute des berechtigten Nachbarn im Abstandsbereich zu seinem Grundstück zu dulden (Maja Schüpbach Schmid, a.a.O., S. 54). Demgegenüber verpflichten sich die beteiligten Grundeigentümer bei einem gegenseitigen Näherbaurecht gegenseitig, ein Gebäude des anderen im Abstandsbereich zu dulden (Maja Schüpbach Schmid, a.a.O., S. 55). Bei einem generellen Näherbaurecht verpflichtet sich der Nachbar, Gebäude im Abstandsbereich im Voraus und generell zu dulden. Von einem projektbezogenen Näherbaurecht hingegen wird in der Praxis dann gesprochen, wenn der belastete Nachbar seine Zustimmung an ein genau definiertes Bauvorhaben knüpft (Maja Schüpbach Schmid, a.a.O., S. 58-61; Barbara Graham-Siegenthaler, Verdichtung des Bodens und Sachenrecht, in: Jusletter vom 9. April 2018, Rz. 113-114; Christoph Fritzsche/Peter Bösch/Thomas Wipf/Daniel Kunz, Zürcher Planungs- und Baurecht, Band. 2, 6. Aufl., Wädenswil 2019, S. 1098; vgl. hierzu auch Urteil des Bundesgerichts 1C_237/2010 vom 30. August 2010 E. 2.5.1).

 

6.1.6. Den vorne aufgeführten Grundbuchauszügen kann entnommen werden, dass es sich vorliegend um ein gegenseitiges Näherbaurecht handelt, bei welchem die beteiligten Grundeigentümer gegenseitig Gebäude im Abstandsbereich zu dulden haben. Sodann ist aus dem Grundbucheintrag allein keine Begrenzung auf ein bestimmtes Bauprojekt ersichtlich und mithin davon auszugehen, dass je ein generelles Näherbaurecht eingeräumt wurde.

 

6.1.7. Wie von der Vorinstanz ausgeführt (act. 39 S. 9 E. IV.5.) und von den Parteien anerkannt (act. 42 S. 18; act. 48 S. 7), ergibt sich der genaue Inhalt des Näherbaurechtes darüber hinaus aus dem Grundbucheintrag nicht abschliessend. Insbesondere nicht klar ist, wie nahe an die Grenze die Grundeigentümer des jeweils belasteten Grundstücks bauen dürfen. Hierfür ist deshalb entsprechend der Stufenordnung von Art. 738 ZGB der Dienstbarkeitsvertrag beizuziehen.

 

6.2. Dienstbarkeitsvertrag

 

6.2.1. Das vorliegend strittige Näherbaurecht basiert auf dem öffentlich beurkundeten Dienstbarkeitsvertrag vom 15. Februar 1990 zwischen X.______ und Y.______. Der Inhalt dieses Dienstbarkeitsvertrages lautet wie folgt (act. 33/5; vgl. auch act. 39 S. 9 E. IV.6.):

 

`Oeffentliche Urkunde

 

Vertrag auf gegenseitige Einräumung eines Näherbaurecht

 

[…]

 

Neue Dienstbarkeit

 

1.

Die Parteien räumen sich gegenseitig bezüglich der nachfolgend genannten Grundstücke das Recht ein, bis auf 1 m an die gemeinsame Grenze zu bauen.

 

2.

Auf der Liegenschaft Nr. [...] darf die Firsthöhe maximale 11,60 m erreichen.

Aus dem Grundbuch [...]

 

Parz. Nr. [...], im Eigentum von X.______

Parz. Nr. [...[, im Eigentum der Y.______

 

Diese Rechte sind als dinglich wirkend in das Grundbuch einzutragen.

Weitere Bestimmungen

 

1.

Auf gegenseitige Entschädigung für die Einräumung des genannten Näherbaurechts wird verzichtet.

 

2.

Die Kosten der Abfassung dieses Vertrages, der öffentlichen Beurkundung und des Grundbucheintrages trägt [...].

 

[…] `

 

6.2.2. Aus dem Wortlaut des Dienstbarkeitsvertrages geht hervor, dass das Näherbaurecht vorliegend dazu berechtigt, bis auf einen Meter an die gemeinsame Grenze zu bauen. Der Gebäudeabstand von normal acht Metern wird somit auf zwei Meter verkürzt. Zudem wird verdeutlicht, dass die Parteien sich gegenseitig ein Näherbaurecht einräumen wollten. Beide Grundstücke werden somit durch die strittige Dienstbarkeit sowohl belastet als auch berechtigt. Auch aus dem Dienstbarkeitsvertrag ergeben sich keine Hinweise darauf, dass das Näherbaurecht an ein spezifisches Bauvorhaben seitens der Parteien geknüpft gewesen wäre. Dies wird von den Parteien denn auch nicht vorgebracht (vgl. act. 2 S. 6; act. 31 S. 7). Mithin ist weiterhin davon auszugehen, dass ein gegenseitiges, generelles Näherbaurecht besteht.

 

6.2.3. Auf eine Entschädigung für die Einräumung des Näherbaurechtes haben die damaligen Parteien gemäss Wortlaut des Dienstbarkeitsvertrages verzichtet. Die Gegenleistung für die Einräumung des Näherbaurechts bestand vielmehr darin, dass auch der anderen Partei ein Näherbaurecht eingeräumt wurde. Insofern hat die Vorinstanz zutreffend festgehalten, dass spiegelbildliche Rechte und Pflichten der Parteien bestehen (act. 39 S. 11 E. IV.9.2.).

 

6.2.4. Die Vorinstanz ging gestützt darauf davon aus, dass beide Parteien gleich berechtigt und verpflichtet sein wollten. Es sei die Vorstellung der Parteien gewesen, auf den Liegenschaften würden dereinst zwei Bauten mit einem Gebäudeabstand von zwei Metern stehen. Im Dienstbarkeitsvertrag schwinge daher implizit die Bedingung mit, dass von der zuständigen Behörde auch dem Zweitbauenden ohne weiteres eine Baubewilligung unter Ausnutzung des Näherbaurechts erteilt werde. Der Dienstbarkeitsvertrag entfalte daher nur dann Wirkung, wenn es beiden Parteien aufgrund einer rechtskräftigen Baubewilligung möglich sei, von ihrem Näherbaurecht im gewünschten Umfang Gebrauch zu machen (act. 39 S. 11 E. IV.9.2.).

 

6.2.5. Auch wenn man der Vorinstanz folgt und davon ausgeht, der Zweck der sich gegenseitig eingeräumten Näherbaurechte bestehe im vorliegenden Fall darin, es beiden Grundeigentümern gleichermassen zu ermöglichen, eine Baute unter Unterschreitung des öffentlich-rechtlichen Grenzabstandes zu errichten, sind die von der Vorinstanz daraus gezogenen Schlussfolgerungen unzutreffend. Die Vorinstanz macht nämlich das Näherbaurecht von einer Bedingung abhängig und konstruiert eine Koordinationspflicht zwischen den Parteien. Weder eine solche Bedingung noch eine solche Koordinationspflicht sind jedoch im Dienstbarkeitsvertrag erwähnt. Eine solche Auslegung entspricht auch nicht dem üblichen Verständnis von (gegenseitigen) Näherbaurechten (vgl. oben E. III.6.1.2.-III.6.1.4.; vgl. zudem Sacha Vallati, a.a.O., N. 160; Markus Siegrist, Tücken im Grenz- und Näherbaurecht, in: Wohnwirtschaft HEV Aargau Nr. 4-2017, S. 19).

 

6.2.6. Die Annahme einer solchen Bedingung würde zudem die latente Gefahr schaffen, dass das Näherbaurecht gar nicht genutzt werden kann, wenn nicht beide Parteien im gleichen Zeitraum bewilligungsfähige Baugesuche für ihre Grundstücke einreichen. Dies kann kaum Sinn und Zweck des vorliegenden generellen Näherbaurechtes gewesen sein und entspricht auch nicht dem, was vernünftigerweise aus dem vorliegenden Dienstbarkeitsvertrag abgeleitet werden darf. Hätten die ursprünglichen Parteien tatsächlich die Ausübung ihrer Näherbaurechte koordinieren wollen, wäre vielmehr davon auszugehen, dass sie sich nur projektbezogene und nicht generelle Näherbaurechte eingeräumt hätten. Denn so hätte schon im Voraus überprüft werden können, ob sich dereinst beide Projekte bewilligen lassen werden und die eingeräumten Näherbaurechte somit beide vollumfänglich ausgenützt werden können. Würde der Auslegung der Vorinstanz gefolgt, könnte die eine Partei die Ausübung des Näherbaurecht durch die andere Partei mutwillig verhindern.

 

6.2.7. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist schliesslich die Eintragung aufschiebend bedingter Grunddienstbarkeiten im Grundbuch unzulässig (Urteil des Bundesgerichts 5A_518/2017 vom 20. April 2017 E. 3.1). Eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen kann zudem nur nebensächlich mit einer Grunddienstbarkeit verbunden sein (Art. 730 Abs. 1 ZGB). Das Verständnis der Dienstbarkeit gemäss Vorinstanz erscheint somit als ausgeschlossen.

 

6.2.8. Aus alldem ergibt sich, dass die Dienstbarkeit entgegen der Vorinstanz und den Klägern nicht nur Wirkung entfaltet, wenn es beiden Parteien aufgrund einer rechtskräftigen Baubewilligung möglich ist, von ihrem Näherbaurecht im gewünschten Umfang Gebrauch zu machen.

 

6.2.9. Der Vorinstanz ist jedoch immerhin soweit zuzustimmen, dass dem Umstand, dass es sich um gegenseitige, unentgeltlich eingeräumte Näherbaurechte handelt, Bedeutung zukommen könnte. Die sich daraus ergebende Frage müsste jedoch dahingehend lauten, ob nach Treu und Glauben nicht angenommen werden müsste, dass das jeweilige Näherbaurecht mit einer Abrückungspflicht des belasteten Grundstücks ergänzt ist, sodass beide Grundeigentümer das Näherbaurecht in dem durch das öffentliche Baurecht vorgegebenen Rahmen im gleichen Umfang ausüben können. In einem solchen Fall könnte der Dienstbarkeitsbelastete somit zum Schutz des eigenen Näherbaurechts dem Näherbaurecht des Nachbarn dessen Abrückungspflicht entgegenhalten. Die eigene Abrückungspflicht steht dann der vollen Ausschöpfung des eigenen Näherbaurechts entgegen. Verneint man hingegen diese Frage, so würde das bedeuten, dass, wie von den Beklagten geltend gemacht, der zuerst bauende Grundeigentümer das Näherbaurecht vollständig ausschöpfen kann, der erst später bauende Grundeigentümer je nach öffentlicher Bauordnung jedoch nur noch teilweise gar nicht sogar weiter von der Grenze abrücken müsste, als wenn keine Vereinbarung getroffen worden wäre. Im vorliegenden Verfahren kann diese Frage jedoch offengelassen werden, wie nachfolgend unter E. III.7.2. dargelegt wird. Es kann daher ebenfalls offengelassen werden, ob das Bestehen einer Abrückungspflicht von den Klägern überhaupt sinngemäss behauptet wurde.

 

6.2.10. Auf die Auslegung nach der Art, wie die Dienstbarkeit während längerer Zeit unangefochten und in guten Glauben ausgeübt worden ist (Art. 738 Abs. 2 ZGB), kann mangels entsprechender Parteibehauptungen verzichtet werden.

 

6.3. Zwischenfazit zur Auslegung

Es kann somit festgehalten werden, dass die Klage nicht mit der Begründung der Vorinstanz gutgeheissen werden kann. Ob das vereinbarte Näherbaurecht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstösst, bzw. die Ausübung des Näherbaurechts durch beide Parteien unmöglich ist, wie die Kläger vorbringen (act. 2 S. 6-9; act. 31 S. 5), ist im Nachfolgenden zu prüfen.

 

7.  

7.1. Widerrechtlichkeit

 

7.1.1. Ein Vertrag ist widerrechtlich im Sinne von Art. 19 und 20 OR, wenn sein Inhalt einer zwingenden objektiven, privat- öffentlich-rechtlichen Norm widerspricht (Barbara Meise/Claire Huguenin, in: Basler Kommentar Obligationenrecht I, 7. Aufl., Basel 2019, N. 15 zu Art. 19/20 OR, m.w.H.). So weist beispielsweise ein Dienstbarkeitsvertrag, welcher die in einer zwingenden Bestimmung festgelegte
Eigentumsbeschränkung aufhebt vermindert, einen widerrechtlichen Inhalt auf (Art. 680 Abs. 3 ZGB; Heinz Rey/Lorenz Strebel, in: Basler Kommentar Zivilgesetzbuch II, 6. Aufl., Basel 2019, N. 30 zu Art. 680 ZGB).

 

7.1.2. Zulässig ist dagegen die Begründung und Eintragung einer Grunddienstbarkeit, deren Inhalt übereinstimmt mit jenem einer behördlichen Ausnahmebewilligung. So ist beispielsweise die Begründung einer Grunddienstbarkeit (Näherbaurecht) zuzulassen, deren Inhalt mit der behördlichen Ausnahmebewilligung, innerhalb des öffentlich-rechtlich vorgeschriebenen Grenzabstandes zu bauen, identisch ist (Heinz Rey, Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Das Sachenrecht, Die Grunddienstbarkeiten, Systematischer Teil und Kommentar zu Art. 730 und 731 ZGB, Bern 1981, N. 77 zu Art. 730 ZGB; Heinz Rey/Lorenz Strebel, a.a.O., N. 31 zu Art. 680 ZGB).

 

7.1.3. Vorliegend strittig ist, ob das vereinbarte gegenseitige Näherbaurecht gegen den Grenz- bzw. Gebäudeabstand des öffentlichen Rechts verstösst. Dabei ist zu beachten, dass die Grenz- und Gebäudeabstände je nach Kanton unterschiedlich geregelt sind. Während in gewissen Kantonen die Grenzabstände durch privatrechtliche Vereinbarung unter Einhaltung des Gebäudeabstandes nur ungleich auf benachbarte Grundstücke verteilt werden kann (vgl. § 62 PBG SZ [SRSZ 400.100]; Art. 41 Abs. 5 BauG OW [GDB 710.1]; Art. 8 Abs. 5 BauG VS [SGS 705.1]; Art. 92 Abs. 2 PBG SG [sGS 731.1]), können sie in anderen sowohl ungleich verteilt als auch verkürzt werden (z.B. § 270 Abs. 3 PBG ZH [LS 700.1]; Art. 77 KRG GR [BR 801.100]; § 133 Abs. 1 lit. m und Abs. 2 PBG LU [SRL Nr. 735]; § 47 Abs. 2 BauG AG [SAR 713.100]; Art. 117 PBG NW [NG 611.1]). In den Kantonen, in welchem mit privater Vereinbarung der Grenzabstand nur ungleich verteilt, jedoch nicht verkürzt werden kann, schliesst das öffentliche Baurecht gegenseitige Näherbaurechte aus (vgl. Werner Ritter, in: Kommentar zum Planungs- und Baugesetz des Kantons St.Gallen, Basel 2020, N. 9 zu Art. 92 PBG). In den anderen Kantonen, in welchen der Grenzabstand sowohl ungleich verteilt als auch gekürzt werden kann, werden gegenseitige Näherbaurechte – soweit ersichtlich – dagegen als zulässig erachtet (vgl. Urteil des Kantonsgericht des Kantons Graubünden ERZ 10 257 vom 3. Januar 2011 E. 2; Urteil des Baurekursgerichts des Kantons Zürichs BRKE II Nr. 0112/2009 vom 19. Mai 2009 = BEZ 2010 Nr. 22 E. 7.2; Maja Schüpbach-Schmid, a.a.O., S. 50-51 und S. 55; Sacha Vallati, a.a.O., N. 160; vgl. auch das Urteil des Bundesgerichts 1C_237/2010 vom 30. August 2010 betreffend den Kanton Zürich, in welchem das Bundesgericht die Frage klärte, ob die Parteien sich ein generelles nur ein projektbezogenes gegenseitiges Näherbaurecht eingeräumt hatten, ohne die Frage nach der Gültigkeit aufzuwerfen).

 

7.1.4. Im Kanton Glarus beträgt der Grenzabstand zwischen Bauten und Anlagen vorbehältlich anderer nachbarrechtlicher Abmachungen vier Meter (Art. 51 Abs. 1 RBG GL). Liegt eine solche nachbarrechtliche Abmachung in Form einer im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit vor, erteilt die Baubewilligungsbehörde trotz Abweichung vom gesetzlich vorgesehenen Grenzabstand die Baubewilligung (Memorial für die Landsgemeinde des Kantons Glarus 2017, S. 111-112).

Der Gebäudeabstand beträgt bei offener Bauweise mindestens acht Meter (Art. 52 Abs. 1 RBG GL). Bei Gebäuden im bestehenden Dorfgebiet und im Rahmen von Sondernutzungsplänen kann der Gemeinderat Ausnahmen von diesen Abständen bewilligen, soweit kein öffentliches Interesse dagegensteht (Art. 52 Abs. 4 RBG GL). Als öffentliches Interesse wird insbesondere die Wohnhygiene und die Einhaltung von feuerpolizeilichen Vorschriften von der Baubewilligungsbehörde geprüft (act. 27/1 S. 23-24; act. 27/2 S. 16).

 

7.1.5. Wie in den Kantonen Zürich, Graubünden, Luzern etc. kann im Kanton Glarus somit sowohl der gesetzliche Grenzabstand als auch der gesetzliche Gebäudeabstand unterschritten werden, sofern einwandfreie wohnhygienische und feuerpolizeiliche Verhältnisse vorliegen (vgl. hierzu auch act. 27/1 S. 23-24; act. 27/2 S. 17-18). Die Grenz- und Gebäudeabstände stellen im Kanton Glarus mithin nicht zwingendes Recht dar und eine Verkürzung des Grenzabstandes ist unter Vorbehalt einwandfreier wohnhygienischer und feuerpolizeilicher Verhältnisse als zulässig zu erachten (vgl. hierzu auch act. 27/1 S. 23-24; act. 27/2 S. 18). Die Auffassung der Vorinstanz (act. 39 S. 9 E. IV.7.) und des Beklagten (act. 26 S. 7-12), dass ein gegenseitiges Näherbaurecht im Kanton Glarus nicht gegen zwingende Grenz- bzw. Gebäudeabstandsvorschriften verstösst, da der Erhalt einer Ausnahmebewilligung möglich ist, ist somit zu bestätigen.

 

7.1.6. Auch ein Verstoss gegen die Brandschutzabstände gemäss Brandschutzrichtlinie `Brandschutzabstände, Tragwerke, Brandabschnitte` der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen vom 1. Januar 2017 ist zu verneinen. So sind diese zwar für verbindlich erklärt worden (vgl. Art. 8 Abs. 2 und Abs. 3 des Brandschutzgesetzes des Kantons Glarus [GS V C/1/1] i.V.m. Art. 2 Abs. 2 der Brandschutzverordnung des Kantons Glarus [GS V C/1/2] i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. a des Präventionsreglements des Kantons Glarus [GS V C/1/7]). Nach Art. 2.4 der Brandschutzrichtlinien können jedoch die in Art. 2.2 der Brandschutzrichtlinien festgelegten Brandschutzabstände unterschritten werden, wenn erhöhte Anforderungen bei der Ausführung der Aussenwandkonstruktionen hinsichtlich Brennbarkeit und Feuerwiderstand eingehalten werden.

 

7.2. Unmöglichkeit

 

7.2.1. Nach Art. 20 Abs. 1 OR ist ein Vertrag, der einen unmöglichen Inhalt hat, nichtig. Unmöglichkeit nach Art. 20 OR ist nur anzunehmen, wenn sie von Anfang an bestanden hat; die versprochene Leistung muss aus tatsächlichen rechtlichen Gründen überhaupt nicht erbracht werden können (Urteil des Bundesgerichts 5A_69/2018 vom 21. September 2018 E. 3.3; Barbara Meise/Claire Huguenin, a.a.O., N. 46 zu Art. 19/20 OR, je m.w.H.).

 

7.2.2. Die Kläger argumentieren, dass der Beklagte mit seinem geplanten Bauprojekt die Ausübung der Last auf seiner Liegenschaft, d.h. das Näherbaurecht der Kläger, verhindert, da die Baubewilligungsbehörde niemals zwei Mehrfamilienhäuser mit einem Gebäudeabstand von 2.1 Metern bewilligen werde (act. 2 S. 6). Zum Nachweis, dass es ihnen durch das Bauprojekt des Beklagten selbst verunmöglicht werde, ihr Näherbaurecht vollumfänglich auszunützen, reichten sie einen negativen Bauermittlungsentscheid des Gemeinderates [...] vom 19. Dezember 2012 ein (act. 2 S. 5; act. 3/15). Darin teilte ihnen der Gemeinderat mit, dass das von ihnen eingereichte Projekt zu überarbeiten und das Projekt soweit abzuändern sei, dass es sich gut in die Umgebung einfüge, Grünflächen sowie Flächen für den Kinderspielplatz an geeigneter und besonnter Lage ausgewiesen, sämtliche Pflichtparkplätze in der Tiefgarage eingeplant, die Einfahrt zur Tiefgarage gemäss den Vorgaben der Bauordnung [...] sowie den Normen des Verbands der schweizerischen Strassenfachleute (VSS) ausgeführt, die Ausnützung der Liegenschaft auf das gesetzlich vorgeschriebene Mass reduziert sowie die Anforderungen an die Behindertenzugänglichkeit und an die Lufthygiene beachtet werden (act. 3/15 S. 4). Bezüglich Einhaltung der Grenz- und Gebäudeabstände ist darin festgehalten, dass das Bauvorhaben die Abstandsvorschriften gegenüber der Liegenschaft des Beklagten nicht erfülle, jedoch ein entsprechendes Näherbaurecht vorliege. Bei einer Unterschreitung des Gebäudeabstandes dürfe die Wohnhygiene nicht beeinträchtigt werden (act. 3/15 S. 3).

 

7.2.3. Entgegen den Klägern kann aus diesem Bauermittlungsentscheid nicht abgeleitet werden, dass die Ausübung des Näherbaurechts durch die Kläger aufgrund des Bauprojekts des Beklagten nicht mehr möglich wäre. Denn das Bauprojekt wurde aus diversen anderen Gründen zur Verbesserung zurückgewiesen. Wie sich dem Bauermittlungsentscheid entnehmen lässt, haben die Kläger die Frage, ob die Unterschreitung des Grenz- und Gebäudeabstandes zulässig sei, gar nicht explizit gestellt (act. 3/15 S. 1). Wie dem Bauermittlungsentscheid ebenfalls entnommen werden kann, hängt es von der Wohnhygiene ab, ob eine Baubewilligung trotz Unterschreitens des Gebäudeabstandes bewilligt werden kann. Ob bei der Ausübung des Näherbaurechts die Wohnhygiene eingehalten würde, hängt somit von den konkreten Umständen des Bauprojektes und der Gegebenheiten vor Ort ab. Es handelt sich daher nicht um eine reine Rechts-, sondern auch um eine der Behauptungs- und Beweislast unterliegende Sachverhaltsfrage.

 

7.2.4. Die Kläger haben somit nicht rechtsgenüglich nachgewiesen, dass es ihnen selbst nicht mehr möglich ist, ihr Näherbaurecht auszuüben, falls das Bauprojekt des Beklagten bewilligt wird. Insofern ist auch nicht erstellt, dass sich die gegenseitigen Duldungspflichten ausschliessen würden. Die Beweislast für die Sachumstände, welche der Gültigkeit der Dienstbarkeit entgegenstehen, lag entgegen dem Vorbringen der Kläger (act. 48 S. 4) bei ihnen selbst und nicht beim Beklagten. So möchten sie ihre Klage auf die behauptete Unmöglichkeit stützen und damit das öffentlich-rechtlich bewilligte Bauprojekt des Beklagten verhindern (vgl. Art. 8 ZGB; Flavio Lardelli/Meinrad Vetter, in Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 7. Aufl., Basel 2022, N. 61 zu Art. 8 ZGB; vgl. auch Peter Liver, a.a.O., N. 90 zu Art. 737 ZGB).

 

7.2.5. Aus diesem Grund kann auch offenbleiben, ob ein gegenseitig eingeräumtes Näherbaurecht nicht auch eine Abrückungspflicht in dem Sinne und Umfang beinhaltet, dass auch der erst später bauende Grundeigentümer von seinem Näherbaurecht im gleichen Umfang profitieren kann (vgl. hierzu vorne E. III.6.1.3.). Denn wenn man bei einem gegenseitig eingeräumten Näherbaurecht tatsächlich davon ausginge, dass damit insoweit eine Abrückungspflicht des belasteten Grundstücks verbunden ist, als dass auch der später bauende Grundeigentümer sein eigenes Näherbaurecht zumindest im gleichen Ausmass wie der erstbauende Grundeigentümer noch ausüben kann, so wären auch in diesem Fall die Kläger beweisbelastet. Sie müssten dann ebenfalls den Nachweis erbringen, dass das Bauprojekt des Beklagten der Ausübung ihres Näherbaurechts im Weg steht.

 

7.3. Zwischenfazit zur Widerrechtlichkeit und Unmöglichkeit

Entgegen den Klägern ist das im Grundbuch eingetragene gegenseitige Näherbaurecht somit weder widerrechtlich noch unmöglich. Die von ihnen angestrebte Unterlassung des Bauvorhabens des Beklagten findet daher keine Grundlage in Art. 20 OR.

 

 

IV. Fazit

Aus alldem ergibt sich, dass das vorliegend im Grundbuch eingetragene Näherbaurecht gültig ist. Die Kläger dringen mit ihren Vorbringen gegen die von den Beklagten geplanten Unterschreitung des ordentlichen Grenzabstandes gegenüber den Liegenschaften Nrn. [...] der Kläger nicht durch. Die Klage der Kläger auf Unterlassung des vom Beklagten geplanten Bauvorhabens ist deshalb abzuweisen und der anderslautende Entscheid der Vorinstanz aufzuheben. Mit Rechtskraft dieses Entscheides fallen die vom Kantonsgerichtspräsident am 23. Dezember 2019 im Verfahren ZG.2019.00837 angeordneten vorsorglichen Massnahmen von Gesetzes wegen dahin (Art. 268 Abs. 2 ZPO).

 

 

V. Kosten- und Entschädigungsfolgen

1.  

1.1. Die Prozesskosten werden nach Art. 106 Abs. 1 ZPO der unterliegenden Partei auferlegt. Trifft die Berufungsinstanz einen neuen Entscheid, so entscheidet sie auch über die Prozesskosten des erstinstanzlichen Verfahrens (Art. 318 Abs. 3 ZPO).

 

1.2. Vorliegend ist die Berufung des Beklagten gutzuheissen und das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich aufzuheben. Die Klage der Kläger ist dagegen abzuweisen. Die Gerichtskosten für das Massnahmeverfahren, das erstinstanzliche Verfahren sowie das Berufungsverfahren sind somit vollumfänglich den Klägern aufzuerlegen.

 

1.3. Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist nach Massgabe von Art. 3 Abs. 1 lit. b der kantonalen Verordnung zu den Kosten im Zivil- und Strafprozess (GS III A/5) auf CHF 3'000.— festzusetzen. Der Beklagte hat für das Berufungsverfahren einen Kostenvorschuss in entsprechender Höhe geleistet (act. 45). Damit ist die Gerichtsgebühr vom geleisteten Kostenvorschuss zu beziehen (Art. 111 Abs. 1 ZPO). Dem Beklagten ist im selben Umfang ein Rückgriffsrecht gegenüber den Klägern einzuräumen (Art. 111 Abs. 2 ZPO).

 

1.4. Die vorinstanzlichen Gerichtskosten in hier unbestrittener Höhe von CHF 5'000.—, die Kosten des Massnahmeverfahrens ZG.2019.00837 von CHF 2'500.— sowie die Kosten des Schlichtungsverfahrens SE.2019.00095 von CHF 550.— sind ebenfalls vollumfänglich den Klägern aufzuerlegen und von den von ihnen geleisteten Kostenvorschüssen zu beziehen (vgl. Art. 106 Abs. 1 i.V.m. Art. 111 Abs. 1 ZPO).

 

1.5. Ausgangsgemäss trifft die Kläger die Pflicht, dem Beklagten unter solidarischer Haftung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren sowie für das Massnahmeverfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen. Diese ist in Anwendung von Art. 20 EG ZPO GL (GS III C/1) auf insgesamt CHF 11'000.— festzusetzen.

 

____________________

 

Das Gericht erkennt:

 

1.

Die Berufung von A.______ wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts Glarus vom 5. November 2021 aufgehoben.

 

 

2.

Die Klage von B.______ und C.______ vom 10. Dezember 2019 wird vollumfänglich abgewiesen.

 

 

3.

Die vom Kantonsgerichtspräsident am 23. Dezember 2019 im Verfahren ZG.2019.00837 angeordneten vorsorglichen Massnahmen fallen mit Rechtskraft dieses Entscheides dahin.

 

 

4.

Die Gerichtsgebühr für das vorinstanzliche Verfahren wird festgesetzt auf CHF 5'000.—.

 

 

5.

Die Gerichtsgebühr für das vorinstanzliche Verfahren ZG.2019.01195 von CHF 5'000.—, die Kosten des Massnahmeverfahrens ZG.2019.00837 von CHF 2'500.— sowie die Kosten des Schlichtungsverfahrens SE.2019.00095 von CHF 550.— werden B.______ und C.______ auferlegt und von den von ihnen geleisteten Kostenvorschüssen bezogen.

 

 

6.

Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf CHF 3'000.—.

 

 

7.

Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren von CHF 3'000.— wird B.______ und C.______ auferlegt, jedoch von dem von A.______ geleisteten Kostenvorschuss bezogen. A.______ wird im Umfang von CHF 3'000.— für die Gerichtsgebühr des Berufungsverfahrens das Rückgriffsrecht auf B.______ und C.______ eingeräumt.

 

 

8.

B.______ und C.______ werden solidarisch verpflichtet, A.______ für das vorinstanzliche Verfahren ZG.2019.01195, für das Massnahmeverfahren ZG.2019.00837 und für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von insgesamt CHF 11'000.— zu bezahlen.

 

 

9.

Schriftliche Mitteilung an:

 

[...]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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