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Urteil Verwaltungsgericht (GL - OG.2019.00063)

Kopfdaten
Kanton:GL
Fallnummer:OG.2019.00063
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid OG.2019.00063 vom 04.12.2020 (GL)
Datum:04.12.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Der Beschuldigte wurde des Fahrens in fahrunfähigem Zustand schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je CHF 130 sowie einer Busse von CHF 1'100 verurteilt. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden ihm auferlegt. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Beschuldigte haben Berufung eingelegt. Das Obergericht hat am 4. Dezember 2020 sein Urteil gefällt, nachdem der Beschuldigte des Fahrens in fahrunfähigem Zustand für schuldig befunden wurde. Die Blutalkoholkonzentration des Beschuldigten wurde auf 1.26 bis 1.40 Gewichtspromille geschätzt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Blutentnahme und -analyse rechtmässig waren, da Anzeichen von Fahrunfähigkeit vorlagen.
Schlagwörter: Beschuldigte; Beschuldigten; Fahrunfähigkeit; Alkohol; Blutprobe; Staat; Berufung; Staats; Anzeichen; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Blutalkoholkonzentration; Alkoholeinfluss; Zustand; Höhe; Recht; Untersuchung; Kanton; Urteil; Gewicht; Anordnung; Atemalkoholprobe; Gewichtspromille; Punkt
Rechtsnorm: Art. 1 StPO ; Art. 103 SVG ; Art. 106 StGB ; Art. 12 StGB ; Art. 139 StPO ; Art. 16 StPO ; Art. 196 StPO ; Art. 2 VRV ; Art. 241 StPO ; Art. 251 StPO ; Art. 252 StPO ; Art. 253 StPO ; Art. 31 SVG ; Art. 333 StGB ; Art. 34 StGB ; Art. 36 BV ; Art. 398 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 408 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 422 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 43a BV ; Art. 47 StGB ; Art. 5 BV ; Art. 55 SVG ; Art. 6 StPO ; Art. 90 SVG ; Art. 91 SVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-
Entscheid
Geschäftsnummer: OG.2019.00063 (OGS.2021.106)
Instanz: OG2
Entscheiddatum: 04.12.2020
Publiziert am: 18.02.2021
Aktualisiert am: 18.02.2021
Titel: Fahren in fahrunfähigem Zustand

Resümee:

 

 

Kanton Glarus

 

Obergericht

 

 

 

Urteil vom 4. Dezember 2020

 

 

Verfahren OG.2019.00063 und OG.2019.00066

 

 

 

Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus

 

Anklägerin

Berufungsklägerin und

Berufungsbeklagte

 

vertreten durch den Staatsanwalt

 

 

gegen

 

 

A.______

Beschuldigter

Berufungsbeklagter und

Berufungskläger

 

verteidigt durch Rechtsanwalt B.______

 

 

 

betreffend

 

Fahren in fahrunfähigem Zustand

 

Schlussanträge der Anklägerin, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagten (gemäss Berufungserklärung vom 13. August 2019 [act. 21] und anlässlich der Berufungsverhandlung vom 7. August 2020 gestellt [act. 35 S. 4 und 32]):

 

1.

In Abweisung der Berufung des Beschuldigten sei dieser des Fahrens in fahrunfähigem Zustand gemäss Art. 91 Abs. 2 Bst. a SVG schuldig zu sprechen und zu einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu CHF 130.—, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 3 Jahren, sowie einer Busse von CHF 1'100.— unter Festlegung der Ersatzfreiheitsstrafe für das schuldhafte Nichtbezahlen der Busse auf 9 Tage zu verurteilen.

 

 

2.

In Gutheissung der Berufung der Staatsanwaltschaft seien in Abänderung von Dispositiv-Ziffer 4 des angefochtenen Urteils die Kosten vollumfänglich dem Beschuldigten aufzuerlegen und von ihm zu beziehen.

 

 

3.

Die Kosten des Berufungsverfahrens seien dem Beschuldigten aufzuerlegen.

 

Schlussanträge des Beschuldigten, Berufungsbeklagten und Berufungsklägers (gemäss Berufungserklärung vom 23. August 2019 [act. 22] und anlässlich der Berufungsverhandlung vom 7. August 2020 gestellt [act. 35 S. 4 und 17]):

 

1.

Dispositiv-Ziffer 1 sei aufzuheben und A.______ sei vom Vorwurf des Fahrens in angetrunkenem Zustand gemäss Art. 91 Abs. 2 Bst. a SVG freizusprechen.

 

 

2.

Die Dispositiv-Ziffern 2, 3, 4 und 5 seien aufzuheben.

 

 

3.

Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Kantons Glarus.

 

____________________

 

 

Das Gericht zieht in Betracht:

 

I.

1.

Die Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus (nachfolgend Staats-anwaltschaft) erliess am 27. November 2018 einen Strafbefehl gegen den Beschuldigten A.______ wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand i.S.v. Art. 91 Abs. 2 Bst. a SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 SVG, Art. 55 Abs. 6 SVG, Art. 2 Abs. 1 VRV und Art. 2 der Verordnung der Bundesversammlung über Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr (act. 3).

Nachdem der Beschuldigte mit Schreiben vom 30. November 2018 Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben hatte (act. 2/14.1.03), hielt die Staatsanwaltschaft an diesem fest und überwies die Strafsache, mit dem Strafbefehl als Anklageschrift, samt Untersuchungsakten dem Kantonsgericht Glarus zur weiteren Behandlung (act. 1 und 2/1.0.00-2/17.1.02).

 

2.

Mit Urteil vom 31. Juli 2019 erkannte das Kantonsgericht Glarus den Beschuldigten des Fahrens in fahrunfähigem Zustand i.S.v. Art. 91 Abs. 2 Bst. a SVG für schuldig (act. 18 S. 14 Dispositiv-Ziff. 1).

Das Kantonsgericht Glarus verurteilte den Beschuldigten zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je CHF 130.—, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 3 Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 1’100.—, bei Nichtbezahlung umgewandelt in eine unbedingt vollziehbare Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Tagen (act. 18 S. 14 Dispositiv-Ziff. 2).

Die Gerichtsgebühr in Höhe von CHF 2'600.— und die Untersuchungsgebühr in Höhe von CHF 600.— auferlegte das Kantonsgericht Glarus dem Beschuldigten, wohingegen die Auslagen der Staatsanwaltschaft in Höhe von CHF 1'197.50 zu Lasten des Staates genommen wurden (act. 18 S. 14 Dispositiv-Ziff. 3 und 4).

Das Kantonsgericht Glarus sprach keine Parteientschädigungen zu (act. 18 S. 14 Dispositiv-Ziff. 5).

 

3.

Gegen dieses Urteil erhoben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Beschuldigte rechtzeitig Berufung (act. 21 und 22).

 

4.

Am 7. August 2020 fand vor dem Obergericht die mündliche Berufungsverhandlung statt (act. 35). Am 4. Dezember 2020 fällte das Obergericht seinen Entscheid (act. 39). Der Entscheid wird schriftlich eröffnet, nachdem die Parteien auf eine mündliche Urteilsbekanntgabe ausdrücklich verzichteten (Art. 84 Abs. 3 StPO, act. 35 S. 47).

 

II.

1.

Das hier angefochtene Strafurteil des Kantonsgerichts Glarus (act. 18) ist der Berufung zugänglich (Art. 398 Abs. 1 StPO). Die Berufungsinstanz überprüft das Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO).

 

2.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen die vorinstanzliche Dispositiv-Ziffer 4, deren Änderung die Staatsanwaltschaft in der Hinsicht beantragt, dass die Kosten vollumfänglich dem Beschuldigten aufzuerlegen und von ihm zu beziehen seien (act. 21 und act. 35 S. 4 und 32).

Der Beschuldigte ficht das Urteil grundsätzlich vollumfänglich an, indem er die Aufhebung der Dispositiv-Ziffern 1-5 beantragt (act. 22 und act. 35 S. 4 und 17). Allerdings ist von der beantragten Aufhebung von Dispositiv-Ziff. 4 die Kostenzuweisung zu Lasten des Staates mangels Beschwer des Beschuldigten auszunehmen.

Das Obergericht wird, nachdem auf die Berufung einzutreten ist, ein neues Urteil fällen (Art. 408 StPO). 

 

3.

Mit Berufung kann gemäss Art. 398 Abs. 3 StPO geltend gemacht werden, die Vorinstanz habe das Recht verletzt, habe den Sachverhalt unvollständig unrichtig festgestellt und/oder habe unangemessen gehandelt.

Vorliegend macht die Staatsanwaltschaft betreffend die Zuweisung der Auslagen der Staatsanwaltschaft in Höhe von CHF 1'197.50 zu Lasten des Staates unzutreffende Rechtsanwendung geltend (vgl. act. 35 S. 32 ff.).

Der Beschuldigte wirft der Vorinstanz in seiner Berufung sowohl unzutreffende Rechtsanwendung (betreffend die Verwertbarkeit der Blutprobe) als auch unrichtige Sachverhaltsfeststellung (betreffend die Blutalkoholkonzentration) vor (vgl. act. 35 S. 20 ff.).

 

III. Sachverhalt

1. Anklagesachverhalt

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, am Dienstag, 9. Oktober 2018, um ca. 21.25 Uhr, den Personenwagen […] mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.37 Gewichtspromille und unter Inkaufnahme, eine Blutalkoholkonzentration von 0.8 Gewichtspromille mehr zu haben, in […] gelenkt zu haben, in der Absicht, zum […] zu fahren (act. 3 S. 1).

 

2.

Der Beschuldigte anerkennt, dass er am Dienstag, 9. Oktober 2018, um ca. 21.25 Uhr, den Personenwagen […] in […] lenkte, in der Absicht, zum […] zu sich nach Hause zu fahren (vgl. act. 35 S. 19 f. und act. 2/10.1.01 S. 3 Ziff. 13). Hingegen bestreitet der Beschuldigte, dass er sich dabei in fahrunfähigem Zustand befand (vgl. act. 35 S. 5 und 19 f.). Der Beschuldigte macht vielmehr geltend, er habe am 9. Oktober 2018 über den ganzen Tag verteilt zwei resp. drei Bier getrunken, was bei einer Person wie ihm mit einem Gewicht von rund 100 Kilogramm doch nicht genug sein könne, um eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.37 Gewichtspromille zu erreichen (vgl. act. 35 S. 5 und 20). Entsprechend bestreitet der Beschuldigte die Richtigkeit des Ergebnisses der Blutalkoholanalyse und beantragt sinngemäss eine erneute Analyse der Blutprobe, falls sie verwertbar wäre (vgl. act. 35 S. 20). Die Verwertbarkeit der Blutprobe resp. des Ergebnisses der Blutalkoholanalyse bestreitet der Beschuldigte mit der Begründung, dass sowohl die Blutprobe resp. Blutentnahme als auch die Blutalkoholanalyse rechtswidrig waren (vgl. act. 35 S. 20 ff.).

 

3. Prüfung der Rechtmässigkeit der Blutprobe

3.1 Rechtslage

3.1.1 Nach der deutschen Fassung von Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG muss eine Blutprobe angeordnet werden, wenn «Anzeichen von Fahrunfähigkeit vorliegen, die nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführen sind». 

Im letzten Satzteil folgt aus dem Verb «sind», dass «die» sich auf «Anzeichen» bezieht und nicht auf «Fahrunfähigkeit». Die Anordnung einer Blutprobe hat nach dem deutschen Wortlaut also zu erfolgen, wenn Anzeichen von Fahrunfähigkeit vorliegen und diese (Fahrunfähigkeits-)Anzeichen nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführen sind. Folglich muss nach dem deutschsprachigen Gesetzestext jedenfalls dann eine Blutprobe angeordnet werden, wenn Fahrunfähigkeitsanzeichen vorliegen, welche (sicher) nicht auf Alkoholeinfluss zurückgeführt werden können (z.B. Cannabisgeruch). Vom deutschen Wortlaut her ist hingegen fraglich, ob eine Blutprobe auch dann angeordnet werden muss, wenn Fahrunfähigkeitsanzeichen vorliegen, welche (ex ante) nicht sicher nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführen sind (z.B. Gleichgewichts-störung), wenn also Alkoholeinfluss als Mitursache alleinige Ursache der betreffenden Anzeichen von Fahrunfähigkeit nicht ausgeschlossen ist.

Die französische Version von Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG weist diese Problematik hingegen so nicht auf: «Une prise de sang doit être ordonnée si la personne concernée présente des indices laissant présumer une incapacité de conduire qui n’est pas imputable à l’alcool.»

Das Wort «qui» bezieht sich hier auf « incapacité de conduire », also auf «Fahrunfähigkeit» (und nicht auf «Anzeichen von Fahrunfähigkeit»). Nach dem französischen Wortlaut muss somit eine Blutprobe angeordnet werden, wenn Anzeichen annehmen lassen, es liege eine nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführende Fahrunfähigkeit vor. Damit eine Blutprobe angeordnet werden muss, ist entsprechend nach der französischen Gesetzesfassung schon vom Wortlaut her nur erforderlich, dass Anzeichen (auch) von nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit vorliegen, ohne dass Alkoholeinfluss als Mitursache alleinige Ursache der betreffenden Anzeichen von Fahrunfähigkeit ausgeschlossen sein muss.

 

3.1.2 Die Feststellung der Fahrunfähigkeit mittels einer Blutprobe auch nach Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG (vgl. den Randtitel von Art. 55 SVG: «Feststellung der Fahrunfähigkeit») dient insbesondere dazu, Widerhandlungen gegen die Bestimmung von Art. 31 Abs. 2 SVG festzustellen (vgl. Art. 55 Abs. 1 und 3bis SVG sowie die systematische Einordnung von Art. 55 SVG unter dem «6. Abschnitt: Durchführungsbestimmungen» des «III. Titel[s]: Verkehrsregeln»). In Art. 31 Abs. 2 SVG ist geregelt, dass in fahrunfähigem Zustand kein Fahrzeug geführt werden darf. Zur Durchsetzung dieser Verkehrsregel stehen verschiedene Massnahmen zur Verfügung. So kann eine begangene Widerhandlung gegen diese Verkehrsregel Administrativ­massnahmen (i.S.v. Art. 15d Abs. 1 Bst. a und b SVG, Art. 16a Abs. 1 Bst. b SVG, Art. 16b Abs. 1 Bst. b SVG und Art. 16c Abs. 1 Bst. b und c SVG) und/oder eine Bestrafung (nach Art. 91 SVG) zur Folge haben.

Dabei hängen die Schwere der Administrativmassnahme und die Höhe der Strafe von der Schwere der begangenen Widerhandlung gegen die Vorschrift von Art. 31 Abs. 2 SVG und dabei insbesondere auch vom Grund der Fahrunfähigkeit ab (betreffend Administrativmassnahmen vgl. Art. 15d Abs. 1 Bst. a und b SVG, Art. 16a Abs. 1 Bst. b i.V.m. Abs. 2-4 SVG, Art. 16b Abs. 1 Bst. b i.V.m. Abs. 2 SVG sowie Art. 16c Abs. 1 Bst. b und c i.V.m. Abs. 2 SVG).

So ist nach der Strafbestimmung von Art. 91 SVG das Führen eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand sowie das Führen eines motorlosen Fahrzeugs in fahrunfähigem Zustand mit Busse bedroht (Abs. 1 Bst. a und c), während das Führen eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- Blutalkoholkonzentration sowie das Führen eines Motorfahrzeuges in aus anderen Gründen fahrunfähigem Zustand mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft wird (Abs. 2). Zudem kann der Grund der Fahrunfähigkeit bei der Strafzumessung relevant sein.

Damit im konkreten Fall die angemessene Administrativmassnahme und Strafe bei Fahren in fahrunfähigem Zustand ausgesprochen werden können, ist somit vorausgesetzt, dass der Grund der Fahrunfähigkeit jeweils genau abgeklärt wird. Dem konkreten Fall angepasste Administrativmassnahmen und Strafen (auch) wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand dienen letztlich dem Zweck, Verkehrsunfälle zu verhindern resp. die Verkehrssicherheit zu erhöhen (vgl. allgemein z.B. Botschaft `Via sicura`, BBl 2010 8447, insbesondere 8464 f.).

Folglich besteht nicht nur an der Verhinderung von Verkehrsunfällen durch wirksame Administrativmassnahmen und Strafen, sondern auch an der dafür vorausgesetzten Abklärung des Grundes, aus welchem gegebenenfalls Fahrunfähigkeit vorlag, ein grosses öffentliches Interesse.

Demgegenüber ist das Interesse daran, dass, namentlich zur Feststellung (des Grundes) der Fahrunfähigkeit, keine Blutproben erfolgen, klein, handelt es sich doch bei einer Blutentnahme nur um einen leichten Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.

Im Lichte des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes (Art. 5 Abs. 2 BV und Art. 36 Abs. 3 BV) ist es daher angemessen, wenn als Anzeichen i.S.v. Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG Umstände genügen, bei deren Vorliegen Fahrunfähigkeit, die nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführen ist, wahrscheinlicher ist, als wenn diese Umstände nicht vorliegen würden. Darüber hinaus spielt folglich keine Rolle, ob und gegebenenfalls inwieweit im konkreten Fall Alkoholeinfluss aber ein anderer Grund wahrscheinlicher ist als (Mit-)Ursache einer (allfälligen) Fahrunfähigkeit resp. wie hoch im Einzelfall die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine (allfällige) Fahrunfähigkeit auf mehrere Gründe zurückzuführen ist. Weil, wie bereits aufgezeigt, die bei Fahren in fahrunfähigem Zustand vorgesehenen Rechtsfolgen auch vom Grund der Fahrunfähigkeit abhängen, müssen alle im konkreten Fall vorliegenden Gründe einer Fahrunfähigkeit, für deren Vorliegen eben Anzeichen bestehen, festgestellt werden.

Diese Auslegung ergibt sich auch aus dem allgemeinen Wortgebrauch von `Anzeichen`. Mit `Anzeichen` wird auf Umstände hingewiesen, die auf etwas anderes schliessen lassen. Auch daraus ergibt sich, dass es nach Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG genügen muss, wenn Anzeichen vorliegen, aufgrund welcher eine nicht auf Alkoholkonsum zurückzuführende Fahrunfähigkeit wahrscheinlicher ist als bei Fehlen solcher Anzeichen. Die Wortbedeutung von `Anzeichen` beinhaltet jedoch keine vergleichende Wertung mehrerer möglicher Ursachen. Es ist damit nicht erforderlich abzuwägen, ob aufgrund der vorhandenen Anzeichen eine (allfällige) Fahrunfähigkeit wegen Alkoholkonsums aus einem anderen Grund wahrscheinlicher ist.

 

3.1.3 Vor diesem Hintergrund ist nach Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG, ausgehend vom französischen Gesetzestext, eine Blutprobe anzuordnen, wenn Anzeichen (auch) von nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit vorliegen, unabhängig davon, ob Alkoholeinfluss als Mitursache alleinige Ursache der betreffenden Anzeichen von Fahrunfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann.

 

3.1.4 Die vorstehende Auslegung von Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG steht nicht etwa im Widerspruch zur auf den 1. Oktober 2016 erfolgten Einführung der beweissicheren Atemalkoholprobe (vgl. dazu Art. 55 Abs. 6 SVG und Botschaft `Via sicura`, BBl 2010 8447, 8477 f.), können doch mittels Atemalkoholprobe andere Gründe für Fahrunfähigkeit als Alkoholeinfluss gar nicht festgestellt werden. Dies bedeutet aber nicht, dass die beweissichere Atemalkoholprobe keinen Anwendungsbereich hat. Vielmehr ist die beweissichere Atemalkoholprobe grundsätzlich (vorbehalten sind namentlich Blutproben nach Art. 55 Abs. 3 Bst. b und c SVG) anwendbar bei verdachtsunabhängigen Kontrollen i.S.v. Art. 55 Abs. 1 SVG resp. wenn nur Anzeichen von nur auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit vorliegen, vorausgesetzt, dass die Durchführung der Atemalkoholprobe möglich und geeignet ist, um die Widerhandlung festzustellen (vgl. Art. 55 Abs. 3bis SVG e contrario).

Sind die Voraussetzungen von Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG erfüllt, ist die Anordnung einer Blutprobe dem Wortlaut nach zwingend. Vorbehalten bleiben allfällige sich namentlich aus dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz ergebende Ausnahmefälle.

 

3.1.5 In Art. 103 Abs. 2 SVG ist festgehalten, dass bei Straftaten nach Art. 90 ff. SVG die Strafverfolgung den Kantonen obliegt. Die schweizerische Strafprozessordnung regelt die Verfolgung und Beurteilung der Straftaten nach Bundesrecht durch die Strafbehörden des Bundes und der Kantone (Art. 1 Abs. 1 StPO), unter Vorbehalt von Verfahrensvorschriften anderer Bundesgesetze (Art. 1 Abs. 2 StPO).

Grundsätzlich richtet sich die Verfolgung von Straftaten nach Art. 90 ff. SVG somit nach der StPO.

Da und soweit aber Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG, zwecks Durchsetzung der Vorschrift von Art. 31 Abs. 2 SVG, regelt, wie bei Vorliegen von entsprechenden Anzeichen und damit von einem entsprechenden Verdacht vorzugehen ist, um nach Art. 91 Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 Bst. b SVG strafbare Widerhandlungen, also Straftaten, festzustellen, handelt es sich bei Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG um eine in Art. 1 Abs. 2 StPO vorbehaltene Verfahrensvorschrift.

Als Folge davon ist durch Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG gesetzlich ausdrücklich festgehalten, dass im Rahmen eines Strafverfahrens Anzeichen von nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit genügen, damit ein für die Anordnung einer Blutprobe hinreichender Tatverdacht vorliegt.

Ausserdem kann auch Art. 251 StPO, wo die Untersuchung einer Person als strafprozessuale Zwangsmassnahme (vgl. Art. 196 ff. StPO) grundsätzlich geregelt ist, nicht entnommen werden, dass eine Blutprobe zwecks Feststellung einer Straftat nach Art. 91 Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 Bst. b SVG einen höheren Verdachtsgrad voraussetzt. Allgemein folgt auch aus Art. 197 Abs. 1 Bst. b i.V.m. Art. 253 Abs. 1 StPO, dass `Anzeichen` (bei Art. 253 Abs. 1 StPO `Anzeichen für einen unnatürlichen Tod, insbesondere für eine Straftat`) genügen können, damit ein hinreichender Verdacht für die Anordnung einer strafprozessualen Zwangsmassnahme (namentlich eine Legalinspektion i.S.v. Art. 253 Abs. 1 StPO) vorliegt. 

 

3.1.6 In Strafverfahren wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand sind die Gründe der (allfälligen) Fahrunfähigkeit entsprechend Art. 6 StPO sorgfältig abzuklären resp. festzustellen, weil sie eben für die Schwere einer Straftat und damit verbunden die Höhe einer allfälligen Strafe relevant sind, unter Vorbehalt eines Falles von Art. 91 Abs. 1 Bst. c SVG im Hinblick auf die anwendbare Tatbestandsvariante von Art. 91 SVG und jedenfalls im Rahmen der Strafzumessung.

Ferner ist die sorgfältige Feststellung der Gründe einer Fahrunfähigkeit in Strafverfahren wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand, aufgrund der Meldepflicht der Strafbehörden nach Art. 104 Abs. 1 SVG, auch im Hinblick auf allfällige strassenverkehrsrechtliche Administrativmassnahmen von praktischer Bedeutung.

 

3.1.7 Die Anordnung einer Blutprobe nach Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG als strafprozessuale Untersuchung einer Person i.S.v. Art. 251 StPO richtet sich nach Art. 241 StPO.

Entsprechend Art. 241 Abs. 1 StPO ist eine solche Blutprobe somit in einem schriftlichen Befehl anzuordnen, wobei sie in dringenden Fällen mündlich angeordnet werden kann, dann aber nachträglich schriftlich zu bestätigen ist.

Für die Anordnung einer Blutprobe nach Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG i.V.m. Art. 241 Abs. 1 StPO ist (im Vorverfahren) die Staatsanwaltschaft zuständig (vgl. Art. 198 Abs. 1 Bst. a StPO i.V.m. Art. 16 Abs. 2 StPO und Art. 61 Bst. a StPO).

Blutentnahmen sind durch eine medizinische Fachperson vorzunehmen (vgl. Art. 14 Abs. 1 SKV und Art. 252 StPO).

 

3.2

3.2.1 Dem Verify-Beurteilungsblatt betreffend die Kontrolle des Beschuldigten am 9. Oktober 2018 ist u.a. zu entnehmen, dass der `Gang (Koordination)` unsicher und die Reaktion verzögert gewesen sei, bei der Aussprache ein Silbenstolpern aufgetreten sei, ein Schweissausbruch erfolgt sei sowie Gleichgewichtsstörungen vorgelegen hätten (act. 2/8.1.01 S. 2). Zudem ist vermerkt, dass das Fahrzeug des Beschuldigten fast in den Patrouillenwagen gerollt sei (act. 2/8.1.01 S. 2 unter `Sonstige Beobachtungen`).

Ein unsicherer Gang, eine verzögerte Reaktion, Silbenstolpern, ein Schweissausbruch, Gleichgewichtsstörungen und der Umstand, dass jemand mit seinem Fahrzeug fast in ein anders Auto gerollt ist, sind Umstände, bei deren Vorliegen nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge Fahrunfähigkeit wegen Alkoholeinfluss und/oder anderer Gründe wahrscheinlicher ist, als wenn diese Umstände nicht vorliegen würden. Folglich sind ein unsicherer Gang, eine verzögerte Reaktion, Silbenstolpern, ein Schweissausbruch, Gleichgewichtsstörungen und der Umstand, dass jemand mit seinem Fahrzeug fast in ein anders Auto gerollt ist, grundsätzlich Anzeichen (auch) von nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit. Daran ändert nichts, dass mit dem beim Beschuldigten zudem festgestellten Alkoholgeruch (vgl. act. 2/8.1.01 S. 2) auch ein Anzeichen von nur auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit vorlag. Alkoholgeruch schliesst schon grundsätzlich nicht aus, dass Fahrunfähigkeit entweder nur auch aufgrund einer anderen (Mit-)Ursache als Alkoholeinfluss besteht. Es sind auch keine anderen Umstände ersichtlich, welche eine nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführende Fahrunfähigkeit beim Beschuldigten ausgeschlossen hätten. Ganz im Gegenteil sagte der Beschuldigte anlässlich der betreffenden Kontrolle aus, er habe am 9. Oktober 2018 Alkohol in Form von (nur) 1.5 Liter Bier zwischen 12.00 bis 19.30 Uhr konsumiert (act. 2/8.1.01 S. 4). Nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge hätte ein solcher Alkoholkonsum beim Beschuldigten nicht zur Fahrunfähigkeit im Kontrollzeitpunkt um 21.25 Uhr geführt, worauf auch der Beschuldigte selbst hinweist (vgl. act. 35 S. 20). Die anlässlich der Kontrolle erfolgte Aussage des Beschuldigten zu seinem Alkoholkonsum am 9. Oktober 2018 konnte nicht von vornherein als Schutzbehauptung abgetan werden. Diese Aussage stellte somit im Hinblick auf die genannten Anzeichen (auch) von nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit gerade einen Anhaltspunkt dafür dar, dass der Beschuldigte sich in einem fahrunfähigen Zustand befand, der nicht auf Alkoholkonsum zurückzuführen war.

 

3.2.2 Nach dem gerade Ausgeführten ist i.S.v. Art. 139 Abs. 2 StPO rechtsgenügend erwiesen, dass ein unsicherer Gang, eine verzögerte Reaktion, Silbenstolpern, ein Schweissausbruch, Gleichgewichtsstörungen und der Umstand, dass jemand mit seinem Fahrzeug fast in ein anders Auto gerollt ist, grundsätzlich und vorliegend Anzeichen (auch) von nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit sind. Der von der Staatsanwaltschaft beantragte Beizug einer sachverständigen Person (vgl. act. 21 S. 2 und act. 35 S. 45) erübrigt sich entsprechend.

 

3.2.3 Es bestehen keine Zweifel daran, dass die genannten Anzeichen (auch) von nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit des Beschuldigten tatsächlich vorlagen. Die im Rahmen der Berufungsverhandlung am 7. August 2020 erfolgten Aussagen der Polizeiangehörigen L.______ und M.______, welche die Kontrolle des Beschuldigten am 9. Oktober 2018 durchführten (vgl. act. 2/8.1.01 S. 2 und 7), stimmen grundsätzlich sowohl untereinander als auch im Verhältnis zu den anlässlich der betreffenden Kontrolle festgehaltenen Beobachtungen überein (vgl. act. 35 S. 7 ff. und act. 2/8.1.01 S. 2). Ob der Gang des Beschuldigten nun, wie von den befragten Polizisten anlässlich der Berufungsverhandlung ausgesagt, `schwankend` (act. 35 S. 10-13), oder, wie dem Verify-Beurteilungsblatt vom 9. Oktober 2018 zu entnehmen, `unsicher` war (act. 2/8.1.01 S. 2), spielt im Ergebnis keine Rolle. Entgegen der Äusserung der Verteidigung im Zusammenhang damit, dass der Beschuldigte angab, er habe bei der Kontrolle am 9. Oktober 2018 zweimal in eine entsprechendes Gerät blasen müssen, während Polizist M.______ aussagte, es sei nur eine (abgebrochene) Messung erfolgt (vgl. act. 35 S. 13 f., 15 und 20), sagte Polizist L.______ anlässlich der Berufungsverhandlung diesbezüglich nicht widersprüchlich aus, sondern machte vielmehr von Anfang an geltend, er wisse nicht mehr, wie viele Atemalkoholtests erfolgt seien (vgl. act. 35 S. 8 und 14).

Der Beschuldigte bestritt anlässlich der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft am 22. Januar 2019, dass sein Auto entsprechend der Angabe im Verify-Beurteilungsblatt (act. 2/8.1.01 S. 2 unter `Sonstige Beobachtungen`) gerollt sei; er habe das Auto am Hang abgestellt, den Gang eingelegt, die Handbremse angezogen und die Kupplung losgelassen, worauf es noch einen Ruck gegeben habe (vgl. act. 2/10.1.01 S. 4 Ziff. 23). Die übereinstimmenden Aussagen der Polizisten L.______ und M.______, wonach das Auto des Beschuldigten fast in das Polizeifahrzeug gerollt sei und der Beschuldigte erst nach Rufen von Polizist M.______ angehalten habe (vgl. act. 35 S. 8 und 10 f.), lassen aber keine Zweifel daran, dass das Fahrzeug des Beschuldigten, wie im Verify-Beurteilungsblatt festgehalten (act. 2/8.1.01 S. 2 unter `Sonstige Beobachtungen`), tatsächlich fast in den Patrouillenwagen gerollt war.

Zwar ist im Protokoll der ärztlichen Untersuchung vom 9. Oktober 2018 die Einschätzung einer medizinischen Fachperson festgehalten, dass der Beschuldigte im Untersuchungszeitraum am 9. Oktober 2018 von 22.30 bis 22.55 Uhr «nicht beeinträchtigt» wirkte (act. 2/11.1.01-1). Diese ärztliche Untersuchung fand aber eine Stunde später als die polizeiliche Kontrolle um 21.25 Uhr statt (act. 2/8.1.01 S. 2) und bietet deshalb keinen Anlass für Zweifel an den Angaben im Polizeiprotokoll. Entgegen der Ansicht der Verteidigung (act. 35 S. 25) werden solche Zweifel auch nicht dadurch begründet, dass auf dem Verify-Beurteilungsblatt das Verhalten des Beschuldigten während der Amtshandlungen von 21.25 bis 23.05 Uhr als «gleichbleibend» bezeichnet wird, ist doch dort neben den entsprechenden Umständen, die eben grundsätzlich Anzeichen (auch) von nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit sind, unter «Stimmung / Verhalten» gerade «normal / unauffällig» angekreuzt (act. 2/8.1.01 S. 2).

 

3.2.4 Somit waren die Voraussetzungen dafür erfüllt, dass nach Art. 55 Abs. 3 SVG eine Blutprobe angeordnet werden musste; ein Ausnahmefall, der die Anordnung einer Blutprobe namentlich aus Gründen der Verhältnismässigkeit ausschliesst, ist vorliegend nicht ersichtlich. 

 

3.2.5 Den Akten ist zu entnehmen, dass die Blutprobe am 9. Oktober 2018 durch die dafür zuständige Staatsanwaltschaft zunächst mündlich angeordnet wurde (act. 2/8.1.01 S. 7 und act. 2/9.1.02), was aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit der Blutentnahme und zudem in Anbetracht der Uhrzeit der Kontrolle nach Art. 241 Abs. 1 StPO zulässig war. 

Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 24. Oktober 2018 wurde die Anordnung der betreffenden Blutprobe, ebenfalls in Übereinstimmung mit den Vorgaben von  Art. 241 Abs. 1 StPO, nachträglich schriftlich bestätigt (act. 2/9.1.02). In der dortigen Begründung wird immerhin der Umstand, dass der Beschuldigte mit seinem Fahrzeug beinahe in den Patrouillenwagen gerollt sei, als Anzeichen (auch) von nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit genannt; zudem ist festgehalten, dass der Beschuldigte nach der Verify-Kontrolle als fahrunfähig eingestuft wurde (act. 2/9.1.02 S. 2).

Ausserdem ist schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge sowie im Hinblick auf den Aufbau des in den Akten liegenden Verify-Polizeiprotokolls (act. 2/8.1.01 S. 1-7) davon auszugehen, dass die kontrollierenden Polizisten dem Mitglied der Staatsanwaltschaft, das darüber zu entscheiden hatte, ob eine Blutprobe anzuordnen ist, den Sachverhalt so schilderten, wie er dem Verify-Polizeiprotokoll zu entnehmen ist. Entsprechende Aussagen der Polizisten L.______ und M.______ anlässlich der Berufungsverhandlung bestätigen, dass die Staatsanwaltschaft vor der mündlichen Anordnung der Blutprobe über den Sachverhalt, so wie er auch dem Verify-Polizeiprotokoll zu entnehmen ist, informiert wurde (vgl. act. 35 S. 8 und insbesondere S. 12).

Die Anordnung der Blutprobe beim Beschuldigten durch die Staatsanwaltschaft ist somit rechtmässig erfolgt.

Die Angaben betreffend den Zeitpunkt der mündlichen Anordnung sowie betreffend den Tatzeitpunkt im Verify-Polizeiprotokoll (act. 2/8.1.01) und in der schriftlichen Bestätigung der Anordnung der Blutprobe durch die Staatsanwaltschaft (act. 2/9.1.02) stimmen nicht übereinstimmen.

Dem Verify-Polizeiprotokoll vom 9. Oktober 2018 ist auf einer vom Beschuldigten unterschriebenen Seite als Tatzeitpunkt 21.25 Uhr zu entnehmen (act. 2/8.1.01 S. 3). Im Protokoll der ärztlichen Untersuchung vom 9. Oktober 2018 ist als Uhrzeit des Ereignisses ebenfalls 21.25 Uhr angegeben (act. 2/11.1.01-1 S. 1). Die Staatsanwaltschaft legt ihrer Anklage ebenso 21.25 Uhr als Tatzeitpunkt zugrunde und der Beschuldigte anerkennt den Anklagesachverhalt in diesem Punkt (siehe oben E. III. Ziff. 1 und 2).

Es besteht somit kein Zweifel daran, dass die vorliegend zu beurteilende Tat sich entgegen der Angabe in der schriftlichen Bestätigung der Anordnung der Blutprobe durch die Staatsanwaltschaft vom 24. Oktober 2018 (act. 2/9.1.02 S. 2) nicht um 22.13 Uhr, sondern um 21.25 Uhr ereignete.   

Ob die Blutprobe um 21.50 Uhr (vgl. Polizeiprotokoll vom 9. Oktober 2018, act. 2/8.1.01 S. 7) erst um 22.23 Uhr (vgl. schriftliche Bestätigung der Anordnung der Blutprobe durch die Staatsanwaltschaft vom 24. Oktober 2018, act. 2/9.1.02 S. 2) mündlich angeordnet wurde, kann offen gelassen werden, da die betreffende mündliche Anordnung (nach den vorliegenden Angaben) jedenfalls vor der ärztlichen Untersuchung ab 22.30 Uhr resp. vor der Durchführung der Blutprobe um 22.41 Uhr (vgl. act. 2/11.1.01-1 S. 1) erfolgte.

Nach den Akten wurde die Blutentnahme beim Beschuldigten durch eine medizinische Fachperson vorgenommen (act. 2/11.1.01-1), ohne dass dabei aufgetretene Komplikationen ersichtlich sind vom Beschuldigten geltend gemacht werden.

Im Ergebnis war die beim Beschuldigten angeordnete und durchgeführte Blutprobe resp. Blutentnahme rechtmässig.

 

4. Prüfung der Rechtmässigkeit der Blutalkoholanalyse

4.1

4.1.1 Es stellt sich die Frage, ob Blut, welches im Rahmen einer Blutprobe nach Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG entnommen wird, einer Alkoholanalyse unterzogen werden darf, auch wenn eine Atemalkoholkontrolle möglich und geeignet wäre, um eine allfällige auf Alkoholeinfluss zurückzuführende Fahrunfähigkeit resp. eine entsprechende Widerhandlung festzustellen, mithin die Voraussetzungen einer Blutprobe nach Art. 55 Abs. 3bis SVG nicht erfüllt sind.

 

4.1.2 Die in der Botschaft `Via sicura` genannten Vorteile einer Atemalkoholprobe gegenüber einer Blutprobe – einfache Handhabung und zeitsparende Durchführung, Verzicht auf einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der betroffenen Person, Kostengünstigkeit namentlich für die Betroffenen sowie Freisetzung von Kontrollkapazitäten der Polizei (BBl 2010 8447, 8477) – entfallen im Verhältnis zwischen Atemalkoholprobe und Alkoholanalyse bei Blut, dessen Entnahme im Hinblick auf Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG unvermeidbar ist, mit Ausnahme der Kostengünstigkeit. 

Atemalkoholproben sind zwar entweder für die betroffene Person aber, je nachdem, wer die Kosten schlussendlich zu tragen hat, für den Staat günstiger als Blutalkoholanalysen (vgl. auch act. 2/17.1.02, wonach im vorliegenden Fall die Blutalkoholanalyse zusammen mit dem dazugehörigen ärztlichen Bericht Kosten in Höhe von ca. CHF 250.— verursachte). Demgegenüber ist aber der Regelung von Art. 55 Abs. 6bis SVG, wonach die Blutalkoholkonzentration massgebend ist, wenn sowohl die Atemalkoholkonzentration als auch die Blutalkoholkonzentration gemessen wurde, zu entnehmen, dass der Beweiswert des Ergebnisses einer Blutalkoholprobe schon nach gesetzlicher Vermutung grösser ist als derjenige des Ergebnisses einer Atemalkoholprobe. Entsprechend ist die Blutalkoholanalyse trotz den damit verbundenen Kosten nicht subsidär zur Atemalkoholprobe. Ferner kann bei Unvermeidbarkeit (der Anordnung) einer Blutprobe nach Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG je nach Einzelfall gerade der Verhältnismässigkeitsgrundsatz i.S.v. Art. 5 Abs. 2 BV (dabei namentlich der Subsidiaritätsgrundsatz) der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz i.S.v. Art. 43a Abs. 5 BV der zusätzlichen Durchführung einer Atemalkoholprobe entgegenstehen.

 

4.1.3 Vor diesem Hintergrund enthält Art. 55 Abs. 3bis SVG, wonach eine Blutprobe angeordnet werden kann, wenn die Durchführung einer Atemalkoholprobe unmöglich nicht geeignet ist, um die Widerhandlung festzustellen, eine Regelung betreffend Blutentnahme und daran anschliessende Blutalkoholanalyse, nicht aber betreffend Blutalkoholanalyse allein, wenn gestützt auf eine andere Rechtsgrundlage Blut entnommen wird.

Entgegen den Weisungen des Bundesamtes für Strassen ASTRA vom 2. August 2016 betreffend die Feststellung der Fahrunfähigkeit im Strassenverkehr, B Ziff. 2.4, lässt auch Art. 12 Abs. 2 SKV, wonach eine Blutprobe angeordnet werden kann, wenn Anzeichen von Fahrunfähigkeit Hinweise auf Fahrunfähigkeit vorliegen und keine Atemalkoholprobe durchgeführt werden kann diese nicht geeignet ist, um die Widerhandlung festzustellen, keinen anderen Schluss zu.

Jedenfalls gibt es nach dem gerade Ausgeführten keine Verfahrensvorschrift eines anderen Bundesgesetzes i.S.v. Art. 1 Abs. 2 StPO, aufgrund welcher im Rahmen eines Strafverfahrens gestützt auf Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG entnommenes Blut nur dann auch auf Alkohol analysiert werden darf, wenn die Durchführung einer Atemalkoholprobe unmöglich nicht geeignet ist, um eine allfällige Widerhandlung festzustellen. Vielmehr bestehen sachliche Gründe, insbesondere der erhöhte Beweiswert der gemessenen Blutalkoholkonzentration im Vergleich zur gemessenen Atemalkoholkonzentration, dafür, Blut, welches gestützt auf eine Anordnung nach Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG entnommen wird, unabhängig davon auf Alkohol zu analysieren, ob die Durchführung einer Atemalkoholprobe möglich und geeignet wäre, um eine allfällige Widerhandlung festzustellen.  

 

4.1.4 Im Ergebnis ist es nach Art. 251 StPO zulässig, im Rahmen eines Strafverfahrens Blut, welches gestützt auf Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG entnommen wird, auch auf Alkohol zu analysieren, unabhängig davon, ob eine Atemalkoholprobe durchgeführt werden könnte und sie geeignet wäre, um eine allfällige Widerhandlung festzustellen. 

 

4.2 Der Umstand, dass der Beschuldigte nach Aussagen der Polizisten L.______ und M.______ einer Atemalkoholprobe hätte unterzogen werden können (vgl. act. 35 S. 9 und 11-14), ändert somit nichts daran, dass die von der Staatsanwaltschaft vorliegend angeordnete Blutalkoholanalyse (vgl. act. 2/8.1.01 S. 7 und act. 2/9.1.02) gestützt auf Art. 55 Abs. 3 Bst. a SVG i.V.m. Art. 251 StPO rechtmässig war. 

 

5. Würdigung des Ergebnisses der Blutalkoholanalyse

5.1 Die Blutentnahme beim Beschuldigten wurde protokolliert und erfolgte demnach am 9. Oktober 2018 um 22.41 Uhr (act. 2/11.1.01-1). Auf diesem Protokoll der ärztlichen Untersuchung im Kantonsspital Glarus ist handschriftlich als Referenz […] vermerkt (act. 2/11.1.01-1 S. 1 oben rechts in roter Schrift). Zudem befindet sich auf dem betreffenden Protokoll ein Eingangsstempel des `IRMZ` mit Datum vom 11. Oktober 2018 (act. 2/11.1.01-1 S. 1 oben links).

Auf dem pharmakologisch-toxikologischen Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich vom 24. Oktober 2018 (act. 2/11.1.01) ist in Übereinstimmung mit den Angaben auf dem Protokoll der ärztlichen Untersuchung (act. 2/11.1.01-1) als Referenz «[...]» aufgeführt sowie als «Auftragseingang IRM-UZH» der 11. Oktober 2018 und als Zeitpunkt der Blutentnahme der 9. Oktober 2018, 22.41 Uhr, festgehalten. Auch die Angaben zur Person des Beschuldigten auf dem Protokoll der ärztlichen Untersuchung vom 9. Oktober 2018 (act. 2/11.1.01-1 S. 1) und auf dem pharmakologisch-toxikologischen Gutachten vom 24. Oktober 2018 stimmen überein (act. 2/11.1.01 S. 1).

 

5.2 Die eben zutreffend auf ein `Ereignis vom 9.10.2018, 21:25` Uhr rückgerechnete Blutalkoholkonzentration des Beschuldigten ist in einem separaten ärztlichen Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich vom 18. Oktober 2018 festgehalten (act. 2/11.1.01-2). Die in diesem ärztlichen Bericht (act. 2/11.1.01-2) enthaltenen Angaben zur Person des Beschuldigten, zum Trink-Ende, zur Blutentnahme und, wie bereits erwähnt, zum Ereignis stimmen mit den entsprechenden Angaben im Protokoll der ärztlichen Untersuchung vom 9. Oktober 2018 (act. 2/11.1.01-1) und, soweit dort vorhanden, mit denjenigen im pharmakologisch-toxikologischen Gutachten vom 24. Oktober 2018 (act. 2/11.1.01) überein. Weiter sind im ärztlichen Bericht zur Blutalkoholanalyse vom 18. Oktober 2018 (act. 2/11.1.01-2) und im pharmakologisch-toxikologischen Gutachten vom 24. Oktober 2018 (act. 2/11.1.01) betreffend den Zeitpunkt der Blutentnahme jeweils dieselben, im Vergleich zu den rückgerechneten Werten tieferen Blutalkoholkonzentrationswerte aufgeführt.

 

5.3 Die Richtigkeit der Blutalkoholanalyse wird gerade dadurch gestützt, dass eben Anzeichen (auch) von auf Alkoholeinfluss zurückzuführender Fahrunfähigkeit des Beschuldigten, wie bereits ausgeführt (E. III. Ziff. 3.2.1-3.2.3), zweifellos tatsächlich vorlagen.

Der Umstand, dass der Beschuldigte im Zeitpunkt der Blutentnahme nach dem pharmakologisch-toxikologischen Gutachten vom 24. Oktober 2018 eine Blutalkoholkonzentration von 1.26 bis 1.40 Gewichtspromille aufwies (act. 2/11.1.01 S. 1 f.) und gleichzeitig im Rahmen der ärztlichen Untersuchung vom 9. Oktober 2018 als `nicht beeinträchtigt` eingeschätzt wurde (act. 2/11.1.01-1), lässt sich mit einer erhöhten Alkoholverträglichkeit des Beschuldigten erklären. Dazu passen die im Polizeiprotokoll vom 9. Oktober 2018 festgehaltene Angabe des Beschuldigten, dass er täglich Alkohol konsumiere (act. 2/8.1.01 S. 4), sowie die auch anlässlich der Berufungsverhandlung erfolgte Aussage des Beschuldigten, er habe sich am 9. Oktober 2018 um ca. 21.25 Uhr fahrfähig gefühlt (vgl. act. 35 S. 5 und 20), obwohl eben zweifellos Anzeichen von Fahrunfähigkeit vorhanden waren.

 

5.4 Insgesamt bestehen keine Anhaltspunkte für Zweifel daran, dass dem Beschuldigten am 9. Oktober 2018 im Kantonsspital Glarus um 22.41 Uhr Blut entnommen wurde, das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich dieses dem Beschuldigten entnommene Blut erhielt und fachgemäss auch auf Alkohol analysierte, die so ermittelte Blutalkoholkonzentration fachgemäss auf den Ereigniszeitpunkt, 9. Oktober 2018, 21.25 Uhr, rückrechnete und die jeweiligen Angaben im ärztlichen Bericht zur Blutalkoholanalyse vom 18. Oktober 2018 (act. 2/11.1.01-2) sowie im pharmakologisch-toxikologischen Gutachten vom 24. Oktober 2018 (act. 2/11.1.01) festhielt.

Damit ist i.S.v. Art. 139 Abs. 2 StPO rechtsgenügend erwiesen, dass der Beschuldigte am 9. Oktober 2018 um 21.25 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.37 Gewichtspromille aufwies.

Folglich ist eine erneute Analyse der Blutprobe des Beschuldigten überflüssig und die Aussage des Beschuldigten, dass er am 9. Oktober 2018 über den ganzen Tag verteilt höchstens drei Bier (insgesamt 1.5 Liter) getrunken habe (vgl. act. 2/8.1.01 S. 4 und act. 35 S. 5 und 20), als Schutzbehauptung zu qualifizieren.

 

6. Feststellung des Sachverhalts

Nach dem gerade Ausgeführten (E. III. Ziff. 2-5) ist erstellt, dass der Beschuldigte am Dienstag, 9. Oktober 2018, um ca. 21.25 Uhr, den Personenwagen […], mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.37 Gewichtspromille in [...] führte, in der Absicht, zum […] zu fahren.

Wer in solchem Ausmass Alkohol konsumierte, dass eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.37 Gewichtspromille vorliegt, und in diesem Zustand ein Auto lenkt, nimmt nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge in Kauf, mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0.8 Gewichtspromille zu fahren. Beim Beschuldigten kommt hinzu, dass seine anlässlich der Kontrolle erfolgte Schutzbehauptung (siehe oben E. III. Ziff. 5), höchsten drei Bier (insgesamt 1.5 Liter) über den Tag verteilt getrunken zu haben, gerade damit erklärt werden kann, dass er eben mit der Möglichkeit rechnete und in Kauf nahm, mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0.8 Gewichtspromille ein Motorfahrzeug zu führen.

Somit ist auch erstellt, dass der Beschuldigte, als er am Dienstag, 9. Oktober 2018, um ca. 21.25 Uhr, den Personenwagen [...], mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.37 Gewichtspromille führte, mit der Möglichkeit rechnete und in Kauf nahm, dieses Auto mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0.8 Gewichtspromille zu lenken.

 

IV.

Nach Art. 91 Abs. 2 Bst. a SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft, wer in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug führt. Eine qualifizierte Blutalkoholkonzentration liegt nach Art. 2 Bst. a der Verordnung der Bundesversammlung über Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr (i.V.m. Art. 55 Abs. 6 Bst. b SVG) vor bei 0.8 Gewichtspromille mehr.

Das Führen eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- Blutalkoholkonzentration ist u.a. bei vorsätzlichem Handeln strafbar (Art. 91 Abs. 2 Bst. a SVG i.V.m. Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG e contrario, Art. 102 Abs. 1 SVG, Art. 333 Abs. 1 StGB und Art. 12 Abs. 1 StGB). Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB).

Da vorliegend weder Rechtfertigungs- noch Schuldausschliessungsgründe ersichtlich sind, hat der Beschuldigte sich nach Art. 91 Abs. 2 Bst. a SVG strafbar gemacht, indem er am Dienstag, 9. Oktober 2018, um ca. 21.25 Uhr, den Personenwagen [...], mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.37 Gewichtspromille führte und dabei mit der Möglichkeit rechnete und in Kauf nahm, dieses Auto mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0.8 Gewichtspromille zu lenken.

 

V.

1.

Nach Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO darf die Rechtsmittelinstanz Entscheide nicht zum Nachteil der beschuldigten verurteilten Person abändern, wenn das Rechtsmittel nur zu deren Gunsten ergriffen worden ist. Vorbehalten bleibt eine strengere Bestrafung aufgrund von Tatsachen, die dem erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten (Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Da sich die Berufung der Staatsanwaltschaft auf die Kostenfolgen beschränkt (act. 21 und act. 35 S. 4 und 32) und das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil, wie bereits erwähnt, nur in den angefochtenen Punkten prüft (Art. 404 Abs. 1 StPO), ist die Berufung (des Beschuldigten) im Strafpunkt nur zu Gunsten des Beschuldigten ergriffen worden. Weil zudem Art. 391 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht zur Anwendung gelangt, darf die vom Kantonsgericht im Urteil vom 31. Juli 2019 (act. 18) ausgesprochene Sanktion – Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je CHF 130.—, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 3 Jahren, sowie Busse von CHF 1’100.—, bei Nichtbezahlung umgewandelt in eine unbedingt vollziehbare Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Tagen – im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zum Nachteil des Beschuldigten abgeändert werden.

 

2.

Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Art. 47 Abs. 1 StGB). Nach Art. 47 Abs. 2 StGB wird das Verschulden nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden.

 

3.

Das Führen eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Blutalkoholkonzentration wird nach Art. 91 Abs. 2 Bst. a SVG wie bereits erwähnt mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft.

Eine Freiheitsstrafe fällt vorliegend eben schon im Hinblick auf Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO ausser Betracht.

Nach Art. 34 Abs. 1 StGB beträgt die Geldstrafe grundsätzlich mindestens drei und höchstens 180 Tagessätze und bestimmt das Gericht deren Zahl nach dem Verschulden des Täters.

Einerseits übersteigt die beim Beschuldigten zum Tatzeitpunkt vorgelegene Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.37 Gewichtspromille deutlich den Mindestwert einer qualifizierten Blutalkoholkonzentration von 0.8 Gewichtspromille. Andererseits ist eben als erstellt zu betrachten, dass der Beschuldigte auf der […] zum […] zu sich nach Hause fahren und damit nur eine kurze Strecke zurücklegen wollte. Zudem gilt ausser für Anwohner wie den Beschuldigten auf der […] ein Fahrverbot, weshalb zum Zeitpunkt der Kontrolle (21.25 Uhr) auf der vom Beschuldigten gefahrenen Strecke, wenn überhaupt, mit einem nur geringen Verkehrsaufkommen zu rechnen war.

Das Verschulden des Beschuldigten wiegt folglich nicht mehr leicht. Unter Berücksichtigung der 2015 wegen Angetrunkenheit ausgesprochenen verkehrsrechtlichen Administrativmassnahme der Verwarnung (act. 2/1.1.02) sowie der Vorstrafe aus dem Jahr 2012 wegen mehrfachen Fahrens ohne Haftpflichtversicherung und mehrfachen Fahrens ohne Fahrzeugausweis Kontrollschilder (act. 37) sind 45 Tagessätze, wie von der Vorinstanz festgesetzt, angemessen.

Nach Art. 34 Abs. 2 StGB beträgt ein Tagessatz in der Regel mindestens CHF 30.— und höchstens CHF 3'000.— und bestimmt das Gericht die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum.

Anlässlich der Berufungsverhandlung sagte der Beschuldigte aus, dass er immer noch das […] in [...] betreibe und dieses Geschäft bei gutem Wetter gut, anderenfalls schlecht laufe; sein Einkommen sei im Vergleich zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils im Moment gleich (vgl. act. 35 S. 5 und S. 19).

Der in den Akten liegenden Steuerveranlagung [...] des Beschuldigten und seiner [...] Ehefrau ist zu entnehmen, dass über CHF [...] der Einkünfte aus [..] von der Ehefrau stammten (vgl. act. 2/1.1.05 S. 2). Insbesondere Letzteres scheint im Hinblick auf die Festsetzung der Höhe des Tagessatzes weder von der Staatsanwaltschaft (vgl. act. 2/1.1.07) noch von der Vorinstanz (act. 18 S. 10) beachtet worden zu sein. Nach Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei der in den Akten liegenden Steuerveranlagung [...] um eine gemeinsame Veranlagung des Beschuldigten und seiner [...] Ehefrau handelt, ist die Höhe des Tagessatzes der Geldstrafe des Beschuldigten vorliegend auf CHF 100.— festzusetzen (und nicht CHF 130.—, wie vorinstanzlich festgelegt).

Entsprechend dem vorinstanzlichen Urteil ist die Geldstrafe bedingt auszusprechen. Im Hinblick auf die 2015 wegen Angetrunkenheit ausgesprochene verkehrsrechtliche Administrativmassnahme der Verwarnung (act. 2/1.1.02) sowie die Vorstrafe aus dem Jahr 2012 wegen mehrfachen Fahrens ohne Haftpflichtversicherung und mehrfachen Fahrens ohne Fahrzeugausweis Kontrollschilder (act. 37) ist es angemessen, die Probezeit auf 3 Jahre festzusetzen, wie es die Vorinstanz getan hat.

 

4.

Nach Art. 42 Abs. 4 StGB kann eine bedingte Strafe mit einer Busse nach Art. 106 StGB verbunden werden.

Der Höchstbetrag der Busse ist grundsätzlich CHF 10'000.— (Art. 106 Abs. 1 StGB). Für den Fall, dass die Busse schuldhaft nicht bezahlt wird, ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von mindestens einem Tag und höchstens drei Monaten auszusprechen (Art. 106 Abs. 2 StGB). Die Busse und Ersatzfreiheitsstrafe sind je nach den Verhältnissen des Täters so zu bemessen, dass dieser die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist (Art. 106 Abs. 3 StGB).

Entsprechend den Ausführungen zur Geldstrafe (oben E. V. Ziff. 3) ist vorliegend eine im Verhältnis zum vorinstanzlichen Urteil reduzierte Busse von CHF 800.— sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen auszusprechen.

 

VI.

1.

Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf CHF 3'000.— festzusetzen (Art. 8 Abs. 1 Bst. b Ziff. 2 der Zivil- und Strafprozesskostenverordnung; GS III A/5).

 

2.

Die Staatsanwaltschaft ficht die Kostenfolgen des vorinstanzlichen Urteils insoweit an, als dass sie beantragt, es seien die Kosten vollumfänglich, also entgegen Dispositiv-Ziff. 4 des vorinstanzlichen Urteils auch die Auslagen der Staatsanwaltschaft in Höhe von CHF 1'197.50, dem Beschuldigten aufzuerlegen und von ihm zu beziehen (vgl. act. 21 und act. 35 S. 4 und 32).

Diese Auslagen der Staatsanwaltschaft setzen sich aus den Kosten für die ärztliche Untersuchung inklusive Blutentnahme vom 9. Oktober 2018 im Kantonsspital Glarus in Höhe von CHF 190.55 (act. 2/11.1.01-1 und act. 2/17.1.01) sowie den Kosten für die Analysen durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich in Höhe von CHF 1‘006.95 (act. 2/11.1.01, act. 2/11.1.01-2 und act. 2/17.1.02) zusammen.

Nach Art. 426 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 422 StPO trägt die beschuldigte Person – unter Vorbehalt der vorliegend nicht relevanten besonderen Regelung betreffend die Kosten für die amtliche Verteidigung – die Auslagen als Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Ausgenommen sind nach Art. 426 Abs. 3 Bst. a StPO zudem Verfahrenskosten resp. Auslagen, die der Bund der Kanton durch unnötige fehlerhafte Verfahrenshandlungen verursacht hat.

Vorliegend waren sowohl die ärztliche Untersuchung inklusive Blutentnahme vom 9. Oktober 2018 im Kantonsspital Glarus als auch die Analysen durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich rechtmässig (vgl. E. III. Ziff. 3 und 4), so dass Art. 426 Abs. 3 Bst. a StPO nicht anwendbar ist. Weil der Beschuldigte zu verurteilen ist (vgl. E. IV.), sind ihm folglich auch die betreffenden Auslagen der Staatsanwaltschaft in Höhe von CHF 1'197.50 als Verfahrenskosten aufzuerlegen.

 

3.

Da somit einerseits die Staatsanwaltschaft betreffend die von ihr angefochtene Kostenfolge obsiegt und andererseits der Beschuldigte auch in den übrigen von ihm angefochtenen Punkten unterliegt, ist die Gerichtsgebühr in der Höhe von CHF 3'000.— für das Berufungsverfahren dem Beschuldigten aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Dass die auszusprechende Geldstrafe und Busse im Verhältnis zum vorinstanzlichen Urteil geringfügig zu reduzieren sind (vgl. E. V. Ziff. 3 und 4), ändert daran nichts.

 

4.

Da das Obergericht als Rechtsmittelinstanz vorliegend einen neuen Entscheid fällt, ist auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung betreffend die Gerichtsgebühr in Höhe von CHF 2'600.— und die Untersuchungsgebühr in Höhe von CHF 600.— zu befinden. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, welcher hier eine Änderung nahelegen würde. Entsprechend sind dem Beschuldigten betreffend das erstinstanzliche Verfahren eine Gerichtsgebühr in Höhe von CHF 2'600.— und betreffend das Vorverfahren eine Untersuchungsgebühr in Höhe von CHF 600.— aufzuerlegen.

 

____________________

 

Das Gericht erkennt:

 

1.

A.______ ist schuldig

 

des Fahrens in fahrunfähigem Zustand nach Art. 91 Abs. 2 Bst. a SVG.

 

 

2.

A.______ wird bestraft mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen in Höhe von je CHF 100.— sowie mit einer Busse von CHF 800.—.

 

 

3.

Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt. Die Busse ist zu bezahlen; bezahlt A.______ die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine unbedingt vollziehbare Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen.

                                                                                                                                             

4.

Die Gerichtsgebühr für das erstinstanzliche Verfahren SG.2019.00029 und das Berufungsverfahren wird auf insgesamt CHF 5'600.— festgesetzt.

 

Die weiteren Verfahrenskosten betragen:

 

CHF 600.— Untersuchungsgebühr (SA.2018.00529)

 

CHF 1'197.50 Auslagen Staatsanwaltschaft

 

 

5.

Die Kosten gemäss Dispositiv-Ziff. 4 hiervor werden A.______ vollumfänglich auferlegt und von ihm bezogen.

 

 

6.

Schriftliche Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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