| Appellationsgericht Dreiergericht |
ZB.2023.53
ENTSCHEID
vom 1. November 2023
Mitwirkende
Dr. Olivier Steiner, Dr. Claudius Gelzer, lic. iur. André Equey
und Gerichtsschreiber lic. iur. Johannes Hermann
Parteien
A____ Berufungsklägerin
[...] Gesuchsgegnerin
B____ Berufungskläger
[...] Gesuchsgegner
gegen
C____ Berufungsbeklagte
c/o [...] Gesuchstellerin
[...]
vertreten durch [...], Advokatin,
[...]
Gegenstand
Berufung gegen einen Entscheid des Zivilgerichts
vom 19. September 2023
betreffend Ausweisung
Sachverhalt
A____ (Mieterin) schloss am 22. bzw. 28. November 2022 einen Mietvertrag mit C____ (Vermieterin) über eine 4 ½-Zimmer-Wohnung an der [...]strasse [...] in Basel. Mit separatem Mietvertrag vom selben Datum mietete A____ bei der Vermieterin zusätzlich einen Autoeinstellplatz. Mit zwei eingeschriebenen Briefen vom 12. April 2023 teilte die Vermieterin der Mieterin und deren Ehemann, B____, mit, dass Mietzinszahlungen und Mahnspesen in der Höhe von insgesamt CHF 2'977.– ausstehend seien. Sie setzte ihnen eine Frist von 30 Tagen zur Überweisung der Mietzinsausstände und drohte für den Fall des unbenutzten Ablaufs der Frist die Kündigung an. Nachdem der Ausstand innert Frist nicht beglichen worden war, kündigte die Vermieterin mit zwei eingeschriebenen Briefen vom 26. Mai 2023 das Mietverhältnis per 30. Juni 2023.
Mit Gesuch vom 3. Juli 2023 ersuchte die Vermieterin beim Zivilgericht Basel-Stadt um Rechtsschutz in klaren Fällen und beantragte, es seien die Mieterin und ihr Ehemann anzuweisen, die gemieteten Räumlichkeiten per sofort zu räumen. Für den Fall, dass sie die Räumlichkeiten bis zum gerichtlich festgesetzten Termin nicht geräumt haben, sei die Vermieterin zu ermächtigen, die amtliche Räumung zu verlangen. Nachdem die Mieterin und ihr Ehemann die Durchführung einer Verhandlung verlangt hatten, wurden die Parteien auf den 11. September 2023 in die Hauptverhandlung geladen. Auf Gesuch der Mieterin und ihres Ehemanns wurde die Verhandlung auf den 19. September 2023 verschoben. Mit E-Mail und Einschreiben vom 18. September 2023 ersuchten die Mieterin und ihr Ehemann erneut um Verschiebung der Hauptverhandlung, weil sie den Verhandlungstermin aufgrund einer Magen-Darm-Grippe nicht wahrnehmen könnten. Die Hauptverhandlung fand am 19. September 2023 in Abwesenheit der Mieterin und ihres Ehemanns statt. Mit Entscheid vom selben Tag wies das Zivilgericht das Verschiebungsgesuch ab (Dispositiv-Ziffer 1). Die Mieterin und der Ehemann wurden angewiesen, die gemieteten Räumlichkeiten bis spätestens am 3. Oktober 2023, 11.30 Uhr zu räumen (Ziffer 2). Wenn sie innert dieser Frist nicht ausgezogen seien, werde auf Antrag der Vermieterin ohne Weiteres die amtliche Räumung vollzogen (Ziffer 3). Der begründete Entscheid wurde der Mieterin und ihrem Ehemann am 25. September 2023 zugestellt.
Gegen diesen Entscheid erhoben die Mieterin und ihr Ehemann am 5. Oktober 2023 Berufung an das Appellationsgericht. Darin beantragen sie, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und das Ausweisungsgesuch abzuweisen. Eventualiter sei das Ausweisungsgesuch zur Neubeurteilung an das Zivilgericht zurückzuweisen und den Parteien eine öffentliche mündliche Verhandlung einzuräumen. Subeventualiter sei der Räumungszeitpunkt auf einen angemessenen Zeitpunkt – spätestens auf den 31. Januar 2024, 11.30 Uhr – festzusetzen. Der Verfahrensleiter des Appellationsgerichts zog die Akten des zivilgerichtlichen Verfahrens bei. Er verzichtete darauf, eine Berufungsantwort einzuholen. Der vorliegende Entscheid erging auf dem Zirkulationsweg.
Erwägungen
1.
1.1 Erstinstanzliche End- und Zwischenentscheide in vermögensrechtlichen Angelegenheiten unterliegen der Berufung, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens CHF 10'000.– beträgt (Art. 308 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]). Angefochten ist ein Entscheid des Zivilgerichts, mit dem es ein Verschiebungsgesuch der Mieterin und ihres Ehemanns abgewiesen sowie die Mieterin und ihren Ehemann im summarischen Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen angewiesen hat, die Wohnung und den Autoeinstellplatz bis spätestens am 3. Oktober 2023 zu räumen. Betreffend die Ausweisung handelt es sich dabei um einen erstinstanzlichen Endentscheid in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit. Mit dem Hauptantrag ihrer Berufung beantragen die Mieterin und ihr Ehemann zwar die Aufhebung des ganzen angefochtenen Entscheids und die Abweisung des Ausweisungsgesuchs der Vermieterin. In der Berufungsbegründung (Rz. 7) erklären sie jedoch das Folgende: «Es wird von den Berufungsklägern weder die Ausweisung als solche noch die Tatsache bestritten, dass der vorliegende Sachverhalt alles andere als liquide und unbestritten ist, sondern alleinig der Umstand, dass den Berufungsklägern eine unangemessene Frist zur Räumung der Mietwohnung von der Vorinstanz eingeräumt wurde, welche als Familienwohnung im Sinn von Art. 169 ZGB dient.» Gemäss dem Wortlaut dieser Erklärung machen die Mieterin und ihr Ehemann im Umkehrschluss zwar geltend, dass der Sachverhalt weder unbestritten noch liquide sei. Dabei handelt es sich aber offensichtlich bloss um eine missglückte sprachliche Formulierung. Dementsprechend erklären die Mieterin und ihr Ehemann an einer anderen Stelle der Berufungsbegründung (Rz. 9), «[d]em Ausweisungsgesuch der Berufungsbeklagten ist infolge bewiesenen Sachverhalts und klarer Rechtslage zwar stattzugeben, jedoch ist ihnen eine angemessene Frist für die ordnungsgemässe Rückgabe der Mietwohnung (samt Garage) einzuräumen.» Damit besteht kein Zweifel, dass die Mieterin und ihr Ehemann im Grundsatz nicht bestreiten, dass die Voraussetzungen der Ausweisung im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen erfüllt sind, und nur die Länge der Räumungsfrist beanstanden. Dementsprechend erklären sie in der Berufungsbegründung (Rz. 13), «[e]s erscheint deshalb vorliegend als gerechtfertigt, die Berufungskläger anzuweisen, das Einfamilienhaus bis spätestens 31. Januar 2024, 11:30 Uhr, zu räumen und der Berufungsbeklagten ordnungsgemäss zu übergeben.», und lautet ihr Subeventualantrag auf Ansetzung eines angemessenen Räumungszeitpunkts, «spätestens auf den 31. Januar 2024, 11:30 Uhr». Selbst wenn aus den vorstehenden Gründen für die Berechnung des Streitwerts nur auf den Mietzins für die Zeit vom 3. Oktober 2023 bis 31. Januar 2024 abgestellt würde, wäre der für die Berufung notwendige Streitwert überschritten. Die Berufung ist rechtzeitig erhoben worden. Die Abweisung des Verschiebungsgesuchs stellt eine prozessleitende Verfügung dar, die dem Appellationsgericht zusammen mit dem Endentscheid zur Überprüfung vorgelegt werden kann (vgl. AGE BEZ.2021.53 vom 2. Februar 2022 E. 1.2.1; Sutter-Somm/Seiler, Handkommentar zur ZPO, Zürich 2021, Art. 135 N 3).
1.2 Wie bereits erwähnt, beantragen die Mieterin und ihr Ehemann mit ihrem Hauptantrag die Aufhebung des ganzen angefochtenen Entscheids und die Abweisung des Ausweisungsgesuchs und mit ihrem Subeventualantrag die Ansetzung eines späteren Räumungszeitpunkts. Ihr Eventualantrag lautet auf Rückweisung der Sache an das Zivilgericht zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und Neubeurteilung. Wie ebenfalls bereits erwähnt, erklären die Mieterin und ihr Ehemann in ihrer Berufungsbegründung, dass sie das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausweisung im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen im Grundsatz nicht bestreiten und nur die Länge der Räumungsfrist beanstanden. Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, ob ihre Berufungsanträge bei einer Auslegung nach Treu und Glauben unter Mitberücksichtigung der Begründung dahingehend zu verstehen sind, dass sie den Entscheid des Zivilgerichts nur hinsichtlich der Räumungsfrist bzw. des Räumungszeitpunkts anfechten. Die Frage kann offenblieben, weil die Mieterin und ihr Ehemann in ihrer Berufung nicht ansatzweise darlegen, weshalb das Zivilgericht die Voraussetzungen der Ausweisung im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen zu Unrecht bejaht ihr Verschiebungsgesuch zu Unrecht abgewiesen haben könnte, und daher im über die Anfechtung der Räumungsfrist bzw. des Räumungszeitpunkts hinausgehenden Umfang auf die Berufung mangels jeglicher Begründung nicht einzutreten wäre (vgl. Art. 311 Abs. 1 ZPO und statt vieler AGE ZB.2023.35 vom 5. August 2023 E. 2). Die Mieterin und ihr Ehemann legen in ihrer Berufung auch nicht ansatzweise dar, weshalb sie einen Anspruch auf Durchführung einer weiteren öffentlichen mündlichen Verhandlung haben sollten. Daher ist auch auf ihren Eventualantrag mangels jeglicher Begründung nicht einzutreten. Soweit sich die Berufung gegen die Räumungsfrist bzw. den Räumungszeitpunkt richtet, genügt ihre Begründung hingegen den gesetzlichen Anforderungen. Insoweit ist auf die Berufung einzutreten. Für ihre Beurteilung ist das Dreiergericht des Appellationsgerichts zuständig (§ 92 Abs. 1 Ziffer 6 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]).
2.
2.1 Am 3. Juli 2023 reichte die Vermieterin beim Zivilgericht ein Ausweisungsgesuch im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen gegen die Mieterin und ihren Ehemann ein. Mit Eingabe vom 14. August 2023 beantragten diese vertreten durch eine Rechtsanwältin die Durchführung einer Verhandlung. Mit Vorladung vom 17. August 2023 wurden die Parteien auf den 11. September 2023 in die Hauptverhandlung geladen. Mit Eingabe vom 30. August 2023 teilte die Rechtsanwältin dem Gericht mit, dass sie die Mieterin und ihren Ehemann nicht mehr vertrete. Mit Eingabe vom 4. September 2023 ersuchten die Mieterin und ihr Ehemann um Verschiebung der Verhandlung, weil ihre «Familienrechtsanwältin» ihnen erst in der Woche vom 11. September 2023 einen Termin anbieten könne. Mit Verfügung vom 7. September 2023 wurde die Verhandlung auf den 19. September 2023 verschoben. Mit E-Mail vom 18. September 2023 teilte die Mieterin dem Zivilgericht mit, dass es ihr und ihrem Ehemann aufgrund einer Magen-Darm-Grippe nicht möglich sei, den Verhandlungstermin vom 19. September 2023 wahrzunehmen. Gleichentags teilte die Kanzlei des Zivilgerichts der Mieterin und ihrem Ehemann ebenfalls per E-Mail mit, dass Verschiebungsgesuche rechtzeitig und schriftlich auf dem Postweg zu erfolgen hätten und die Verhandlung vom 19. September 2023 wie geplant stattfinden werde. Mit einer schriftlichen Eingabe vom 18. September 2023, die beim Zivilgericht am Folgetag einging, teilten die Mieterin und ihr Ehemann dem Zivilgericht auch auf dem Postweg mit, dass es ihnen wegen einer Magen-Darm-Grippe nicht möglich sei, den Termin vom 19. September 2023 wahrzunehmen. Der Eingabe war ein Arztzeugnis vom 18. September 2023 beigelegt, gemäss dem die Mieterin vom 18. bis zum 20. September 2023 wegen Krankheit 100 % arbeitsunfähig war. Zudem kündigten die Mieterin und ihr Ehemann in ihrer Eingabe die Nachreichung eines Arztzeugnisses für den Ehemann an, weil seine Hausärztin abwesend sei und ihre Vertretung keine Zeugnisse ausstelle. Die Verhandlung des Zivilgerichts fand am 19. September 2023 in Anwesenheit der Rechtsvertreterin der Vermieterin und eines Mitarbeiters der Immobilienverwaltung statt. Die Mieterin und ihr Ehemann erschienen nicht zur Verhandlung (angefochtener Entscheid, Tatsachen Ziffer II und 3 sowie E. 2.3).
2.2 Das Zivilgericht hat im angefochtenen Entscheid mit eingehender Begründung festgestellt, dass die Vermieterin und ihr Ehemann ihre Behauptung, eine einer von ihnen gar beide seien am 19. September 2023 aufgrund einer Magen-Darm-Grippe verhandlungsunfähig gewesen, nicht glaubhaft gemacht haben. Zudem hat es festgestellt, dass die Mieterin ihren Ehemann der Ehemann die Mieterin an der Verhandlung hätten vertreten können (angefochtener Entscheid, E. 2.3 f.). In der Berufung wird nicht ansatzweise dargelegt, weshalb diese Feststellungen unrichtig sein sollten. Deshalb ist davon auszugehen, dass zumindest die Mieterin ihr Ehemann im Zeitpunkt der Hauptverhandlung des Zivilgerichts verhandlungsfähig gewesen ist und folglich an der Verhandlung hätte teilnehmen können sowie dass ein Ehegatte den anderen in der Verhandlung hätte vertreten können. Betreffend das Fehlen der Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit kann auf die überzeugenden Erwägungen des Zivilgerichts verwiesen werden (vgl. angefochtener Entscheid, E. 2.3). Ergänzend kann diesbezüglich auch das weitere vom Zivilgericht festgestellte Verhalten der Mieterin und ihres Ehemanns berücksichtigt werden (vgl. angefochtener Entscheid, E. 2.5).
Da die Vermieterin und ihr Ehemann nicht zur Hauptverhandlung des Zivilgerichts erschienen sind, obwohl ihr Verschiebungsgesuch vor der Verhandlung nicht gutgeheissen und schliesslich abgewiesen worden ist, sind sie säumig gewesen (vgl. Brändli/Bühler, in: Basler Kommentar, 3. Auflage 2017, Art. 135 ZPO N 28 f.; Weber, in: Oberhammer et al. [Hrsg.], Kurzkommentar ZPO, 3. Auflage, Basel 2021, Art. 135 N 6; Willisegger, in: Basler Kommentar, 3. Auflage 2017, Art. 234 ZPO N 15). Daher haben sie ihr Recht zur Teilnahme an der Hauptverhandlung verwirkt (vgl. Frei, in: Berner Kommentar, 2012, Art. 147 ZPO N 7) und hat das Zivilgericht in sinngemässer Anwendung von Art. 234 Abs. 1 ZPO zu Recht die Hauptverhandlung in Anwesenheit nur der Vermieterin durchgeführt und aufgrund der Akten und der mündlichen Vorbringen der Vermieterin entschieden (vgl. Sutter-Somm/Seiler, a.a.O., Art. 234 N 1 und 3 f.). Die Möglichkeit der säumigen Parteien, im Berufungsverfahren neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen, richtet sich nach Art. 317 Abs. 1 ZPO (Sutter-Somm/Seiler, a.a.O., Art. 234 N 5).
3.
3.1 Die Mieterin und ihr Ehemann behaupten in ihrer Berufung (Rz. 8, 10 f., 14),
1) dass sie zwei Kinder im Alter von 8 und 14 Jahren hätten,
2) dass sie sich in schwierigen familiären Verhältnissen befänden,
3) dass ihre finanzielle Situation angespannt sei,
4) dass sie sich in einer offensichtlichen Notlage befänden,
5) dass es für sie unmöglich sei, unverzüglich eine passende und bezahlbare neue Bleibe bzw. kostengünstige Mietwohnung zu finden,
6) dass bei einer unverzüglichen Ausweisung die Gefahr bestehe, dass sie obdachlos und Sozialfälle würden,
7) dass sie dringendst darauf angewiesen seien, die Mietwohnung noch bis am 31. Januar 2023 (gemeint ist 2024) bewohnen zu können, bis sie ein passendes Objekt gefunden hätten bei Verwandten unterkommen könnten, und
8) dass sie die Mietobjekte freiwillig verlassen würden, wenn ihnen genügend Zeit für die Suche einer neuen Wohnung und die Räumung gewährt werde.
3.2 Im erstinstanzlichen Verfahren ist keine der vorstehend erwähnten Tatsachenbehauptungen von einer der Parteien vorgebracht worden. Aus den von der Vermieterin eingereichten Dokumenten ist bloss ersichtlich, dass die Mieterin und ihr Ehemann die Mietwohnung mit ihrer 9 Jahre alten Tochter und ihrem 14 Jahre alten Sohn bewohnen. Aus dem von der Vermieterin eingereichten Auszug aus dem Betreibungsregister betreffend die Mieterin vom 4. Oktober 2022 kann zudem geschlossen werden, dass ihre finanzielle Situation angespannt ist. Darin sind 32 Betreibungen verzeichnet. In diversen Betreibungen sind Verlustscheine nach Art. 115 SchKG ausgestellt worden, letztmals in einer am 23. Juli 2021 eingeleiteten Betreibung. Insgesamt bestehen gegen die Mieterin 64 nicht getilgte Verlustscheine aus Pfändungen der letzten 20 Jahre im Gesamtbetrag von CHF 119'754.40. Aufgrund ihres Betreibungsregisterauszugs dürfte es für die Mieterin kaum möglich sein, als alleinige Mietpartei unverzüglich eine neue Mietwohnung für zwei Erwachsene und zwei Kinder zu finden. Dies bedeutet aber noch nicht, dass es der Vermieterin und ihrem Ehemann nicht möglich ist, unverzüglich eine passende neue Bleibe bzw. Mietwohnung zu finden. Erstens fehlen jegliche Angaben zu den finanziellen Verhältnissen des Ehemanns der Mieterin. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass es ihm aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse möglich ist, unverzüglich eine passende neue Mietwohnung für seine Familie zu finden. Weiter besteht auch die Möglichkeit, dass die Mieterin und/oder ihr Ehemann Verwandte Bekannte haben, die bereit sind, für sie zu bürgen einen Mietvertrag als Solidarschuldner mitzuunterzeichnen. Vor allem aber müssen die Mieterin und ihr Ehemann nicht notwendigerweise einen unbefristeten Mietvertrag unterzeichnen, um für sich und ihre Kinder eine vorübergehende Bleibe zu finden. Als solche kommt vielmehr auch eine über Airbnb angebotene Unterkunft eine Pension in Betracht. Bei solchen kurzfristigen Angeboten wird erfahrungsgemäss in vielen Fällen kein Betreibungsregisterauszug verlangt. Schliesslich besteht auch die Möglichkeit, dass Verwandte Bekannte der Mieterin und ihres Ehemanns bereit sein könnten, die Familie vorübergehend aufzunehmen. Alle anderen vorstehend erwähnten Tatsachenbehauptungen ausser die Tatsachenbehauptung 1 und bezüglich der Mieterin die Tatsachenbehauptung 3 ergeben sich auch nicht aus den Akten des Zivilgerichts den von ihm beigezogenen Akten der Staatlichen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten. Somit sind die Tatsachenbehauptungen 2 und 4–8 sowie bezüglich des Ehemanns auch die Tatsachenbehauptung 3 neu.
Neue Tatsachen und Beweismittel werden gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden (lit. a) und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (lit. b). Mangels gegenteiliger Behauptungen der Mieterin und ihres Ehemanns ist davon auszugehen, dass die in der Berufung behaupteten Tatsachen, falls sie vorlägen, bereits im Zeitpunkt der Hauptverhandlung des Zivilgerichts bestanden hätten sowie der Mieterin und ihrem Ehemann bekannt gewesen wären. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt (vgl. oben E. 2), ist davon auszugehen, dass zumindest die Mieterin ihr Ehemann im Zeitpunkt der Hauptverhandlung des Zivilgerichts verhandlungsfähig gewesen ist und folglich an der Verhandlung hätte teilnehmen können sowie dass ein Ehegatte den anderen in der Verhandlung hätte vertreten können. Die Mieterin und ihr Ehemann durften sich nicht drauf verlassen, dass ihr schriftliches Verschiebungsgesuch gutgeheissen wird. Daher ist ihre Säumnis an der Hauptverhandlung als schuldhaft zu qualifizieren. Bei Anwendung der ihnen zumutbaren Sorgfalt hätten die Mieterin und ihr Ehemann zumindest eine einer von ihnen an der Hauptverhandlung des Zivilgerichts teilnehmen und die vorstehend erwähnten Tatsachenbehauptungen bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorbringen können. Folglich sind die Tatsachenbehauptungen 2 und 4–8 sowie bezüglich des Ehemanns auch die Tatsachenbehauptung 3 im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen sind die Mieterin und ihr Ehemann für die Tatsachenbehauptungen 2 und 4–8 sowie bezüglich des Ehemanns für die Tatsachenbehauptung 3 auch im Berufungsverfahren jeglichen Beweis schuldig geblieben. Wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt, wäre die Berufung aber auch bei Berücksichtigung und Wahrunterstellung der Tatsachenbehauptungen 1–8 abzuweisen.
3.3 Wenn das Gericht die Mieterin mit einem Leistungsurteil zur Räumung des Miet-objekts verpflichtet, kann es in Anwendung von Art. 236 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 343 Abs. 1 lit. d ZPO auf Antrag der Vermieterin für den Fall, dass die Mieterin ihrer Pflicht nicht nachkommt, die amtliche Räumung als Vollstreckungsmassnahme anordnen (AGE ZB.2023.1 vom 3. Februar 2023 E. 5.3.1, ZB.2020.26 vom 6. Oktober 2020 E. 3.4.3; vgl. BGer 4A_39/2018 vom 6. Juni 2018 E. 6; Bachofner, Die Mieterausweisung, Diss. Basel 2017, Zürich 2019, N 325, 633, 641 f. und 732). Dies hat das Zivilgericht im vorliegenden Fall getan, indem es mit dem angefochtenen Entscheid vom 19. September 2023 erkannt hat, auf Antrag der Vermieterin werde ohne Weiteres und nach Bezahlung des Kostenvorschusses die amtliche Räumung vollzogen, wenn die Mieterin und ihr Ehemann die bei der Vermieterin gemieteten Räumlichkeiten nicht bis spätestens am 3. Oktober 2023, 11.30 Uhr, geräumt haben. Bei der Anordnung der amtlichen Räumung als Vollstreckungsmassnahme hat das Gericht den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 der Bundesverfassung [BV, SR 101]) zu beachten. Es muss der Mieterin einen Aufschub der Vollstreckung des Ausweisungsentscheids bzw. eine Schonfrist zur freiwilligen Erfüllung gewähren, wenn humanitäre Gründe einen Aufschub verlangen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Mieterin innert angemessener Frist freiwillig das Mietobjekt verlassen wird. In jedem Fall darf die Schonfrist aber nur kurz sein und nicht auf eine Erstreckung des Mietverhältnisses hinauslaufen (AGE ZB.2023.1 vom 3. Februar 2023 E. 5.3.1, ZB.2020.26 vom 6. Oktober 2020 E. 3.4.3; vgl. BGE 117 Ia 336 E. 2b S. 339; BGer 4A_39/2018 vom 6. Juni 2018 E. 6, 4A_207/2014 vom 19. Mai 2014 E. 3.1; Bachofner, a.a.O., N 641, 865 und 867; Brüllhardt/Püntener, Mietrecht für die Praxis, 10. Auflage, Zürich 2022, Kap. 5.28.4.3). Ein Aufschub bis zum Zeitpunkt, in dem die Mieterin eine neue Wohnung gefunden hat, und damit auf unbestimmte Zeit ist unzulässig (AGE ZB.2023.1 vom 3. Februar 2023 E. 5.3.1, ZB.2020.26 vom 6. Oktober 2020 E. 3.4.3; vgl. BGE 117 Ia 336 E. 3 S. 340). Die Dauer der Schonfrist liegt im Ermessen des Gerichts (Brüllhardt/Püntener, a.a.O., Kap. 5.28.4.3; vgl. BGer 4A_391/2013 vom 17. Dezember 2013 E. 7).
3.4 Wenn auf den Zeitpunkt der Fällung des Entscheids abgestellt wird, hat das Zivilgericht der Mieterin und ihrem Ehemann im Leistungsurteil eine Schonfrist von gut 13 Tagen eingeräumt, indem es sie mit Entscheid vom 19. September 2023 angewiesen hat, die gemieteten Räumlichkeiten bis spätestens am 3. Oktober 2023 zu räumen (vgl. zur Möglichkeit der Einräumung der Schonfrist im Leistungsurteil AGE ZB.2020.26 vom 6. Oktober 2020 E. 3.4.3; Bachofner, a.a.O., N 868). Selbst wenn für die Bestimmung der Schonfrist auf den Zeitpunkt der Zustellung des Entscheids am 25. September 2023 abgestellt würde, betrüge die Schonfrist noch immer gut sieben Tage. Entgegen der Darstellung der Mieterin und ihres Ehemanns (vgl. Berufung, Rz. 11 und 14) hat das Zivilgericht somit keine unverzügliche amtliche Räumung angeordnet. Im Übrigen hätten die Mieterin und ihr Ehemann die Mietobjekte bereits per 30. Juni 2023 verlassen müssen. Aufgrund des Ausweisungsverfahrens profitierten sie damit im Ergebnis bis zum Ablauf der vom Zivilgericht angesetzten Räumungsfrist insgesamt von einer faktischen Verlängerung des Mietverhältnisses um drei Monate und drei Tage. Angesichts dessen, dass sie ihre Pflicht, die Mietobjekte zu räumen, im Grundsatz gar nicht bestreiten, können die Mieterin und ihr Ehemann von der Anweisung, die Mietobjekte zu räumen, auch nicht überrascht worden sein. Entgegen der Darstellung der Mieterin und ihres Ehemanns hat das Zivilgericht nicht verkannt, dass es bezüglich der Räumungsfrist über einen Ermessensspielraum verfügt (vgl. Berufung, Rz. 9). Das Zivilgericht hat erwogen, es setze einer ausgewiesenen Mieterin praxisgemäss eine Frist von 10–14 Tagen ab Entscheidfällung, um das Mietobjekt selber zu räumen, und hat der Mieterin und ihrem Ehemann eine Räumungsfrist bis am 3. Oktober 2023 gesetzt (vgl. angefochtener Entscheid, E. 4.1). Daraus kann nicht geschlossen werden, dass das Zivilgericht davon ausgegangen sei, es verfüge diesbezüglich über keinen Ermessensspielraum, sondern bloss, dass es eine Räumungsfrist von 13 Tagen und damit am oberen Ende der in der Praxis üblichen Bandbreite für angemessen gehalten hat. Dies wäre aus den nachstehenden Gründen entgegen der Ansicht der Mieterin und ihres Ehemanns selbst bei Berücksichtigung und Wahrunterstellung der vorstehend erwähnten Tatsachenbehauptungen 1–8 (vgl. oben E. 3.1) nicht zu beanstanden. Die Umstände, dass die Mieterin und ihr Ehemann zwei Kinder im Alter von 9 und 14 Jahren haben und die finanzielle Situation der Mieterin angespannt ist, sind für von einer Ausweisung betroffene Mieter nicht aussergewöhnlich und rechtfertigen als solche keine längere Schonfrist als die vom Zivilgericht angesetzte. Die von der Mieterin und ihrem Ehemann beantragte Räumungsfrist bis am 31. Januar 2024 und damit von vier Monaten und elf Tagen seit der Fällung des angefochtenen Entscheids und sogar sieben Monaten seit dem Ende des Mietverhältnisses würde offensichtlich auf eine Erstreckung des Mietverhältnisses hinauslaufen und ist daher von vornherein ausgeschlossen. Da die Schonfrist selbst dann, wenn humanitäre Gründe einen Aufschub verlangen, kurz sein darf (vgl. oben E. 3.3), käme auch bei Berücksichtigung und Wahrunterstellung der vorstehend erwähnten Tatsachenbehauptungen (vgl. oben E. 3.1) höchstens eine Frist von einem Bruchteil der beantragten Dauer in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass die Mieterin und ihr Ehemann die Mietobjekte innert einer solchen Frist freiwillig verliessen, bestehen nicht. Sie machen zwar geltend, dass sie die Mietobjekte innert einer angemessenen Frist freiwillig verlassen würden (Berufung, Rz. 8). Als angemessen erachten sie aber offensichtlich eine Dauer von mehreren Monaten (vgl. Berufung, Rz. 10 und 13), was nicht mehr als kurz qualifiziert werden kann. Die Mieterin und ihr Ehemann machen geltend, dass sie dringendst darauf angewiesen seien, die Mietwohnung noch bis am 31. Januar 2024 bewohnen zu können, bis sie ein passendes Objekt gefunden hätten bei Verwandten unterkommen könnten (Berufung, Rz. 10). Damit behaupten sie implizit, dass sie innert einer kurzen Frist von einem Bruchteil der beantragten Räumungsfrist nicht in der Lage wären, eine passende neue Bleibe zu finden bei Verwandten unterzukommen. Folglich wäre bei Berücksichtigung und Wahrunterstellung der neuen Tatsachenbehauptungen in der Berufung davon auszugehen, dass eine Schonfrist, die zwar länger wäre als die vom Zivilgericht angesetzte, aber noch als kurz qualifiziert werden könnte, ohnehin nicht geeignet wäre, die von der Mieterin und ihrem Ehemann geltend gemachten Nachteile abzuwenden. Folglich wäre eine solche selbst bei Berücksichtigung und Wahrunterstellung der Tatsachenbehauptungen 1–8 mangels Eignung nicht anzuordnen. Aufgrund der aufschiebenden Wirkung ihrer Berufung kamen die Mieterin und ihr Ehemann faktisch in den Genuss einer zusätzlichen Schonfrist von fast einem Monat. Aus den vorstehenden Gründen ist es nicht zu beanstanden, dass das Zivilgericht der Mieterin und ihrem Ehemann bloss eine Schonfrist bis am 3. Oktober 2023 angesetzt hat, und ist ihnen auch mit dem vorliegenden Entscheid keine zusätzliche Schonfrist anzusetzen.
Die vom Zivilgericht angesetzte Schonfrist und das Absehen von einer zusätzlichen Schonfrist sind erst recht verhältnismässig, wenn mitberücksichtigt wird, dass im vorliegenden Verfahren davon auszugehen ist, dass die Mieterin und ihre Familie nur deshalb in den Genuss der Mietobjekte gekommen sind, weil die Mieterin die Vermieterin durch die Einreichung eines gefälschten Betreibungsregisterauszugs absichtlich getäuscht hat. Gemäss dem angefochtenen Entscheid erklärte die Vermieterin in der Verhandlung des Zivilgerichts, die Mieterin habe mit ihren Anmeldeunterlagen einen gefälschten Betreibungsregisterauszug eingereicht. Da ein Mitarbeiter der Immobilienverwaltung, der nur im Rahmen einer Ferienvertretung mit dem Mietverhältnis der Mieterin befasst gewesen sei, gewusst habe, dass es bereits bei einem früheren Mietverhältnis, an dem die Mieterin beteiligt gewesen sei, hohe Mietzinsausstände gegeben habe, habe sich die Immobilienverwaltung beim Betreibungsamt betreffend den eingereichten Betreibungsregisterauszug erkundigt. Dabei habe sich dieser als Fälschung erwiesen. Dem echten Betreibungsregisterauszug seien zahlreiche Betreibungen zu entnehmen. Aus diesem Grund habe die Mieterin den Mietvertrag zuerst ordentlich per Ende Juli 2023 gekündigt, bevor sie ihn wegen Zahlungsverzug ausserordentlich per 30. Juni 2023 gekündigt habe (angefochtener Entscheid, E. 2.5 und 3.5.4). Diese Darstellung wird in der Berufung nicht bestritten.
4.
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der angefochtene Zivilgerichtsentscheid zu bestätigen und die Berufung abzuweisen ist, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensantrag haben die Mieterin und ihr Ehemann in Anwendung von Art. 106 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden in Anwendung von § 10 Abs. 2 Ziffer 11 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 des Gerichtsgebührenreglements (SG 154.810) auf CHF 600.– festgesetzt. Mangels Einholung einer Berufungsantwort sind der Vermieterin keine zu entschädigenden Parteikosten entstanden.
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):
://: Die Berufung gegen den Entscheid des Zivilgerichts vom 19. September 2023 (RB.2023.162) wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Die Berufungsklägerin und der Berufungskläger tragen die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von CHF 600.– in solidarischer Verbindung.
Mitteilung an:
- Berufungsklägerin und Berufungskläger
- Berufungsbeklagte
- Zivilgericht Basel-Stadt
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Gerichtsschreiber
lic. iur. Johannes Hermann
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann, wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a b BGG erreicht (CHF 15'000.– bei Streitigkeiten aus Miete Arbeitsverhältnis bzw. CHF 30'000.– in allen übrigen Fällen) wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.
Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.