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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:ZB.2021.9 (AG.2021.547)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid ZB.2021.9 (AG.2021.547) vom 06.09.2021 (BS)
Datum:06.09.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Berichtigung Zivilstandsregister
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 113 BGG ; Art. 116 ZPO ; Art. 17 IPRG ; Art. 23 IPRG ; Art. 308 ZPO ; Art. 314 ZPO ; Art. 37 IPRG ; Art. 40 IPRG ; Art. 42 BGG ; Art. 42 ZGB ; Art. 43 ZGB ; Art. 8 BV ;
Referenz BGE:102 Ib 245; 120 II 276; 129 III 250; 131 III 182; 131 III 201; 132 I 68; 136 III 168; 142 III 110; 142 III 145; 145 II 153;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Dreiergericht


ZB.2021.9


ENTSCHEID


vom 1. Oktober2021



Mitwirkende


Dr. Olivier Steiner, Dr. Claudius Gelzer, Dr. Cordula Lötscher

und Gerichtsschreiber PD Dr. Benedikt Seiler




Parteien


Kanton Basel-Stadt Berufungskläger

Bevölkerungsdienste und Migration, Anschlussberufungsbeklagter

Bevölkerungsamt

Spiegelgasse6, 4001Basel

gegen


A____ Berufungsbeklagter

[...] Anschlussberufungskläger


vertreten durch B____

und C____, [...]

beide vertreten durch [...], Advokat,

[...]


Gegenstand


Berufung gegen einen Entscheid des Zivilgerichts

vom 4. Januar 2021


betreffend Namensrecht



Sachverhalt


A____ (im Folgenden: das Kind) kam am 28. Oktober 2018 im Universitätsspital Basel zur Welt. Sein Vater C____ ist US-Amerikaner und trägt gemäss seinem US-amerikanischen Geburtsschein und seinem US-amerikanischen Reisepass - den Familiennamen «[...] IV», seine Mutter B____ ist Kanadierin und trägt den Familiennamen «[...]». Am 1. November 2018 wurde im Personenstandsregister des Kantons Basel-Stadt als Familienname des Kinds «[...]» eingetragen. Das Kind und dessen Eltern versuchten zunächst auf dem Weg der administrativen Berichtigung, eine Eintragung des Familiennamens «[...] V» zu erreichen. Die zuständigen Behörden lehnten eine solche Berichtigung ab (Verfügung des Bevölkerungsamts Basel-Stadt vom 15. April 2019; Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements Basel-Stadt vom 22. Januar 2020; Präsidialbeschluss des Regierungsrats vom 16.März 2020).


Mit Klage vom 9. Juli 2020 stellte das Kind beim Zivilgericht Basel-Stadt das Begehren, es sei die römische Ziffer «V» als Bestandteil seines Familiennamens im Personenstandsregister des Kantons Basel-Stadt einzutragen und sein Familienname entsprechend von «[...]» auf «[...] V» zu berichtigen. Mit Klageantwort vom 28. August 2020 ersuchte das Bevölkerungsamt Basel-Stadt um Abweisung der Klage. Mit begründetem Entscheid vom 4. Januar 2021 (Rektifikat vom 27. Januar 2021) hiess das Zivilgericht die Klage gut und wies das Zivilstandsamt Basel-Stadt an, im Personenstandsregister beim Namen des Kinds die römische Ziffer «V» als Familiennamensbestandteil einzutragen und seinen Namen entsprechend von «[...]» auf «[...] V» zu berichtigen (Dispositivziffer 1). Zudem auferlegte es dem Kind die Gerichtskosten von CHF 500.- und sprach ihm keine Parteientschädigung zu (Dispositivziffer 2).


Gegen diesen Entscheid erhob das Bevölkerungsamt am 29. Januar 2021 Berufung beim Appellationsgericht Basel-Stadt. Darin beantragt es die Aufhebung des Entscheids. Mit Berufungsantwort und Anschlussberufung vom 11. März 2021 beantragt das Kind die Abweisung der Berufung und die Bestätigung der Dispositivziffer 1; gleichzeitig beantragt es im Sinn einer Anschlussberufung die Aufhebung der Dispositivziffer 2 und die Auferlegung der erstinstanzlichen Gerichtskosten an das Zivilgericht, das Bevölkerungsamt oder die Staatskasse und die Zusprechung einer Parteientschädigung. Mit Verfügung vom 16.März 2021 teilte der Verfahrensleiter des Appellationsgerichts dem Kind mit, es sei vorgesehen, auf seine Anschlussberufung nicht einzutreten, da eine solche im summarischen Verfahren wie dem vorliegenden nicht zulässig sei. Mit unaufgefordert eingereichter Replik vom 7. April 2021 hielt das Bevölkerungsamt an seiner Berufung fest. Auf Verfügung des Verfahrensleiters hin nahmen das Kind und das Bevölkerungsamt mit Eingaben vom 7. Mai und 8.Juni 2021 nochmals Stellung, namentlich auch zur Frage des Verbots der Geschlechterdiskriminierung. Die Akten des Zivilgerichts wurden beigezogen. Der vorliegende Entscheid erging auf dem Zirkulationsweg.



Erwägungen


1. Formelles


Erstinstanzliche End- und Zwischenentscheide sind grundsätzlich mit Berufung anfechtbar (Art.308 Abs.1 lit.a der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR272]). Der angefochtene Zivilgerichtsentscheid betrifft eine namensrechtliche Streitigkeit und damit eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit; diese ist uneingeschränkt berufungsfähig (BGE 142 III 145 E. 6.1 S. 150; Art. 308 Abs. 2 ZPO e contrario). Erstinstanzliche End- und Zwischenentscheide sind unabhängig davon anfechtbar, ob sie im ordentlichen, vereinfachten oder - wie im vorliegenden Fall - summarischen Verfahren ergangen sind und ob es sich um Entscheide der streitigen oder - wie im vorliegenden Fall - der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt (Reetz/Theiler, in:Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3.Auflage, Zürich 2016, Art. 308 N 8). Gegen den Entscheid des Zivilgerichts vom 4. Januar 2021 (Rektifikat vom 27.Januar 2021) steht die Berufung offen. Sodann ist das Bevölkerungsamt als kantonale Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen zur Erhebung einer Berufung berechtigt (vgl.Art. 42 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [ZGB, SR210] und § 4 der kantonalen Zivilstandsverordnung [SG 212.100]). Auf die form- und fristgerecht eingereichte Berufung ist einzutreten.


In seiner Berufungsantwort erhebt das Kind Anschlussberufung. Darin verlangt es, dass die Dispositivziffer 2 des Zivilgerichtsentscheids aufzuheben sei und die erstinstanzlichen Gerichtskosten dem Zivilgericht, dem Bevölkerungsamt oder der Staatskasse aufzuerlegen seien und ihm eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen sei. Auf die vorliegend umstrittene Bereinigung einer Eintragung im Zivilstandsregister ist das summarische Verfahren anwendbar (Art. 249 lit. a Ziffer 4 ZPO). Da im summarischen Verfahren die Anschlussberufung aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung ausgeschlossen ist (Art. 314 Abs. 2 ZPO), kann auf die Anschlussberufung des Kinds nicht eingetreten werden.


Zur Beurteilung der vorliegenden Berufung des Bevölkerungsamts ist das Appellationsgericht als Dreiergericht zuständig (§ 92 Abs.1 Ziffer 6 in Verbindung mit §99 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]).


2. Zivilgerichtsentscheid


Das Zivilgericht hielt in seinem Entscheid einleitend fest, dass die Zivilstandsbehörden zu Recht eine administrative Berichtigung des Familiennamens des Kinds abgelehnt haben. Eine administrative Berichtigung durch die Zivilstandsbehörden setze voraus, dass der zu berichtigende Fehler auf einem offensichtlichen Versehen oder Irrtum beruhe (vgl.Art. 43 ZGB). Da das Fehlen des Zusatzes «V» beim Familiennamen «[...]» weder auf einem offensichtlichen Fehler noch einem Irrtum beruhe, habe keine administrative Berichtigung erfolgen können, weshalb dem Kind nur das gerichtliche Verfahren offenstehe (vgl.Art. 42 ZGB) (Zivilgerichtsentscheid, E. 1.1). Das Zivilgericht bejahte sodann seine Zuständigkeit, die Anwendbarkeit des summarischen Verfahrens und ein schützenswertes Interesse des Kinds an der Klage auf Berichtigung der Eintragung in den Personenstandsregistern (E. 1.2 bis 1.4).


Nachdem das Zivilgericht den Standpunkt des Kinds dargelegt hatte (E. 2), prüfte es, ob die Klage in der Sache begründet sei. Dabei bejahte es zunächst das Vorliegen eines internationalen Sachverhalts (E. 3.1). Sodann bejahte es die Unterstellung des Namens unter das Heimatrecht des Kinds und hielt fest, dass dessen Name nach den schweizerischen Grundsätzen über die Registerführung in das Personenstandsregister eingetragen werde (E. 3.2). Im Weiteren hielt es in tatsächlicher Hinsicht fest, dass der Familienname des Vaters in dessen Geburtsurkunde und dessen Reisepass «[...] IV» laute, dass die Beifügung einer römischen Ziffer zum Familiennamen in der Familie des Vaters eine lange Tradition habe, dass gemäss dem US-amerika­nischen Aussenministerium Namenszusätze in Form römischer Ziffern einer amerikanischen Rechtstradition entsprächen und gemäss US-amerikanischem Recht zulässig seien (E. 3.3). Das Zivilgericht legte sodann den Standpunkt des Bevölkerungsamts dar: Nach dessen Auffassung entstehe durch die Eintragung des Familiennamens «[...] V» der Eindruck, es handle sich um ein Adelsprädikat; die Nichtanerkennung ausländischer Titel entspreche dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und gehöre zum schweizerischen Ordre public (E.3.4). Darauf gab das Zivilgericht einen Überblick über die Rechtslage, namentlich über Art.25 der Zivilstandsverordnung (ZStV, SR211.112.2), wonach weder (akademische) Titel noch Grade im Personenstandsregister erfasst würden, BGE 102 Ib 245, BGE 120 II 276 und einen Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich vom 10. Juli 2013 (Familienname plus Zusatz «IV») (E.3.5).


In der Folge nahm das Zivilgericht zu den beiden zentralen Argumenten des Bevölkerungsamts Stellung und lehnte diese im Ergebnis ab, so das Argument, dass die Beifügung einer römischen Ziffer zum Familiennamen ein Indiz für eine adelige Bezeichnung sei oder zumindest den Eindruck erwecken könnte, der Namensträger stelle sich auf gesellschaftlicher Ebene über andere Menschen (E. 3.6), und das Argument, das sich auf das Kreisschreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 11. Oktober 1989 stützt, wonach Zusätze, die keine Namensfunktion haben und im Ursprungsland nach Belieben beigefügt oder weggelassen werden können, nicht in das Personenstandsregister einzutragen seien (E. 3.7 bis 3.9). Im Weiteren nahm das Zivilgericht zu vier weiteren Argumenten kurz Stellung, so zum Argument, dass das Kind bei einer Verlegung seines Wohnsitzes nach Nordamerika eine Namensänderung beantragen könne (E. 3.10), zum Argument, dass die ältere Schwester des Kinds den Familiennamen «[...]» ohne römische Ziffer führe (E.3.11), zum Argument, dass der Familienname des Vaters im Personenstandsregister ohne Zusatz eingetragen sei (E.3.12), und zu einem Argument, das sich auf einen Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich vom 8. März 2017 stützt (E.3.13). Aufgrund dieser Erwägungen hielt das Zivilgericht fest, dass keine Gründe gegen die Eintragung der römischen Ziffer «V» vorlägen (E. 3.14). Es hiess die Klage gut und wies das Zivilstandsamt Basel-Stadt an, im Personenstandsregister des Kantons Basel-Stadt den Familiennamen des Kinds von «[...]» auf «[...] V» zu berichtigen.


3. Unterstellung unter das Heimatrecht


Die Eltern des Kinds haben ihren Wohnsitz in der Schweiz, sind aber ausländische Staatsbürger und wollen den Namen des Kinds einem seiner Heimatrechte (Vereinigte Staaten von Amerika und Kanada) unterstellen. Damit liegt ein internationaler Sachverhalt im Sinn von Art.1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG, SR291) vor. Der Name einer Person mit Wohnsitz in der Schweiz untersteht schweizerischem Recht (Art. 37 Abs. 1 IPRG). Die Person kann aber verlangen, dass ihr Name dem Heimatrecht untersteht (Art. 37 Abs. 2 IPRG). Besitzt eine Person mehrere Staatsangehörigkeiten, kann sie ihren Namen nur dem Recht desjenigen Staats unterstellen, mit dem sie am engsten verbunden ist (Art. 23 Abs. 2 IPRG; BGE 136 III 168 E.3.1 S. 169 ff.).

Das Zivilgericht stellte fest, dass die Eltern den Familiennamen ihres Kinds sinngemäss dem US-amerikanischen Heimatrecht unterstellen wollen. Die Eltern hätten zwar keine konkrete Absicht, ihren Lebensmittelpunkt in absehbarer Zeit in die Vereinigten Staaten zu verlegen. Sie könnten sich dies aber durchaus vorstellen. Damit dürfte das Kind - so das Zivilgericht - enger mit den Vereinigten Staaten verbunden sein, soweit dies überhaupt feststellbar sei (Zivilgerichtsentscheid, E. 3.2). Das Bevölkerungsamt bestreitet in seiner Berufung nicht, dass die Eltern im Rahmen ihres elterlichen Sorgerechts gemäss Art. 37 Abs. 2 IPRG die Möglichkeit haben, zu verlangen, dass der Name ihres Kinds dessen Heimatrecht unterstellt wird, und dass sie von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben (vgl.Berufung, S. 4 unten). Damit steht ausser Frage, dass der Name des Kinds dem US-amerikanischen Heimatrecht unterstellt wurde.


4. Schweizerischer Ordre public


4.1 Das Bevölkerungsamt macht in seiner Berufung im Kern geltend, dass die Eintragung des Familiennamens «[...] V» den schweizerischen Ordre public verletze (Berufung, S. 4-7). Nachfolgend wird zunächst geprüft, ob das Kind nach seinem US-amerikanischen Heimatrecht seinem Familiennamen «[...]» den Zusatz «V» anfügen darf (unten E. 4.2). Sodann wird dargelegt, unter welchen Voraussetzungen die Anwendung ausländischen Rechts den schweizerischen Ordre public verletzt (unten E.4.3). Schliesslich wird geprüft, ob im vorliegenden Fall die Anwendung des US-amerikanischen Namensrechts den schweizerischen Ordre public verletzt (unten E. 4.4 und 4.5).


4.2 Traditionell erhalten Kinder im US-amerikanischen Recht den Familiennamen des Vaters. Durch den gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte hat sich diese traditionelle Regel insofern aufgeweicht, als die Eltern dem Kind einen Nachnamen geben, der einen Konnex mit ihnen herstellt; dabei kann es sich etwa auch um einen Doppelnamen (mit oder ohne Bindestrich) handeln. Eine zwingende gesetzliche Regel, welche die Eltern auf wenige Möglichkeiten beschränkt, besteht aber nur in wenigen Teilstaaten, wobei der Trend dahin geht, den Eltern bei der Bestimmung des Nachnamens einen grösseren Spielraum zuzugestehen (vgl.zum Ganzen den Entscheid VB.2013.00080 des Verwaltungsgerichts Zürich vom 10. Juli 2013 E.2.2). Aufgrund dieser Rechtslage lässt sich zumindest nicht mit Sicherheit feststellen, dass eine allgemeine Regel im amerikanischen Namensrecht besteht, die einen Namenszusatz, wie ihn die Eltern des Kinds wünschen, ohne weiteres zulassen würde. Es wurde aber nachgewiesen, dass im vom Staat Colorado ausgestellten Ge­burtsschein der Vater mit «C____ IV» geführt wird (Klagebeilage 8); auch in seinem amerikanischen Pass ist sein Name so eingetragen (Klagebeilage 6). Damit ist erstellt, dass der Vater im amtlichen Verkehr in den Vereinigten Staaten den Namen «C____ IV» tragen darf. Schliesslich lässt sich auch einer Wegleitung des amerikanischen Aussenministeriums zu in amerikanischen Pässen verwendeten Namen entnehmen, dass Namenszusätze in Form von römischen Ziffern einer amerikanischen Rechtstradition entsprechen (U.S. Department of State, Foreign Affairs Manual, Volume 7, Consular Affairs, 7 Fam 1300 Appendix C, Names to be used in passports, S. 2 [Klagebeilage 16]). Damit ist erstellt, dass das Kind nach US-amerikanischem Recht seinem Nachnamen «[...]» den Zusatz «V» anfügen darf.

4.3 Es fragt sich, ob der Nachname «[...] V», der nach US-amerikanischem Recht zulässig ist (vgl.oben E. 4.2), mit dem schweizerischen Ordre public vereinbar ist. Die Anwendung von Bestimmungen eines ausländischen Rechts ist nämlich dann ausgeschlossen, wenn es zu einem Ergebnis führen würde, das mit dem schweizerischen Ordre public unvereinbar ist (Art. 17 IPRG). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt eine Verletzung des schweizerischen Ordre public vor, wenn die Anwendung des fremden Rechts zu einem Ergebnis führt, welches das einheimische Rechtsgefühl in unerträglicher Weise verletzt und grundlegende Vorschriften der schweizerischen Rechtsordnung missachtet (BGE 129 III 250 E.3.4.2 S. 255). Zum Ordre public gehören namentlich die fundamentalen privatrechtlichen Wertungen des Obligationenrechts und des Zivilgesetzbuchs (wie Vertragstreue, Grundsatz von Treu und Glauben, Schutz handlungsunfähiger Personen), das Rechtsmissbrauchsverbot, die rechtsstaatlichen Grundsätze, die im Verfahrensrecht ihren Ausdruck finden, und die Grundrechte (Kren Kostkiewicz, Schweizerisches Internationales Privatrecht, 2.Auflage 2018, N 978). So können namentlich ausländische Rechtsnormen gegen den schweizerischen Ordre public verstossen, die die Rechtsgleichheit verletzen und insbesondere nach Geschlecht, Rasse oder Religionszugehörigkeit diskriminieren (Kren Kostkiewicz, a.a.O., N 668).

Gemäss dem Wortlaut von Art. 17 IPRG ist bei der Überprüfung des ausländischen Rechts vom «Ergebnis» der Rechtsanwendung im konkreten Fall auszugehen. Die Ausrichtung auf das Ergebnis verlangt, dass das Gericht die Rechtslage der Parteien, wie sie sich aus den Anwendung des ausländischen Rechts ergeben würde, zu überprüfen hat. Aufgabe des Ordre public ist somit keine abstrakte Normenkontrolle, sondern eine ergebnisbezogene Überprüfung des ausländischen Rechts im Einzelfall (vgl.zum Ganzen Vischer/Lüchinger Widmer, Zürcher Kommentar, 2. Auflage, 2018, Art. 17 IPRG N 36). Eine Verletzung des schweizerischen Ordre public ist demnach nur mit Zurückhaltung anzunehmen (Mächler-Erne/Wolf-Mettier, Basler Kommentar, 4.Auflage, 2020, Art. 17 IPRG N10; zur noch restriktiveren Anwendung des Ordre public-Vorbehalts im Bereich der Anerkennung ausländischer Entscheide vgl.Art.27 IPRG und BGE 131 III 182 E. 4.1 S.185).

4.4

4.4.1 Im vorliegenden Fall wünschen die Eltern, dass ihr Kind - ein Sohn - mit dem Familiennamen «[...] V» im Personenstandsregister eingetragen wird. Die ältere Schwester des Kinds trägt den Namen «[...]» ohne römische Ziffer als Zusatz (Zivilgerichtsentscheid, E. 3.11). Es fragt sich zunächst, ob allenfalls ein Verstoss gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Art.8 Abs. 3 Satz 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV, SR101]) vorliegt.


Auf Verfügung hin nahm das Kind zu diesem Aspekt Stellung. Zum einen äusserte es sich zur Frage, ob eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Verhältnis zu seiner Schwester vorliege, da deren Familienname schlicht «[...]» laute. Aus seiner Sicht habe seine Schwester keinerlei Nachteile ihm gegenüber, weder im Umgang mit Behörden noch im Privaten. Der Namenszusatz «V» im Familiennamen des Kinds diene einzig dazu, es besser von seinen Vorfahren zu unterscheiden. Weil es zumindest bis vor Kurzem üblich gewesen sei, dass bei einer Heirat die Frau den Familiennamen des Manns annehme oder gar habe annehmen müssen, gebe es mehr Männer als Frauen, die denselben Namen trügen wie ihre Vorfahren (Stellungnahme des Kinds vom 7. Mai 2021, Rz 21-25). Zum anderen äusserte sich das Kind zur Frage, ob das Verbot der Geschlechterdiskriminierung ganz allgemein - also auch dann, wenn es keine Schwester hätte - der Eintragung des Namenszusatzes «V» entgegenstehe. Eine Geschlechterdiskriminierung läge allenfalls dann vor, wenn es einer weiblichen Person, die denselben Vor- und Familiennamen wie ihre Mutter trüge, von Gesetzes wegen verwehrt wäre, einen Namenszusatz wie «Jr.», «II» oder «III» zu führen. Dies sei aber nach dem als Heimatrecht gewählten US-amerikani­schen Recht nicht der Fall: Es komme zwar viel weniger häufig vor, dass eine Tochter den gleichen Namen trage wie ihre Mutter, aber es gebe Beispiele dafür, dass eine Tochter den gleichen Namen wie ihre Mutter trage und dann selbstverständlich das entsprechende Suffix im Nachnamen führe, zum Beispiel die Präsidententochter Ann Eleanor Roosevelt Jr. oder die Dichterin Winifred Sackville Stone Jr. Ausserdem sei auch die Wegleitung des amerikanischen Aussenministeriums zu in amerikanischen Pässen verwendeten Namen geschlechtsneutral formuliert und nicht auf Männer beschränkt. Dass Frauen in den USA nur selten solche Suffixe führten, liege nicht daran, dass ihnen dies gesetzlich verboten wäre, sondern vielmehr daran, dass Eltern ihren Töchtern viel seltener den- oder dieselben Vornamen gäben, den ihre Mütter trügen, und dass viele Frauen nach wie vor bei einer Heirat den Nachnamen des Manns annähmen (Rz 26-34).

Das Bevölkerungsamt führt dagegen aus, das verfassungsrechtliche Verbot der Geschlechterdiskriminierung schliesse die Geschlechtszugehörigkeit als taugliches Kriterium für rechtliche Differenzierungen aus. Eine Differenzierung sei nur zulässig, wenn biologische oder funktionale Unterschiede eine Gleichbehandlung absolut ausschlössen. Im vorliegenden Fall sei nicht ersichtlich, inwiefern biologische Unterschiede die Weitergabe einer römischen Ziffer an die männliche Generation rechtfertigten. Das Kind entstamme einer Familie, die gemäss eigenen Aussagen an der Tradition und der traditionellen Namensführung festhalte. Aus diesem Grund sei fraglich, weshalb der Tochter nicht beispielsweise der Name der Grossmutter vererbt worden sei oder weshalb sie nicht den Vor- und Familiennamen der Mutter samt Namenszusatz in Form einer römischen Ziffer erhalten habe. Die Vermutung liege nahe, dass es sich bei der Vergabe der römischen Ziffer als Zusatz beim Familiennamen um eine Tradition handle, die bewusst männliche Familienmitglieder hervorheben möchte. Selbst wenn nach US-amerikanischem Recht die Möglichkeit einer Vergabe eines entsprechenden Namenszusatzes an weibliche Familienmitglieder bestünde, zeige der vorliegende Fall, dass es sich um einen das männliche Geschlecht betreffenden und damit diskriminierenden Brauch handle (Stellungnahme des Bevölkerungsamts vom 8. Juni 2021, S. 3 f.).


4.4.2 Nach dem verfassungsrechtlichen Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Art. 8 Abs. 3 Satz 1 BV) sind Mann und Frau gleichberechtigt. Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts können in zweierlei Gestalt auftreten: eine direkte Diskriminierung liegt vor, wenn sich eine Regelung ausdrücklich auf die Geschlechtszugehörigkeit oder auf ein Kriterium stützt, das nur von einem der beiden Geschlechter erfüllt werden kann, und wenn sie sich nicht sachlich rechtfertigen lässt. Von einer indirekten Diskriminierung ist hingegen auszugehen, wenn eine formal geschlechtsneutrale Regelung im Ergebnis wesentlich mehr oder überwiegend Angehörige des einen Geschlechts ohne sachliche Rechtfertigung gegenüber jenen des anderen erheblich benachteiligt (BGE 145 II 153 E. 4.3.5 S. 161).


4.4.3 Das US-amerikanische Namensrecht unterscheidet in Bezug auf Zusätze zum Familiennamen wie «Jr.» und römische Ziffern weder direkt noch indirekt nach dem Geschlecht (vgl.oben E. 4.2). Die Wahl solcher Namenszusätze steht den Eltern eines Kinds somit unabhängig davon zu, ob es sich um einen Sohn oder eine Tochter handelt. Der Umstand, dass faktisch die Beifügung solcher Namenszusätze bei Söhnen deutlich häufiger vorkommen dürfte als bei Töchtern, stellt ebenso wenig eine indirekte Diskriminierung dar wie der Umstand, dass Eheleute bei der Heirat deutlich häufiger den Namen des Manns als Familiennamen wählen als den Namen der Frau. Das US-amerikanische Namensrecht verstösst mit anderen Worten nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

4.5

4.5.1 Das Zivilgericht befasste sich in seinem Entscheid schwergewichtig mit der Frage der Verletzung des allgemeinen Rechtsgleichheitsgebots. Dabei legte es zunächst den Standpunkt des Bevölkerungsamts zu dieser Frage dar: Das Bundesgericht habe im Zusammenhang mit dem Namensrecht festgehalten, dass Bezeichnungen, die auf den Adel als Stand hinwiesen, nach schweizerischer Rechtsauffassung gegen das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot verstiessen und nicht in das Personenstandsregister eingetragen werden dürften. Dabei genüge es, wenn der Eindruck entstehe, dass es sich um ein Adelsprädikat handle. Das Gleichheitsgebot wirke den Unterschieden entgegen, die im Namen erkennbar seien. Die Nichtanerkennung ausländischer Titel entspreche dem verfassungsrechtlichen Rechtsgleichheitsgebot und gehöre zum schweizerischen Ordre public (Zivilgerichtsentscheid, E.3.4). Sodann gab das Zivilgericht einen Überblick über die Rechtslage: Gemäss Art. 25 ZStV dürften weder (akademische) Titel noch Grade im Personenstandsregister eingetragen werden. Dies gelte insbesondere für Adelsprädikate (wie Freiherr, Baron, Countess, Marquis), selbst wenn im massgeblichen ausländischen Recht der Adelstitel als Bestandteil des Namens gelte. Soweit solche Bezeichnungen auf den Adel als Stand hinwiesen, würden sie als Adelstitel angesehen, die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von Art. 8 Abs. 1 BV verstiessen und nicht eintragungsfähig seien; davon ausgenommen seien die Partikel «von», «de» und «di», die als Teil des bürgerlichen Namens die Herkunft von einem bestimmten Ort oder Hof zum Ausdruck brächten. In diesem Zusammenhang verwies das Zivilgericht auf BGE 102 Ib 245 («Freiherr von» als nicht eintragungsfähiger Adelstitel) und BGE 120 II 276 (Namensänderung durch nachträgliche Eintragung des Adels-Partikels «von» vor einen Familiennamen). Aus dieser Rechtsprechung liessen sich - so das Zivilgericht - keine Rückschlüsse auf den vorliegenden Fall ziehen. Es gehe im vorliegenden Fall weder um einen Adelstitel wie Baron, Fürst, Freiherr oder Graf noch um das Adelsprädikat «von». Insbesondere mache das Bevölkerungsamt nicht geltend, es handle sich beim Zusatz «V» um ein entsprechendes Adelsprädikat. Der Zusatz «V» - so das Zivilgericht - zeige lediglich an, dass es sich beim Träger um den fünften Namensträger in einer Reihe von Personen mit dem gleichen Namen handle (Zivilgerichtsentscheid, E. 3.5).


Das Bevölkerungsamt verweist in seiner Berufung zunächst auf die vom Zivilgericht angeführten Vorschriften (Art. 25 ZStV) und Bundesgerichtsentscheide (BGE 102 Ib 245 und 120 II 276). Die Beifügung einer römischen Ziffer im Namen stelle im traditionellen europäischen Kontext ein Indiz für eine adelige Bezeichnung dar. Entgegen der Auffassung des Zivilgerichts sei es dabei unerheblich, ob sich die römische Ziffer auf den Vornamen oder den Familiennamen beziehe. Auch wenn in den Heimatländern des Kinds durch den Zusatz keinerlei Status, Vermögen oder andere Vorteile beansprucht würden, so sei nicht von der Hand zu weisen, dass eine römische Ziffer in Europa eine andere Wirkung habe. Der Familienname «[...] V» könnte eine Anlehnung an die altertümliche Weise der Namensgebung sein und den Eindruck erwecken, der Namensträger stelle sich auf gesellschaftlicher Ebene über andere Mitmenschen. Zudem genüge der blosse Eindruck, dass es sich um ein Adelsprädikat handle; der gewünschte Namenszusatz «V» zeige nicht nur an, dass es um den fünften Namensträger in einer Reihe von Personen mit gleichen Familiennamen gehe, sondern erwecke zudem den Eindruck, dass es sich um eine adlige Person handle (Berufung, S. 4 unten bis S. 6 oben).

4.5.2 Nach dem allgemeinen Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Das Gebot rechtsgleicher Behandlung ist ein selbständiges verfassungsmässiges Recht. In allgemeiner Weise ist Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Jede Ungleichbehandlung ist durch sachliche Gründe zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, soweit die massgebenden tatsächlichen Verhältnisse, die einer Regelung oder einem Entscheid zugrunde liegen, auch aus verfassungsrechtlicher Sicht verschieden sind. Die hiefür notwendige Wertung richtet sich nach der herrschenden Rechtsauffassung beziehungsweise der herrschenden Wertanschauung (vgl.zum Ganzen BGE 132 I 68 E. 4.1 S. 74). Im Bereich des Namensrechts (Eintragung eines Namens im schweizerischen Personenstandsregister) versagte das Bundesgericht einer ausländischen Bestimmung die Anwendung, die Adelstitel als Namensbestandteil behandelt. Das Bundesgericht führte aus, dass Namensbestandteile, die auf einen adligen Stand hinwiesen, nach schweizerischer Auffassung gegen das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot verstiessen und deshalb nicht im Personenstandsregister eingetragen werden könnten (BGE 102 Ib 245 E.2; kritisch Geiser/Jametti Greiner, Basler Kommentar, 4.Auflage, 2020, Art. 37 IPRG N 7).

4.5.3 Im vorliegenden Fall sind sich das Zivilgericht, das Kind und das Bevölkerungsamt einig, dass es sich beim Namenszusatz «V» zum Familiennamen weder um einen Adelstitel noch um ein Adelsprädikat handelt, die nach BGE 102 Ib 245 nicht eintragungsfähig sind. Das Bevölkerungsamt vertritt aber die Auffassung, dass ein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot und den Ordre public bereits dann zu bejahen sei, wenn durch den Namenszusatz der Eindruck erweckt werde, dass es sich um eine adelige Person handle oder sich der Namensträger über andere Mitmenschen stelle.

Für US-Amerikaner ist die Gewohnheit typisch, bei Namensgleichheit innerhalb der Familie die Namenszusätze «Junior» und «Senior» oder sogar römische Ziffern zu verwenden (Lisbach, Linguistisches Identity Matching, Wiesbaden 2011, S. 33). Die Verwendung römischer Ziffern ist denn auch nach amerikanischem Recht zulässig (vgl.oben E. 4.2). Möglicherweise ist es auch richtig, dass der Familiennamenszusatz «IV» beziehungsweise «V» gemäss dem US-amerikanischen Recht einzig anzeigt, dass es sich beim Namensträger um den vierten beziehungsweise fünften in einer Reihe von Personen mit gleichem Namen handelt (vgl.Berufungsantwort, Rz25; Entscheid VB.2013.00080 des Verwaltungsgerichts Zürich vom 10. Juli 2013 E.2.3). Allerdings ist dies nicht entscheidend für die Frage, ob der Namenszusatz «V» gegen den schweizerischen Ordre public verstösst. Massgebend ist vielmehr, ob der Zusatz «V» im schweizerischen (oder europäischen) Verständnishorizont den Eindruck erweckt, dass es sich um eine adelige Person handelt oder sich der Namensträger über die Träger von Namen ohne solchen Zusatz stellt.

In Europa ist die Verwendung von römischen Ziffern als Namensbestandteil dem Hochadel [und Päpsten] vorbehalten (Lisbach, a.a.O., S. 33) - wenn auch nur als Zusatz zum Vornamen. Auf der einen Seite lässt sich somit festhalten, dass in Europa römische Ziffern als Vornamenszusatz bei Hochadligen und Päpsten bekannt sind. Römische Ziffern als Familiennamenszusatz - wie im vorliegenden Fall - dürften in Europa dagegen nur einer Minderheit vertraut sein. Da in Europa römische Ziffern in Verbindung zum Vornamen dem Hochadel und Päpsten vorbehalten sind und die Verbindung zum Familiennamen unbekannt ist, ist die Beifügung einer römischen Ziffer zum Familiennamen im europäischen Kontext durchaus geeignet, den Gedanken an die Namensgebung bei Königinnen, Könige und Päpste zu wecken. Durch die Beifügung des Namenszusatzes «V» wird der Familienname «[...]» für schweizerische oder europäische Ohren durchaus etwas «geadelt» oder «sakralisiert». Der Familienname erhält mindestens einen gewissen aristokratischen oder sakralen Glanz und eine gewisse «Nobilität», die dem Namen «[...]» ohne Zusatz abgeht. Auf der anderen Seite ist relativierend festzuhalten, dass diese gedankliche Verbindung zur Namensgebung bei Königinnen und Päpsten im vorliegenden Fall dadurch etwas irritiert oder gestört wird, dass es sich um einen Zusatz zum Nachnamen handelt, und nicht - wie bei Königinnen und Päpsten üblich - um einen Zusatz zum Vornamen. Diese Irritation ist geeignet, den durch den Namenszusatz «V» verliehenen Glanz etwas verbleichen zu lassen. Mit anderen Worten: Indem der Namenszusatz «V» dem Familiennamen - und nicht dem Vornamen angefügt wird, wird der Nobilitierungseffekt geschwächt und der Raum für andere Assoziationen geöffnet. Unter diesen Umständen ist sehr fraglich, ob der Zusatz «V» zum Familiennamen [...] im schweizerischen Verständnishorizont den Eindruck erweckt, dass sich der Namensträger über die Träger von Namen ohne solchen Zusatz stellt und die Eintragung eines solchen Namenszusatzes in das Personenstandsregister das allgemeine Rechts­gleichheitsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV verletzt.

Selbst wenn eine Verletzung des allgemeinen Rechtsgleichheitsgebots gerade noch zu bejahen wäre, wäre diese jedenfalls nicht geeignet, den schweizerischen Ordre public zu verletzen. Die Eintragung des Nachnamens «[...] V» vermag das einheimische Rechtsgefühl durchaus zu irritieren. Sie missachtet aber weder grundlegende Vorschriften der schweizerischen Rechtsordnung noch verletzt sie das einheimische Rechtsgefühl in unerträglicher Weise (vgl.dazu oben E. 4.3). Der schweizerische Ordre public steht der Eintragung des Nachnamens «[...] V» im Personenstandsregister somit nicht entgegen.

5. Schweizerische Grundsätze der Registerführung

5.1 Das Zivilgericht setzte sich im Weiteren mit dem Einwand des Bevölkerungsamts auseinander, wonach der gewünschte Name für das Kind gegen die schweizerischen Grundsätze der Registerführung verstosse (Zivilgerichtsentscheid, E. 3.7). Es führte aus, dass Art. 40 IPRG die einheitliche Führung des schweizerischen Personenstandsregisters bezwecke - unabhängig von dem auf den Namen anwendbaren Recht und von der Staatsangehörigkeit der Person. Die in Art. 40 IPRG angesprochenen schweizerischen Regeln der Registerführung fänden sich zum einen in der ZStV und zum anderen in den nachgeordneten Kreisschreiben der Bundesverwaltung. Gemäss dem Kreisschreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) vom 11. Oktober 1989 betreffend Bestimmung und Eintragung des Namens in die Zivilstandsregister in Fällen mit Auslandberührung seien Namensteile, deren Führung der (ausländischen) Gewohnheit entspricht, nicht eintragungsfähig, wenn sie gemäss dem massgebenden ausländischen Recht nicht zum amtlichen Namen gehören. Dasselbe gelte gemäss dem Kreisschreiben für Zusätze, die keine Namensfunktion haben und im Ursprungslang nach Belieben dem Namen beigefügt oder weggelassen werden können. Dazu gehörten die in Namen spanischer oder lateinamerikanischer Herkunft zwischen Namensteilen eingeschobenen Partikel «y» (Kreisschreiben, Ziffer 232). Zudem würden im Anhang zum Kreisschreiben die Namenszusätze «Jr.» oder «III» als nichteintragungsfähige Beispiele angeführt (E. 3.8). Das Zivilgericht hielt fest, beim erwähnten Kreisschreiben handle es sich um eine Verwaltungsverordnung beziehungsweise um eine Weisung einer Bundesbehörde an die mit dem Vollzug des Bundesrechts betrauten kantonalen und kommunalen Behörden. Die Hauptfunktion des Kreisschreibens bestehe in der Sicherstellung einer einheitlichen und sachrichtigen Praxis des Gesetzesvollzugs. Da Verwaltungsverordnungen nach der herrschenden Lehre keine Rechtsquellen seien, seien die Gerichte an diese in der Regel nicht gebunden. Das Zivilgericht liess die Frage letztlich aber offen, ob das Kreisschreiben für die Gerichte bindend sei. Das Bevölkerungsamt habe nämlich nicht dargelegt, das dem Zusatz «V» im US-amerikanischen Recht keine Namensfunktion zukomme. Der Umstand, dass die römische Ziffer «IV» sowohl in der amerikanischen Geburtsurkunde als auch im Pass des Vaters eingetragen sei, deute im Gegenteil darauf hin, dass der Zusatz nach amerikanischem Recht Namensfunktion habe. Ebenso würden in der Wegleitung des US-amerikanischen Aussenministeriums betreffend in amerikanischen Pässen verwendeten Namen unter Buchstabe h als mögliche Namenszusätze «Jr.», «II» und «III» aufgeführt. Zudem dürfe die Anpassung an die schweizerischen Grundsätze der Registerführung nicht dazu führen, dass das internationalprivatrechtliche Namensrecht ausgehöhlt werde. Schliesslich habe das Namensrecht in den letzten Jahren eine Liberalisierung erfahren: So gehe das Kreisschreiben des EJPD vom 11. Oktober 1989 noch von der grundsätzlichen Unveränderlichkeit des Namens aus. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 131 III 201) sei die Unveränderlichkeit nunmehr flexibler zu handhaben (E. 3.9).

Das Bevölkerungsamt weist in seiner Berufung nochmals auf den Inhalt des Kreisschreibens des EJPD vom 11. Oktober 1989 und auf den Umstand hin, dass die Zivilstandsbehörden an dieses Kreisschreiben gebunden seien. Zudem sei es wünschenswert, dass die Gerichte nicht ohne Not von den für Verwaltungsbehörden verbindlichen Verwaltungsverordnungen abwichen. Im Weiteren vertritt das Bevölkerungsamt weiterhin die Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein Zusatz in Form einer römischen Ziffer keine Namensfunktion habe. Dies belege auch der Umstand, dass der Vater des Kinds selber im Personenstandsregister lediglich mit dem Familiennamen «[...]» erfasst sei. Schliesslich verkenne das Zivilgericht, dass es nicht Sinn und Zweck von Art. 37 Abs. 2 IPRG sei, schweizerische Grundsätze der Registerführung gemäss Art. 40 IPRG auszuhöhlen. Müssten jegliche Bezeichnungen, die in ausländischen Rechtsordnungen erlaubt seien, in das Schweizer Personenstandsregister eingetragen werden, wäre Art. 40 IPRG obsolet. Art. 40 IPRG wirke gerade Konstellationen entgegen, die mit dem Schweizer Rechtsempfinden nicht vereinbar seien (Berufung, S. 6).


5.2 Im vorliegenden Fall nahm das Zivilgericht zu Recht an, dass der Namenszusatz der römischen Ziffer nach dem US-amerikanischen Recht Namensfunktion hat. Dies ergibt sich - wie das Zivilgericht zu Recht festhielt - aus den Eintragungen im US-amerikanischen Pass und in der Geburtsurkunde des Vaters (jeweils «[...] IV») und aus dem Umstand, dass die Wegleitung des US-amerkanischen Aussenministeriums betreffend in amerikanischen Pässen verwendeten Namen als mögliche Namenszusätze «II» und «III» aufführt. Der Umstand, dass der Vater des Kinds selber im schweizerischen Personenstandsregister lediglich mit dem Familiennamen «[...]» erfasst ist, vermag diese Annahme nicht zu erschüttern. Hat aber nach dem Gesagten die römische Ziffer «IV» oder «V» Namensfunktion, ist Ziffer 232 des Kreisschreibens des EJPD vom 11. Oktober 1989, das sich auf Zusätze ohne Namensfunktion bezieht, nicht einschlägig. Das Kreisschreiben steht somit der Eintragung des Namenszusatzes in Form einer römischen Ziffer nicht entgegen.


5.3 Selbst wenn die römische Ziffer keine Namensfunktion hätte und Ziffer 232 des Kreisschreibens einschlägig wäre, wäre diesem im vorliegenden Fall die Anwendung zu versagen.

Gemäss IPRG wird der Name nach den schweizerischen Grundsätzen über die Registerführung in das Zivilstandsregister eingetragen (Art. 40 IPRG). Diese Bestimmung trägt dem Problem Rechnung, dass die Schreibweise und Zusammensetzung ausländischer Namen oft nach den Grundsätzen erfolgt, die hier nicht geläufig sind. Im Interesse einer einheitlichen Führung der schweizerischen Register sollen solche Besonderheiten einheitlich behandelt werden (BBl 1983 I 263, S. 336). In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass es dem Sinn und Zweck von Art.37 Abs. 2 IPRG widerspräche, wenn die ausländische Person ihren Namen zwar dem Heimatrecht unterstellen dürfte (vgl.oben E. 3), eine entsprechende Eintragung im schweizerischen Personenstandsregister aber mit dem Hinweis auf die Grundsätze schweizerischer Registerführung abgelehnt würde (Entscheid VB.2013.00080 des Verwaltungsgerichts Zürich vom 10. Juli 2013 E.2.4). Hätte der Gesetzgeber die lückenlose Beachtung der Grundsätze des schweizerischen Namensrechts durchsetzen wollen, hätte er dies durch eine einseitige Kollisionsnorm tun müssen (Müller-Chen, Zürcher Kommentar, 3. Auflage, 2018, Art. 40 IPRG N 3). Art. 37 Abs. 2 IPRG ist mit anderen Worten so angelegt, dass im Einzelfall die schweizerischen Grund­sätze der Registerführung relativiert oder durchbrochen werden können. Selbst wenn also die römische Ziffer keine Namensfunktion hätte und Ziffer 232 des Kreisschreibens vom 11. Oktober 1989 somit einschlägig wäre, müssten die Grundsätze der schweizerischen Registerführung (Art.40 IPRG) hinter den Anspruch des Kinds zurücktreten, seinen Namen dem Heimatrecht zu unterstellen (Art. 37 Abs.2 IPRG). Diese Durchbrechung ist umso leichter hinzunehmen, als sich im vorliegenden Fall der vom Kind gewünschte Name mit lateinischen Buchstaben ohne Weiteres darstellen lässt. Die schweizerischen Grundsätze der Registerführung stehen somit der Eintragung des Nachnamens «[...] V» im Personenstandsregister nicht entgegen.


6. Möglichkeit der späteren Namensänderung


Das Zivilgericht befasste sich schliesslich auch mit dem Einwand, wonach das Kind spätestens im Zeitpunkt einer allfälligen Verlegung des Wohnsitzes nach Nordamerika die Möglichkeit habe, eine Namensänderung zu beantragen. Es hielt diese Möglichkeit zum einen für irrelevant und erachtete es zum anderen als fraglich, ob diese Möglichkeit überhaupt bestehe. So habe die kanadische Botschaft am 16. Juli 2019 mitgeteilt, dass sie einen kanadischen Pass nur gestützt auf die offizielle Geburtsurkunde ausstellen könne und kein Namenszusatz eingetragen werde, der nicht im Geburtsschein aufgeführt sei. Entsprechendes gelte offenbar auch für die USA (mit Verweis auf den Entscheid VB.2013.00080 des Verwaltungsgerichts Zürich vom 10.Juli 2013 E.2.4) (Zivilgerichtsentscheid, E. 3.10).

Das Bevölkerungsamt macht in seiner Berufung weiterhin geltend, dass es dem Kind spätestens bei einer Verlegung des Wohnsitzes nach Nordamerika zumutbar sei, im Heimatland eine allfällige Namensänderung zu beantragen. Eine solche Namens-änderung sollte sich auch im heimatlichen Pass niederschlagen (Berufung, S. 6 f.).


Ob und unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, bei einer Wohnsitzverlegung den Namen zu ändern, erscheint im vorliegenden Fall tatsächlich als irrelevant. Es ist mit dem Zweck von Art. 37 Abs. 2 IPRG - einfache Möglichkeit, seinen Namen dem Heimatrecht zu unterstellen - kaum vereinbar, einer ausländischen Person die Unterstellung unter das Heimatrecht zu versagen, weil es ihr angeblich ohne grossen Aufwand möglich wäre, im Heimatland eine Namensänderung zu veranlassen. Damit würde Art. 37 Abs. 2 IPRG weitgehend seines Sinns entleert. Demgemäss ist festzuhalten, dass auch die Möglichkeit einer späteren Namensänderung der Eintragung des Familiennamens «[...] V» im Personenstandsregister nicht entgegensteht.

7. Sachentscheid und Kostenentscheid


7.1 Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Berufung abzuweisen und der angefochtene Zivilgerichtsentscheid zu bestätigen ist. Auf die Anschlussberufung kann nicht eingetreten werden.


7.2 Bei diesem Ausgang des Berufungsverfahrens hat grundsätzlich die unterliegende Partei die Prozesskosten des Berufungsverfahrens zu tragen (Art.106 Abs. 1 ZPO; Tappy, commentaire romand CPC, 2. Auflage, Basel 2019, Art. 106 N9 unter Hinweis auf BGE 142 III 110 E. 3.3 S. 113-115). Da das basel-städtische Recht keine Befreiung des Kantons von der Tragung der Prozesskosten im Zivilprozess vorsieht (vgl.Art. 116 ZPO), hat das Bevölkerungsamt die Prozesskosten des Berufungsverfahrens zu tragen.


Im Berufungsverfahren berechnen sich die Gerichtskosten nach den erstinstanzlichen Ansätzen (§ 12 Abs. 1 des Gerichtsgebührenreglements [GGR, SG 154.810]). Im vorliegenden Fall werden die zweitinstanzlichen Gerichtskosten demgemäss mit CHF 500.- festgelegt (vgl.auch Zivilgerichtsentscheid, E. 4).


Die Parteientschädigung in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten wie der vorliegenden bemisst sich im Grundsatz nach Zeitaufwand (§ 11 Abs. 1 des Honorarreglements [HoR, SG 291.400]). Bei der Berichtigung von Zivilstandregistereinträgen beträgt das Honorar im Regelfall CHF 500.- bis CHF 1'000.- (§ 11 Abs. 3 lit. b HoR). Im vorliegenden - etwas aufwändigeren - Fall rechtfertigt es sich, die Parteientschädigung mit CHF 1'500.- festzusetzen.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):


://: Die Berufung gegen den Entscheid des Zivilgerichts vom 4. Januar 2021 (Rektifikat vom 27. Januar 2021) [...]) wird abgewiesen. Auf die Anschlussberufung wird nicht eingetreten.


Der Berufungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahren von CHF500.- und bezahlt dem Berufungsbeklagten eine Parteientschädigung von CHF1'500. -.


Mitteilung an:

- Berufungskläger

- Berufungsbeklagter

- Zivilgericht Basel-Stadt


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Der Gerichtsschreiber

PD Dr. Benedikt Seiler


Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann, wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a oder b BGG erreicht (CHF15'000.- bei Streitigkeiten aus Miete oder Arbeitsverhältnis beziehungsweise CHF30'000.- in allen übrigen Fällen) oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.



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