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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:ZB.2020.21 (AG.2020.523)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid ZB.2020.21 (AG.2020.523) vom 24.09.2020 (BS)
Datum:24.09.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Mietausweisung (BGer 4A_571/2020 vom 23. März 2021)
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 113 BGG ; Art. 257d OR ; Art. 259f OR ; Art. 259g OR ; Art. 259h OR ; Art. 42 BGG ;
Referenz BGE:144 III 346;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Dreiergericht


ZB.2020.21


ENTSCHEID


vom 24. September 2020



Mitwirkende


Dr. Olivier Steiner, Dr. Claudius Gelzer, Dr. Carl Gustav Mez

und Gerichtsschreiber MLaw Thomas Inoue




Parteien


A____ Berufungsklägerin

[...] Beklagte

vertreten durch [...], Advokat,

[...]

gegen


B____ Berufungsbeklagte

[...] Klägerin

vertreten durch [...], Advokat,

[...]


Gegenstand


Berufung gegen einen Entscheid des Zivilgerichts

vom 14. Mai 2020


betreffend Ausweisung



Sachverhalt


Mit Mietvertrag vom 19. September 2017 vermietete die B____ (Vermieterin) der A____ (Mieterin) einen Lagerraum im 2. Untergeschoss an der [...]strasse [...] in Basel, dies zu einem monatlichen Nettomietzins von CHF425.- und Nebenkosten von CHF 25.-, zahlbar jeweils im Voraus auf den 1. des Monats. Am 25. September 2018 setzte die Mieterin der Vermieterin eine Frist zur Behebung von Mängeln und drohte ihr an, künftige Mietzinse bis zur Mängelbehebung bei der Staatlichen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten (Schlichtungsstelle) zu hinterlegen. Die Mängel wurden in der Folge nicht behoben. Am 2.November 2018 mahnte die Vermieterin die Mieterin für die Mietzinse der Monate Oktober und November 2018 und setzte ihr unter Androhung der Kündigung wegen Zahlungsverzugs eine letzte Frist von 30 Tagen zur Zahlung der ausstehenden Mietzinse. Am 5.und 8.November 2018 hinterlegte die Mieterin die Mietzinse für die Monate Oktober und November 2018 bei der Schlichtungsstelle. Mit Schreiben vom 12.Dezember 2018 kündigte die Vermieterin den Mietvertrag wegen Zahlungsrückstands per 31.Januar 2019. Am 31. Januar 2019 ersuchte die Vermieterin beim Zivilgericht Basel-Stadt um Rechtsschutz in klaren Fällen und beantragte, es sei die Mieterin zu verurteilen, den gemieteten Lagerraum sofort zu verlassen. Mit Entscheid vom 27.Februar 2019 wies das Zivilgericht die Mieterin an, den Lagerraum bis spätestens 15. März 2019 zu räumen. Auf Berufung der Mieterin hin hob das Appellationsgericht mit Entscheid vom 13. Juni 2019 den Zivilgerichtsentscheid auf, da die Rechtslage nicht klar sei.


Am 20. August 2019 gelangte die Vermieterin an die Schlichtungsstelle und beantragte, es sei die Mieterin zu verurteilen, den gemieteten Lagerraum sofort, eventualiter innert einer gerichtlich festzusetzenden Frist zu räumen; sollte die Mieterin den Lagerraum nicht fristgemäss verlassen, sei die Vermieterin zu ermächtigen, die amtliche Räumung zu verlangen. Nachdem im Schlichtungsverfahren keine Einigung erzielt worden war, gelangte die Vermieterin mit Klage vom 14.November 2019 an das Zivilgericht und hielt an den bei der Schlichtungsstelle gestellten Begehren fest. Mit Stellungnahmen vom 9. Dezember 2019 und 19. Februar 2020 beantragte die Mieterin die Abweisung der Klage. Mit schriftlich begründetem Entscheid vom 14. Mai 2020 wies das Zivilgericht die Mieterin an, den Lagerraum bis spätestens 25. Mai 2020, 11.30 Uhr, zu räumen, widrigenfalls der Vermieterin auf Antrag hin die Ermächtigung zur Räumung erteilt werde.


Dagegen erhob die Mieterin am 12. Juni 2020 Berufung beim Appellationsgericht. Darin verlangt sie die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Abweisung der Klage. Mit Berufungsantwort vom 10. August 2020 beantragt die Vermieterin die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei. Die Akten des Zivilgerichts wurden beigezogen. Der vorliegende Entscheid erging auf dem Zirkulationsweg.



Erwägungen


1. Eintreten

Erstinstanzliche End- und Zwischenentscheide in vermögensrechtlichen Angelegenheiten unterliegen der Berufung, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens CHF10'000.- beträgt (Art.308 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR272]). Angefochten ist ein Entscheid des Zivilgerichts betreffend Ausweisung aus Mieträumen und somit ein erstinstanzlicher Endentscheid in vermögensrechtlichen Angelegenheiten.


In Ausweisungsverfahren, bei denen die Beendigung des Mietverhältnisses ebenfalls Streitgegenstand ist und deren Unzulässigkeit eine Kündigungssperrfrist von drei Jahren (Art.271a Abs.1 lit.e des Obligationenrechts [OR, SR220] auslösen würde, entspricht der Streitwert dem Mietwert für drei Jahre (BGE 144 III 346 E. 1.2.2 S.347-349). Dies gilt für das Rechtsmittelverfahren selbst dann, wenn mögliche Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsgründe erstinstanzlich nicht geltend gemacht worden sind, zumal das Gericht Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründe von Amtes wegen überprüfen kann, auch wenn der Mieter dies nicht oder nur ansatzweise moniert (AGE ZB.2018.4 vom 15.Februar 2018 E.1.1 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall, in welchem die Mieterin die Wirksamkeit der Zahlungsverzugskündigung bestreitet, beträgt der monatliche Bruttomietzins CHF 450.-. Unter Berücksichtigung der dreijährigen Kündigungssperrfrist wird der für die Berufung notwendige Streitwert von CHF 10'000.- (36 Monate à CHF 450.- = CHF16200.-) erreicht. Das Rechtsmittel vom 12. Juni 2020 ist folglich im Einklang mit der Rechtsmittelbelehrung als Berufung entgegenzunehmen.


Die Berufung ist rechtzeitig und formgerecht erhoben worden. Auf die Berufung ist deshalb einzutreten. Für deren Beurteilung ist das Dreiergericht des Appellationsgerichts zuständig (§92 Abs.1 Ziff.6 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]).


2. Zulässigkeit der Zahlungsverzugskündigung im Fall der Hinterlegung bereits verfallener Mietzinse

2.1 Im vorliegenden Fall ist die folgende Rechtsfrage strittig: Schützt die Hinterlegung bereits verfallener Mietzinse den Mieter vor einer Zahlungsverzugskündigung? Mit dieser Frage haben sich das Zivilgericht und das Appellationsgericht bereits einmal befasst. Die Frage stellte sich zwischen denselben Parteien in Bezug auf die Ausweisung aus demselben Mietobjekt - und zwar in einem (Ausweisungs-)Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen. Das Zivilgericht nahm damals eine klare Rechtslage an und lehnte einen Schutz des Mieters vor einer Zahlungsverzugskündigung ab, wenn er bereits verfallene Mietzinse hinterlegt (Zivilgerichtsentscheid RB.2019.20 vom 27. Februar 2019). Demgegenüber verneinte das Appellationsgericht in Bezug auf die vorliegend strittige Frage eine klare Rechtslage. Zusammenfassend hielt es fest, aufgrund der uneinheitlichen Ansichten in der Lehre und dem Fehlen eines klaren Bundesgerichtsentscheids bestünden gewisse Zweifel an der Rechtslage: Die Rechtsfolge - Wirksamkeit der Zahlungsverzugskündigung - ergebe sich nicht ohne weiteres bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung von Lehre und Rechtsprechung. Die Rechtsanwendung führe mit anderen Worten nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Mangels einer klaren Rechtslage trat das Appellationsgericht auf das Ausweisungsgesuch der Vermieterin im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen nicht ein (AGE ZB.2019.16 vom 13. Juni 2020 E.4.3; vgl. dazu die Kritik von Kaiser, Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt ZB.2019.16 vom 13. Juni 2020, in: MRA 2020, S.82, 90-94).


Im vorliegenden Ausweisungsverfahren - diesmal im vereinfachten Verfahren - befasste sich das Zivilgericht erneut mit der Frage, ob die Hinterlegung bereits verfallener Mietzinse den Mieter vor einer Zahlungsverzugskündigung schützt. Das Zivilgericht hielt zunächst fest, dass die Mieterin unbestrittenermassen die Mietzinse für die Monate Oktober und November 2018 bis zum 2. November 2018 nicht bezahlt und sich damit im Zahlungsverzug befunden habe, was die Vermieterin zur Androhung einer Zahlungsverzugskündigung berechtigt habe. Unbestritten sei auch, dass die Mieterin die beiden Mietzinse am 5. und 8.November 2018 bei der Schlichtungsstelle hinterlegt habe und dass es sich bei dabei nicht um zukünftige, sondern bereits verfallene Mietzinse gehandelt habe. Umstritten sei, ob diese Hinterlegung die Mieterin vor einer Zahlungsverzugskündigung schütze (Zivilgerichtsentscheid, E. 3).


Sodann umriss das Zivilgericht die Rechtslage zur Frage, ob die Hinterlegung bereits verfallener Mietzinse eine Zahlungsverzugskündigung ausschliesse: Nach dem klaren Wortlaut von Art. 259f OR (richtig wohl: Art. 259g OR) könne der Mieter nur zukünftig fällige Mietzinse hinterlegen; gemäss einhelliger Lehre und Rechtsprechung habe die Hinterlegung bereits verfallener Mietzinse keine befreiende Wirkung (E.4.1). Ein Teil der Lehre - so das Zivilgericht - sei aber der Ansicht, dass auch bei einer nicht korrekt vorgenommenen Hinterlegung eine Zahlungsverzugskündigung unzulässig sei (E. 4.2). Das Bundesgericht habe entschieden, dass ein Mieter, der gutgläubig einen Mangel annehme, der sich im Nachhinein als nicht gegeben erweise, vor einer Zahlungsverzugskündigung geschützt sei; der gute Glaube schütze ihn aber nicht, wenn er die formellen Voraussetzungen der Hinterlegung - Aufforderung zur Mängelbehebung und Androhung der Hinterlegung - nicht einhalte. Zur vorliegend zu entscheidenden Frage, ob die gutgläubige Hinterlegung bereits verfallener Mietzinse vor einer Zahlungsverzugskündigung bewahre, habe sich das Bundesgericht noch nicht eindeutig geäussert (E. 4.3). Es sei - so das Zivilgericht - durchaus sinnvoll, dass der Mieter, der gutgläubig einen Mangel annehme, vor einer Zahlungsverzugskündigung geschützt sei, da für ihn regelmässig das Risiko bestehe, dass das Gericht zum Schluss gelange, dass kein Mangel gegeben sei; das Vorliegen eines Mangels sei regelmässig mit einer Unsicherheit behaftet, die nicht zu Lasten des gutgläubigen Mieters gehen dürfe. Anders sei die Situation, wenn es um die Frage gehe, ob ein Mietzins im Zeitpunkt der Hinterlegung bereits verfallen sei oder nicht: Hier gebe es regelmässig keine Unsicherheit über die Fälligkeit des Mietzinses; die Fälligkeit des Mietzinses lasse sich durch eine einfache Konsultation des Mietvertrags feststellen. Dies sei vergleichbar mit den vom Gesetz aufgestellten formellen Voraussetzungen der Hinterlegung, bei denen das Bundesgericht den guten Glauben des Mieters ebenfalls nicht schütze. Auch liege keine Ungleichbehandlung vor, wenn ein Mieter, der innerhalb der dreissigtägigen Zahlungsfrist an den Vermieter leiste, vor einer Zahlungskündigung geschützt sei, nicht aber der Mieter, der in dieser Frist den verfallenen Mietzins hinterlege. Werde der Mietzins direkt an den Vermieter gezahlt, könne dieser umgehend darüber verfügen, während er sich bei der Hinterlegung darum bemühen müsse, den Mietzins von der Hinterlegungsstelle erhältlich zu machen. Schliesslich sei daran zu erinnern, dass Geldschulden Bringschulden seien. Es liege somit in der Verantwortung des Mieters dafür zu sorgen, die Mietzinszahlungen rechtzeitig und richtig in die Wege zu leiten. Er müsse folglich auch dafür sorgen, dass unzulässigerweise hinterlegte Mietzinse rechtzeitig an den Vermieter ausbezahlt würden, ansonsten er das Risiko einer Zahlungsverzugskündigung eingehe (E.4.4).


Das Zivilgericht wandte im Weiteren die dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an: Im Mietvertrag sei klar festgehalten, dass die Mietzinse monatlich im Voraus, spätestens am ersten Tag eines jeden Monats, zu bezahlen seien. Am 5. und 8. November 2018 habe die Mieterin demgemäss nicht zukünftige Mietzinse hinterlegt, sondern die bereits verfallenen für Oktober und November 2018. Diesbezüglich sei nicht von einer schützenswerten Gutgläubigkeit der Mieterin auszugehen. Die Hinterlegung habe somit keine befreiende Wirkung gehabt. Zudem habe die Vermieterin die Mieterin am 28. November 2018 darauf hingewiesen, dass die Hinterlegung nicht gültig erfolgt sei und sie an ihrer Kündigung festhalte. Die Mieterin hätte somit den Mietzinsausstand innerhalb der ihr mit Schreiben vom 2. November 2018 gesetzten Zahlungsfrist begleichen müssen und können. Die von der Mieterin vorgenommene Hinterlegung sei aus einem weiteren Grund unzulässig gewesen: Gemäss Art.259h Abs. 1 OR müsse der Mieter seine Ansprüche innert 30 Tagen seit der Fälligkeit des ersten hinterlegten Mietzinses bei der Schlichtungsstelle geltend machen, ansonsten die Mietzinse dem Vermieter zufielen. Als die Mieterin am 5. und 8. November 2018 die beiden Mietzinse für Oktober und November 2018 hinterlegt habe, sei diese Frist bereits abgelaufen gewesen; die Mieterin habe somit gar nicht mehr dafür sorgen können, dass die Mietzinse hinterlegt blieben. Demgemäss sei die Kündigung vom 12. Dezember 2018 gültig (E. 5). Das Zivilgericht schloss schliesslich eine Erstreckung aus (Art. 272a Abs.1 lit. a OR) und gewährte der Mieterin eine Frist von 10 Tagen ab Entscheiddatum zum Verlassen des gemieteten Lagerraums (E. 7).

2.2 Die Mieterin vertritt in ihrer Berufung die Auffassung, dass im Zentrum der vorliegenden Streitigkeit die Auslegung von Art. 259h OR stehe. Diese Bestimmung halte fest, dass hinterlegte Mietzinse dem Vermieter zufielen, wenn der Mieter seine Ansprüche nicht innert 30 Tagen seit Fälligkeit des ersten hinterlegten Mietzinses bei der Schlichtungsstelle geltend mache. Es sei zu ermitteln - so die Mieterin - ob mit dem «Zufallen der Mietzinse an den Vermieter» die Mieten als bezahlt gelten könnten (Berufung, Rz 6-8). Im vorliegenden Fall sei der erste hinterlegte Mietzins aufgrund der verspäteten Hinterlegung bereits am 1. Oktober 2018 fällig gewesen; die Mieten Oktober und November seien damit bereits am 1. November 2018, jedenfalls aber mit der Hinterlegung vom 5. und 8. November 2018 der Vermieterin «zugefallen». Die Vermieterin sei sodann von der Mieterin am 14. November 2018 über die Hinterlegung unterrichtet worden. Es könne nicht Absicht des Gesetzgebers sein, dass der Vermieter mit seinem Verhalten selbst bestimmen könne, ob die Mietzinse bezahlt seien oder nicht, je nachdem, ob er die Mietzinse, die ihm zugefallen seien, bei der Schlichtungsstelle abhole oder nicht. Wenn die Mietzinse der Vermieterin vor Ablauf der Zahlungsfrist «zufielen», bestehe kein Zahlungsverzug. Bezüglich der Auslegung des Worts «Zufallen» sei sich die Lehre einig, dass die hinterlegten Mietzinse von Amtes wegen an den Vermieter zu überweisen seien, ohne dass es einer Prüfung durch die Schlichtungsstelle bedürfe. Ab diesem Zeitpunkt stehe dem Vermieter die Verfügungsbefugnis über die hinterlegten Mietzinse zu. Weder der Mieter noch die Schlichtungsstelle hätten nach Ablauf der Frist von Art.259h OR eine Verfügungsbefugnis. Die hinterlegten Mietzinse fielen also dem Vermieter nicht erst dann zu, wenn er diese von der Schlichtungsstelle herausverlange, oder gar erst dann, wenn sie auf seinem Konto eingingen. Im vorliegenden Fall habe somit bezüglich der ausstehenden Mietzinsen kein Verzug bestanden, weil sie mehrere Wochen vor dem Aussprechen der Kündigung der Vermieterin zugefallen seien; die Vermieterin könne die Kündigung nicht provozieren, indem sie die Mietzinse nicht abhole (Rz 9-15). Entgegen der Auffassung des Zivilgerichts sei die massgebende Rechtsfrage also eben nicht, ob eine unrechtmässige Hinterlegung eine Zahlung bewirken könne, sondern vielmehr: Gelten (rechtmässig oder unrechtmässig) hinterlegte Mietzinsen als bezahlt, wenn sie gemäss Art.259h der Vermieterin zugefallen sind? (Rz 16-21).


2.3 Die Mieterin legt nicht dar, weshalb die vom Zivilgericht gestellte und beantwortete Frage nicht massgebend sein soll, nämlich, ob eine unrechtmässige Hinterlegung bereits verfallener Mietzins den Mieter vor eine Zahlungsverzugskündigung schützt. Das Zivilgericht legte eingehend den diesbezüglichen Meinungsstand in Lehre und Rechtsprechung dar (Zivilgerichtsentscheid, E. 4.1 bis 4.3). In Bezug auf die vom Bundesgericht noch nicht beurteilte Frage, ob eine unrechtmässige Hinterlegung bereits verfallener Mietzinse (gemäss Art. 259g OR) den Mieter vor einer Zahlungsverzugskündigung schütze, verglich das Zivilgericht diese Situation mit zwei anderen Situationen: (1) Der Mieter, der zwar zu Unrecht, aber gutgläubigerweise vom Vorliegen eines Mangels ausgehe und die Mietzinse hinterlege, sei unbestrittenermassen vor einer Zahlungsverzugskündigung geschützt; (2) der Mieter dagegen, der die formellen Voraussetzungen der Hinterlegung - Aufforderung zur Mängelbehebung und Androhung der Hinterlegung - nicht einhalte und die Mietzinse hinterlege, werde ebenso unbestrittenermassen vor einer Zahlungsverzugskündigung nicht bewahrt. Die vorliegende Situation sei weniger mit der Situation (1) und vielmehr mit der Situation (2) vergleichbar: Das Vorliegen eines Mangels sei regelmässig mit einer Unsicherheit behaftet, die nicht zu Lasten des gutgläubigen Mieters gehen dürfe. Bei der Frage der Fälligkeit der Mietzinse dagegen bestehe wie bei der Frage der formellen Voraussetzungen der Hinterlegung keine Unsicherheit, die der Mieter nicht durch einen Blick in den Mietvertrag (in Bezug auf die Fälligkeit) oder das Gesetz (in Bezug auf die formellen Voraussetzungen) beseitigen könne. Angesichts der jeweils fehlenden Unsicherheit rechtfertige es sich, den Mieter, der verfallene Mietzinse hinterlege, ebenso wenig vor einer Zahlungsverzugskündigung zu bewahren wie den Mieter, der die formellen Hinterlegungsvoraussetzungen nicht einhalte. Auch liege keine unzulässige Ungleichbehandlung darin, dass der Mieter, der innerhalb der dreissigtägigen Zahlungsfrist an den Vermieter leiste, gegen eine Zahlungsverzugskündigung geschützt sei, nicht aber der Mieter, der innert dieser Frist den Mietzins hinterlege: Bei der Zahlung an den Vermieter könne dieser umgehend über die Zahlung verfügen, während er sich bei der Hinterlegung darum bemühen müssen, den Mietzins bei der Schlichtungsstelle erhältlich zu machen (E. 4.4). Diese beiden zivilgerichtlichen Argumentationsstränge - Fehlen einer schwer ausräumbaren Unsicherheit in Bezug auf die Frage der Fälligkeit des Mietzinses und Fehlen einer Ungleichbehandlung im Vergleich zum zahlenden Mieter - sind überzeugend. Auf die entsprechende zivilgerichtliche E. 4.4 kann an dieser Stelle vollumfänglich verwiesen werden. Der Mieter bringt diesbezüglich nichts vor, was die zivilgerichtliche Argumentation in Frage stellen würde.

Statt sich mit dieser zivilgerichtlichen Argumentation zu Art. 259g OR auseinanderzusetzen, argumentiert die Mieterin in ihrer Berufung lediglich noch mit Art. 259h OR. Gemäss Art. 259h Abs. 1 OR fallen hinterlegte Mietzinse dem Vermieter zu, wenn der Mieter seine Ansprüche gegenüber dem Vermieter nicht innert 30 Tagen seit Fälligkeit des ersten hinterlegten Mietzinses bei der Schlichtungsstelle geltend gemacht hat. Mit dem Zufallen der hinterlegten Mietzinse an den Vermieter gälten diese - so die Argumentation der Mieterin - als bezahlt (vgl. dazu eingehender vorstehende E.2.2 und Berufung, Rz 6-15). Diese Argumentation überzeugt nicht: Das Zivilgericht legte dar, dass sich die Zahlung des Mietzinses an den Vermieter und die Hinterlegung des Mietzinses mit anschliessendem Zufallen an den Vermieter unterscheiden, und zwar in Bezug auf die sofortige Verfügbarkeit des Mietzinses: Bei der Zahlung des Mietzinses an den Vermieter könne dieser sofort über den Mietzins verfügen; bei der Hinterlegung der Mietzinse und dem anschliessenden Zufallen an ihn müsse sich der Vermieter bei der Schlichtungsstelle darum bemühen, den Mietzins erhältlich zu machen (etwa durch Nachfrage und die Angabe seines Bankkontos), und sich länger gedulden, bis er über den Mietzins verfügen könne (Zivilgerichtsentscheid, E. 4.4). Mit anderen Worten: Entgegen der Auffassung der Mieterin ist das Zufallen der Mietzinse an den Vermieter im Sinn von Art. 259h OR nicht mit einer direkten Zahlung an den Vermieter gleichzusetzen. Daran ändert auch das Argument der Mieterin nichts, wonach die Überweisung der hinterlegten Mieten von der Hinterlegungsstelle an den Vermieter grundsätzlich von Amtes wegen erfolgen müsse. Wie das Zivilgericht in diesem Zusammenhang ebenfalls zutreffend ausführt, verfügt die Hinterlegungsstelle regelmässig nicht über die notwendigen Angaben. So ist der hinterlegende Mieter namentlich nicht verpflichtet, den Namen, die Adresse oder die Bankverbindung des Vermieters anzugeben. Fehlen der Hinterlegungsstelle die notwendigen Informationen, trägt der hinterlegende Mieter das Risiko entsprechender Fehlleistungen (Higi/Wildisen, in: Zürcher Kommentar, 5. Auflage 2019, Art. 259g OR N 51 und 78). Die Hinterlegungsstelle hat demnach für eine Herausgabe der hinterlegten Mietzinse nicht nur die Voraussetzungen aus Art. 259h Abs. 1 OR zu prüfen, sondern hat regelmässig auch Abklärungen betreffend die Person der Vermieterin und deren Bankverbindung zu tätigen. Es handelt sich somit selbst in Anbetracht des Umstands, dass eine Überweisung von Amtes wegen erfolgen müsste, nicht um eine direkte Zahlung an die Vermieterin. Erfolgt die effektive Herausgabe der hinterlegten Mietzinse an die Vermieterin - wie im vorliegenden Fall - nicht innert der von ihr nach Art. 257d Abs. 1 OR gesetzten Frist, liegt dies folglich im Risikobereich der Mieterin.


Demgemäss bleibt zum einen festzuhalten, dass die Mieterin den Mietzins innerhalb der mit Schreiben vom 2. November 2019 gesetzten dreissigtägigen Zahlungsfrist weder bezahlt noch mit befreiender Wirkung hinterlegt hat. Zum anderen ist festzuhalten, dass das Zufallen des nicht gültig hinterlegten Mietzinses an die Vermieterin nicht mit einer Zahlung gleichgesetzt werden kann, die eine Zahlungsverzugskündigung ausschliessen würde.


3. Sachentscheid und Kostenentscheid

3.1 Aus diesen Erwägungen folgt, dass das Zivilgericht zu Recht annahm, dass die Hinterlegung bereits verfallener Mietzinse den Mieter nicht vor einer Zahlungsverzugskündigung schützt. Der Entscheid des Zivilgerichts ist folglich zu bestätigen und die dagegen erhobene Berufung abzuweisen.

3.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt grundsätzlich die Mieterin die Prozesskosten des Berufungsverfahrens (Art.106 Abs.1 ZPO).


In Verfahren vor Zivilgericht und Appellationsgericht, die ihren Ursprung bei der Schlichtungsstelle haben, betragen die Gerichtskosten zwischen CHF 200.- und CHF 500.- bei einer Nettomonatsmiete bis CHF 2'500.- bei Wohnungsmiete und bis CHF 3'500.- bei Geschäftsmiete (§ 2a Abs. 2 des Gesetzes über die Gerichtsgebühren [Gerichtsgebührengesetz, SG 154.800], in Kraft seit dem 5. Juli 2018). Im vorliegenden Fall liegt die Nettomonatsmiete bei CHF 425.-, so dass § 2a Abs. 2 des Gerichtsgebührengesetzes anwendbar ist. Demgemäss sind die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren auf CHF 200.- festzusetzen.


In Verfahren vor Zivilgericht und Appellationsgericht, die - wie das vorliegende Verfahren - ihren Ursprung bei der Schlichtungsstelle haben, werden keine Parteientschädigungen gesprochen (§ 2a Abs. 1 und § 3a Gerichtsgebührengesetz).



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):


://: Die Berufung gegen den Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 14.Mai 2020 [...] wird abgewiesen.


Die Berufungsklägerin trägt die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von CHF 200.-.


Mitteilung an:

- Berufungsklägerin

- Berufungsbeklagte

- Zivilgericht Basel-Stadt


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Der Gerichtsschreiber

MLaw Thomas Inoue

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann, wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a oder b BGG erreicht (CHF15'000.- bei Streitigkeiten aus Miete oder Arbeitsverhältnis bzw. CHF30'000.- in allen übrigen Fällen) oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.



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