Kanton: | BS |
Fallnummer: | ZB.2019.17 (AG.2020.391) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 02.04.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung aus Leistungsgarantie |
Zusammenfassung: | Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, und die Beklagte, eine Tochtergesellschaft, hatten eine Leistungsgarantie-Vereinbarung. Die Beklagte zog sich zurück und die Klägerin forderte die Garantie ein. Das Zivilgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von CHF 800'000.-. Die Beklagte legte Berufung ein, argumentierte, dass die Garantie zweckwidrig abgerufen wurde und dass die Verpflichtungen für 2014 erfüllt seien. Das Appellationsgericht wies die Berufung ab, bestätigte das Urteil und entschied, dass die Beklagte die Kosten tragen muss. Richter: Dr. Benedikt Seiler. Gerichtskosten: CHF 20'000.- |
Schlagwörter: | Leistung; Garant; Leistungsgarantie; Garantie; Berufung; Recht; Zivil; Beklagten; Forderung; Zivilgericht; Entscheid; Leistungen; Forderungen; Leistungsvereinbarung; Leistungsvereinbarungen; Vertrag; Zahlung; Parteien; Abzahlungsplan; Gültigkeit; Einreden; Verpflichtung; Einwendungen; Basel; Grundverhältnis; Berufungsverfahren; Verzicht |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 111 OR ; Art. 113 BGG ; Art. 152 ZPO ; Art. 42 BGG ; Art. 91 ZPO ; |
Referenz BGE: | 138 III 241; |
Kommentar: | - |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Kammer |
ZB.2019.17
ENTSCHEID
vom 2.April2020
Mitwirkende
Dr. Olivier Steiner, Dr. Claudius Gelzer,
lic. iur. André Equey, Dr. Carl Gustav Mez, Dr. Cordula Lötscher
und Gerichtsschreiber PD Dr. Benedikt Seiler
Parteien
A____ Berufungsklägerin
[...] Beklagte
vertreten durch [...], Advokat,
[...]
gegen
B____ Berufungsbeklagte
[...] Klägerin
Gegenstand
Berufung gegen einen Entscheid des Zivilgerichts
vom 22. November 2018
betreffend Forderung
Sachverhalt
Die B____ (nachfolgend: Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in [...]. Die Klägerin stand mit der C____ (nachfolgend: C____) in einer vertraglichen Beziehung. Die C____ war eine Tochtergesellschaft der A____ (nachfolgend: Beklagte) mit Sitz in [...]. Am 27. März 2014 unterzeichnete die Beklagte eine als «Leistungsgarantie» bezeichnete Vereinbarung mit folgendem Wortlaut:
Wir haben von der Tatsache Kenntnis genommen, dass zwischen der B____ und der Firma C____ / der [...] ---- bestehend aus folgenden Firmen ----, vertreten durch ---- (nachstehend Firma genannt) ein Vertrag über CHF4800000.- (ein Vertrag = ZF2102.69; ZF2104.59; ZF2800.16; ZF2800.21; ZF6269.54) abgeschlossen werden soll.
Vertragsgemäss ist eine Leistungsgarantie beizubringen.
Im Auftrag der Firma verpflichten wir uns hiermit unwiderruflich, der B____ auf ihr erstes Verlangen, ungeachtet der Gültigkeit und Rechtwirkungen des vorerwähnten Vertrages und unter Verzicht auf Einwendungen und Einreden aus demselben, jede Summe bis zu einem Maximalbetrag von CHF 800000.- (in Worten achthunderttausend Schweizer Franken) unverzüglich zu bezahlen, sobald uns die schriftliche und rechtsgültig unterzeichnete Zahlungsaufforderung der B____ samt Bestätigung vorliegt, wonach die Firma ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nicht vollständig nachgekommen ist und der B____ der verlangte Betrag im Zusammenhang mit dieser Garantie geschuldet ist.
Unser Garantieversprechen gilt ab dessen Ausstellung und erlischt automatisch und vollumfänglich, wenn nicht bis spätestens am
Datum: bis auf Weiteres
die Zahlungsaufforderung der B____ sahnt erwähnter Bestätigung bei uns an obiger Adresse eingetroffen ist.
Das Recht einer Partei, eigene Schulden mit eigenen Forderungen gegenüber der anderen Partei zu verrechnen, wird ausdrücklich wegbedungen.
Rechte und Pflichten aus dieser Garantie kann eine Partei nur mit schriftlicher Zustimmung der anderen Partei abtreten.
Auf die vorliegende Garantie ist ausschliesslich schweizerisches Recht anwendbar.
Ausschliesslicher Gerichtsstand Ist Basel.
Die Leistungsgarantie enthielt weiter einen Verrechnungsausschluss, eine Abtretungsbeschränkung sowie eine Rechtswahl für das schweizerische Recht und sah einen ausschliesslichen Gerichtsstand in Basel vor. Die Klägerin, die C____ und die Beklagte unterzeichneten am 30. April 2015 einen «Zahlungsplan», welcher offene Forderungen in der Höhe von CHF 1,2 Mio. per 28. April 2015 aufwies. Gemäss dem Abzahlungsplan sollten die Forderungen bis Ende Juni auf «den Wert der vorhandenen Garantie von TCHF 800 zurückgeführt» werden. Eine von der C____ am 3. Dezember 2015 unterzeichnete Auflistung zeigt einen Betrag von insgesamt CHF 853'757.40 auf. Mit Faxschreiben vom 2. August 2016 trat die Beklagte von der Leistungsgarantie «mit sofortiger Wirkung» zurück und setzte der Klägerin Frist bis zum 30. August 2016, um etwaige Forderungen daraus geltend zu machen. Danach sehe sie die Garantie als erloschen an. Mit Einschreiben vom 29.September 2016 rief die Klägerin gegenüber der Beklagten die Leistungsgarantie ab. Sie bestätigte in diesem Schreiben, dass die C____ ihren vertraglichen Verpflichtungen ihr gegenüber nicht nachgekommen sei und ihr der verlangte Betrag im Zusammenhang mit der Garantie geschuldet sei. Per 28. September 2016 verfüge sie gegenüber der C____ über offene und fällige Forderungen aus Transportleistungen («namentlich gemäss den Transportleistungsverträgen ZF2102.69, ZF2104.59, ZF2800.16, ZF2800.21 und ZF6269.54») im Gesamtbetrag von CHF888017.71 und EUR 85160.03. Am 15. Dezember 2016 eröffnete das Zivilgericht Basel-Stadt über die C____ den Konkurs.
Mit Klage vom 26. April 2017 forderte die Klägerin von der Beklagten die Bezahlung von CHF 800000.- nebst Zins zu 5% seit dem 13. Oktober 2016, unter Vorbehalt von Mehrforderungen. Auf die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens verzichteten die Parteien. Die Beklagte beantragte in ihrer Klageantwort die vollumfängliche Abweisung der Klage. Nach einem doppelten Schriftenwechsel und weiteren Eingaben respektive Editionen der Parteien fand am 22. November 2018 die Hauptverhandlung statt. Das Zivilgericht hiess die Klage mit Entscheid vom gleichen Tag gut und verurteilte die Beklagte zur Bezahlung von CHF800000.- nebst Zins zu 5% seit dem 13. Oktober 2016.
Gegen diesen Entscheid erhob die Beklagte am 24. Mai 2019 Berufung beim Appellationsgericht Basel-Stadt. Darin beantragt sie die Aufhebung des Entscheids des Zivilgerichts vom 22. November 2018 und die Abweisung der Klage vom 26. April 2017. Mit Berufungsantwort vom 25. Juni 2019 beantragt die Klägerin die Abweisung der Berufung. Die Akten des Zivilgerichts wurden beigezogen. Der vorliegende Entscheid erging auf dem Zirkulationsweg.
Erwägungen
1. Eintreten
Erstinstanzliche End- und Zwischenentscheide in vermögensrechtlichen Angelegenheiten unterliegen der Berufung, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens CHF 10'000.- beträgt (Art.308 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Berufung ist einzutreten. Für deren Beurteilung ist die Kammer des Appellationsgerichts zuständig (§ 91 Abs.1 Ziff.3 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]).
2. Überblick über den angefochtenen Entscheid
Das Zivilgericht bejahte zunächst seine Zuständigkeit gemäss dem sachlich anwendbaren Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen, LugÜ, SR 0.275.12). Die Parteien hätten in der Leistungsgarantie vom 27.März 2014 Basel als Gerichtsstand vorgesehen und sich wirksam auf die Anwendung von Schweizer Recht geeinigt.
In materieller Hinsicht führte das Zivilgericht aus, dass es sich bei der Leistungsgarantie vom 14. März 2014 um eine bürgschaftsähnliche Garantie im Sinn von Art. 111 des Obligationenrechts (OR, SR 220) handle. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung («Leistungsgarantie», «unwiderrufliche» Verpflichtung zur Bezahlung «jeder Summe bis zum Maximalbetrag von CHF 800'000.-» «auf deren erstes Verlangen» und «ungeachtet von Gültigkeit und Rechtswirkungen des Grundvertrages und unter Verzicht auf Einwendungen und Einreden aus demselben») sowie aufgrund der gesamten Umstände (angefochtener Entscheid E.4.1). Das Zivilgericht führte weiter aus, dass die in der Leistungsvereinbarung genannten Voraussetzungen für die Auslösung der Zahlungsgarantie erfüllt seien. Wie in der Leistungsgarantie umschrieben, habe die Klägerin die Beklagte zur Zahlung aufgefordert mit der Bestätigung, dass die C____ ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin nicht nachgekommen sei und dass der Klägerin der verlangte Betrag im Zusammenhang mit der Garantie geschuldet sei. Damit seien sämtliche im Garantievertrag für die Auslösung der Zahlungspflicht enthaltenen Voraussetzungen erfüllt. Dies genüge nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, um die Leistungsgarantie auszulösen, ohne dass von der Klägerin eine weitere Substantiierung des Garantiefalls verlangt werden könne (angefochtener Entscheid E.4.2). Entgegen den Ausführungen der Beklagten sei die Abrufung der Garantie auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Garantie sei nicht beschränkt gewesen auf Leistungen aus dem Jahr 2014 auf im Zeitpunkt des Abschlusses der Garantie bekannte Verträge. Dass die Garantie in ihrer Gültigkeit nicht beschränkt gewesen sei, ergebe sich auch aus dem von der Beklagten unterzeichneten Abzahlungsplan, mit welchem auf die «vorhandene Leistungsgarantie» Bezug genommen worden sei. Die Leistungsgarantie werde somit entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht zweckwidrig in Anspruch genommen (angefochtener Entscheid E.5.3). Die Behauptung der Beklagten, wonach die C____ ihren gemäss Leistungsgarantie gesicherten Verpflichtungen, insbesondere den Ausständen des Jahres 2014, vollumfänglich nachgekommen sei, sei weder anerkannt noch bewiesen. Zudem handle es sich bei diesem Einwand um eine gewöhnliche Streitigkeit aus dem Grundverhältnis, welches für die Inanspruchnahme der Leistungsgarantie gar nicht relevant sei (angefochtener Entscheid E.5.4). Ebenfalls irrelevant sei der von der Beklagten am 2.August 2016 erklärte «sofortige Rücktritt» der Beklagten von der Leistungsgarantie mit der Ansetzung einer Frist zur Auslösung der Leistungsgarantie. Da die Leistungsgarantie die Geltungsdauer der Garantie «bis auf Weiteres», d.h.unbefristet, definiere, stehe diese Klausel einer einseitigen Kündigung durch die Beklagte entgegen (angefochtener Entscheid E.6).
3. Rügen der Beklagten im Berufungsverfahren
Wie bereits im Verfahren vor Zivilgericht (vgl.Klageantwort, Rz.7 ff; Duplik, Rz.5 ff.) macht die Beklagte in ihrer Berufung geltend, dass die Klägerin die Leistungsgarantie für ausserhalb des Garantiezwecks liegende Leistungen und damit zweckwidrig abgerufen habe. Die Beschränkung des Sicherungsumfangs auf die in der Leistungsgarantie erwähnten Verträge ergebe sich aus dem Wortlaut der Leistungsgarantie. Gesichert worden sei ein Vertrag über CHF4'800'000.-, was den erwarteten Leistungen gemäss den in der Garantie aufgeführten Leistungsvereinbarungen entspreche. Damit sei die Garantie auch auf den Geltungszeitraum dieser Vereinbarungen und somit auf Leistungen aus dem Jahr 2014 beschränkt worden. Zusätzliche Leistungen aus anderen Leistungsvereinbarungen könnten dagegen unmöglich vom Garantiezweck umfasst sein. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus der von der Beklagten mitunterzeichneten Abzahlungsvereinbarung vom 30. April 2015, da darin noch Forderungen aus Leistungen aus dem Jahr 2014 offen gewesen seien, welche durch die Garantie gesichert gewesen seien. Für zukünftige Leistungen sei stattdessen eine Sicherung mittels Vorkasse vereinbart worden. Eine Ausweitung der Garantie auf sämtliche Leistungen, welche die Klägerin für die C____ erbracht habe, lasse sich weder dem Wortlaut der Garantie noch den einzelnen Leistungsvereinbarungen entnehmen. Die Leistungsgarantie sei daher zweckwidrig und rechtsmissbräuchlich abgerufen worden (Berufung, Rz.14 ff.).
Sodann rügt die Beklagte in ihrer Berufung, dass entgegen der Auffassung des Zivilgerichts bereits durch Anerkennung der Klägerin erstellt sei, dass aus den in der Leistungsgarantie vom 14.März 2014 genannten und für das Jahr 2014 geschlossenen Leistungsvereinbarungen ZF 2102.69; ZF 2104.59; ZF 2800.16; ZF 2800.21; ZF6269.54 keine offenen Verbindlichkeiten mehr bestünden (Berufung, Rz. 37 ff.).
4. Qualifikation der Leistungsgarantie vom 14. März 2014
Das Zivilgericht hat die Leistungsgarantie vom 27. März 2014 als bürgschaftsähnliche bzw. selbständige Garantie im Sinn von Art. 111 OR qualifiziert. Dabei hat es zutreffend ausgeführt, dass sich dies aus der Bezeichnung «Leistungsgarantie» ergebe, sowie daraus, dass das Leistungsversprechen unwiderruflich auf erstes Verlangen der Klägerin unter Verzicht auf Einwendungen und Einreden abgegeben worden sei (angefochtener Entscheid E.4.1). Voraussetzung zur Auslösung der Garantie ist gemäss den klaren Bestimmungen Leistungsgarantie vom 27. März 2014 allein, dass der Beklagten als «Garantin» eine «schriftliche und rechtsgültig unterzeichnete Zahlungsaufforderung [der Klägerin] samt Bestätigung vorliegt, wonach [die C____] ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nicht vollständig nachgekommen ist und [der Klägerin] der verlangte Betrag im Zusammenhang mit dieser Garantie geschuldet ist». Damit wird die Pflicht zur Auszahlung der Garantiesumme von der einseitigen Erklärung der Klägerin als «Begünstigter» abhängig gemacht und nicht von anderen materiellen Voraussetzungen. Dies entspricht der Definition einer bürgschaftsähnlichen bzw.selbständigen Garantie Garantie im engeren Sinn, die sich in irgendeiner Weise auf ein Schuldverhältnis bezieht, das dem Begünstigten einen Anspruch auf Leistung eines Dritten gibt. Mit einer bürgschaftsähnlichen Garantie soll diese Leistung gesichert werden, gleichgültig, ob sie tatsächlich geschuldet ist nicht; die Verpflichtung gilt damit auch für den Fall, dass die Schuldpflicht nie entstanden ist, wegfällt nicht erzwingbar ist (BGer 5A_15/2018 vom 16.April 2019 E. 4.4.2 mit weiteren Hinweisen; vgl. auch BGE 138 III 241 E.3.2 S. 244; BGer 4A_111/2014 vom 31. Oktober 2014 E.3.3). Sowohl aus dem Wortlaut der Leistungsgarantie vom 27.März 2014 als auch aus dem Textzusammenhang geht klar hervor, dass es für die Frage der Pflicht zur Zahlung der Garantiesumme nicht erforderlich ist, dass die Klägerin gegenüber der Garantin aufzeigt gar nachweist, dass eine Grundforderung aus einem Grundverhältnis besteht dass die Beklagte entsprechende Einwände Einreden erheben könnte. Vielmehr ist die Garantiesumme nach Eingang der Zahlungsaufforderung unverzüglich zu bezahlen, auf erstes Verlangen, unter Verzicht auf Einwendungen und Einreden. Es liegt folglich keine Akzessorietät zu einer Grundforderung vor; die Garantieleistung hängt somit nicht vom Bestand der Gültigkeit einer Grundforderung ab, wie es bei der Bürgschaft der Fall ist (vgl.dazu BGer 5A_15/2018 vom 16.April 2019 E.4.4.1 mit weiteren Hinweisen). Etwas Anderes ergibt sich entgegen den Ausführungen der Beklagten auch nicht aus dem Einleitungssatz in der Leistungsgarantie, in welcher «von der Tatsache Kenntnis genommen [wird], dass zwischen der Klägerin und der [C____] ein Vertrag über CHF 4'80000.- (ein Vertrag = ZF 2102.69, ZF 2800.16; ZF 2800.21; ZF6269.54) abgeschlossen werden soll» und dass «vertragsgemäss eine Leistungsgarantie beizubringen» sei. Es handelt sich gemäss dem klaren Aufbau des Textes der Leistungsgarantie um die einleitende Beschreibung der Motive für die Abgabe der nachfolgend deutlich als nicht akzessorisch umschriebenen Leistungsgarantie. Mit dieser Umschreibung (auf erstes Verlangen unter Verzicht auf Einreden und Einwendungen) haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass eine Bezugnahme auf ein vertragliches Grundverhältnis bzw. die Prüfung von dessen Umfang und Gültigkeit für die Auslösung der Garantie nicht erforderlich ist.
Die Qualifikation der Leistungsgarantie vom 14.März 2014 als bürgschaftsähnliche, d.h. selbständige, abstrakte Garantie nach Art. 111 OR durch das Zivilgericht ist somit nicht zu beanstanden.
5. Umfang der Leistungsgarantie vom 14. März 2014
5.1 Die Beklagte behauptet, dass die Klägerin die Leistungsgarantie zweckwidrig und damit rechtsmissbräuchlich abgerufen habe, da sich der Garantiezweck auf Leistungen beschränke, welche die Klägerin unter den für das Jahr 2014 geschlossenen Leistungsvereinbarungen zu erbringen hatte. Entgegen den Ausführungen der Beklagten geht aus der Leistungsgarantie jedoch in keiner Weise eine Beschränkung auf Leistungen hervor, welche innerhalb eines Gültigkeitszeitraums von einzelnen Leistungsvereinbarungen im Jahr 2014 erbracht wurden. Vielmehr wurde explizit vermerkt, dass die Leistungsgarantie ab deren Ausstellung «bis auf Weiteres» gelte. Damit wird nicht auf eine Laufzeit eines Vertrags aus dem Grundverhältnis Bezug genommen. Dass sich die Gültigkeit der Leistungsgarantie nicht aus der Laufzeit bzw. Gültigkeit eines Grundvertrags ergibt und somit auch nicht von dieser abhängt, ergibt sich nicht nur aus dem Verzicht auf Einreden und Einwendungen aus einem solchen Grundverhältnis und der damit einhergehenden nicht akzessorischen Natur der Leistungsgarantie, sondern auch aus der Tatsache, dass das Garantieversprechen ab dessen Ausstellung gilt, obwohl ein einleitend erwähnter «Vertrag» zwischen der Klägerin und der C____ erst abgeschlossen werden soll. Die Leistungsgarantie war somit unmittelbar nach deren Ausstellung wirksam, obwohl der eingangs erwähnte Vertrag (respektive die dort aufgeführten Leistungsvereinbarungen) noch nicht abgeschlossen war. Auch daraus ergibt sich, dass die Leistungsgarantie nicht von diesen einzelnen Leistungsvereinbarungen abhängig sein soll, sondern abstrakte Geltung beansprucht. Damit einher geht der in der Leistungsgarantie aufgeführte Verzicht auf Einreden und Einwendungen aus dem Grundverhältnis. Daran ändert entgegen den Ausführungen der Beklagten nichts, dass die in der Leistungsgarantie erwähnten Leistungsvereinbarungen gemäss den Behauptungen der Beklagten kurz vor dem Abschluss standen.
Das Zivilgericht hat weiter berücksichtigt, dass auch in den Jahren 2015 und 2016 unter der in der Leistungsgarantie aufgeführten Vertragsnummer ZF2102.96 Leistungsvereinbarungen mit verschiedenen Laufzeiten vereinbart worden sind (angefochtener Entscheid E.5.3.1). Dies wird von der Beklagten in der Berufung explizit anerkannt (Berufung, Rz. 33). Das Zivilgericht hat auch daraus zu Recht abgeleitet, dass mit der Erwähnung einzelner Nummern von zukünftig zwischen der Klägerin und der C____ geplanten Leistungsvereinbarungen keine Beschränkung der Geltung der Leistungsgarantie auf Vereinbarungen mit einer bestimmten Laufzeit verbunden sein konnte und die Laufzeit der Leistungsgarantie folglich nicht an eine bestimmte Laufzeit von einzelnen vorgesehenen Leistungsvereinbarungen gekoppelt war, sondern vielmehr von diesen unabhängig gemäss der eigenständigen Bestimmung in der Leistungsgarantie bis auf Weiteres gültig war.
5.2 In Bezug auf den Abzahlungsplan vom 30. April 2015 ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte diesen mitunterzeichnet hat. Daraus folgt, dass auch sie nicht der Ansicht war, dass die Leistungsgarantie auf Leistungen aus dem Jahr 2014 beschränkt war. In der Auflistung der offenen Forderungen, welche gemäss dem Abzahlungsplan «auf den Wert der vorhandenen Garantie von TCHF 800 zurückgeführt und daraufhin bis Ende 2015 auf TCHF 300» reduziert werden sollten, wird keinerlei Unterscheidung gemacht zwischen Forderungen aufgrund von Leistungen aus dem Jahr 2014 und solchen aus einem späteren Zeitraum. Es wird vielmehr allgemein von den Transportvereinbarungen gesprochen. Aufgelistet und somit gemäss übereinstimmender Willenserklärung relevant war ausschliesslich die jeweilige Gesamtsumme der offenen Forderungen aus Transportvereinbarungen zwischen der Klägerin und der C____, welche auf den «Wert der vorhandenen Garantie von TCHF 800» zurückgeführt werden soll. Mit dieser Vereinbarung, welche unbestrittenermassen auch von der Beklagten unterzeichnet worden ist, wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die erwähnte «vorhandene Garantie» für diese Forderungen im Wesentlichen gar nicht relevant wäre.
Keine Beschränkung ergibt sich schliesslich aus dem Hinweis in der Leistungsgarantie auf das Volumen des abzuschliessenden «Vertrages» über CHF4'800'000.-. Dass dieses Volumen in den folgenden Jahren überschritten wurde, wirkte sich nicht auf die Höhe der fix festgelegten Garantiesumme aus. Aus diesem Grund haben die Parteien der Leistungsvereinbarungen in dem auch von der Beklagten unterzeichneten Abzahlungsplan vom 30. April 2015 festgelegt, dass der Betrag der offenen Forderungen auf den «Bestand der vorhandenen Garantie von TCHF 800 zurückgeführt» werden soll. Damit haben die Parteien übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, dass die Garantie nach wie vor (im unveränderten Umfang von CHF800'000.-) gültig und wirksam ist. Auch mit der in diesem Abzahlungsplan vereinbarten Umstellung der Zahlungskonditionen auf «Vorkasse» wurde die «vorhandene Garantie» nicht etwa ersetzt. Vielmehr war dies offensichtlich eine Massnahme, um die ausstehenden Forderungen aus Leistungsaufträgen nach Möglichkeit nicht noch weiter anwachsen zu lassen. Gleichzeitig wurde aber im Abzahlungsplan eine Regelung für den Fall festgehalten, dass trotz dieser Massnahme auch weiterhin neue unbezahlte Forderungen entstehen. Von einer zeitlichen inhaltlichen Beschränkung der Geltung der «vorhandenen Garantie von TCHF800» war im Abzahlungsplan keine Rede.
5.3 Nach dem Ausgeführten lässt sich weder aus der Leistungsgarantie vom 27.März 2014 noch aus den Leistungsvereinbarungen noch aus dem Abzahlungsplan vom 30. April 2015 eine Beschränkung des Garantiezwecks auf Leistungen entnehmen, die während eines bestimmten Zeitraums zu erbringen seien. Dass die Klägerin die Leistungsgarantie zweckwidrig abgerufen habe, ist somit nicht erstellt.
6. Vollständige Erfüllung der Verpflichtungen für das Jahr 2014 durch die C____
6.1 Aufgrund der fehlenden Akzessorietät der Leistungsgarantie vom 14. März 2014 (vgl. oben E.4) kann sich die Beklagte grundsätzlich nicht auf den Einwand berufen, die C____ sei ihren Verpflichtungen aus allen in der Leistungsgarantie genannten Verträgen, sicher aber den Ausständen des Jahres 2014, vollumfänglich nachgekommen. Denn damit werden entgegen dem Wortlaut und dem Charakter der selbständigen Leistungsgarantie Einwände aus dem Grundverhältnis vorgebracht.
Wie das Zivilgericht ausgeführt hat (angefochtener Entscheid E.5.1), findet die fehlende Akzessorietät der Garantie von einem Grundverhältnis dort ihre Grenzen, wo sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich beansprucht wird. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kommt namentlich bei fehlender Berechtigung des Gläubigers aus dem Valutaverhältnis in Betracht, etwa weil der Hauptschuldner seine Verbindlichkeit dem Gläubiger gegenüber bereits unzweifelhaft vollständig erfüllt hat. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bildet die Verweigerung der Zahlung wegen Rechtsmissbrauchs jedoch die absolute Ausnahme und kommt nur dann in Frage, wenn der Rechtsmissbrauch offensichtlich bzw.evident ist. Die den Rechtsmissbrauch begründenden Tatsachen müssen offensichtlich und sofort beweisbar sein. Es dürfen keine zusätzlichen Nachforschungen erforderlich sein, um einen offensichtlichen Rechtsmissbrauch auszuweisen. Mit anderen Worten müssen bezüglich des geltend gemachten Rechtsmissbrauchs absolut klare Verhältnisse vorliegen, die keinen Zweifel offen lassen. Denn es wäre mit dem Prinzip der Unabhängigkeit der nicht akzessorischen Garantie, mithin dem Ausschluss von Einreden und Einwendungen aus dem Valutaverhältnis, unvereinbar, wenn der Garant die Zahlung bereits bei blossen Zweifeln verweigern könnte, um diese dann später im Rahmen eines Zivilverfahrens durch entsprechende Nachforschungen Editionsanträge aufzuklären (vgl.zum Ganzen BGer 4A_111/2014 vom 31. Oktober 2014 E.3.3 mit zahlreichen Hinweisen).
6.2 Das Zivilgericht hat sodann zu Recht ausgeführt, dass die Beklagte für die Behauptung, wonach aus den vom Garantieversprechen umfassten Leistungen aus dem Jahr 2014 gar keine offenen Forderungen mehr bestünden, keinen Beweis erbringen konnte (angefochtener Entscheid E.5.4).
Die Beklagte behauptet in der Berufung erneut, dass die Klägerin anerkannt habe, dass keine offenen Leistungen aus dem Jahr 2014 mehr bestünden und dass das Zivilgericht mit ihrer Auffassung somit Art. 150 und Art. 152 ZPO verletzt habe (Berufung, Rz.41 ff.). Da nicht erstellt ist, dass sich der Garantiezweck auf Leistungen beschränkt, die während eines bestimmten Zeitraums zu erbringen waren (vgl.oben E.5), ist dieses Vorbringen zum Vornherein nicht geeignet, eine offensichtlich rechtsmissbräuchliche Abrufung der Garantie nachzuweisen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte in der Berufung offensichtlich selbst zumindest von einer impliziten Bestreitung durch die Klägerin ausgeht, wenn sie geltend macht, dass ein «Grossteil der Forderungen Buchungs- und Belegdaten aus den Jahren 2015 und 2016 aufweisen [würden] und somit auch in diesen Jahren erbrachte Transportleistungen [betroffen hätten]» (vgl.Berufung, Rz.45). Die Klägerin weist in ihrer Berufungsantwort zu Recht darauf hin, dass eine Zuordnung einer noch offenen Forderung zu den Vereinbarungen aus dem Jahr 2014 einerseits denjenigen aus den Jahren 2015 und 2016 andererseits für die Gültigkeit und Wirksamkeit des Garantieversprechens nicht relevant ist (Berufungsantwort, Rz.21 ff.). In dem auch von der Beklagten mitunterzeichneten Abzahlungsplan wurde demgemäss keine Unterscheidung gemacht zwischen Forderungen, welche aus dem Jahr 2014 stammen und solchen, die danach entstanden sind. Daraus kann die Beklagte nicht ableiten, dass die Klägerin anerkannt habe, dass aus den Verträgen aus dem Jahr 2014 keine Ausstände mehr bestünden. Selbst die Beklagte macht in ihrer Berufung lediglich geltend, dass sich aus der Klagebeilage 4 ergebe, dass ein Grossteil des Forderungsausstands Leistungen betreffe, die in den Jahren 2015 und 2016 erbracht worden seien. Damit anerkennt die Beklagte aber gleichzeitig, dass ein anderer Teil der offenen Forderung Leistungen betraf, deren Sicherung durch die Leistungsgarantie durch die Beklagte nicht bestritten wird. Diese Ausführungen stehen daher im Widerspruch zur Behauptung der vollständigen Erfüllung des im Zusammenhang mit der Leistungsgarantie gesicherten Valutaverhältnisses.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Beklagte eine offensichtlich rechtsmissbräuchliche Beanspruchung der Garantie im Sinn der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht darlegen konnte. Entgegen den Ausführungen der Beklagten in der Berufung erfolgte die Auslösung der Garantie im Einklang mit den Bestimmungen des Garantieversprechens und weder zweckwidrig noch rechtsmissbräuchlich.
7. Sachentscheid und Kostenentscheid im Berufungsverfahren
7.1 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Berufung der Beklagten abzuweisen und der Zivilgerichtsentscheid vom 22.November 2018 zu bestätigen ist.
7.2 Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen und der Klägerin eine entsprechende Parteientschädigung auszurichten (Art. 106 Abs. 1 ZPO).
Der Streitwert des vorliegenden Verfahrens beträgt CHF 800'000.-. Zinsen sind bei der Streitwertberechnung nicht zu berücksichtigen (Art. 91 Abs. 1 ZPO). Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden auf CHF 20'000.- festgesetzt (§ 12 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Reglements über die Gerichtsgebühren [GGR, SG 154.810]).
Weiter hat die Beklagte der Klägerin eine Parteientschädigung für das Berufungsverfahren zu bezahlen. Das Grundhonorar beträgt CHF 40'000.- (§4 Abs. 1 lit. b Ziff. 12 der Honorarordnung für die Anwältinnen und Anwälte des Kantons Basel-Stadt [HO, SG]), wobei im Berufungsverfahren ein Abzug von einem Drittel vorzunehmen ist (§12 Abs. 1 ZPO). Die Parteientschädigung beträgt somit CHF26700.-.
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Kammer):
://: Die Berufung gegen den Entscheid des Zivilgerichts vom 22.November 2018 (K5.2017.6) wird abgewiesen.
Die Berufungsklägerin trägt die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von CHF 20'000.-.
Die Berufungsklägerin bezahlt der Berufungsbeklagten eine Parteientschädigung von CHF26700.- für das Berufungsverfahren.
Mitteilung an:
- Berufungsklägerin
- Berufungsbeklagte
- Zivilgericht Basel-Stadt
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Gerichtsschreiber
PD Dr. Benedikt Seiler
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann, wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a b BGG erreicht (CHF15'000.- bei Streitigkeiten aus Miete Arbeitsverhältnis bzw. CHF30'000.- in allen übrigen Fällen) wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.
Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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