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Urteil Appellationsgericht (BS - ZB.2016.2 (AG.2017.167))

Zusammenfassung des Urteils ZB.2016.2 (AG.2017.167): Appellationsgericht

Die A____ AG hat gegen B____ geklagt, weil sie glaubt, dass er unrechtmässige Provisionen von Textilproduzenten kassiert hat und ein Konkurrenzunternehmen gegründet hat. Nachdem das Zivilgericht Basel-Stadt örtlich unzuständig war und nicht auf die Klage eingetreten ist, hat das Appellationsgericht die Berufungsklägerin verurteilt, die Gerichtskosten von CHF 18'000.- zu tragen und dem Berufungsbeklagten eine Parteientschädigung von CHF 16'000.- zu zahlen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts ZB.2016.2 (AG.2017.167)

Kanton:BS
Fallnummer:ZB.2016.2 (AG.2017.167)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid ZB.2016.2 (AG.2017.167) vom 03.03.2017 (BS)
Datum:03.03.2017
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:örtliche Zuständigkeit (BGer-Nr.: 4A_229/2017 vom 7. Dezember 2017)
Schlagwörter: Berufung; Wohnsitz; Berufungsbeklagte; Berufungsklägerin; Zivilgericht; Recht; Gericht; Beweis; Schweiz; Basel; Entscheid; Tatsachen; Arbeit; Berufungsbeklagten; Klage; Beweismittel; Berufungsverfahren; Paris; Schweizer; LugÜ; Über; Zivilgerichts; Amtes; Parteien; Untersuchungsgrundsatz; Prozessvoraussetzung; Zuständigkeit; Sachverhalt; Kommentar
Rechtsnorm: Art. 1 IPRG ;Art. 106 ZPO ;Art. 113 BGG ;Art. 115 IPRG ;Art. 142 ZPO ;Art. 2 ZPO ;Art. 20 IPRG ;Art. 229 ZPO ;Art. 23 ZGB ;Art. 24 ZGB ;Art. 308 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 316 ZPO ;Art. 317 ZPO ;Art. 34 ZPO ;Art. 4 IPRG ;Art. 42 BGG ;Art. 55 ZPO ;Art. 60 ZPO ;Art. 91 ZPO ;
Referenz BGE:119 II 167; 125 III 100; 138 III 625; 139 III 278; 141 III 294; 141 III 569; 142 III 413;
Kommentar:
Sutter-Somm, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Art. 60 OR ZPO, 2016

Entscheid des Verwaltungsgerichts ZB.2016.2 (AG.2017.167)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Kammer


ZB.2016.2


ENTSCHEID


vom 3. März 2017



Mitwirkende


Dr. Olivier Steiner, Dr. Claudius Gelzer, lic. iur. André Equey,

Dr. Marie-Louise Stamm, Dr. Cordula Lötscher

und Gerichtsschreiber lic. iur. Johannes Hermann




Parteien


A____ AG Berufungsklägerin

[...] Klägerin

vertreten durch [...], Advokat,

und [...], Advokat,

[...]


gegen

B____ Berufungsbeklagter

[...] Beklagter

vertreten durch [...], Advokat,

[...]


Gegenstand


Berufung gegen einen Entscheid des Zivilgerichts

vom 30. September 2015


betreffend örtliche Zuständigkeit


Sachverhalt


Die A____ AG (Berufungsklägerin, Klägerin) bezweckt gemäss Handelsregistereintrag den Handel mit Textilien und Modeartikeln. Ihr Sitz liegt in Basel. B____ (Berufungsbeklagter, Beklagter) trat am 1. Oktober 2009 eine Arbeitsstelle als Head of Development and Strategies bei der Klägerin an. Er war für die Entwicklung des Bereichs Design und für den Einkauf von Textilien und Accessoires zuständig. Per 1. August 2012 wurde er Brand Director. Am 18. April 2013 teilte der Berufungsbeklagte der Berufungsklägerin die Kündigung des Arbeitsvertrages mit. Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entdeckte die Berufungsklägerin zahlreiche E-Mails, aus denen - nach Ansicht der Berufungsklägerin - ersichtlich werde, dass der Berufungsbeklagte umfangreiche Provisionszahlungen von Textilproduzenten zu Unrecht einkassiert haben soll. Ausserdem soll er ein Konkurrenzunternehmen aufgebaut haben. Die Berufungsklägerin geht von einer Schadenssumme von mindestens CHF750'000.- aus.


Mit Gesuch vom 12. Juni 2013 wandte sich die Berufungsklägerin an die Schlichtungsbehörde des Zivilgerichts Basel-Stadt. Im Schlichtungsverfahren machte sie eine Forderung von CHF 750'000.-, zuzüglich 5 % Zins seit dem 25. Juli 2011, gegen den Berufungsbeklagten geltend. Nach Einreichung des Schlichtungsgesuchs liess die Berufungsklägerin einen Arrest auf Vermögenswerte des Berufungsbeklagten in der Schweiz legen. Die Schlichtungsverhandlung führte zu keiner Einigung. Mit Klage vom 23. Dezember 2013 begehrte die Berufungsklägerin beim Zivilgericht Basel-Stadt nebst Rechenschaftsablegung und Herausgabe von Arbeitsergebnissen, dass der Berufungsbeklagte zur Zahlung von CHF750'000.-, zuzüglich 5 % Zins seit dem 25. Juli 2011, unter Vorbehalt von Mehrforderungen, zu verpflichten sei. Der Instruktionsrichter des Zivilgerichts beschränkte mit Verfügung vom 9. April 2014 auf Antrag des Berufungsbeklagten das Verfahren auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit. Die Parteien äusserten sich zu dieser Frage in der Klageantwort vom 25. Juni 2014, der Replik vom 28. Oktober 2014 und der Duplik vom 16. März 2015. Am 30. September 2015 fand die Hauptverhandlung statt. Das Zivilgericht befand sich mit schriftlich begründetem Entscheid vom gleichen Tag für örtlich unzuständig und trat auf die Klage nicht ein. Es auferlegte der Berufungsklägerin die Gerichtskosten von CHF 12'000.-, die Kosten des Schlichtungsverfahrens von CHF 5'500.- sowie eine Parteientschädigung an den Berufungsbeklagten von CHF 38'400.- zuzüglich Auslagen.


Gegen diesen Entscheid erhob die Berufungsklägerin am 18. Januar 2016 Berufung an das Appellationsgericht. Sie beantragt, den Entscheid aufzuheben und auf die Klage einzutreten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Zivilgericht zurückzuweisen. Mit Berufungsantwort vom 1. März 2016 beantragt der Berufungsbeklagte die Abweisung der Berufung. Die Parteien hielten mit Replik vom 6. April 2016 und Duplik vom 23. Mai 2016 an ihren Anträgen fest. Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den vorliegenden Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen


1.

Erstinstanzliche End- und Zwischenentscheide sind grundsätzlich mit Berufung anfechtbar (Art. 308 Abs. 1 lit. a der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR272]). In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens CHF10'000.- beträgt (Art. 308 Abs. 2 ZPO). Dies ist vorliegend der Fall. Der begründete Entscheid wurde der Berufungsklägerin am 2. Dezember 2015 zugestellt. Dagegen erhob sie am 18. Januar 2016 - unter Berücksichtigung des Fristenstillstands während der Weihnachtsgerichtsferien - rechtzeitig Berufung (vgl. Art. 311 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 145 Abs. 1 lit. c und Art. 142 Abs. 3 ZPO). Auf die formgerecht erhobene und begründete Berufung ist demnach einzutreten.


Zur Beurteilung der Berufung ist das Appellationsgericht als Kammer zuständig (§ 91 Ziffer 3 in Verbindung mit § 99 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]). Mit der Berufung können eine unrichtige Rechtsanwendung und eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Das Berufungsgericht kann eine Verhandlung durchführen aufgrund der Akten entscheiden (Art. 316 Abs. 1 ZPO). Die Fragen, die sich im vorliegenden Fall stellen, können gestützt auf die Akten beantwortet werden, und es sind auch keine Beweise abzunehmen. Der vorliegende Entscheid ist deshalb nach Beizug der zivilgerichtlichen Akten ohne Verhandlung auf dem Zirkulationsweg gefällt worden.


2.

2.1 Die Berufungsklägerin legt als Beilagen zur Berufung erstmals ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 12. Juni 2013 (Beilage 2) und eine tabellarische Darstellung von Reisen des Berufungsbeklagten in den Jahren 2011-2013, einschliesslich Belegen (Beilage 3), ins Recht. Ausserdem stellt sie neue Beweisanträge und wiederholt vor dem Zivilgericht unberücksichtigt gebliebene Beweisanträge (Berufung, Rz. 49, 51, 69-72, 76, 79, 83, 86). Es fragt sich, ob diese Beweismittel und -anträge im Berufungsverfahren berücksichtigt werden dürfen.


2.2 Neue Tatsachen und Beweismittel werden im Berufungsverfahren nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1 ZPO). Im erstinstanzlichen Verfahren berücksichtigt das Gericht allerdings neue Tatsachen und Beweismittel bis zur Urteilsberatung, wenn es den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären hat (Art. 229 Abs. 3 ZPO), d.h. bei Geltung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 55 Abs. 2 ZPO. Die im Berufungsverfahren neu ins Recht gelegten Urkunden sollen nach Ansicht der Berufungsklägerin den Wohnsitz des Berufungsbeklagten in Basel beweisen und damit die örtliche Zuständigkeit des Zivilgerichts Basel-Stadt begründen. Diese ist als Prozessvoraussetzung vom Gericht von Amtes wegen zu prüfen (Art. 59 Abs. 2 lit. b und Art. 60 ZPO). Die Prüfung der Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen bedeutet, dass das Gericht in Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes von Amtes wegen festzustellen hat, ob die Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, und in Anwendung des Offizialgrundsatzes von Amtes wegen ungeachtet allfälliger Parteianträge einen Entscheid auf Eintreten Nichteintreten zu fällen hat (Zürcher, in: Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 2016, Art. 60 ZPO N 3; Zingg, in: Berner Kommentar, 2012, Art. 60 ZPO N 4 und 47). Dabei gilt der eingeschränkte Untersuchungsgrundsatz, sofern der Prozess in der Sache selbst nicht dem uneingeschränkten Untersuchungsgrundsatz unterliegt (Zürcher, a.a.O., Art.60 ZPO N 4; Zingg, a.a.O., Art. 60 ZPO N 4). Vorliegend gilt für die Prüfung der Prozessvoraussetzungen der eingeschränkte Untersuchungsgrundsatz. Nach dem Gesagten stellt sich die Frage, ob Art. 229 Abs. 3 ZPO im Berufungsverfahren analog zur Anwendung kommt, d.h., ob das Berufungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel bis zur Urteilsberatung berücksichtigt, wenn es den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären hat.


Den restriktiven Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Noven im Berufungsverfahren liegt die Idee zugrunde, dass alle Tatsachen und Beweismittel in erster Instanz vorzubringen sind und der Prozess vor dem erstinstanzlichen Gericht grundsätzlich abschliessend zu führen ist. Das Berufungsverfahren dient nicht der Vervollständigung des vorinstanzlichen Verfahrens, sondern der Überprüfung und Korrektur des erstinstanzlichen Entscheids im Licht konkret dagegen vorgebrachter Beanstandungen (BGE 142 III 413 E. 2.2.2 S. 415). Dies gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch, wenn das Berufungsgericht den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen hat. Demnach regelt Art. 317 Abs. 1 ZPO die Möglichkeiten der Parteien, neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen, abschliessend. Eine analoge Anwendung von Art. 229 Abs. 3 ZPO ist im Berufungsverfahren ausgeschlossen (BGE 138 III 625 E. 2.2 S. 627 f.). Diese Praxis wurde in der Literatur kritisiert (vgl. Seiler, Zur Anwendbarkeit von Art. 229 Abs. 3 ZPO im Berufungsverfahren, in: SZZP 2012, S. 457; ders., Die Berufung nach ZPO, Zürich 2013, N 1262-1264a; Leuenberger, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Zivilprozessrecht im Jahr 2011, in: ZBJV 2013, S. 233, 252-255; Infanger, Noven nach Art. 317 ZPO unter Berücksichtigung der verschiedenen Verfahrensarten, in: Dolge [Hrsg.], Zivilprozess - aktuell, Zürich 2013, S. 103, 112-114; Freiburghaus, Untersuchungsmaxime ohne Novenrecht im Berufungsverfahren nach ZPO?, in: Fankhauser et al. [Hrsg.], Festschrift Sutter-Somm, Zürich 2016, S. 111, 122 f.). Das Bundesgericht bestätigte seine Praxis jedoch in konstanter Rechtsprechung (vgl. BGE 142 III 413 E. 2.2.2 S.414 f.; 141 III 569 E. 2.3.3 S. 576 f.; BGer 4A_333/2015 vom 27. Januar 2016 E.7.2.1; 4A_476/2015 vom 11. Januar 2016 E. 3; 4D_8/2015 vom 21. April 2015 E.2.2; 4A_397/2013 vom 11. Februar 2014 E. 4.5.2; 4A_519/2012 vom 30. April 2013 E. 5). Mehrere Bundesgerichtsentscheide erwecken den Eindruck, dass die erwähnte Praxis auch im Bereich des uneingeschränkten Untersuchungsgrundsatzes und des Offizialgrundsatzes gilt (vgl. BGer 5A_528/2015 vom 21. Januar 2016 E. 2; 5A_541/2015 vom 14. Januar 2016 E. 5). Das Bundesgericht selbst stellte jedoch in einem kürzlich ergangenen Entscheid fest, es habe bisher offen gelassen, ob die Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 1 ZPO auch dann unverändert gelten, wenn der uneingeschränkte Untersuchungsgrundsatz und der Offizialgrundsatz zur Anwendung kommen (BGer 5A_456/2016 vom 28. Oktober 2016 E. 4.1). Wie es sich damit verhält, kann auch im vorliegenden Fall offen bleiben, weil für die Prüfung der Prozessvoraussetzungen hier der eingeschränkte Untersuchungsgrundsatz gilt.


Der Untersuchungsgrundsatz bedeutet unter anderem, dass das Gericht dem Urteil sämtliche Tatsachen zugrunde legen darf, von denen es Kenntnis erlangt, und dass es die notwendigen Beweise ohne Bindung an die Beweisanträge der Parteien von Amtes wegen erhebt (Hurni, in: Berner Kommentar, 2012, Art. 55 ZPO N 55 und 57; Sutter-Somm/Schrank, in: Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, a.a.O., Art. 55 ZPO N 61). Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass das Berufungsgericht unabhängig von den in Art. 317 Abs. 1 ZPO statuierten Voraussetzungen gehalten ist, neue Tatsachen und Beweismittel von Amtes wegen zu berücksichtigen. Damit wären bei Geltung des Untersuchungsgrundsatzes die einschränkenden Voraussetzungen der Zulässigkeit von Noven gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO bedeutungslos. Dies vereitelte den Zweck dieser Bestimmung, weil die Parteien den Sachverhalt im Berufungsverfahren beliebig ergänzen könnten, auch wenn sie die betreffenden Tatsachen und Beweismittel bei zumutbarer Sorgfalt ohne Weiteres bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorbringen können. Sind die Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt, und durfte die erste Instanz die erst im Berufungsverfahren vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes unberücksichtigt lassen, darf das Berufungsgericht demnach - jedenfalls im Bereich des eingeschränkten Untersuchungsgrundsatzes - die Berücksichtigung der neuen Tatsachen und Beweismittel ablehnen (vgl. BGE 141 III 569 E. 2.3.3 S. 576 f.; BGer 4A_476/2015 vom 11. Januar 2016 E. 3). Daher besteht kein Anlass, von der gefestigten Bundesgerichtspraxis abzuweichen.


In der kantonalen Rechtsprechung und in der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Novenbeschränkung nach Art. 317 Abs. 1 ZPO für Tatsachen und Beweismittel, die sich auf Prozessvoraussetzungen beziehen, nicht gilt. Dies wird damit begründet, dass Prozessvoraussetzungen in jedem Stadium des Verfahrens von Amtes wegen zu prüfen sind (OGer ZH LB130013 vom 16. September 2013 E.II.4; LB120012 vom 23. November 2012 E. II.A.4; Moret, Aktenschluss und Novenrecht nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Zürich 2014, N 461 f.; Seiler, Die Berufung nach ZPO, a.a.O., N 1268 f.; Reetz/Hilber, in: Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, a.a.O., Art. 317 ZPO N 15; ebenso für das im Beschwerdeverfahren geltende Novenrecht OGer ZH, in: ZR 2013, S. 184 f. E. 1.4; RT150132 vom 8. Februar 2016 E. II.3.2; KGer GR KSK 15 47 vom 14. Dezember 2015 E. II.1.bd; Moret, a.a.O., N 910). Jedenfalls soweit bereits vom Zivilgericht zu prüfende Prozessvoraussetzungen betroffen sind, ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb der Umstand, dass diese von Amtes wegen zu prüfen sind, die Novenbeschränkung im Berufungsverfahren nach Art. 317 Abs. 1 ZPO ausschliessen sollte. Der Offizialgrundsatz bezieht sich nicht auf die Sammlung des Prozessstoffs (Sutter-Somm, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 2017, N 313) und ist deshalb für die Frage der Zulässigkeit neuer Tatsachen und Beweismittel nicht entscheidend. Der diesbezüglich wesentliche (eingeschränkte) Untersuchungsgrundsatz bewirkt nach der vorstehend dargelegten Bundesgerichtspraxis nicht, dass die einschränkenden Zulässigkeitsvoraussetzungen für neue Tatsachen und Beweismittel nach Art. 317 Abs. 1 ZPO keine Geltung beanspruchen können. Damit sind auch neue Tatsachen und Beweismittel, die bereits vom Zivilgericht zu prüfende Prozessvoraussetzungen betreffen, im Berufungsverfahren - jedenfalls im Bereich des eingeschränkten Untersuchungsgrundsatzes - nur nach Massgabe von Art. 317 Abs. 1 ZPO zulässig.


Gemäss einem vor dem Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung ergangenen Bundesgerichtsentscheid ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Gericht Tatsachen, die ihm die für eine Prozessvoraussetzung beweisbelastete Partei zur Begründung dieser Prozessvoraussetzung erst nach Abschluss des Behauptungsverfahrens unterbreitet hat, nicht berücksichtigt und die von Amtes wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen auf die prozesskonform vorgebrachten Behauptungen beschränkt (BGer 4P.239/2005 vom 21.November 2005 E. 4.3 f.). Gemäss diesem Entscheid schliesst die Prüfung der Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen eine Einschränkung des Novenrechts auch für Tatsachen und Beweismittel betreffend solche nicht aus. Es besteht kein Grund, weshalb dies für die Schweizerische Zivilprozessordnung nicht mehr gelten sollte. Das Bundesgericht hielt vielmehr unter Bezugnahme auf seinen erwähnten Entscheid zu Art. 60 ZPO fest, die Prüfung der Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen enthebe die Parteien weder der Beweislast noch davon, an der Sammlung des Prozessstoffes aktiv mitzuwirken und dem Gericht das in Betracht fallende Tatsachenmaterial zu unterbreiten sowie die Beweismittel zu bezeichnen. Dabei habe der Kläger die Tatsachen vorzutragen und zu belegen, welche die Zulässigkeit der Klage begründeten, und der Beklagte diejenigen Tatsachen, welche sie angriffen. Aus der Pflicht zur Prüfung der Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen sei nicht zu schliessen, das Gericht müsse in Verfahren, die dem Verhandlungsgrundsatz folgten, von sich aus nach den Tatsachen forschen, welche die Zulässigkeit der Klage berührten (BGE 139 III 278 E. 4.3 S. 281 f.).


2.3 Die Berufungsklägerin behauptet weder, dass die Voraussetzungen von Art.317 Abs. 1 ZPO erfüllt wären, noch, dass das Zivilgericht die neuen Tatsachen und Beweismittel in Anwendung des (eingeschränkten) Untersuchungsgrundsatzes von Amtes wegen hätte berücksichtigen müssen. Dies ist auch nicht ersichtlich. Die dem Gericht mit der Berufung vom 18. Januar 2016 unterbreiteten neuen Tatsachenbehauptungen, Beweismittel und Beweisanträge (Berufung, Rz. 49, 51, 70-72; Beilagen 2 und 3) sind deshalb nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen wären die Beweisanträge ohnehin abzuweisen, weil die damit zu beweisenden Tatsachenbehauptungen der Berufungsklägerin unter Mitberücksichtigung der übrigen Umstände nicht geeignet wären, auf einen Wohnsitz des Berufungsbeklagten in Basel zu schliessen (vgl. E. 3-5 hiernach).


Auch die bereits im Verfahren vor dem Zivilgericht gestellten und im Berufungsverfahren wiederholten Beweisanträge sind abzuweisen. Teilweise wären die damit zu beweisenden Tatsachenbehauptungen der Berufungsklägerin unter Mitberücksichtigung der übrigen Umstände nicht geeignet, auf einen Wohnsitz des Berufungsbeklagten in Basel zu schliessen (Berufung, Rz. 69, 79 und 83; vgl. E. 3-5 hiernach). Teilweise sind die beantragten Beweismittel selber ungeeignet, die behaupteten Tatsachen zu beweisen (Berufung, Rz. 76 und 86). Die Berufungsklägerin führte vor dem Zivilgericht aus, der Berufungsbeklagte habe mindestens 25 bis 30 Mal jährlich in Basel gearbeitet und dann bei C____, der Nichte des Verwaltungsratspräsidenten der Berufungsklägerin, gelebt. Es sei durchaus möglich, dass C____ zeitweise einen Freund andere Gäste zur Übernachtung gehabt habe. C____ und der Berufungsbeklagte hätten deshalb vereinbart, dass er sich voranmelden müsse. Wenn die Wohnung nicht frei gewesen sei, habe der Berufungsbeklagte in ein Hotel zu anderen Bekannten ausweichen müssen (Replik, Rz. 108). Unter diesen Umständen erscheint es ausgeschlossen, dass C____ Aussagen machen könnte, die geeignet sind zu beweisen, dass sich der Lebensmittelpunkt des Berufungsbeklagten in Basel befunden hat.


3.

3.1 Das Zivilgericht trat mit dem angefochtenen Entscheid auf die Klage der Berufungsklägerin mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein. Der Berufungsbeklagte habe im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage Wohnsitz in Paris und nicht in Basel gehabt (E. 10.1). Die von der Berufungsklägerin vorgetragenen Umstände - die rückwirkende Abmeldung beim Einwohneramt Basel-Stadt erst nach Eingang des Schlichtungsgesuchs sowie die Aufenthaltsbewilligung und die Quellenbesteuerung in der Schweiz - seien für die Begründung des zivilrechtlichen Wohnsitzes nicht massgebend. Diese Umstände könnten lediglich als Indizien für einen Wohnsitz des Berufungsbeklagten in Basel herangezogen werden (E. 5). Der Berufungsbeklagte habe jedoch den Gegenbeweis erbracht, dass er im fraglichen Zeitpunkt keinen Wohnsitz in Basel gehabt habe. Er habe detailliert dargelegt und bewiesen, dass sein Lebensmittelpunkt nicht in Basel, sondern in Paris gewesen sei (E. 6).


Die Berufungsklägerin wendet dagegen ein, dass sich das Zivilgericht zu Unrecht für unzuständig befunden habe. Der Berufungsbeklagte habe im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage Wohnsitz in Basel gehabt, wo er sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufgehalten habe. Sein beruflicher, finanzieller und sozialer Lebensmittelpunkt habe in Basel gelegen, wo er einwohneramtlich registriert gewesen sei und Quellensteuern bezahlt habe. Ausserdem habe er eine bis am 29. September 2014 gültige Aufenthaltsbewilligung gehabt (Berufung, Rz. 20-53, 98-102). Er habe den Wohnsitz nicht nach Paris verlegt. Sein Lebensmittelpunkt habe bis zur einwohneramtlichen Abmeldung vielmehr in Basel gelegen (Berufung, Rz. 54-92, 103-106).


Der Berufungsbeklagte macht demgegenüber geltend, dass sich das Zivilgericht zu Recht für unzuständig erachtet habe. Im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage habe er keinen Wohnsitz in Basel gehabt. Er habe Basel im Februar 2010 verlassen, sei nach Paris gezügelt und habe fortan dort seinen sozialen Lebensmittelpunkt gehabt (Berufungsantwort, Rz. 9-17, 29). Dafür sprächen seine sozialen Beziehungen, seine von ihm selbst eingerichtete Wohnung und seine Freizeitbeschäftigungen in Paris. Von seinen Auslandaufenthalten sei er stets nach Paris zurückgekehrt. Den Wohnsitz in Paris habe er bis zum Wegzug nach Spanien im Juli 2013 aufrechterhalten (Berufungsantwort, Rz. 18-25, 29).


3.2 Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist vorliegend entscheidend, ob ein nationaler ein internationaler Sachverhalt gegeben ist, d.h. ob sich die örtliche Zuständigkeit nach den Vorschriften der Schweizerischen Zivilprozessordnung nach denjenigen des internationalen Privatrechts (Lugano-Übereinkom­men [LugÜ, SR 0.275.12]; Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht [IPRG, SR 291]) richtet. Dies wird nachfolgend für die von der Berufungsklägerin angerufenen Gerichtsstände für arbeitsrechtliche Klagen (E. 4 hiernach) und für Klagen aus unerlaubter Handlung (E. 5 hiernach) untersucht.


4.

4.1 Für arbeitsvertragliche Klagen des Arbeitgebers ist gemäss Art. 34 Abs. 1 ZPO das Gericht am Wohnsitz des Arbeitnehmers am Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich die Arbeit verrichtet, zuständig. Im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens bestimmt Art. 20 Abs. 1 LugÜ, dass der Arbeitgeber nur vor den Gerichten des Vertragsstaates klagen kann, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat. Nach Art. 115 Abs. 1 IPRG sind die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Arbeitnehmers am Ort zuständig, wo der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Anknüpfungsmerkmale für die Nationalität bzw. Internationalität des Sachverhalts sind somit der Wohnsitz bzw. Sitz der Parteien und der gewöhnliche Arbeitsort.


Befindet sich der Wohnsitz des Arbeitnehmers im Ausland, während der Arbeitgeber seinen Wohnsitz Sitz im Inland hat, liegt unabhängig vom gewöhnlichen Arbeitsort ein internationaler Sachverhalt vor (vgl. auch BGE 141 III 294 E. 4 S. 297). Der Sitz der Berufungsklägerin (Arbeitgeberin) befindet sich unbestrittenermassen in der Schweiz. Es ist daher in einem ersten Schritt zu entscheiden, ob der Berufungsbeklagte (Arbeitnehmer) seinen Wohnsitz in der Schweiz im Ausland gehabt hat (E. 4.2 hiernach). Ergibt diese Entscheidung, dass der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz im Ausland gehabt hat, ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob das Lugano-Übereinkommen zur Anwendung kommt (E. 4.3 hiernach). Trifft dies zu, erübrigt sich eine Prüfung des gewöhnlichen Arbeitsorts, da Art. 20 Abs. 1 LugÜ keinen diesbezüglichen Gerichtsstand kennt.


4.2

4.2.1 Ob der Berufungsbeklagte seinen Wohnsitz in der Schweiz im Ausland gehabt hat, richtet sich aufgrund des Vorbehalts des Staatsvertragsrechts und des IPRG in Art. 2 ZPO nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts. Dabei gehen die Vorschriften des Lugano-Übereinkommens dem Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vor (vgl. Art. 1 Abs. 2 IPRG). Das Lugano-Übereinkommen enthält keine einheitliche materiell-rechtliche Definition des Wohnsitzes, sondern verweist auf das Recht der Vertragsstaaten (Liatowitsch/Meier, in: Schnyder [Hrsg.], Lugano-Übereinkommen, Kommentar, Zürich 2011, Art. 59 LugÜ N8). Hat ein Schweizer Gericht zu entscheiden, ob eine Partei Wohnsitz in der Schweiz hat, so wendet es Schweizer Recht an (Art. 59 Abs. 1 LugÜ).


Zur Entscheidung, ob eine Partei Wohnsitz in der Schweiz hat, ist nach Schweizer Recht Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG massgebend. Diese Bestimmung enthält eine autonome Definition des Wohnsitzes für internationale Sachverhalte (Liatowitsch/Meier, a.a.O., Art. 59 LugÜ N 16). Gemäss Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG hat eine natürliche Person ihren Wohnsitz in dem Staat, in dem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Dies entspricht der Bestimmung von Art. 23 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB, SR 210) und erlaubt, die bezügliche Rechtsprechung und Literatur weitgehend zu berücksichtigen, auch wenn der Wohnsitzbegriff des ZGB nicht direkt anwendbar ist (Art. 20 Abs. 2 IPRG; Westenberg, in: Basler Kommentar, 3. Auflage 2013, Art. 20 IPRG N 8 und 9). Der Wohnsitzbegriff nach Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG weist sowohl ein objektives Element auf, nämlich den physischen Aufenthalt an einem Ort, als auch das subjektive Element der Absicht des dauernden Verbleibens an diesem Ort (BGE 119 II 167 E. 2b S. 169). Der Wohnsitz wird dabei als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verstanden. Dessen Bestimmung ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalls vorzunehmen. Er liegt dort, wo die familiären und sozialen Interessen am stärksten lokalisiert sind. Als weitere Anhaltspunkte können etwa berufliche und finanzielle Interessen einer Person herangezogen werden (BGE 125 III 100 E. 3 S. 102; 119 II 64 E. 2b/bb S. 65; BGer 4C.298/2002 vom 30. April 2003 E. 2.1). Der fremdenpolizeiliche der steuerrechtliche Status einer Person stellen für sich genommen noch keine Aussage über den international-privatrechtlichen Wohnsitz dar. Ihnen ist jedoch eine gewisse Indizwirkung beizumessen (Botschaft zum Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht, in: BBl 1983 I S. 263, 317; Westenberg, a.a.O., Art. 20 IPRG N 12-14). Massgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Wohnsitzes ist der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit der Klage, d.h. das Datum, an dem der Kläger das Schlichtungsgesuch einreicht (vgl. Entscheid des Zivilgerichts, E. 3).


Der Kläger trägt die Beweislast für die Umstände, die auf den von ihm behaupteten Wohnsitz schliessen lassen (vgl. Acocella, in: Schnyder [Hrsg.], Lugano-Überein­kommen, Kommentar, a.a.O., Vorbem. Art. 2 LugÜ N 52). Beruft er sich hierfür auf Indizien wie den fremdenpolizeilichen den steuerrechtlichen Status des Beklagten, kann dieser die Vermutung des Wohnsitzes, die sich auf diese Indizien stützt, durch Gegenbeweise widerlegen (Keller/Kren Kostkiewicz, in: Girsberger et al. [Hrsg.], Zürcher Kommentar, 2. Auflage 2004, Art. 20 IPRG N 23). Mit dem Gegenbeweis versucht der Beweisgegner, den Hauptbeweis zu Fall zu bringen. Der Gegenbeweis ist erbracht, wenn der Hauptbeweis erschüttert ist. Nicht erforderlich ist, dass das Gericht von der Richtigkeit der Gegendarstellung überzeugt ist (Hasenböhler, in: Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, a.a.O., Vorbemerkungen zum 10. Titel [Art. 150-193 ZPO] N 4). Damit ist vorliegend die Annahme eines Wohnsitzes des Berufungsbeklagten in der Schweiz ausgeschlossen, wenn der Berufungsbeklagte die von der Berufungsklägerin angeführten Indizien soweit entkräftet, dass das Gericht vom Vorhandensein von Umständen, die auf einen Wohnsitz in der Schweiz schliessen lassen, nicht überzeugt ist. Der Beweis, dass sich der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Berufungsbeklagten in Paris befunden hat dass der Berufungsbeklagte nach dem diesbezüglich massgebenden Recht seinen Wohnsitz dort gehabt hat, ist dafür nicht erforderlich.


4.2.2 Der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Berufungsbeklagten befand sich gemäss den zutreffenden Erwägungen des Zivilgerichts im massgebenden Zeitpunkt nicht in Basel, sondern in Paris (Entscheid des Zivilgerichts, E. 6). Dort verfügte der Berufungsbeklagte über eine eigene Wohnung (E. 6.3); dort pflegte er soziale Kontakte und ging Freizeitaktivitäten nach (E. 6.4) und von dort aus unternahm er Geschäfts- und Ferienreisen und kehrte anschliessend dorthin zurück (E. 6.6). Demgegenüber war er in Basel nur zu administrativen Zwecken an der Adresse der Nichte des Verwaltungsratspräsidenten der Berufungsklägerin angemeldet. Wenn die Berufstätigkeit für die Berufungsklägerin eine Übernachtung in Basel erforderte, musste der Berufungsbeklagte jeweils nachfragen, ob er im Appartement der Nichte übernachten könne. Konnte er dies nicht, übernachtete er im Hotel (E. 6.5). Die von der Berufungsklägerin gegen diese Erwägungen erhobenen Einwände überzeugen nicht.


Sie vertritt die Ansicht, dass sie mit dem (behaupteten) Beweis eines Wohnsitzes des Berufungsbeklagten im Jahre 2009 in Basel auch den Beweis des Wohnsitzes im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit erbracht habe. Sie verweist hierfür auf Staehelin, in: Basler Kommentar, 5. Auflage 2014, Art. 23 ZGB N 28 (Berufung, Rz. 56 und 57). Die Ansicht der Berufungsklägerin geht fehl. Gemäss Staehelin kann derjenige, der die Beweislast für den Wohnsitz trägt, sich auf die Vermutung von Art. 24 Abs. 1 ZGB berufen, dass ein einmal begründeter Wohnsitz fortdauert (Staehelin, a.a.O., Art. 23 ZGB N 28). Dieser sogenannte fiktive Wohnsitz ist für die Bestimmung des international-privatrechtlichen Wohnsitzes aber unbeachtlich (vgl. Art. 20 Abs. 2 IPRG; Westenberg, a.a.O., Art. 20 IPRG N 8; Dallafior/Honegger, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2016, Art. 59 LugÜ N 22), so dass die Berufungsklägerin sich nicht darauf berufen kann.


Die Berufungsklägerin führt sodann aus, der Berufungsbeklagte habe sich widersprüchlich verhalten. Er habe den Behörden mit seiner Abmeldung vom 17. Juli 2013 vorgetäuscht, seit dem 2. November 2012 in Spanien zu wohnen. Vor dem Zivilgericht habe er hingegen behauptet, seinen Wohnsitz in Paris gehabt zu haben (Berufung, Rz. 14, 31). Der Berufungsbeklagte hatte gemäss eigenen Angaben im Zeitpunkt seiner rückwirkenden Abmeldung beim Einwohneramt Basel-Stadt bereits keinen Wohnsitz mehr in Paris, sondern lebte in Spanien. Vor diesem Hintergrund lässt es sich erklären, dass er sich direkt nach Spanien abgemeldet hat, auch wenn er im Zeitpunkt, auf den die Abmeldung rückwirkend erfolgt ist, noch in Paris gewohnt hat. Die Berufungsklägerin kann daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten.


Hinsichtlich der ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung verkennt die Berufungsklägerin (Berufung, Rz. 36-40, 101), dass dieser nur Indizwirkung zukommt (vgl. E.4.2.1 hiervor). Auch wenn die Bewilligung bis am 29. September 2014 gültig war, vermag sie für sich nicht zu beweisen, dass der Berufungsbeklagte bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer einen Wohnsitz in der Schweiz gehabt hat. Ein Ausländer kann die Schweiz vor Ablauf der Gültigkeit der Aufenthaltsbewilligung verlassen. Diesen Beweis erbrachte der Berufungsbeklagte (vgl. Entscheid des Zivilgerichts, E. 6). Dass eine rückwirkende Abmeldung nach Ansicht der Berufungsklägerin rechtlich nicht möglich sei (Berufung, Rz. 38), ändert an der tatsächlichen Situation nichts. Und allein diese ist für die Bestimmung des Wohnsitzes massgebend.


Des Weiteren beruft sich die Berufungsklägerin auch im Berufungsverfahren auf ein Gutachten von Prof. Thomas Sutter-Somm, wonach der Berufungsbeklagte aufgrund der Aufenthaltsbewilligung und der Quellenbesteuerung seinen Wohnsitz in Basel gehabt habe (vgl. Klage-Beilage 2). Die Quellenbesteuerung und die Bezahlung des Lohns auf ein Schweizer Bankkonto bewiesen, dass die finanziellen Interessen des Berufungsbeklagten in Basel und nicht in Paris gelegen hätten (Berufung, Rz. 41-45, 101). Hierbei übersieht die Berufungsklägerin, dass das Zivilgericht darauf abgestellt hat, dass die Berufungsklägerin nicht bewiesen hat, dass der Berufungsbeklagte auch im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in Basel Quellensteuern entrichtet hat (Entscheid des Zivilgerichts, E. 5.4). Den Nachweis der Quellenbesteuerung im massgebenden Zeitpunkt bleibt die Berufungsklägerin auch im Berufungsverfahren schuldig. Ausserdem wäre ein steuerrechtlicher Wohnsitz bloss ein Indiz für den international-privatrechtlichen Wohnsitz (vgl. E. 4.2.1 hiervor) und wäre dieses Indiz durch den Berufungsbeklagten entkräftet worden (vgl. Entscheid des Zivilgerichts, E. 6).


4.2.3 Insgesamt sind die Einwände der Berufungsklägerin unbegründet. Das Zivilgericht erwog zu Recht, dass der Berufungsbeklagte seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz, sondern im Ausland gehabt hat. Damit ist die Internationalität des arbeitsrechtlichen Sachverhalts zu bejahen.


4.3

4.3.1 Aufgrund der Internationalität des Sachverhalts richtet sich die örtliche Zuständigkeit nicht nach Art. 34 ZPO, sondern nach den Bestimmungen des internationalen Privatrechts. Da das Lugano-Übereinkommen dem Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vorgeht (vgl. Art. 1 Abs. 2 IPRG), ist zuerst zu prüfen, ob das Lugano-Übereinkommen auf die vorliegende arbeitsrechtliche Streitigkeit Anwendung findet. Dies trifft zu, wenn der beklagte Arbeitnehmer in einem Vertragsstaat des Lugano-Übereinkommens seinen Wohnsitz hat (vgl. Art. 20 Abs. 1 LugÜ). Daher fragt sich, ob der Berufungsbeklagte im Vertragsstaat Frankreich seinen Wohnsitz gehabt hat.


4.3.2 Hat eine Partei keinen Wohnsitz im Vertragsstaat, dessen Gerichte angerufen sind, so wendet das Gericht, wenn es zu entscheiden hat, ob die Partei einen Wohnsitz in einem anderen Vertragsstaat hat, das Recht dieses Staates an (Art. 59 Abs. 2 LugÜ). Die Berufungsklägerin macht deshalb zu Recht geltend, das Zivilgericht hätte prüfen müssen, ob der Berufungsbeklagte nach französischem Recht einen Wohnsitz in Frankreich gehabt habe (Berufung, Rz. 95-97).


Ob der Berufungsbeklagte Wohnsitz in Frankreich bzw. Paris gehabt hat, beurteilt sich nach Art. 102 ff. des französischen Code civil (vgl. Geimer, in: Geimer/Schütze [Hrsg.], Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Auflage, München 2010, Art. 59 Brüssel I-Verordnung N 17). Gemäss Art. 102 Code civil befindet sich der Wohnsitz einer Person am Ort ihrer hauptsächlichen Niederlassung (Le domicile de tout Français [ ] est au lieu où il a son principal établissement.). Der Wohnsitz ergibt sich aus dem äusseren Umstand der hauptsächlichen Niederlassung und dem Willen des Betroffenen (Terré/Fenouillet, Les personnes, 8. Auflage, Paris 2012, N 206). Er befindet sich am Ort, an dem sich die Person niedergelassen hat mit dem Willen, dort zu bleiben (Malaurie, Les personnes, 6. Auflage, Paris 2012, N 211-213). Für das objektive Wohnsitzelement ist massgebend, wo sich das Zentrum der Geschäfte, der Lebensaktivitäten und der Interessen der Person befindet (vgl. Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht, Band 1/1, 2. Auflage, Heidelberg 1994, N 1 D 186). Zu dessen Bestimmung werden primär der dauerhafte Aufenthalt und die Ausübung der Berufstätigkeit in Betracht gezogen. Ergänzend werden weitere Elemente wie die Bezahlung der Steuern, die Eintragung in der Wählerliste, der Empfang der Korrespondenz, die Erklärungen des Betroffenen sowie familiäre, berufliche und affektive Bindungen berücksichtigt (Dalloz, Code civil, 113. Auflage, Paris 2014, Art. 102 Code civil N 3). Für das subjektive Element wird mangels ausdrücklicher Äusserungen vom äusseren Verhalten des Betroffenen auf dessen Willen geschlossen (Ferid/Sonnenberger, a.a.O., N 1 D 187). Wenn eine Person mehrere Niederlassungen bzw. unterschiedliche Interessen an mehreren Orten hat, ist die Bedeutung dieser Interessen einzuschätzen und zu bestimmen, an welchem Ort die wichtigsten Interessen der Person liegen (Terré/Fenouillet, a.a.O., N 206).


4.3.3 Die Regeln zur Bestimmung des Wohnsitzes des französischen Rechts unterscheiden sich nicht wesentlich von denjenigen des schweizerischen (vgl. E. 4.2.1 hiervor). Da der Mittelpunkt der Lebensbeziehung des Berufungsbeklagten nach den zutreffenden Erwägungen des Zivilgerichts im massgebenden Zeitpunkt in Paris lag (vgl. E. 4.2.2 hiervor), befand sich dessen Wohnsitz somit auch nach dem massgebenden französischen Recht an diesem Ort. Demzufolge findet das Lugano-Überein­kommen auf die vorliegende arbeitsrechtliche Streitigkeit Anwendung.


4.4 Für arbeitsrechtliche Klagen sieht das Lugano-Übereinkommen vor, dass der Arbeitgeber nur vor den Gerichten des Vertragsstaats Klage erheben kann, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat (Art. 20 Abs. 1 LugÜ). Folglich ist es der Berufungsklägerin verwehrt, gegen den Berufungsbeklagten in der Schweiz zu klagen, soweit sie sich auf arbeitsrechtliche Ansprüche stützt. Insoweit ist das Zivilgericht für die vorliegende Klage örtlich unzuständig und auf die Klage zu Recht nicht eingetreten.


5.

Die Berufungsklägerin beruft sich eventualiter auf den Gerichtsstand für Klagen aus unerlaubter Handlung. Aufgrund des Wohnsitzes des Berufungsbeklagten in Frankreich liegt auch hier ein internationaler Sachverhalt vor (vgl. BGE 141 III 294 E. 4 S. 297) und kommen die Zuständigkeitsvorschriften des Lugano-Übereinkommens zur Anwendung (vgl. Art. 2 Abs. 1 LugÜ; Hausmann, in: Simons/Hausmann [Hrsg.], una­lex Kommentar, München 2012, vor Artt. 2-4 Brüssel I-Verordnung N 6). Gemäss Art. 3 und Art. 5 Ziffer 3 LugÜ kann der Berufungsbeklagte in der Schweiz verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden und das schädigende Ereignis in der Schweiz eingetreten ist einzutreten droht.


Das Zivilgericht erwog, dass eine Zuständigkeit der Schweizer Gerichte nach Art. 5 Ziffer 3 LugÜ zu verneinen sei. Die Berufungsklägerin habe es unterlassen, die tatsächlichen Umstände einer unerlaubten Handlung substantiiert zu behaupten. Ebenso habe sie versäumt aufzuzeigen, dass ein schädigendes Ereignis in der Schweiz eingetreten sei (vgl. Entscheid des Zivilgerichts, E. 7). Diese Erwägungen beanstandet die Berufungsklägerin zu Recht nicht. Eine Zuständigkeit der Schweizer Gerichte nach Art. 5 Ziffer 3 LugÜ für eine Klage aus unerlaubter Handlung fällt damit ausser Betracht. Ebenso ist eine Zuständigkeit am schweizerischen Arrestort nach Art. 4 IPRG ausgeschlossen (Art. 3 Abs. 2 LugÜ in Verbindung mit Anhang I LugÜ; vgl. Entscheid des Zivilgerichts, E. 8).


6.

Die Berufungsklägerin vermochte gemäss den vorstehenden Erwägungen keine Umstände zu beweisen, welche die Zuständigkeit der Schweizer Gerichte bzw. des Zivilgerichts Basel-Stadt begründen. Dieses ist mithin mangels örtlicher Zuständigkeit zu Recht auf die Klage nicht eingetreten. Daher ist die Berufung abzuweisen und der angefochtene Entscheid zu bestätigen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Berufungsklägerin die Gerichtskosten zu tragen und dem Berufungsbeklagten eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 106 Abs. 1 ZPO).


Im zweitinstanzlichen Verfahren sind die erstinstanzlichen Gerichtskosten um bis zu 50 % zu erhöhen; massgebend ist der zweitinstanzliche Streitwert (§ 11 Abs. 1 Ziffer1 der Verordnung über die Gerichtsgebühren [GebV, SG 154.810]). Die erstinstanzlichen Gerichtskosten richten sich nach dem Streitwert. Dieser wird durch das Rechtsbegehren bestimmt (Art. 91 Abs. 1 ZPO) und beträgt vorliegend unverändert CHF 750'000.-. Bei diesem Streitwert resultiert eine normale Gebühr von CHF17'000.- bis CHF 22'000.- (§ 2 Abs. 3 GebV). Unter Berücksichtigung einer Erhöhung der Gebühr nach § 3 Abs. 2 GebV und einer Ermässigung nach § 4 Abs. 1 Ziffer 1.2 GebV setzte das Zivilgericht die Gebühr zutreffend auf CHF12'000.- fest. Die Parteien beanstanden die Höhe der erstinstanzlichen Gerichtskosten nicht. Für die Berechnung der Gerichtskosten des Berufungsgerichts wird somit von erstinstanzlichen Gerichtskosten von CHF 12'000.- ausgegangen. Zuzüglich des Zuschlags von 50 % für das Berufungsverfahren ergeben sich zweitinstanzliche Gerichtskosten von CHF 18'000.-. Diese werden mit dem von der Berufungsklägerin in gleicher Höhe geleisteten Vorschuss verrechnet.


Sodann ist die Parteientschädigung an den Berufungsbeklagten zu beziffern. Der Rechtsvertreter des Berufungsbeklagten bezifferte sein Honorar unter Bezugnahme auf die Berechnung durch das Zivilgericht auf CHF 16'000.- zuzüglich Auslagen (vgl. Honorarnote vom 12. Juli 2016). Die Berechnung des Grundhonorars in der Höhe von CHF 24'000.- durch das Zivilgericht (vgl. Entscheid des Zivilgerichts, E. 10.3) wird von den Parteien zu Recht nicht beanstandet. Nach Abzug eines Drittels für das Berufungsverfahren ergibt sich für das zweitinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung in der geltend gemachten Höhe von CHF 16'000.- (vgl. § 12 der Hono­rarordnung [HO, SG 291.400]). Hinzu kommen Auslagen in der Höhe von CHF213.50. Auf diesen Beträgen ist gemäss Honorarnote des Rechtsvertreters des Berufungsbeklagten keine Mehrwertsteuer geschuldet, so dass die Berufungsklägerin auch keine Mehrwertsteuer zu entschädigen hat.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Kammer):


://: Die Berufung gegen den Entscheid des Zivilgerichts vom 30. September 2015 (K5.2013.30) wird abgewiesen.


Die Berufungsklägerin trägt die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von CHF 18'000.- und hat dem Berufungsbeklagten eine Parteientschädigung von CHF 16'000.-, zuzüglich Auslagen von CHF 213.50, zu bezahlen.


Mitteilung an:

- Berufungsklägerin

- Berufungsbeklagter

- Zivilgericht Basel-Stadt



APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Der Gerichtsschreiber

lic. iur. Johannes Hermann

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann, wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a b BGG erreicht (CHF 15'000.- bei Streitigkeiten aus Miete Arbeitsverhältnis bzw. CHF30'000.- in allen übrigen Fällen) wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.



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