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Urteil Appellationsgericht (BS - VD.2023.133)

Zusammenfassung des Urteils VD.2023.133: Appellationsgericht

Der Fall handelt von einem Rekurrenten, der gegen die Nichtverlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz geklagt hat. Nachdem seine Ehe gescheitert war, wurde ihm die Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert. Er erhob Rekurs, um eine neue Aufenthaltsbewilligung zu erhalten. Das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt wies den Rekurs ab, da keine ausreichenden Beweise für häusliche Gewalt oder einen wichtigen persönlichen Grund vorlagen. Der Rekurrent konnte nicht nachweisen, dass er Opfer häuslicher Gewalt war. Die Vorinstanz bewertete seine sprachliche und berufliche Integration als gut, sah jedoch keinen schwerwiegenden persönlichen Härtefall.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VD.2023.133

Kanton:BS
Fallnummer:VD.2023.133
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung: Verwaltungsgericht Dreiergericht
Appellationsgericht Entscheid VD.2023.133 vom 22.02.2024 (BS)
Datum:22.02.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Rekurrent; Ehefrau; Gewalt; Rekurrenten; Schwiegereltern; Therapie; Aufenthalt; Trennung; Rekurs; Ex-Ehefrau; Therapiebericht; Aufenthalts; Entscheid; Schweiz; Recht; Ehegatte; Opfer; Ehegatten; Angst; Familie; Apos; Schwiegervater; Gericht; Härtefall; üglich
Rechtsnorm: Art. 113 BGG ;Art. 159 ZGB ;Art. 19 AIG ;Art. 24 StGB ;Art. 42 AIG ;Art. 42 BGG ;Art. 49 AIG ;Art. 50 AIG ;Art. 90 AIG ;
Referenz BGE:127 II 60; 135 IV 152; 137 I 128; 138 II 229; 138 II 29;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VD.2023.133



Geschäftsnummer: VD.2023.133 (AG.2024.151)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 22.02.2024 
Erstpublikationsdatum: 14.08.2024
Aktualisierungsdatum: 14.08.2024
Titel: Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung (Beschwerde beim BG-hängig)
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Dreiergericht

 

VD.2023.133

 

URTEIL

 

vom 22. Februar 2024

 

 

Mitwirkende

 

Dr. Stephan Wullschleger, lic. iur André Equey, MLaw Anja Dillena

und Gerichtsschreiberin MLaw Melissa Buser

 

 

 

Beteiligte

 

A____                                                                                         Rekurrent

[...]

vertreten durch [...], Advokat,

[...]

 

gegen

 

Bereich Bevölkerungsdienste und Migration

Migrationsamt

Spiegelgasse 6, 4051 Basel

 

 

Gegenstand

 

Rekurs gegen einen Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements

vom 5. Juni 2023

 

betreffend Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung

 


Sachverhalt

 

A____, geboren am [...] 1989, von Nordmazedonien (Rekurrent), heiratete am [...] 2018 in der Schweiz die schweizerische Staatsangehörige B____. Am [...] Dezember 2018 reiste er in die Schweiz ein und erhielt in der Folge die Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Ehefrau. Nachdem die Ehefrau dem Bereich Bevölkerungsdienste und Migration (Bereich BdM) mit E-Mail vom 24. Juni 2020 mitgeteilt hatte, dass sie kein Paar mehr seien und nicht mehr zusammenwohnen würden, nahm der Bereich BdM weitere Abklärungen vor und gewährte dem Rekurrenten am 18. Dezember 2020 das rechtliche Gehör zur beabsichtigten Nichtverlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung. Gleichentags erstattete der Rekurrent gegen seine Schwiegereltern Strafanzeige wegen Nötigung. Am [...] 2021 wurde die Ehe des Rekurrenten mit B____ geschieden. Am 30. März 2021 erstattete der Rekurrent bei der Kantonspolizei Basel-Stadt auch Anzeige gegen seine geschiedene Ehefrau, deren Bruder und deren Mutter wegen Nötigung und Drohung. Nach erfolgter Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs durch den Rekurrenten verlängerte der Bereich BdM die Aufenthaltsbewilligung des Rekurrenten mit Verfügung vom 20. Juli 2022 nicht mehr und wies ihn per 20. Oktober 2022 aus der Schweiz und dem Schengenraum weg. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Justiz- und Sicherheitsdepartement Basel-Stadt (JSD) mit Entscheid vom 5. Juni 2023 kostenfällig ab.

 

Gegen diesen Entscheid richtet sich der mit Eingaben vom 15. Juni und 23. August 2023 erhobene und begründete Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, mit dem der Rekurrent die kosten- und entschädigungsfällige Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Anweisung des Migrationsamts beantragte, ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Weiter beantragte er in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Bewilligung der aufschiebenden Wirkung und die Sistierung des Rekursverfahrens, bis die Staatsanwaltschaft über seine beiden Strafanzeigen vom 18. Dezember 2020 und 30. März 2021 gegen seine Ex-Frau, deren Bruder und deren Eltern rechtskräftig entschieden hat. Schliesslich beantragte er eventualiter die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. Diesen Rekurs überwies der Regierungspräsident mit Schreiben vom 8. September 2023 dem Verwaltungsgericht zum Entscheid. Mit Verfügung vom 11. September 2023 erteilte der Instruktionsrichter des Verwaltungsgerichts dem Rekurs die aufschiebende Wirkung, wies das Sistierungsgesuch aber vorläufig ab. Weiter setzte er dem Rekurrenten eine Frist zum Beleg seiner finanziellen Verhältnisse. Das JSD beantragte mit Vernehmlassung vom 4. Oktober 2023 die kostenfällige Abweisung des Rekurses. Der Rekurrent dokumentierte mit Eingabe vom 5. Oktober 2023 seine finanziellen Verhältnisse, worauf ihm mit Verfügung vom 10. Oktober 2023 die unentgeltliche Prozessführung bewilligt worden ist. Mit Eingabe vom 6. November 2023 replizierte der Rekurrent auf die Vernehmlassung des Departements. Die weiteren Tatsachen und die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen. Der vorliegende Entscheid erging unter Beizug der Vorakten auf dem Zirkulationsweg.

 

 

Erwägungen

 

1.

1.1      Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Beurteilung des vorliegenden Rekurses ergibt sich aus dem Überweisungsbeschluss des Regierungspräsidenten vom 8. September 2023 sowie aus § 42 des Organisationsgesetzes (OG, SG 153.100) in Verbindung mit § 12 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG, SG 270.100). Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des VRPG. Zum Entscheid ist nach § 92 Abs. 1 Ziff. 11 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG 154.100) das Dreiergericht berufen. Der Rekurrent ist als Adressat des angefochtenen Entscheids von diesem unmittelbar berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung Abänderung. Er ist somit gemäss § 13 Abs. 1 VRPG zum Rekurs legitimiert. Der vorliegende Rekurs wurde den Voraussetzungen von § 46 Abs. 1 und 2 OG sowie § 16 Abs. 1 und 2 VRPG entsprechend rechtzeitig angemeldet und begründet, weshalb darauf einzutreten ist.

 

1.2      Die Kognition des Verwaltungsgerichts richtet sich nach der allgemeinen Vorschrift von § 8 VRPG. Demnach hat das Verwaltungsgericht zu prüfen, ob das JSD den Sachverhalt unrichtig festgestellt, wesentliche Form- Verfahrensvorschriften verletzt, öffentliches Recht nicht nicht richtig angewendet von dem ihm zustehenden Ermessen einen unzulässigen Gebrauch gemacht hat. Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift ist das Verwaltungsgericht im Ausländerrecht nicht befugt, über die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung zu entscheiden und damit im Ergebnis sein eigenes Ermessen an Stelle desjenigen der zuständigen Verwaltungsbehörde zu setzen. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind bei der Prüfung der materiellen Rechtmässigkeit eines ausländerrechtlichen Entscheids durch das kantonale Gericht die tatsächlichen Verhältnisse massgebend, wie sie im Zeitpunkt des entsprechenden Gerichtsentscheids herrschen (BGE 127 II 60 E. 1b; BGer 2C_42/2011 vom 23. August 2012 E. 5.3; VGE VD.2022.117 vom 10. November 2022 E. 1.2, VD.2019.75 vom 26. Juni 2019 E. 1.3). Noven sind deshalb in diesem Fall zulässig, obwohl das Verwaltungsgericht nach kantonalem Recht grundsätzlich bloss eine nachträgliche Verwaltungskontrolle ausübt (vgl. zum Ganzen VGE VD.2022.117 vom 10. November 2022 E. 1.2).

 

1.3     

1.3.1   Mit seiner Rekursbegründung verlangt der Rekurrent zur Beurteilung seiner Beweisanträge die Durchführung einer Parteiverhandlung zur Befragung seines Arztes, [...], und seiner Therapeutin, [...]. Dabei seien diese zu befragen, ob die von ihm geschilderten Initialtraumata fachgerecht erhoben, diagnostiziert und in der Therapie erhärtet worden seien.

 

Der Rekurrent beruft sich dabei zu Recht nicht auf einen Anspruch auf Durchführung einer Parteiverhandlung gemäss § 25 Abs. 2 VRPG und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. dazu VGE VD.2022.155 vom 17. Oktober 2022 E. 2 mit Hinweis auf BGE 137 I 128 E. 4.4.2). In den übrigen Fällen liegt es gemäss § 25 Abs. 3 VRPG im Ermessen des instruierenden Präsidenten, ob er auf Antrag von sich aus eine mündliche Verhandlung ansetzt. Eine mündliche Verhandlung mit Anhörung des Rekurrenten wäre nur dann angezeigt, wenn Zeugen zu befragen der persönliche Eindruck des Gerichts vom Rekurrenten für den Verfahrensausgang von entscheidender Bedeutung wären (vgl. VGE VD.2020.92 vom 2. Dezember 2020 E. 1.5.2, VD.2016.152 vom 17. Januar 2017 E. 1.4, VD.2016.96 vom 5. November 2016 E. 2, VD.2014.123 vom 25. November 2014 E. 1.3, VD.2010.39 vom 28. April 2011 E. 1.4). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Wie aufzuzeigen sein wird, bedarf es in antizipierter Beweiswürdigung keiner weiteren Abklärungen im Zusammenhang mit der Therapie des Rekurrenten.

 

1.3.2   Weiter verlangt der Rekurrent die Sistierung des Verfahrens bis zum Entscheid der Staatsanwaltschaft über seine beiden Strafanzeigen vom 18. Dezember 2020 und 30. März 2021 gegen Mitglieder der Familie seiner geschiedenen Ehefrau. Dieser Antrag ist bereits instruktionsrichterlich mit Verfügung vom 11. September 2023 abgewiesen worden. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, folgt aus der Schilderung der geltend gemachten Druckausübung im eingereichten Bericht der narrativen Expositionstherapie (Therapiebericht, act. 5/4), dass es einer Berücksichtigung der Entscheide der Staatsanwaltschaft in antizipierter Beweiswürdigung nicht bedarf, da sich die geltend gemachte Oppression in migrationsrechtlicher Hinsicht auch auf der Grundlage des eingereichten Therapieberichts abschliessend beurteilen lässt.

 

2.

Unstrittig ist vorliegend, dass sich der Rekurrent nach der Scheidung seiner Ehe mit B____ nicht mehr auf den Bewilligungsanspruch gemäss Art. 42 Abs. 1 AIG zum Zweck des Zusammenlebens der Ehegatten berufen kann. Nach der Auflösung der Ehegemeinschaft besteht der Anspruch des nachgezogenen Ehegatten auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 42 Abs. 1 AIG gemäss Art. 50 Abs. 1 AIG dann fort, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und die Integrationskriterien nach Art. 58a erfüllt sind (lit. a) wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b). Unbestritten ist dabei ebenfalls, dass sich der Rekurrent aufgrund der unter drei Jahren verbliebenen Dauer seiner Ehegemeinschaft mit B____ nicht auf einen Anspruch gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG berufen kann. Zu prüfen ist daher ein Anspruch gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG.

 

2.1      Wichtige Gründe gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG werden in Art. 50 Abs. 2 AIG konkretisiert. Sie können danach namentlich dann vorliegen, wenn der nachgezogene Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt geworden ist, die Ehe von ihm nicht aus freiem Willen geschlossen worden ist dessen soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint. Die Aufzählung der wichtigen persönlichen Gründe, die einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen, in Art. 50 Abs. 2 AIG ist aber nicht abschliessend (BGer 2C_397/2020 vom 26. August 2020 E. 5.2, 2C_672/2015 vom 14. März 2016 E. 2.2).

 

2.1.1   Im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 AIG ist jede Form ehelicher bzw. häuslicher Gewalt, sei sie körperlicher psychischer Natur, ernst zu nehmen (BGE 138 II 229 E. 3.2.1; VGE VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.1). Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, setzt häusliche Gewalt im Sinne dieser Bestimmungen systematische Misshandlung physischer psychischer Natur durch den anderen Ehegatten mit dem Ziel, Macht und Kontrolle auszuüben, voraus (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2.1; BGer 2C_802/2020 vom 12. März 2021 E. 2.2, 2C_423/2020 vom 26. August 2020 E. 2.2.1, 2C_2041/2018 vom 20. November 2018 E. 4.1, 2C_428/2012 vom 18. Mai 2012 E. 2.2.3; VGE VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.1). Eine einmalige Ohrfeige eine verbale Beschimpfung im Verlauf eines eskalierenden Streits eine einmalige tätliche Auseinandersetzung, in deren Folge die Ausländerin in psychischem Ausnahmezustand und mit mehreren Kratzspuren im Gesicht einen Arzt aufsucht, genügen nicht zur Begründung eines Anspruchs nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG. Das Gleiche gilt, wenn der Ehepartner die Ausländerin nach einem Streit aus der Wohnung weist, ohne dass das Opfer körperliche psychische Schäden erleidet (BGE 138 II 229 E. 3.2.1; VGE VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.1; vgl. BGer 2C_423/2020 vom 26. August 2020 E. 2.2.1, 2C_241/2018 vom 20. November 2018 E. 4.1). Häusliche Gewalt physischer psychischer Natur im Sinn von Art. 50 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 AIG muss vielmehr von einer gewissen Konstanz bzw. Intensität sein (vgl. BGer 2C_802/2020 vom 12. März 2021 E. 2.3, 2C_423/2020 vom 26. August 2020 E. 2.2.1, 2C_241/2018 vom 20. November 2018 E. 4.1). Dabei gilt das Erfordernis der gewissen Konstanz bzw. Intensität sowohl für die physische psychische Zwangsausübung als auch für deren Auswirkungen (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2.1; BGer 2C_1072/2014 vom 9. Juli 2015 E. 2.2; VGE VD.2022.121 vom 24. März 2023 E. 3.2.1, VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.1). Je nach Intensität kann bereits ein einziger Vorfall häusliche Gewalt begründen. Das trifft vor allem zu, wenn die betroffene Person Opfer eines Mordversuchs schwerer Gewalt durch den Ehegatten geworden ist (BGer 2C_423/2020 vom 26. August 2020 E. 2.2.1; VGE VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.1).

 

2.1.2   Auch psychische bzw. sozioökonomische Druckausübung wie dauerndes Beschimpfen, Erniedrigen, Drohen und Einsperren kann einen für die Annahme eines nachehelichen Härtefalls relevanten Grad an unzulässiger Oppression erreichen. Dies ist der Fall, wenn die psychische Integrität des Opfers bei Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft schwer beeinträchtigt würde. Nicht jede unglückliche, belastende und nicht den eigenen Vorstellungen entsprechende Entwicklung einer Beziehung begründet indessen bereits einen nachehelichen Härtefall und ein weiteres Anwesenheitsrecht in der Schweiz. Die anhaltende, erniedrigende Behandlung muss derart schwer wiegen, dass von der betroffenen Person bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass sie einzig aus bewilligungsrechtlichen Gründen die Ehe aufrechterhält und in einer ihre Menschenwürde und Persönlichkeit verneinenden Beziehung verharrt (BGE 138 II 229 E. 3.2.2; BGer 2C_802/2020 vom 12. März 2021 E. 2.3, 2C_878/2018 vom 23. Januar 2020 E. 5.1; VGE VD.2022.121 vom 24. März 2023 E. 3.2.2, VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.2).

 

2.1.3   Die Abhängigkeit des Opfers häuslicher Gewalt bzw. psychischer Oppression vom Täter soll durch die Bewilligungsfrage nicht verstärkt und die gewaltbetroffene nachgezogene Person nicht vor das Dilemma gestellt werden, in der Zwangssituation verbleiben den Verlust des Aufenthaltsrechts hinnehmen zu müssen (BGE 138 II 229 E. 3.2.2; VGE VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.2, VD.2020.209 vom 27. Mai 2021 E. 3.3.2). Die Gewährung eines Aufenthaltsrechts für Opfer ehelicher Gewalt nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG soll verhindern, dass eine von ehelicher Gewalt betroffene Person nur deshalb in einer für sie objektiv unzumutbaren ehelichen Gemeinschaft verbleibt, weil die Trennung für sie nachteilige ausländerrechtliche Folgen zeitigen würde. Kommt es in einer solchen Situation zur Trennung, transformiert sich der vormals aus der ehelichen Beziehung abgeleitete Aufenthaltsanspruch in einen selbständigen Aufenthaltsanspruch (BGer 2C_802/2020 vom 12. März 2021 E. 2.4, 2C_777/2018 vom 8. April 2019 E. 4.2). Ausgehend vom dargelegten Normzweck ist für die Annahme eines nachehelichen Härtefalls bei häuslicher Gewalt vorauszusetzen, dass ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen der ehelichen Gewalt und der Trennung besteht. Fehlt es an einem solchen Zusammenhang, so ist nicht davon auszugehen, dass sich das Opfer von häuslicher Gewalt in der für die Annahme des nachehelichen Härtefalls vorausgesetzten Dilemmasituation befunden hat, zwischen dem unzumutbaren Verbleib in der Ehe und der Beendigung des Aufenthalts in der Schweiz entscheiden zu müssen (BGer 2C_777/2018 vom 8. April 2019 E. 4.2; VGE VD.2022.121 vom 24. März 2023 E. 3.2.3, VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.3, vgl. BGer 2C_802/2020 vom 12. März 2021 E. 2.4).

 

2.1.4   Entsprechend ihrem Schutzgedanken zielt die Härtefallregelung in Art. 50 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 2 AIG auf Sachverhalte ab, in denen bei Gewaltanwendung unmittelbar davor noch ein Aufenthaltsanspruch nach Art. 42 43 AIG gegeben gewesen ist, sei es, weil die Eheleute zusammengewohnt haben weil wichtige Gründe im Sinn von Art. 49 AIG für das Getrenntleben vorgelegen haben. War der Anspruch nach Art. 42 43 AIG bereits untergegangen, weil es am Zusammenwohnen gefehlt hatte und auch keine wichtigen Gründe für ein Getrenntleben gegeben waren, so kommt ein nachträgliches Wiederaufleben dieses Anspruchs gestützt auf Art. 50 AIG regelmässig nicht in Betracht (BGer 2C_590/2010 vom 29. November 2010 E. 2.5.3; VGE VD.2022.121 vom 24. März 2023 E. 3.2.4; vgl. auch VGE VD.2021.207 vom 31. Januar 2022 E. 3.4.4).

 

2.1.5   Die betroffene ausländische Person trifft bei der Feststellung des entsprechenden Sachverhalts eine weitreichende Mitwirkungspflicht (vgl. Art. 90 AIG). Sie muss die eheliche Gewalt in geeigneter Weise glaubhaft machen (BGE 138 II 229 E. 3.2.3; BGer 2C_802/2020 vom 12. März 2021 E. 2.5, 2C_361/2018 vom 21. Januar 2019 E. 4.3, 2C_1072/2014 vom 9. Juli 2015 E. 2.4; VGE VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.4). Zu diesem Zweck kommen insbesondere die folgenden Beweismittel in Betracht: Arztberichte psychiatrische Gutachten, Polizeirapporte, Berichte Einschätzungen von Fachstellen (Frauenhäuser, Opferhilfe usw.) und glaubhafte Zeugenaussagen von weiteren Angehörigen Nachbarn etc. (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2.3; BGer 2C_802/2020 vom 12. März 2021 E. 2.5, 2C_361/2018 vom 21. Januar 2019 E. 4.3 und 4.6.2, 2C_1072/2014 vom 9. Juli 2015 E. 2.4; VGE VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.4). Allgemein gehaltene Behauptungen Hinweise auf punktuelle Spannungen genügen nicht (BGer 2C_802/2020 vom 12. März 2021 E. 2.5, 2C_1072/2014 vom 9. Juli 2015 E. 2.4). Wird häusliche Gewalt in Form psychischer Oppression behauptet, so müssen die Systematik der Misshandlung bzw. deren zeitliches Andauern und die daraus entstehende subjektive Belastung objektiv nachvollziehbar konkretisiert und beweismässig unterlegt werden (BGE 138 II 229 E. 3.2.3; BGer 2C_802/2020 vom 12. März 2021 E. 2.5). Nur in diesem Fall und beim Bestehen entsprechender Beweisanträge, die nicht in antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen werden können, wobei aber allfälligen sachinhärenten besonderen Beweisschwierigkeiten Rechnung zu tragen ist, rechtfertigt es sich, ein ausländerrechtliches Beweisverfahren durchzuführen (BGE 138 II 29 E. 3.2.3; BGer 2C_1072/2014 vom 9. Juli 2015 E. 2.4; vgl. VGE VD.2022.121 vom 24. März 2023 E. 3.2.5 mit weiteren Hinweisen, VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.4).

 

2.1.6   Art. 59 Abs. 1 der Instanbul-Konvention (SR 0.311.35) wird durch Art. 50 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 2 AIG umgesetzt.

 

2.2      Mit dem angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz erwogen, dass die vermeintliche Gewaltausübung nicht von der Ex-Ehefrau, sondern von den Schwiegereltern des Rekurrenten ausgegangen sei, welche beide nie mit dem Rekurrenten zusammengelebt hätten. In solchen Konstellationen sei anders als bei Gewalt zwischen Ehegatten das Zusammenleben mit den gewaltausübenden Personen als eine notwendige Voraussetzung zu betrachten. Bereits aus diesem Grund seien die vom Rekurrenten geltend gemachten Vorfälle nicht von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG umfasst. Soweit sich der Rekurrent als Opfer von wirtschaftlicher Oppression bezeichne, weil er sein gesamtes Einkommen zu Hause habe abliefern müssen und dabei auch teils voreheliche Steuerschulden seiner Ex-Ehefrau von über CHF 7'500.– habe bezahlen müssen, beziehe er sich auf Bankauszüge der [...]. Daraus werde ersichtlich, dass das Konto des Rekurrenten zwischen dem 17. Mai 2019 und dem 9. April 2020 Belastungen zu Gunsten der Steuerverwaltung Basel-Stadt von insgesamt CHF 7'500.– aufweise. Aus den eingereichten Kontoauszügen gehe aber nicht hervor, dass damit voreheliche Steuern, welche lediglich die Ex- Ehefrau betroffen hätten, bezahlt worden seien. Da er aber seit dem [...] 2018 mit seiner Ex-Ehefrau verheiratet gewesen sei, habe er sich gemäss Art. 163 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB, SR 210) mit ihr über die von ihnen zu leistenden Beiträge an den gemeinsamen Unterhalt zu verständigen. Anstatt von wirtschaftlicher Oppression sei vielmehr von der Aufteilung der ehelichen Beiträge auszugehen. Selbst wenn deshalb voreheliche Steuern der Ehefrau beglichen worden wären, so sei diese finanzielle Unterstützung im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht nach Art. 159 Abs. 3 ZGB geboten gewesen. Er belege auch nicht, dass er sein gesamtes Einkommen zu Hause habe abliefern müssen. Eine wirtschaftliche Oppression als Ausdrucksform von häuslicher Gewalt sei somit nicht rechtsgenüglich belegt worden. Die vom Rekurrenten geltend gemachten Fragen der Schwiegereltern, wieso er ein eigenes Bankkonto habe und wieviel Geld darauf sei, seien zwar äusserst privater Natur. Sie könnten aber selbst dann, wenn sie belegt wären, nicht als Gewalthandlungen aufgefasst werden würden zumindest nicht die nach Art. 50 Abs. 2 AIG erforderliche Intensität erreichen. Das Gleiche gelte auch für die vom Rekurrenten behauptete Forderung seiner Schwiegereltern, dass er kein eigenes Facebook Profil haben, sondern nur noch mit der Ex-Ehefrau auf einem gemeinsamen Konto auftreten dürfe. Selbst wenn dieses Vorbringen belegt wäre, sei die Aussage der Schwiegereltern nicht als Gewalthandlung aufzufassen. Der Rekurrent versuche diesbezüglich vergeblich einen kontrollierenden Einfluss der Schwiegereltern auf seine Lebensgestaltung darzulegen. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, inwiefern die geschiedene Ehefrau daran mittäterschaftlich beteiligt gewesen sein solle.

 

Mit Bezug auf die beiden als Nachweis für die angeblich erlittene häusliche Gewalt angerufenen bei der Staatsanwaltschaft noch hängigen Strafanzeigen des Rekurrenten vom 18. Dezember 2020 und vom 30. März 2021 gegen seine Ex-Ehefrau, seinen Schwager und seine Schwiegermutter wegen Nötigung und Drohung stellte die Vor­instanz fest, dass diese erst einige Zeit nach dem ersten Schreiben des Bereiches BdM vom 25. Juni 2020, mit welchem er nach den Trennungsgründen befragt worden sei, erhoben worden seien. Es liege damit die Vermutung nahe, dass die Strafanzeigen verfahrensbedingt erhoben worden seien. Zudem habe sich der Vorfall vom 30. März 2021 fast ein Jahr nach der Trennung von der geschiedenen Ehefrau ereignet. Es fehle daher ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der ehelichen Gewalt und der Trennung. Gegen einen solchen Zusammenhang spreche auch, dass die Initiative zur Trennung von der geschiedenen Ehefrau ausgegangen sei und sie die gemeinsame Wohnung am 31. Mai 2020 verlassen habe. Der Rekurrent habe sie auch danach noch im Schreiben vom 30. Oktober 2020 gegenüber dem Bereich BdM als herzensguten Menschen bezeichnet, seine Liebe ihr gegenüber kundgetan und an der Ehe mit ihr festgehalten. Dass solche Aussagen der Dynamik von häuslicher Gewalt geschuldet seien, sei widersprüchlich. Erst mit der Begründung des Rekurses an das JSD habe er erstmals die geschiedene Ehefrau als (Mit-)Urheberin der häuslichen Gewalt bezeichnet, wobei aber Anzeichen für ein mittäterschaftliches Handeln für häusliche Gewalt der Ehefrau fehlten.

 

Soweit der Rekurrent eine im Oktober/November 2019 durch seinen Schwiegervater erfolgte Bedrohung geltend mache, als ihm dieser mitgeteilt habe, in Mazedonien und in der Schweiz eine Pistole zu besitzen, weist die Vorinstanz darauf hin, dass er diesbezüglich in einem Schreiben vom 30. Oktober 2020 gegenüber dem Bereich BdM noch selber ausgeführt habe, dass er gar nicht wisse, was der Grund einer solchen Information gewesen und er sich gar nicht sicher sei, ob dies eine Bedrohung gewesen sei. Daraus folge, dass sich der Rekurrent durch diese allfällige Aussage des Schwiegervaters gar nicht bedroht gefühlt habe. Er widerspreche sich selbst, wenn er am 29. Juni 2021 anlässlich der Stellungnahme zum rechtlichen Gehör die angebliche Aussage des Schwiegervaters als massive Drohung gegen sein Leben werte, während er im Schreiben vom 30. Oktober 2020 noch keine entsprechenden Schlüsse gezogen habe. Auch dieses Verhalten des Schwiegervaters stelle deshalb keine psychische häusliche Gewalt im Sinne von Art. 50 Abs. 2 AIG dar. Selbst wenn die Strafanzeigen zu Verurteilungen führten, seien die angelasteten Delikte im Bagatellbereich anzusiedeln.

 

Schliesslich habe sich [...] in dem vom Rekurrenten eingereichten ärztlichen Bericht vom 26. Februar 2021, mit welchem er ihm eine sehr schwere posttraumatische Belastungsstörung mit pathologischen dissoziativen Symptomen seit September 2019 sowie eine leichte depressive Episode diagnostizert habe, lediglich auf die Patientenaussagen des Rekurrenten gestützt und dabei die von diesem berichteten Drohungen aus dem Jahr 2019 als kausale Grundlage für die posttraumatische Belastungsstörung angenommen. Es sei aber noch gar nicht bewiesen, ob es überhaupt zu solchen Drohungen gekommen sei. Der Arztbericht bilde daher keinen Beleg für die behauptete häusliche Gewalt. Zumal er erst nach der Erteilung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz entstanden sei, erscheine er darüber hinaus verfahrensbedingt.

 

2.3      Mit seinem Rekurs hält der Rekurrent daran fest, während der Ehe Opfer häuslicher Gewalt geworden zu sein. Er rügt, dass die Vorinstanz den Begriff der ehelichen Gewalt zu eng auslege. Unter Bezugnahme auf Art. 3 lit. b der Istanbul-Konvention (SR 0.311.35) macht er geltend, dass für die Qualifikation als häusliche Gewalt der Ursprung der Gewalthandlungen in den familiären Verhältnissen bestehe, weshalb auch nahe Verwandte Täter häuslicher Gewalt sein könnten. Die Gewalt müsse sich deswegen auch nicht im gemeinsamen Haushalt abspielen und Täter und Opfer nicht zusammenleben. Das Zusammenleben sei nicht Bedingung für das Vorliegen häuslicher Gewalt.

 

Die Schwiegereltern hätten nur etwa 150 Meter von der Familienwohnung entfernt gewohnt. Er habe gemäss dem Therapiebericht (act. 5/4) beschrieben, wie die Schwiegereltern immer wieder in die Wohnung gekommen seien. Der Schwiegervater sei von September bis Januar jeweils um 22 Uhr vor der Wohnung aufgetaucht und hin und her gelaufen, was ihm Angst gemacht habe. Die kurzen Wege hätten die Machtausübung der Schwiegereltern begünstigt. Es lägen vergleichbare Verhältnisse wie bei gemeinsamem Wohnen vor. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz läge auch wirtschaftliche Oppression vor. Er habe im Mai 2019 Zahlungen an die Steuerverwaltung aufgenommen. Die Steuern für das Jahr 2018 hätten bloss CHF 138.– und CHF 1'757.80 betragen. Es habe daher am 15./22. Mai 2020 eine Rückzahlung von CHF 12'162.20 und CHF 439.65 auf Antrag der Ex-Ehefrau auf deren Konto stattgefunden. Er sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht verpflichtet gewesen, für die vorehelichen Steuern des Jahres 2018 der Ex-Ehefrau aufzukommen. Wie in der Therapie angegeben, habe er bis Oktober 2019 sein gesamtes Geld, wie vom Schwiegervater verlangt, seiner Ex-Ehefrau abgegeben. Nachher seien die Lebenshaltungskosten hälftig aufgeteilt worden. In Bezug auf seine wirtschaftliche Ausbeutung weist der Rekurrent auch auf den Goldschmuck im Wert von über CHF 15'000.– hin, den seine Familie der Ex-Ehefrau als Mitgift geschenkt habe. Mit Bezug auf das behauptete kontrollierende Verhalten der Schwiegereltern verweist er wiederum auf seinen Therapiebericht. Ab November 2019 seien die Probleme eskaliert. Der Schwiegervater habe mehrfach wöchentlich, teilweise auch an seinem Arbeitsort, angerufen, um ihn zu kontrollieren. Er habe ihm gedroht, weil er seinen Facebook-Eintrag wieder reaktiviert habe. Die Schwiegereltern hätten gesagt, dass ihre Tochter die Bewilligung nicht verlängern werde, wenn er nicht gut zu ihr sei. Sie hätten verlangt, dass er ihrer Tochter ein Kind mache, damit sie „blockiert“ sei. Als er dies der Ex-Ehefrau gesagt habe, habe sie auf einer sofortigen Besprechung mit diesen bestanden. Er habe dabei Angst gehabt, mit einem Messer bedroht zu werden. Im Juni 2020 sei es zu zunehmenden Streitigkeiten zwischen den Ehegatten gekommen. Er habe an der Ehe festhalten wollen, während sie auf einer Scheidung bestanden habe. Die Schwiegereltern hätten sich in intimste Bereiche seiner Lebensgestaltung eingemischt. Sie hätten den Abbruch ausserehelicher Kontakte und die Unterwerfung unter die Launen der Ehefrau verlangt und die Kontrolle über die finanzielle Ausgestaltung der Ehe ausgeübt. Er habe sichtlich Angst vor seinem Schwiegervater gehabt. Das Ziel der Familie der Ex-Ehefrau habe offensichtlich darin bestanden, über ihn in einem längeren Zeitraum Macht und Kontrolle durch systematisches Drohen und Anschreien und andere Formen von psychischer Gewalt auszuüben. Die Ex-Ehefrau habe sich damit abgefunden und die Einmischung in Kauf genommen. Somit sei die Mittäterschaft der Ex-Ehefrau zumindest eventualvorsätzlich erstellt. Die eheliche Gewalt sei nicht in erster Linie von der Ex-Ehefrau, welche ihn allerdings finanziell ausgenutzt habe, sondern von den Schwiegereltern ausgegangen. Es sei deshalb nicht widersprüchlich, dass er an der Ehe habe festhalten wollen. Objektiv habe die Ehe jedoch unter den geschilderten Umständen keine Chance gehabt. Soweit er seine Ehefrau auch nachträglich als «herzensguten Menschen» bezeichnet habe, könne dies entsprechend der Veranschaulichung durch die Psychologin Leonore Walker mit der «Zyklustheorie» begründet werden. Das Opfer versuche die Spannungssituationen zu bagatellisieren, den Partner zu besänftigen und sodann die Verletzungen zu vertuschen. Auch er habe den Anteil der Ex-Ehefrau an den Übergriffen der Schwiegereltern bagatellisiert und sogar zu schlichten versucht. Er bestreitet den Vorwurf der rein verfahrensbedingten Einreichung der Strafanzeigen als «beinahe ehrenrührig». Dass er auch fast ein Jahr nach der Trennung am 30. März 2021 von der Familie der Ex-Ehefrau ernsthaft bedroht worden sei, sei ein starkes Indiz für deren Gefährdungspotential. Seine Angst vor der Bedrohung sei durch die Beschreibung seiner Erregungszustände im Therapiebericht seiner Therapeutin belegt. Unerheblich sei, dass er bei ihr nicht von einer Pistole, sondern von einem Messer erzählt habe. Die beanzeigten Delikte bewegten sich keineswegs im Bagatellbereich. Der Bericht von [...] stütze sich wie jeder psychiatrische Bericht in erster Linie auf Patientenaussagen, sei aber fachgerecht erhoben worden. Für die behandelnden Fachleute stehe ausser Frage, dass er durch die Vorfälle in der Ehe einen schwerwiegenden Gesundheitsschaden erlitten habe.

 

2.4      Auch mit den neu eingereichten Belegen, vermag der Rekurrent nicht zu belegen, Opfer häuslicher Gewalt im Sinne von Art. 50 Abs. 2 AIG geworden zu sein.

 

2.4.1   Unbestritten ist zunächst, dass die Ehefrau die Trennung vom Rekurrenten eingeleitet hat, wie dies auch im Bericht der narrativen Expositionstherapie (Therapiebericht, act. 5/4) aus Sicht des Rekurrenten detailliert geschildert wird. Aus der darin enthaltenen Schilderung des Beziehungsablaufs aus der Sicht des Rekurrenten wird deutlich, dass die Beziehung des Rekurrenten zu seiner Ehefrau von Anfang an schwierig und von Differenzen unter den Ehegatten geprägt gewesen ist. Gemäss dem eigenen Therapiebericht hat der Rekurrent schon bei der Verlobung gedacht, dass seine Ehefrau komisch sei. Obwohl er mehrfach geltend macht, wie er sich gegen deren mit teuren Geschenken unterlegtem Drängen gewehrt habe, war er dann aber nach Erhalt der «Bewilligung, um in die Schweiz zu gehen», glücklich, die Zukunft mit ihr planen zu können. Gleichwohl will er schon nach der «interessant organisierten» Hochzeit sofort bemerkt haben, dass etwas nicht in Ordnung gewesen sei. Bereits nach der Hochzeit gab es Differenzen mit der Ehefrau bezüglich finanzieller Fragen, während die Beziehung zu den Schwiegereltern noch gut war. Dies und die weiteren, detailliert geschilderten vielfältigen Differenzen zwischen den Ehegatten zeigen, dass eine nur kurz gelebte eheliche Beziehung vorgelegen hat, welcher wohl von vornherein eine tragfähige Basis gefehlt hat. Die Gründe für das Scheitern der Beziehung werden dabei von den beiden Ehegatten sehr kontrovers geschildert (vgl. Schreiben B____ vom 9. Juli 2020, act. 9 S. 11 f.; Schreiben Rekurrent vom 30. Oktober 2020, act. 9 S. 31 ff.), wobei sich der Rekurrent erst lange nach Ablauf der gesetzten Frist auf entsprechende Mahnung hin äusserte (vgl. Anfrage vom 25. Juni 2020 mit Frist bis zum 9. Juli 2020, act. 9 S. 6 und Mahnung vom 16. Oktober 2020, act. 9 S. 30).

 

Wenn die Initiative für die Trennung wie hier nicht vom behaupteten Opfer kommt, sondern vom anderen Ehegatten, fehlt es oftmals am hinreichenden Zusammenhang zwischen der behaupteten häuslichen Gewalt und der die Aufenthaltsansprüche nach Art. 42 f. AIG beendenden Trennung (BGer 2C_922/2019 vom 26. Februar 2020 E. 3.3, 2C_1017/2016 vom 11. November 2016 E. 2, 2C_1122/2013 vom 15. August 2014 E. 2.3). Auch in einer solchen Konstellation ist allerdings nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das Opfer häuslicher Gewalt trotz der seit etlicher Zeit andauernden häuslichen Gewalt in der Ehe ausharrte, weil es befürchtete, sonst die Schweiz verlassen zu müssen (BGer 2C_922/2019 vom 26. Februar 2020 E. 3.3, 2C_73/2013 vom 3. April 2014 E. 3.1.2). Es kann daher nicht allein ausschlaggebend sein, von wem die Initiative zur Trennung ausgegangen ist. Auch im Fall der Trennung durch den nachziehenden Ehegatten ist daher im Einzelnen zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmass häusliche Gewalt stattgefunden hat (BGer 2C_922/2019 vom 26. Februar 2020 E. 3.3, 2C_777/2018 vom 8. April 2019 E. 4.3; VGE VD.2021.196 vom 17. Dezember 2021 E. 3.4.3).

 

2.4.2   Aus dem eingereichten Therapiebericht wie auch dem ärztlichen Bericht von [...] vom 26. Februar 2021 (act. 9 S. 90 ff.) kann entnommen werden, dass der Rekurrent an Angstzuständen respektive an einer seit September 2019 bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung mit Herzrasen, Todesangst und zittrigen Händen, «sehr belastenden und intrusiven Wiedererinnerungen, verbunden mit vegetativen Reaktionen wie Magenschmerzen, Atemproblemen, Erstickungsgefühl, Stechen im Herz und Schlafstörungen wegen Albträumen über die traumatischen Ereignisse» litt. Da die Behandlung erst am 26. August 2020 und mithin nach erfolgter Trennung aufgenommen worden ist, beruht diese Statusaufnahme allein auf den nachträglichen Angaben des Rekurrenten selbst. Die Behandlung wurde mit dem Ziel der Stabilisierung der Situation bezüglich «Aufenthaltsstatus, Wohnsituation, Arbeitssituation» aufgenommen. Die vom Rekurrenten dabei geklagten Beschwerden bis hin zu Gedächtnislücken, mit welchen die Ex-Ehefrau etwas zu tun haben soll, sowie akustischen Halluzinationen im Jahr 2019 mit einhergehender Derealisation und Depersonalisation werden ursächlich nicht weiter behandelt. Liest man den Therapiebericht, so werden zwar Angstzustände beim Rekurrenten einerseits und eine Einmischung der Schwiegereltern in die Ehe andererseits deutlich. Aus dem Therapiebericht erschliesst sich aber weder ein systematisch oppressives Verhalten der Schwiegereltern geschweige denn der Ehefrau. Dem Therapiebericht kann vielmehr entnommen werden, dass seine Ängste und Belastungen auch aus seiner Furcht vor einer Trennung resultierten, nachdem er «alles verlassen» hatte «wegen» seiner Ex-Ehefrau. Es ging ihm schlecht, er «hatte alles verlassen für [seine] Ex und sie war nicht da». Gleichzeitig beschreibt er seine Sorge über die Reaktion seiner Mutter, welche den schwelenden Konflikt zwischen den Ehegatten wahrgenommen hätte, aber keinen Stress erträge. Dies korreliert mit dem Umstand, dass er ein zweites Studium abgeschlossen hatte, damit seine Eltern stolz auf ihn sein können. Auch nach der Trennung litt er unter der Vorstellung, «was [er] alles verlassen hatte für [seine] Ex. [Sein] Studium in den USA (30'000 Dollar Stipendium)». Hinzu kam die Angst vor einer Wegweisung, «immer wenn die Zeit der Aufenthaltsbewilligung sich näherte, bekam [er] Angst». Die geklagte Belastung fusst daher gemäss seiner eigenen Darstellung in der Therapie gerade auch auf seiner Angst vor dem Verlust der Aufenthaltsbewilligung nach erfolgter Trennung.

 

2.4.3   Schliesslich fehlt für die behauptete «mittäterschaftliche» Begehung der den Schwiegereltern vorgeworfenen Drohungen durch die Ex-Ehefrau eine Grundlage. Wie dem Therapiebericht entnommen werden kann, bestanden auch während der Familiengemeinschaft des Rekurrenten mit seiner Ehefrau erhebliche Differenzen zwischen seiner Ehefrau und deren Eltern. So werden etwa bezüglich der Zahlung von Rechnungen auch lautstark ausgetragene Differenzen zwischen der Ex-Ehefrau und deren Mutter beschrieben. Weiter soll auch seine Ex-Ehefrau nicht gesagt haben, dass sie seine Kontakte mit seinen Kollegen störten, dies sei nur seine Schwiegermutter gewesen. Zudem hat er in der Therapie beschrieben, wie die Ehefrau eine telefonische Kontaktaufnahme des Schwiegervaters mit dem Rekurrenten mit einer Notlüge abgewehrt hat. Auch seine Schwägerin soll ihm bei einer drängenden Anfrage des Schwiegervaters beigestanden sein. Auch Konflikte bezüglich der Haushaltsführung mit den Schwiegereltern betrafen ebenso die Ex-Ehefrau wie den Rekurrenten. Sie soll auch nicht gewollt haben, dass ihre Eltern mit ihm reden, worauf er sich aber gleichwohl von ihnen in ihrer Abwesenheit hat einladen lassen. Auch die Trennung soll die Ehefrau entgegen dem Willen ihrer Eltern vollzogen haben. Daraus folgt, dass die Ehefrau durchaus unabhängig von ihren Eltern gehandelt hat. Eine «mittäterschaftliche» Begehung der den Schwiegereltern vorgeworfenen Bedrohungen würde voraussetzen, dass die Ehefrau bei der Entschliessung, Planung Ausführung dieser Drohungen vorsätzlich und in massgebender Weise mit ihren Eltern zusammengewirkt hat und dabei einen so wesentlichen Beitrag bei der Bedrohung des Rekurrenten geleistet hat, dass diese damit gewissermassen steht fällt (vgl. Forster, in: Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Vor Art. 24 StGB N 7 mit Hinweis auf BGE 135 IV 152 E. 2.3.1, 133 IV 76 E. 2.7, 130 IV 58 E. 9.2.1, 126 IV 84 E. 2c/aa, 125 IV 134 E. 3a, 120 IV 265 E. 2c/aa). Einen solchen «Tatbeitrag» hat der Rekurrent aber auch gegenüber seiner Therapeutin nicht geschildert. Im Gegenteil hat der Rekurrent seine Ehefrau auch nach erfolgter Trennung als herzensguten Menschen beschrieben, welcher sich von den Eltern negativ habe beeinflussen lassen. Auch nach der Trennung und damit der Befreiung aus der von ihm als unzumutbar geschilderten Situation machte er geltend, seine Ehefrau weiter zu lieben und auf ein erneutes Zusammenleben mit ihr zu hoffen (Schreiben vom 30. Oktober 2020, act. 9 S. 31 ff.).

 

2.4.4   Häusliche Gewalt kann auch von Drittpersonen wie den Schwiegereltern ausgehen. Dies gilt zumindest dann, wenn mit ihnen in enger Gemeinschaft zusammengelebt werden muss (BGer 2C_922/2019 vom 26. Februar 2020 E. 3.1). Vorliegend haben die Schwiegereltern zwar in der Nähe gewohnt. Von einer engen Gemeinschaft kann aber gleichwohl nicht gesprochen werden. Massgebend erscheint aber primär, dass auch die gemäss dem Therapiebericht vom Rekurrenten als Bedrohung geschilderten Einmischungen der Schwiegereltern nicht als systematische Oppression qualifiziert werden können. Auch wenn man von häufigen, kontrollierenden Telefonanrufen der Schwiegereltern ausgeht, wie sie im Therapiebericht beschrieben werden, so ist nicht ersichtlich, wieso sich der Rekurrent als studierter Kriminologe davon nicht hätte abgrenzen können. Wie der Rekurrent aufgrund der beschriebenen Interventionen seiner Schwiegereltern gemäss der entsprechenden Skalierung im Therapiebericht in quasi panische Angst geriet, ist aufgrund der beschriebenen objektiven Umstände der Einmischung nicht nachvollziehbar. Auffällig erscheint auch, dass der Rekurrent in der Therapie und nun auch in der verwaltungsgerichtlichen Rekursbegründung beschreibt, Angst davor gehabt zu haben, dass ihn der Schwiegervater mit einem Messer bedroht. Demgegenüber sprach er in seinem Schreiben vom 30. Oktober 2020 (act. 9 S. 30 ff.) noch davon, dass der Schwiegervater ihm gegenüber gesagt haben soll, er verfüge in der Schweiz und in Mazedonien über eine Pistole, und ihn mit dieser Aussage «vielleicht» habe bedrohen wollen. Von einer Angst bezüglich einer Bedrohung mit einem Messereinsatz war weder in diesem Schreiben noch im gesamten Therapiebericht die Rede. Auch im vorinstanzlichen Verfahren sprach der Rekurrent nur von dieser Pistole (vgl. Rekursbegründung Ziff. 4 [act. 8 S. 11 ff.], Replik Ziff. 4 [act. 8 S. 53 ff.), ohne eine Bedrohung durch einen Messereinsatz zu erwähnen, die nun auf der Grundlage des Therapieberichts erstmals thematisiert wird. Die angeblich von den Schwiegereltern während der ehelichen Gemeinschaft aufgebaute Drohkulisse ist daher vom Rekurrenten im Verlauf des Verfahrens zumindest unterschiedlich beschrieben worden, was auffällig erscheint.

 

2.4.5   Schliesslich kann der Rekurrent auch aus dem von ihm geschilderten Vorfall vom 30. März 2021 nichts zu seinen Gunsten ableiten. Dieser Vorfall ereignete sich erst knapp ein Jahr nach der Trennung der Ehegatten. Entsprechend ihrem Schutzgedanke zielt die Härtefallregelung in Art. 50 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 2 AIG auf Sachverhalte ab, in denen bei Gewaltanwendung unmittelbar davor noch ein Aufenthaltsanspruch nach Art. 42 43 AIG gegeben gewesen ist, sei es, weil die Eheleute zusammengewohnt haben weil wichtige Gründe im Sinne von Art. 49 AIG für das Getrenntleben bestanden haben. War der Anspruch nach Art. 42 43 AIG bereits untergegangen, weil es am Zusammenwohnen gefehlt hatte und auch keine wichtigen Gründe für ein Getrenntleben gegeben waren, so kommt ein nachträgliches Wiederaufleben dieses Anspruchs gestützt auf Art. 50 AIG regelmässig nicht in Betracht (BGer 2C_590/2010 vom 29. November 2010 E. 2.5.3; vgl. auch VGE VD.2021.207 vom 31. Januar 2022 E. 3.4.4). Gewalthandlungen nach der Trennung können höchstens als Indiz für frühere, während der ehelichen Gemeinschaft geübte Muster dienen. Allerdings belegen nach der Auflösung des gemeinsamen Haushalts begangene Gewalthandlungen keinesfalls generell die Gewalthaltigkeit der Beziehung während der Dauer der Hausgemeinschaft. Ob das Verhalten nach der Trennung gewisse Rückschlüsse auf das Verhalten während des Zusammenlebens zulässt, ist vielmehr im Einzelfall aufgrund der konkreten Umstände zu prüfen (VGE VD.2022.121 vom 24. März 2023 E. 3.2.4). Aufgrund der detaillierten Schilderung der angeblichen Bedrohung durch die Familie der Ehefrau im Therapiebericht muss die vom Rekurrenten behauptete Gewaltanwendung während der Dauer der ehelichen Gemeinschaft nicht auf diese Weise rekonstruiert werden. Vielmehr kann für deren Beurteilung direkt darauf abgestellt werden. Im Übrigen belegt die Schilderung des Vorfalls vom 30. März 2021 im Therapiebericht objektiv auch keine besonders bedrohliche Situation. Zunächst traf der Rekurrent einen Schwager an, der «immer nett mit [ihm]» gewesen ist. Auch der zweite, hinzukommende Schwager soll ihn einfach gefragt haben, wie es ihm gehe. Warum er deshalb Angst davor gehabt haben will, dass er ihn schlägt, wird nicht erläutert. Angespannter wird die Situation nach dem Eintreffen von Ehefrau und Schwiegermutter und schliesslich auch des Schwiegervaters geschildert. Dabei soll es zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen sein, bei welcher die Familie der Ehefrau den Rekurrenten beleidigt und ihm ihre Hoffnung, dass er weggewiesen werde, zum Ausdruck gebracht haben soll. Aus der Schilderung des Ablaufs ist aber nicht ersichtlich, wieso der Rekurrent Angst vor physischer Gewalt haben sollte.

 

2.4.6   Schliesslich vermögen auch die Kontroversen der Ehegatten und die Ansprüche der Familie der Ehefrau an den Rekurrenten in finanziellen Belangen keine häusliche Gewalt im Sinne von Art. 50 Abs. 2 AIG zu begründen. Belegt ist, dass der Rekurrent an die Steuerverwaltung Zahlungen im Betrag von CHF 7'500.– geleistet hat. Belegt ist auch eine grössere Rückzahlung der Steuerverwaltung an die Ehefrau (act. 5/11), welche noch während der Dauer des Zusammenlebens an sie erfolgt ist. Soweit der Rekurrent darüber hinaus geltend macht, dass er zumindest bis Oktober 2019 alle eigenen Lohneinkünfte der Ehefrau habe abgeben müssen, fehlt hierfür jeder Beleg. Bei einem eigenen monatlichen Einkommen zwischen CHF 3'700.– und CHF 4'250.– folgt dies entgegen seiner Behauptung auch nicht aus den nachgewiesenen Leistungen an die Steuerverwaltung. Die Behauptungen des Rekurrenten stehen denn auch in offenem Widerspruch zur Behauptung der Ehefrau, dass sie alle Rechnungen für sich und den Rekurrenten habe bezahlen müssen und sie nicht wisse, was er mit seinem Lohn gemacht habe (Schreiben vom 9. Juli 2020, act. 9 S. 11 f.). Insbesondere bleibt der Rekurrent jeden Beweis schuldig, dass er neben den Steuerzahlungen weitere Zahlungen an den Unterhalt geleistet seinen Lohn der Ehefrau überwiesen hätte. Replicando weist er zwar mit entsprechenden Kontoauszügen regelmässige, zum Teil hohe Bezüge ab seinem Lohnkonto nach. Daraus geht aber nicht hervor, wofür er die bezogene Barschaft verwendet hat. Replicando führt er denn auch aus, dass sich die Verhältnisse ab Oktober 2019 gebessert hätten aufgrund der neuen Vereinbarung. Gerade ab September 2019 soll jedoch der oppressive Druck der Schwiegereltern gemäss dem Therapiebericht richtig begonnen haben, sodass nicht ersichtlich erscheint, in welchem Zusammenhang dieser zu den vormaligen Bezügen stehen soll. Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob der Rekurrent zur Zahlung von vorehelichen Steuerschulden der Ehefrau aufgrund seiner ehelichen Beistandspflicht verpflichtet gewesen ist. Wie der Rekurrent schliesslich aufgrund des als «Mitgift» von seiner Familie der Ehefrau geschenkten Goldschmucks auf seine «wirtschaftliche Ausbeutung» schliessen möchte, ist unerfindlich, zumal der Rekurrent nicht einmal behauptet, dass der Schmuck bei der Ehefrau verblieben ist. Auch eine systematische finanzielle Oppression ist daher nicht ersichtlich.

 

2.4.7   Auch die strafrechtliche Beurteilung seiner beiden Strafanzeigen gegen die Familie der Ehefrau braucht nicht abgewartet zu werden. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die im Therapiebericht geschilderten Einflussnahmen der Familie der Ehefrau auf die Ehe des Rekurrenten und auf diesen selber erstellt wären, läge kein Fall häuslicher Gewalt im Sinne von Art. 50 Abs. 2 AIG vor. Vor diesem Hintergrund bedarf es auch keiner Befragung der behandelnden Medizinalpersonen, wie sie vom Rekurrenten beantragt worden ist.

 

2.5

2.5.1   Schliesslich hat die Vorinstanz erwogen, dass auch ansonsten aufgrund der Gesichtspunkte gemäss Art. 31 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) kein schwerwiegender persönlicher Härtefall beim Rekurrenten und damit kein persönlicher wichtiger Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG vorliege. Sein Aufenthalt seit dem [...] Dezember 2018 entspreche einer kurzen Aufenthaltsdauer. Mit Bezug auf seine sprachliche Integration habe der Rekurrent zwar Belege über den Besuch mehrerer Sprachkurse eingereicht, aber keine entsprechenden Zeugnisse, Diplome Zertifikate belegt. Es seien zwar Bemühungen vorhanden, sich die deutsche Sprache anzueignen. Es liege aber noch keine überdurchschnittliche Integration in sprachlicher Hinsicht vor. Aufgrund seiner Erwerbstätigkeit vom 2. Januar 2019 bis zum 31. März 2020 als Mitarbeiter Unterhaltsreinigung bei der [...] GmbH, vom 1. Juni 2020 bis zum 2. September 2020 in einem unbekannten Pensum als Filialmitarbeiter bei der [...] AG und seit dem 1. April 2021 resp. schon seit dem 12. November 2020 in einem 80-Prozent Pensum wiederum bei der [...] GmbH als Mitarbeiter Unterhaltsreinigung hat die Vorinstanz die berufliche Integration des Rekurrenten als gut bezeichnet. Aufgrund diverser positiv zu wertender Referenzschreiben hat sie auch die soziale Integration als gut betrachtet. Unter Berücksichtigung der eher kurzen Anwesenheit des Rekurrenten bewertete sie seine Integration aber nicht derart aussergewöhnlich gut, dass bereits ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG abgeleitet werden könne.

 

Auch seine Reintegration in Nordmazedonien sei nicht besonders stark gefährdet. Er habe seine gesamte Kindheit und einen beträchtlichen Teil seines Erwachsenenlebens dort verbracht und sei daher mit den sozialen, sprachlichen und kulturellen Gegebenheiten bestens vertraut. Er habe an der Universität [...] ein Studium der Kriminalistik absolviert und im August 2019 mit dem Berufstitel eines Kriminalisten abgeschlossen. Auch vor bzw. neben dem Studium sei er in Nordmazedonien berufstätig gewesen und habe als Taxifahrer gearbeitet. Damit sei auch die berufliche Wiedereingliederung in Nordmazedonien möglich. Er verfüge dort mit seinen Eltern und Grosseltern auch über ein soziales Beziehungsnetzwerk. Auch die posttraumatische Belastungsstörung führe nicht dazu, dass die Wiedereingliederung in Nordmazedonien als stark gefährdet erscheine. So sei auf der Website des Auswärtigen Amtes Deutschlands ersichtlich, dass beispielsweise in der Hauptstadt Skopje die medizinische Versorgung sehr gut sei.

 

2.5.2   Demgegenüber macht der Rekurrent weiterhin einen Härtefall geltend und verweist diesbezüglich auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Entscheid VGE VD.2009.718 vom 10. Juni 2010. Der damals beurteilte Sachverhalt erscheint aber offensichtlich nicht vergleichbar. Der damalige Rekurrent hat seine Heimat bereits im Alter von 17 Jahren verlassen und sich seither während 15 Jahren in Deutschland und in der Schweiz aufgehalten, wo auch seine Integration ins Berufsleben erfolgt ist. Es wurde ihm daher zu Recht nicht eine kurze, sondern eine insgesamt längere Aufenthaltsdauer in der Schweiz attestiert (vgl. E. 4.2.1).

 

Nach Art. 50 Abs. 2 AIG und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dazu kann ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG namentlich vorliegen, wenn die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (BGE 138 II 229 E. 3.1, 136 II 1 E. 5). Bei der Prüfung dieser Frage sind sämtliche Aspekte des Einzelfalles mitzuberücksichtigen, namentlich auch die in Art. 31 Abs. 1 VZAE erwähnten Gesichtspunkte. Erforderlich ist, dass die persönliche, berufliche und familiäre Wiedereingliederung als stark gefährdet erscheint; nicht entscheidend ist hingegen, ob ein Leben in der Schweiz einfacher wäre und – aus welchen Gründen auch immer – vorgezogen würde. Ein nachehelicher Härtefall setzt aufgrund der konkreten Umstände eine erhebliche Intensität der Konsequenzen für das Privat- und Familienleben der ausländischen Person voraus, die mit ihrer Lebenssituation nach dem Dahinfallen der Anwesenheitsberechtigung verbunden sind (BGer 2C_822/2018 vom 23. August 2019 E. 3.3.1). Dabei genügt eine erfolgreiche Integration in der Schweiz für eine Bewilligung nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG für sich genommen nicht (BGer 2C_822/2018 vom 23. August 2019 E. 3.3.4, mit Hinweis auf BGer 2C_228/2018 vom 14. März 2019 E. 5.3, 2C_578/2011 vom 1. Dezember 2011 E. 3.3).

 

Soweit der Rekurrent mit seiner Rekursbegründung eine überdurchschnittliche Integration behauptet, ist darauf hinzuweisen, dass auch eine rasche Integration nicht genügt, um nach dem Scheitern einer belastenden und nicht den eigenen Vorstellungen entsprechenden Ehe einen Härtefall gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG zu begründen (BGer 2C_682/2021 vom 3. November 2021 E. 4.2.3). Zur Begründung eines entsprechenden Anspruchs genügt daher sein Plan, sich mit einer eigenen Firma eine selbständige Erwerbstätigkeit in der Reinigungsbranche aufzubauen, nicht, auch wenn er dabei von der Personalberatung des RAV Basel-Stadt unterstützt worden ist (vgl. act. 5/7). Nachdem der Rekurrent – wenn auch noch nicht rechtskräftig – weggewiesen worden ist, kann er auch aus der replicando nachgewiesenen Gründung einer eigenen GmbH nichts zu seinen Gunsten ableiten. Auch der Verweis auf Art. 19 AIG geht fehl, zumal diese Bestimmung keinen Bewilligungsanspruch vermittelt. Schliesslich belegt der Rekurrent auch in sprachlicher Hinsicht weiterhin nur die Belegung eines weiteren Kurses, ohne eigentliche Diplome über die Beherrschung der deutschen Sprache auf einem bestimmten Niveau einzureichen.

 

2.5.3   Mit der Vorinstanz ist daher festzustellen, dass der Rekurrent keinen Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG nachzuweisen vermag.

 

3.

Daraus folgt, dass der Rekurs abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Rekurrent auch dessen Kosten mit einer Gebühr von CHF 1'200.– (§ 30 Abs. 1 VRPG, § 23 Abs. 1 Reglement über die Gerichtsgebühren [SG 154.810]). Diese gehen jedoch zu Folge der Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung an ihn zu Lasten des Staates. Seinem Vertreter ist zudem ein Honorar aus der Gerichtskasse auszurichten. Dieser hat es unterlassen, dem Gericht eine Honorarnote einzureichen, weshalb sein angemessener Aufwand vom Gericht zu schätzen ist. Angemessen erscheint dabei ein Aufwand von insgesamt 12 Stunden für die Rekursanmeldung, die Rekursbegründung und die Replik. Daraus folgt ein Honorar von CHF 2'400.– (§§ 15 und 20 des Honorarreglements [HoR, SG 291.400]) und ein pauschalierter Auslagenersatz von CHF 72.– (§ 23 Abs. 1 HoR), je zuzüglich Mehrwertsteuer.

 

 

Demgemäss erkennt das Verwaltungsgericht (Dreiergericht):

 

://:        Der Rekurs wird abgewiesen.

 

Der Rekurrent trägt die Gerichtskosten des verwaltungsgerichtlichen Rekursverfahrens mit einer Gebühr von CHF 1'200.–, einschliesslich Auslagen. Diese Kosten gehen zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege zu Lasten der Gerichtskasse.

 

Zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege wird dem Rechtsbeistand des Rekurrenten, [...], für das verwaltungsgerichtliche Rekursverfahren ein Honorar von CHF 2'400.–, zuzüglich Auslagen von CHF 72.– und 7,7 % MWST von CHF 190.35, aus der Gerichtskasse ausgerichtet.

 

Mitteilung an:

-       Rekurrent

-       Justiz- und Sicherheitsdepartement Basel-Stadt

-       Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt

-       Staatssekretariat für Migration (SEM)

 

 

APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT

 

Die Gerichtsschreiberin

 

 

MLaw Melissa Buser

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.

 

Ob an Stelle der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.



 
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