| Appellationsgericht Dreiergericht |
SB.2023.52
ZWISCHEN-ENTSCHEID
vom 9. Oktober 2023
Mitwirkende
lic. iur. Eva Christ , Prof. Dr. Cordula Lötscher , Prof. Dr. Ramon Mabillard
und Gerichtsschreiberin lic. iur. Mirjam Kündig
Beteiligte
A____, geb. [...] Berufungskläger 1
[...]
vertreten durch [...], Rechtsanwalt,
[...]
B____, geb. [...] Berufungskläger 2
[...]
vertreten durch [...],
[...]
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Berufungsbeklagte
Binningerstrasse 21, 4001 Basel
C____ Privatklägerin
[...]
vertreten durch [...], Advokat
[...]
Gegenstand
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen
vom 19. Januar 2023
betreffend fahrlässige Tötung
Sachverhalt
Mit Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen vom 19. Januar 2023 wurden A____ und B____ je wegen fahrlässiger Tötung zu bedingten Geldstrafen und solidarisch zu einer Genugtuung von CHF 10'000.-- und einer Parteientschädigung von CHF 7'443.60 an die Privatklägerin verurteilt. Gegen dieses Urteil erklärten sowohl A____, vertreten durch Rechtsanwalt [...], als auch B____, vertreten durch Rechtsanwältin [...], mit jeweiliger Eingabe vom 30. Juni 2023 Berufung mit dem Antrag auf Freispruch bzw. auf Einstellung des Strafverfahrens. Beide Berufungen richteten sich auch gegen die Zivilforderung der Privatklägerin sowie die Kostenverlegung. Die Staatsanwaltschaft, vertreten durch D____, erklärte mit Eingabe vom 6. Juli 2023 Anschlussberufung betreffend beide Beschuldigte und Berufungskläger und reichte zugleich neue Aktenstücke ein. Mit ihrer Anschlussberufung beantragte die Staatsanwaltschaft eine erneute Prüfung und gegebenenfalls eine angemessene Erhöhung des Strafmasses sowie die Abweisung der beiden Berufungen. Der Berufungskläger B____ beantragte hierauf mit Eingabe vom 14. Juli 2023 Nichteintreten auf die Anschlussberufung unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Staatskasse. Denselben Antrag stellte der Berufungskläger A____ mit Eingabe vom 19. Juli 2023. Mit Stellungnahme vom 25. Juli 2023 beantragte die Staatsanwaltschaft, über die Nichteintretensanträge sei vom Gericht «nach Ermessen zu urteilen». Mit begründetem Zwischen-Entscheid vom 22. August 2023 trat das Appellationsgericht auf die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft nicht ein.
Mit Eingabe vom 18. September 2023 akzeptierte die Staatsanwaltschaft den Zwischen-Entscheid vom 22. August 2023, stellte jedoch ein Begehren um Überarbeitung der dazugehörenden Begründung. Mit instruktionsrichterlicher Verfügung vom 20. September 2023 wurde den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme bis 6. Oktober 2023 gegeben. Mit Eingabe vom 26. September 2023 verzichtete der Berufungskläger A____ auf eine Stellungnahme zur Eingabe der Staatsanwaltschaft. Der Berufungskläger B____ liess sich innert Frist nicht vernehmen.
Der vorliegende Entscheid ist aufgrund der Akten und auf dem Zirkulationsweg ergangen. Die Einzelheiten des Sachverhalts und der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid relevant sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.
Erwägungen
1.
1.1
1.1.1 Der Staatsanwalt hatte mit seiner Eingabe vom 25. Juli 2023 den Entscheid über Eintreten Nichteintreten auf seine Anschlussberufung ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt. Den in der Folge ergangenen Nichteintretensentscheid vom 22. August 2023 focht er konsequenterweise nicht an, sondern akzeptierte ihn gemäss seiner Eingabe vom 18. September 2023 ausdrücklich. Damit ist der genannte Zwischen-Entscheid mit Ablauf der Rechtsmittelfrist am 2. Oktober 2023 in Rechtskraft erwachsen (vgl. dazu auch instruktionsrichterliche Verfügung vom 20. September 2023).
1.1.2 Mit seiner Eingabe vom 18. September 2023 beantragt der Staatsanwalt, die Begründung des genannten Entscheids sei zu überarbeiten. Eine gesetzliche Grundlage für dieses Begehren ist nicht ersichtlich, sind doch Begründungen eines Entscheides als solche nicht anfechtbar. Nachdem der Staatsanwalt den Nichteintretensentscheid nicht angefochten hat, ist sein Begehren am ehesten als Berichtigungsgesuch gemäss Art. 83 StPO zu verstehen.
1.2
1.2.1 Ist das Dispositiv eines Entscheides unklar, widersprüchlich unvollständig steht es mit der Begründung im Widerspruch, so nimmt die Strafbehörde auf Gesuch einer Partei von Amtes wegen eine Erläuterung Berichtigung des Entscheids vor (Art. 83 Abs. 1 der Strafprozessordnung [StPO, SR 321.0]). Erläuterung und Berichtigung sind keine Rechtsmittel, sondern sog. Rechtsbehelfe. Sie sind nicht fristgebunden, und bezwecken nicht die materielle Überprüfung eines Entscheids, sondern dessen Klarstellung bzw. die Korrektur offensichtlicher Versehen (Brüschweiler/Nadig/Schneebeli, in: Donatsch et al. [Hrsg.] Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 2020, Art. 83 N. 1 ff.; Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich 2018, Art. 83 N 1 ff.; Stohner, in: Basler Kommentar, 2. Auflage, Basel 2014, Art. 83 StPO N 1 ff.). Das Ersuchen ist schriftlich einzureichen und die beanstandeten Stellen beziehungsweise die gewünschten Änderungen sind anzugeben. (Art. 83 Abs. 2 StPO). Zuständig zur Erläuterung und Berichtigung ist die Strafbehörde, die den Entscheid gefällt hat. Der Rechtsbehelf wirkt mithin nicht devolutiv. Vom Gesetzgeber wird nicht zwingend vorgeschrieben, dass die nämlichen Richterinnen und Richter beim Erläuterungs- Berichtigungsentscheid mitwirken. Da es jedoch um die authentische Interpretation ihres Willens geht, ist der Entscheid – wenn möglich – im Rahmen der identischen Gerichtsbesetzung vorzunehmen. Wo der zu erläuternde berichtigende Entscheid von einer Kollegialbehörde ergangen ist, ist auch eine Kollegialbehörde für die Erläuterung respektive Berichtigung zuständig (Brüschweiler/Nadig/Schneebeli, a.a.O., Art. 83 N 5; Stohner, a.a.O., Art. 83 StPO N 11).
1.2.2 Zuständiges Berufungsgericht für den Zwischen-Entscheid vom 22. August 2023 war nach Art. 88 Abs. 1 und 92 Abs. 1 Ziff. 1 des baselstädtischen Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG 154.100) ein Dreiergericht des Appellationsgerichts. Entsprechend ist dieses auch für den Entscheid über das Gesuch um Erläuterung und Berichtigung des Urteils zuständig.
1.3
1.3.1 Ein Berichtigungsgesuch bezieht sich ausschliesslich auf Unklarheiten, Widersprüchlichkeiten Unvollständigkeiten im Dispositiv auf einen Widerspruch des Dispositivs zur Begründung. An dieser Anforderung, die sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, hält das Bundesgericht in einer eher restriktiven Auslegung fest. Es hat dazu in einem Leitentscheid ausgeführt, «Erläuterung und Berichtigung bezwecken nicht die materielle Überprüfung eines Entscheids, sondern dessen Klarstellung beziehungsweise die Korrektur offensichtlicher Versehen. Ein solches liegt vor, wenn aus der Lektüre des Texts eines gerichtlichen Entscheids eindeutig hervorgeht, dass das, was das Gericht aussprechen anordnen wollte, nicht übereinstimmt mit dem, was es tatsächlich ausgesprochen angeordnet hat (…). Es muss sich mit anderen Worten um einen Fehler im Ausdruck und nicht in der Willensbildung des Gerichts handeln. Eine Entscheidung, die so gewollt war, wie sie ausgesprochen wurde, die aber auf einer irrtümlichen Sachverhaltsfeststellung auf einem Rechtsfehler beruht, kann nicht berichtigt werden» (BGE 142 IV 281 E. 1.3; vgl. auch BGer 6B_727/2012 vom 11. März 2013 E. 4.2.1). Typischer Anwendungsfall der Berichtigung sind denn auch offensichtliche Redaktions- Rechnungsfehler. Zu denken ist ferner an irrige Bezeichnungen der Parteien der mitwirkenden Richterinnen und Richter (Stohner, a.a.O., Art. 83 N 10; AGE BES.2019.258 vom 27. Juli 2020 E. 1.1).
1.3.2 Der Zwischenentscheid vom 22. August 2023 ist samt Begründung bei den Mitgliedern des Spruchkörpers zirkuliert und in allseitigem Einverständnis redigiert sowie den Parteien eröffnet worden. Dass dabei ein irgendwie geartetes Versehen passiert mit dem Dispositiv etwas ausgesprochen worden wäre, was nicht dem Willen des Gerichts entsprach, trifft klarerweise nicht zu und wird vom Staatsanwaltschaft auch nicht behauptet. Vielmehr ist offensichtlich, dass vorliegend kein Anwendungsfall für eine Berichtigung nach Art. 83 StPO gegeben ist. Damit besteht keinerlei Grundlage für das Begehren der Staatsanwaltschaft. Dies dürfte auch dem Staatsanwalt klar sein, der im Übrigen in seiner Eingabe vom 18. September 2023 keine Gesetzesbestimmung und auch keine Bezeichnung für seinen Antrag anführt. Sein Begehren, «die Begründung dieses Entscheids zu überarbeiten und das vorliegende Schreiben den zuständigen Mitgliedern des Spruchkörpers in Kopie zu übermitteln», erscheint unter diesen Umständen eher als Bekundung von Missfallen, denn als begründeter Antrag. Es erübrigt sich damit, zu den Vorbringen des Staatsanwalts inhaltlich Stellung zu nehmen.
2.
2.1 Aus diesen Erwägungen folgt, dass auf das Gesuch der Staatsanwaltschaft nicht eingetreten wird.
2.2 Die Kostenverteilung für den vorliegenden Zwischen-Entscheid erfolgt mit dem Endentscheid.
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):
://: Auf das Begehren des Staatsanwaltes um Überarbeitung der Begründung des Zwischenentscheids vom 22. August 2023 wird nicht eingetreten.
Die Kostenverteilung für den vorliegenden Zwischenentscheid erfolgt mit dem Endentscheid.
Mitteilung an:
- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt
- Berufungskläger 1
- Berufungskläger 2
- Strafgericht Basel-Stadt
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
lic. iur. Eva Christ lic. iur. Mirjam Kündig
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.