| Appellationsgericht Dreiergericht |
SB.2022.101
URTEIL
vom 10. November 2023
Mitwirkende
lic. iur. Eva Christ (Vorsitz),
Dr. phil. und MLaw Jacqueline Frossard, Prof. Dr. Cordula Lötscher
und Gerichtsschreiberin lic. iur. Barbara Grange
Beteiligte
A____, geb. [...] Berufungsklägerin
[...] Beschuldigte
vertreten durch [...], Advokat,
[...]
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Berufungsbeklagte
Binningerstrasse 21, 4001 Basel
Gegenstand
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen
vom 20. Juni 2022 (ES.2021.372)
betreffend Hinderung einer Amtshandlung und Diensterschwerung
Sachverhalt
Mit Strafbefehl vom 25. Mai 2021 wurde A____ des Hausfriedensbruchs, der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, der Hinderung einer Amtshandlung, der Diensterschwerung und der Verletzung der Verkehrsregeln schuldig erklärt und zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu CHF 30.–, mit bedingtem Strafvollzug und unter Auferlegung einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 760.– (bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise eine Freiheitsstrafe von 8 Tagen) verurteilt. Nach erfolgter Einsprache gegen diesen Strafbefehl wurde A____ mit Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen vom 20. Juni 2022 der Hinderung einer Amtshandlung und der Diensterschwerung schuldig erklärt und zu einer Geldstrafe von 5 Tagessätzen zu CHF 30.–, mit bedingtem Strafvollzug und unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 100.– (bei schuldhafter Nichtbezahlung ersatzweise 1 Tag Freiheitsstrafe) verurteilt. Vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie vom Vorwurf der Verletzung von Verkehrsregeln wurde sie freigesprochen. Im Anklagepunkt des Hausfriedensbruchs wurde das Verfahren zufolge Rückzugs des Strafantrags eingestellt. Gleichzeitig wurde ihr eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 1'200.– (inkl. MWST und Auslagen) zugesprochen und die beantragte Mehrforderung abgewiesen. Ausserdem wurde sie zur Bezahlung von reduzierten Verfahrenskosten im Umfang von CHF 310.60 und zur Bezahlung einer reduzierten Urteilsgebühr von CHF 600.– verpflichtet, wobei die Mehrkosten von CHF 89.80 zu Lasten der Staatskasse verlegt wurden. Verfügt wurde auch der Verbleib des USB-Sticks mit Aufzeichnungen der unbewilligten Demonstration vom 4. Juli 2020 durch die Polizei bei den Akten. Hintergrund der Verurteilung durch das Strafgericht ist die Teilnahme von A____ an einer unbewilligten Demonstration am 4. Juli 2020.
Gegen das Strafurteil vom 20. Juni 2022 hat A____ Berufung angemeldet und erklärt. Mit Berufungserklärung vom 26. September 2022 lässt sie die vollumfängliche Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat sie um Fristsetzung zur Einreichung einer schriftlichen Berufungsbegründung sowie um Gelegenheit zum Verfassen einer Replik zu einer allfälligen Berufungsantwort der Staatsanwaltschaft ersucht. Nachdem ihrem Verteidiger die Frist zur Einreichung einer schriftlichen Berufungsbegründung dreimal regulär und zweimal nachperemptorisch erstreckt worden ist, hat er mit Eingabe vom 22. Mai 2023 nochmals um nachperemptorische Fristerstreckung bis Mitte August 2023 ersucht. Mit Instruktionsverfügung vom 23. Mai 2023 ist der Staatsanwaltschaft das dritte Gesuch um nochmalige nachperemptorische Fristerstreckung bzw. um faktische Verfahrenssistierung zur Kenntnis zugestellt worden, mit Fristsetzung zur Stellungnahme zum Antrag der Verteidigung, wobei das Nichteinbringen eines Einwands als Zustimmung gewertet werde. Dem Verteidiger ist die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung mit der Instruktionsverfügung einstweilig und bis zum Erlass einer neuen Verfügung erstreckt worden. Mit Eingabe vom 30. Mai 2023 hat die Staatsanwaltschaft die Abweisung einer erneuten nachperemptorischen Fristsetzung bzw. der faktischen Sistierung beantragt. Mit Eingabe vom 6. Juni 2023 hat der Verteidiger ein Ausstandsgesuch gegen die zuständige Staatsanwältin eingereicht, wobei der Verteidiger deren Befangenheit aus ihrer Stellungnahme zur verlangten dritten nachperemptorischen Fristsetzung vom 30. Mai 2023 ableitet. Mit Instruktionsverfügung vom 7. Juni 2023 ist dem Verteidiger eine peremptorische Nachfrist bis zum 14.Juli 2023 eingeräumt sowie angekündigt worden, dass die Kanzlei sich zwecks Ansetzens der Hauptverhandlung ab der 31. Kalenderwoche mit den Parteien in Verbindung setzen werde. Mit einer weiteren Instruktionsverfügung desselben Tages ist den Parteien die Überweisung des Ausstandsgesuchs an den Vorsitzenden der Abteilung Strafrecht des Appellationsgerichts zur Zuteilung an die Beschwerdeinstanz mitgeteilt worden. Mit Eingabe vom 14. Juli 2023 hat die Verteidigung um Sistierung des Verfahrens bis zum Entscheid über das Ausstandsverfahren ersucht. Mit Instruktionsverfügung vom 17. Juli 2023 ist der Antrag auf Sistierung des Berufungsverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ausstandverfahrens abgelehnt worden. Nachdem innert der peremptorischen Nachfrist keine schriftliche Berufungsbegründung eingegangen ist, hat der Verteidiger eine solche am 8. November 2023 und damit zwei Tage vor der anberaumten Berufungsverhandlung eingereicht. Einen Tag zuvor hatte die Verteidigung dem Gericht zudem eine schriftliche Stellungnahme der Berufungsklägerin zur Strafsache zukommen lassen, die bis zu diesem Zeitpunkt von ihrem Schweigerecht im Strafverfahren Gebrauch gemacht hatte. Mit der Berufungsbegründung vom 8. November 2023 lässt die Berufungsklägerin in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Befragung von Wachtmeister [...], Major [...], Wachtmeister [...], Polizist [...], Polizist [...], Gefreiter [...] und Gefreiter [...] beantragen. Zudem seien die mit der Berufungsbegründung eingereichten Videos «Zusammenschnitt Vergleich FCB-Solidemo» und «10 vor 10 vom 22. April 2021» zu den Akten zu nehmen (gemeint wohl auch: und zu sichten). Sodann sind mit der Eingabe vier Beilagen eingereicht worden, namentlich eine Urteilsbegründung des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 13. Oktober 2020, ein «Demo-Guide» von Amnesty international, das Merkblatt der Basler Kantonspolizei «ohne Probleme seine Meinung kundtun» und das Merkblatt des Basler Justiz- und Sicherheitsdepartements (JSD) «Die Basler Demo-Praxis. Eine Erläuterung».
An der Berufungsverhandlung ist die Berufungsklägerin zur Sache und zu ihrer Person befragt worden, wobei sie nur wenige Angaben zur Person und zur Sache weiterhin von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Ihr Verteidiger ist zum Vortrag gelangt, wobei an den schriftlich gestellten Rechtsbegehren sowie an den Beweisanträgen festgehalten wurde. Die beantragte Sichtung der mit Eingabe vom 8. November 2023 eingereichten zwei Videodateien wurde im Gerichtssaal in Anwesenheit der Berufungsklägerin vorgenommen. Ausserdem ist seitens der Verteidigung ein Auszug aus einem Bericht des Schweizer Radio und Fernsehens zum Thema Pressefreiheit eingereicht worden. Die zur Berufungsverhandlung fakultativ geladene Staatsanwaltschaft hat an der Verhandlung nicht teilgenommen. Auf die Einzelheiten des Sachverhalts und der Parteistandpunkte wird, soweit für den Entscheid von Relevanz, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Erwägungen
1.
Urteile des Strafgerichts unterliegen der Berufung an das Appellationsgericht (Art. 398 Abs. 1 Strafprozessordnung [StPO, SR 312.0]). Zuständig für Berufungen gegen Urteile des Einzelgerichts des Strafgerichts ist das Dreiergericht des Appellationsgerichts (§ 92 Abs. 1 Ziff. 1 Gerichtsorganisationsgesetz [GOG, SG 145.100]). Die Berufungsklägerin ist zur Berufung legitimiert (Art. 382 StPO). Diese ist form- und fristgemäss angemeldet und erklärt worden (Art. 399 StPO), so dass auf sie einzutreten ist. Das Berufungsgericht beurteilt die Sache mit voller Kognition (Art. 398 Abs. 3 StPO).
2.
2.1 Die Berufungsklägerin muss Beweisanträge - Noven vorbehalten - in der Berufungserklärung stellen (Art. 399 Abs. 3 lit. c StPO). Gemäss konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts ist dies jedoch nur eine Ordnungsvorschrift, weshalb es zulässig ist, noch bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens Beweisabnahmen zu beantragen. Das Berufungsgericht muss die Parteien nicht nach Art. 345 StPO zur Nennung von Beweisen auffordern (zum Ganzen: BGE 143 IV 214, Regeste). Ein verspätetes Stellen von Beweisanträgen kann einzig Kostenfolgen nach sich ziehen; worauf die Parteien hinzuweisen sind, was mit der Verfügung vom 7. Juni 2023 vorliegend geschehen ist. Das Einreichen einer schriftlichen Berufungsbegründung ist in der StPO nicht vorgesehen. Es steht den Parteien mithin frei, ihre Begründung der Berufung erst in der mündlichen Verhandlung vorzutragen. Die nach Ablauf der gesetzten Frist eingereichte Berufungsbegründung ist dem Gesagten nach zu den Akten zu nehmen und über die beantragten Beweisabnahmen ist zu befinden.
2.2 Die Berufungsklägerin lässt, wie bereits vor erster Instanz, die Befragung von diversen Mitarbeitenden der Polizei beantragen, die am Polizeieinsatz betreffend die unbewilligte Demonstration vom 4. Juli 2020 beteiligt waren.
Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt (Art. 139 Abs. 2 StPO). Zudem können die Strafbehörden gemäss ständiger Rechtsprechung ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) und des Untersuchungsgrundsatzes auf die Abnahme weiterer Beweise verzichten, wenn sie in Würdigung der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangen, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und sie überdies in antizipierter Würdigung zum Schluss kommen, ein an sich taugliches Beweismittel vermöge ihre aufgrund der bereits abgenommenen Beweismittel gewonnene Überzeugung von der Wahrheit Unwahrheit einer strittigen Tatsache nicht zu ändern (BGE 147 IV 534 E. 2.5.1, 146 III 73 E. 5.2.2, 144 II 427 E. 3.1.3; BGer 6B_387/2023 vom 21. Juni 2023 E. 2.3.4, je m.w.H.). Da es den Strafbehörden obliegt, die Beweise rechtskonform zu erheben, sind die notwendigen Ergänzungen nicht nur auf Antrag einer Partei, sondern gegebenenfalls auch von Amtes wegen vorzunehmen (s. zum Ganzen: BGE 143 IV 288 E. 1.4.1, 141 IV 39 E. 1.6., 140 IV 196 E. 4.4.1; BGer 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 2.3.6, 6B_1087/2019 vom 17. Februar 2021 E. 1.2.1, je m. Hinw.). Im Rechtsmittelverfahren ist sodann Art. Art. 389 Abs. 1 StPO zu beachten. Demnach beruht das Rechtsmittelverfahren auf den bereits im Vorverfahren und erstinstanzlichen Hauptverfahren erhobenen Beweisen. Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts sind im Rechtsmittelverfahren nur zu wiederholen, wenn sie unvollständig waren, die entsprechenden Akten unzuverlässig erscheinen Beweisvorschriften verletzt worden sind (Art. 389 Abs. 2 StPO). Zusätzliche Beweise sind zu erheben, soweit es erforderlich ist (389 Abs. 3 StPO). Das ist dann der Fall, wenn die Beweiserhebungen den Ausgang des Verfahrens beeinflussen könnten (BGE 141 I 60 E. 3.3; BGer 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 2.3.6, 6B_1352/2019 vom 14. Dezember 2020 E. 2.4.2, 6B_83/2020 vom 18. Juni 2020 E. 1.3.1).
2.3 Wie bereits das Strafgericht im angefochtenen Urteil ausführt (Strafurteil S. 4 f., act. 284 f.), sind diverse am Polizeieinsatz involvierte Beamte und Beamtinnen bereits im Vorverfahren einvernommen worden. Sie äussersten sich allerdings alle in allgemeiner Art und Weise zum Einsatz und nicht zu spezifischen Vorkommnissen betreffend einzelne Teilnehmende der Demonstration (act. 79 ff.). Die Berufungsklägerin führt nicht aus, was eine weitere Befragung einzelner Mitarbeitenden der Polizei an neuen Erkenntnissen zu erbringen vermöchte, insbesondere bringt sie nicht vor, jemand aus dem Polizeicorps könne spezifische Angaben zu den Vorkommnissen betreffend ihre Person machen. Hinzu kommt, dass der rechtlich zu würdigende Sachverhalt (das Verbleiben der Berufungsklägerin im Demonstrationskessel und ihre Weigerung, diesen freiwillig zu verlassen, um sich der angekündigten Personenkontrolle zu unterziehen; s. unten E. 2.4.2 f.), mit den vorhandenen Videodateien mittels objektiver Beweismittel dokumentiert ist (Videoaufnahmen [...], Datei C0064, ab Laufzeit 00.11). Damit kann in antizipierter Beweiswürdigung (Art. 139 Abs. 2 StPO) davon ausgegangen werden, dass eine (erneute) Befragung der genannten Polizeimitarbeitenden keine neuen Aspekte, Beweise Indizien zum zu beurteilenden Sachverhalt ergeben würde. Der Beweisantrag auf Befragung der im Sachverhalt genannten Polizeimitarbeitenden wird damit abgewiesen.
2.4
2.4.1 Sodann hat die Berufungsklägerin die Sichtung der beiden mit Eingabe vom 8. November 2023 eingereichten Videodateien beantragt. Diesem Antrag ist das Berufungsgericht insoweit gefolgt, als es die Videos anlässlich der Hauptverhandlung gesichtet hat. Bereits die Begründung des Antrags liess indessen vermuten, dass der Inhalt der Videodateien wenig zum effektiven Thema der Berufungssache beitragen könne. Gemäss der Verteidigung sollten die Videobeiträge zum Verständnis der eingereichten schriftlichen Stellungnahme der Berufungsklägerin beitragen (Prot. HV Berufungsverhandlung act. 463). Diese legt in ihrer Stellungnahme dar, an der Kundgebung vom 4. Juli 2020 teilgenommen zu haben, weil es ihr wichtig sei « […] sich Faschismus sowohl im politischen Kontext wie auch im alltäglichen Leben bestimmt entgegenzustellen […] ». Sie habe der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt zeigen wollen, dass sie nicht damit einverstanden sei, wenn Menschen kriminalisiert würden, « […] die sich gegen offenkundig Rechtsextreme mit rassistischen und antisemitischem Gedankengut einsetzen […] ». Ihr Recht, diese Meinung zu äussern, sei ihr durch den gewaltvollen Einsatz der Polizei entzogen worden.
2.4.2 Damit verkennt die Berufungsklägerin den im Rahmen des gegenständlichen Berufungsverfahrens zu würdigenden Sachverhalt und die daraus resultierenden Sachverhalts- und Rechtsfragen. Die Berufungsklägerin ist vom Strafgericht wegen Hinderung einer Amtshandlung und Diensterschwerung verurteilt worden, weil es das Strafgericht entsprechend dem Anklagesachverhalt als erstellt erachtet hat, dass sie am Nachmittag des 4. Juli 2020 an einer unbewilligten Kundgebung in unmittelbarer Nähe zum Gebäude der Staatsanwaltschaft teilgenommen habe. Aufgrund des vorhandenen und von der Polizei erstellten Videomaterials zu dieser Demonstration sei weiter erstellt, dass sich die Berufungsklägerin in der Menge der Demonstrierenden befunden habe, welche von der Polizei im Nachtigallenwäldeli eingekesselt worden sei, nachdem die Demonstrierenden den Verkehr behindert und ihre Ansammlung entgegen den Aufforderungen der Polizei nicht freiwillig aufgelöst hätten. In der Folge habe sich die Berufungsklägerin - anstatt sich freiwillig der gegen 16.00 Uhr über Megaphon angekündigten Personenkontrolle mit Erhebung der Personalien zu unterziehen - bei den beiden neben ihr im Kessel stehenden Personen mit Armen und Beinen eingehängt und damit die Durchführung der angekündigten Kontrolle bzw. den Zugriff der Polizeimitarbeitenden erschwert. Als die Berufungsklägerin gegen 18.00 Uhr einer Personenkontrolle habe unterzogen werden sollen, habe sie deren reibungslosen Ablauf behindert, indem sie die Kooperation verweigert und sich mit aller Kraft gegen ihre Auslösung aus dem Kreis der Demonstrierenden gesperrt habe. Als nicht erstellt hat die Vorinstanz den Vorwurf erachtet, dass die Berufungsklägerin nach ihrer erfolgten Auslösung aus dem Kreis der Demonstrierenden tätlich gegen einen Polizeibeamten vorgegangen sei, weshalb sie von der Vorinstanz vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte freigesprochen worden ist. Ebenfalls als nicht erstellt erachtet hat das Gericht die gemäss Anklageschrift durch die Berufungsklägerin erfolgten Verletzungen von Verkehrsregeln während der Teilnahme an der Demonstration.
2.4.3 Die zugestandene und aktenkundige Teilnahme der Berufungsklägerin an der unbewilligten Demonstration vom 4. Juli 2020 (s. unten E. 3.1) wird und wurde ihr, wie dargelegt, im gegenständlichen Verfahren gar nie strafrechtlich vorgeworfen. Es geht mithin ausschliesslich um die Beurteilung der Frage, ob sich die Berufungsklägerin mit ihrem Handeln nach der polizeilichen Auflösung der unbewilligten Demonstration bzw. der Einkesselung der Demonstrierenden im Nachtigallenwäldeli im Sinne der Anklage strafbar gemacht hat. Nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist eine allgemeine Einordnung und Beurteilung des polizeilichen Vorgehens anlässlich der unbewilligten Demonstration vom 4. Juli 2020, zumal eine Amtshandlung nur dann nicht unter den Schutz von Art. 286 Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0; Hinderung einer Amtshandlung) fällt, wenn sie offensichtlich nichtig ist (s. dazu unten E. 3.2). Es ist folglich nicht ersichtlich und ist von der Verteidigung auch nicht dargelegt worden, welche fallrelevanten Erkenntnisse die Videodatei «Zusammenschnitt Vergleich FCB-Solidemo» für den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt zu liefern vermag. Ebenfalls nicht zu überprüfender Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens sind die im Kanton geltenden, rechtlich geregelten Voraussetzungen für die Durchführung einer Demonstration bzw. deren Recht- und Verhältnismässigkeit. Es sei an dieser Stelle vollständigkeitshalber einzig ausgeführt, dass es sich entgegen den Ausführungen der Verteidigung bei der Durchführung einer Demonstration gemäss langjähriger Rechtsprechung und Lehre um das geradezu klassische Lehrbuchbeispiel von gesteigertem Gemeingebrauch der Allmend handelt und auch die Zulässigkeit der Schaffung einer Bewilligungspflicht für solche Anlässe grundsätzlich unbestritten ist (Häfelin et. al., Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 10. Auflage 2020, N 471; BGE 132 I 256 E. 3). Auch das mit der schriftlichen Berufungsbegründung eingereichte Urteil des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 13. Oktober 2020 vermag keine wesentlichen Rechtsüberlegungen und -auslegungen für das vorliegende Prozessthema zu vermitteln. Anders als vorliegend wurde der in jenem Verfahren beschuldigten Person im durch das Berner Gericht zu beurteilenden Strafbefehl Landfriedensbruch (Art. 260 StGB) vorgeworfen und damit die Teilnahme an einer öffentlichen Zusammenrottung, an welcher es mit vereinten Kräften zu Gewalttätigkeiten gegen Menschen Sachen gekommen sein soll. Damit vermag die Argumentation des Regionalgerichts Bern-Mitteland, wonach die dort beschuldigte Person vom Vorwurf des Landfriedensbruchs freigesprochen wurde, weil das Gericht verneinte, dass an es an jener Demonstration zu Gewalttätigkeiten gegen Menschen Sachen gekommen sei (bzw. darauf verwies, dass «selbst wenn im Verbrennen der Spraydosen und Kleider eine "Gewalttätigkeit gegen Sachen" gesehen würde», zu diesem Zeitpunkt offensichtlich keine friedensbedrohliche Stimmung geherrscht habe), und überdies der beschuldigten Person keine Gewalttätigkeiten gegen Menschen Sachen, welche sie selber ausgeführt haben soll, nachgewiesen werden konnten, keine Auswirkung auf das vorliegende Berufungsurteil zu entfalten. Dies weil das Berufungsgericht die dort erörterte Rechtsfrage vorliegend von Vornherein nicht zu beantworten hat. Inwieweit ein Medienartikel zum Thema der Schweizerischen Pressefreiheit im Zusammenhang mit Demonstrationen fallrelevant sein soll, führt die Verteidigung nicht aus und erschliesst sich dem Gericht auch nicht selbständig aufgrund der Akten und des Prozessthemas. Ebenfalls keinen Einfluss auf die rechtliche Subsumtion des Anklagesachverhalts hat, ob die Staatsanwaltschaft in einem eine andere Person betreffenden Strafverfahren das im Strafprozess geltende Beschleunigungsgebot verletzt hat (Videodatei «10 vor 10 vom 22. April 2021 betreffend ein Strafverfahren wegen möglichweise rassistischer Äusserungen des vormaligen Basler Sektionspräsidenten der "Partei national orientierter Schweizer" [Pnos]»). Da der Beitrag sodann knapp ein Jahr nach dem gegenständlichen Vorfall gesendet wurde, liefert er auch keine unmittelbare Erklärung für die Motivation der Berufungsklägerin, an der unbewilligten Demonstration teilzunehmen, weshalb er auch keinen Eingang in Überlegungen zur Strafzumessung finden kann.
Zusammenfassend ist folglich festzuhalten, dass die Videodateien zwar wie beantragt durch das Gericht gesichtet und sämtliche eingereichten Beilagen zu den Akten genommen worden sind, diese allerdings allesamt als für das vorliegende Verfahren irrelevant bezeichnet werden können.
2.4.4 In Entgegnung der doch etwas polemisierend anmutenden Argumentation der Verteidigung sei vollständigkeitshalber ausgeführt, dass auf den aktenkundigen Videodateien der Kantonspolizei ersichtlich ist, dass diese nicht unmittelbar ab Beginn der unbewilligten Demonstration eingriff. Vielmehr beschränkte sie sich auf die Beobachtung der Formierung des Demonstrationszugs. Erst als die Demonstrierenden Strasse und Tramgleis blockierten und dort Ansprachen gehalten wurden, wurden die Teilnehmenden durch die Polizei abgemahnt und aufgefordert, die Verkehrskreuzung freizugeben und bewegten sich die Polizeibeamten schliesslich auf den Demonstrationszug zu (Videoaufnahmen [...], Dateien C0008-C0014). Inwieweit ein sich in Bewegung befindlicher sonst wie nicht längerfristig den Verkehr blockierender Demonstrationszug von der Polizei toleriert worden wäre, ist angesichts dieser Umstände nicht bekannt. Gleichzeitig erschliesst sich dem Berufungsgericht nicht, weshalb sich den Demonstrierenden eine Blockierung des Verkehrs als notwendig aufgedrängt haben könnte. Wie bereits das Strafgericht zu Recht ausführt, wären den Demonstrierenden durchaus Alternativen zur Verfügung gestanden, die Demonstration so durchzuführen, dass sie (wie von den Demonstrierenden gewünscht) in Hör- und Sichtweite des Gebäudes der Staatsanwaltschaft hätte stattfinden können, ohne andere Strassen- und Verkehrsteilnehmer in einem grösseren Ausmass zu beeinträchtigen (s. Strafurteil S. 8, act. 288)
3.
3.1 Unbestritten und aufgrund des umfangreichen Videomaterials aktenkundig belegt ist, dass sich am Nachmittag des 4. Juli 2020 vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft ein unbewilligter Demonstrationszug formierte, welcher sich um ca. 15.40 Uhr auf die Fahrbahn der Binningerstrasse begab. Dort blieb der Zug auf der nahe gelegenen Kreuzung und auf den Tramgleisen stehen, welche er entgegen den Aufforderungen der Polizei nicht freigab, sondern sich erst von dieser entfernte, als Polizeibeamte sich um ca.15.52 Uhr dem Demonstrationszug näherten. Daraufhin begaben sich viele Teilnehmende der Demonstration in Richtung Nachtigallenwäldeli, wo sie von der Polizei eingekesselt und gegen 16.00 Uhr aufgefordert wurden, sich einer Personenkontrolle mit Erfassung der Personendaten zu unterziehen.
Die Teilnahme an dieser Demonstration wird mittels der eingereichten Stellungnahme zu den Gründen der Teilnahme durch die Berufungsklägerin nun (neu) explizit zugestanden. Die Teilnahme der Berufungsklägerin an der Demonstration sowie deren Verbleib im «Demonstrationskessel» ergibt sich allerdings auch aus den Akten, wo sie auf diversen Videodateien zweifelfrei optisch identifiziert werden kann, da sie bei der Personenkontrolle durch die Polizei ihre Identitätskarte haltend fotografiert wurde (act. 74 ff.). Der Vorrichter hat erwogen, dass «aufgrund der visuellen Eindrücke an der Hauptverhandlung sowie den Angaben im Polizeirapport» zunächst kein Zweifel daran bestehe, dass sich die Berufungsklägerin als «Kontrollierte 48» an der Kundgebung vom 4. Juli 2020 beteiligt habe. Ebenso sei erstellt, dass sie sich nicht von der Menge distanzierte, sondern im Pulk verblieb, in welchem sich Demonstrierende an Armen und Füssen ineinander einhakten. Sie habe gegen 17:57 Uhr von der Polizei aus dem inneren Kreis der Demonstrierenden gelöst werden können und habe sich dagegen mittels massiven Sperrens aktiv gewehrt (Strafurteil S. 8, act. 288). Diesen Ausführungen schliesst sich das Berufungsgericht an. Letztlich bestätigte aber auch die Verteidigung bereits an der Strafgerichtsverhandlung, dass es sich bei der Person auf den von der Vorinstanz im Zusammenhang mit den Strafvorwürfen aufgrund des Verbleibens im Demonstrationskessel an der Strafgerichtsverhandlung gesichteten und im Strafurteil zitierten Videodateisequenzen, um die Berufungsklägerin handelt (Prot HV Strafgericht act. 263: «Es zeigt den vermeintlichen Schlag in Zeitlupe. Es scheint, als hätte es mehr Polizisten als Demonstranten. Meine Mandantin ist mit dem Arm an den anderen Herrn eingehakt […] »). Dass die Berufungsklägerin sich entsprechend dem Anklagesachverhalt bis kurz vor 18.00 Uhr im Demonstrationskessel aufhielt, ihre Kooperation mit der Polizei verweigerte und sich gegen ihre von den Polizeibeamten angestrebte Auslösung aus dem Demonstrationskessel – wo sie sich bei den neben ihr stehenden Demonstrierenden untergehakt hatte – wehrte, ist folglich erstellt.
3.2 Gemäss Art. 286 Ziff. 1 StGB wird bestraft, wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde einen Beamten an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, hindert, zu einer Amtshandlung nötigt während einer Amtshandlung tätlich angreift. Der Tatbestand der Hinderung der Amtshandlung ist ein Erfolgsdelikt. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Täterschaft die Handlung einer Amtsperson ganz verunmöglicht; es genügt, dass sie deren Ausführung erschwert, verzögert behindert (BGE 133 IV 97 E. 4.2; BGer 6B_20/2018 vom 10. April 2018 E. 3.3). Sanktioniert wird grundsätzlich jedes Verhalten, das zu einer Beeinträchtigung der Amtshandlung führt. Allerdings ist ein Mindestmass an Intensität des Verhaltens vorausgesetzt; der blosse Ungehorsam bzw. das blosse Nichtbefolgen einer Amtshandlung genügt nicht. Vom Tatbestand erfasst ist indessen jede Widersetzlichkeit, die sich in gewissem Umfang in einem aktiven Tun ausdrückt. Ein gegen die Amtsträgerschaft gerichteter physische Angriff ist nicht verlangt (s. zum Ganzen: Heimgartner, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht 2,4. Auflage 2019, Art. 286 N 4 ff.).
Was das Kriterium einer Handlung innerhalb der Amtsbefugnisse betrifft, sind die Anforderungen an deren Rechtmässigkeit gemäss bundesgerichtlicher Praxis nicht hoch, weshalb die Ausführungen des Verteidigers zur angeblichen Unverhältnismässigkeit der Personenkontrolle zum Vornherein ins Leere gehen. In Art. 215 Abs. 1 StPO wird unter dem Titel «Polizeiliche Anhaltung» vermerkt, dass die Polizei im Interesse der Aufklärung einer Straftat eine Person anhalten und wenn nötig auf die Polizeiwache bringen kann, um die Identität festzustellen (lit. a), die Person kurz zu befragen (lit. b), abzuklären, ob sie eine Straftat begangen hat (lit. c) um abzuklären, ob nach ihr nach Gegenständen, welche sich in ihrem Besitz befinden, gefahndet wird (lit. d.). In § 34 Polizeigesetz (PolG; SG 510.100) wird der Polizei die Befugnis eingeräumt, im Zuge einer Fahndung, zur Abwehr einer Gefahr, zur Durchsetzung der Rechtsordnung unter den Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 PolG zum Schutz privater Rechte die Identität einer Person festzustellen und abzuklären, ob nach ihr nach Fahrzeugen anderen Sachen, die sich in ihrem Gewahrsam befinden, gefahndet wird sie die Rechtsordnung verletzt hat. Die überprüften Personen können gemäss § 35 PolG in eine Dienststelle verbracht werden, wenn ihre Identität an Ort und Stelle nicht sicher nur mit erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Nach diesen Vorgaben erscheinen die besagten Personenkontrollen der Polizei grundsätzlich zulässig. Im Übrigen könnte ein fehlerhaftes Vorgehen der Polizei für die Strafbarkeit der Berufungsklägerin nur dann relevant sein, wenn das polizeiliche Vorgehen ihr Anlass dazu gegeben hätte, von einer geradezu nichtigen Polizeihandlung auszugehen. So ist von den Bürgerinnen und Bürgern im modernen demokratischen Rechtsstaat kein blinder Gehorsam zu erwarten, weshalb sie sich krass ungerechten Anordnungen widersetzen dürfen. Zugleich aber kann auch nicht jedem Adressaten und jeder Adressatin eines Befehls die Befugnis eingeräumt werden, dessen Rechtmässigkeit – unter Umständen noch im Vollstreckungsstadium - bis ins Detail zu überprüfen (Trechsel/Vest in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Praxiskommentar StGB, 4 Auflage 2021, Vor Art. 285 N 2). Dieses Dilemma wird in der Praxis so gelöst, dass nicht jede Unrechtmässigkeit, sondern nur massive und offensichtliche Rechtsmängel einer Amtshandlung zu einem Widerstandsrecht der befehlsempfangenden Person führen und damit deren Strafbarkeit aufzuheben vermögen. Dabei ist grundsätzlich bezüglich Formvorschriften selbst bei der Anordnung von Zwangsmassnahmen wie etwa einer Verhaftung das Abstellen auf formelle Kriterien meistens nicht möglich. In Bezug auf materielle Mängel braucht es eine polizeiliche Handlung, die als nichtig im Sinne eines Evidenzverstosses erscheint, die also einen schwerwiegenden Mangel aufweist, der offensichtlich zumindest leicht erkennbar ist und dessen Beachtung mit der Nichtigkeitsfolge die Rechtssicherheit nicht ernsthaft gefährdet. Das Bundesgericht fordert darüber hinaus noch, dass Rechtsmittel keinen wirksamen Schutz erwarten lassen und der Widerstand der Bewahrung Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands dient (vgl. zum Ganzen, z.T. kritisch: Heimgartner, a.a.O., Vor Art. 285 StGB N 9, N 15 ff.; Trechsel/Vest, a.a.O., vor Art. 285 N 18-23b). Auch wenn man sich der Kritik der Lehre insoweit anschliesst und diese letzteren Kriterien des Bundesgerichts nicht verlangt, so ist vorliegend doch klar, dass das Verhalten der Polizei von der Berufungsklägerin nicht als nichtig im Sinne der Evidenztheorie betrachtet werden durfte. Etwaige Einwände, welche auf der angeblichen Unrechtmässigkeit des polizeilichen Handelns fussen, sind somit in jedem Fall unbehelflich.
3.3 Mit ihrer Weigerung, den Demonstrationskessel freiwillig zu verlassen und mittels aktivem, körperlichem Sperren gegen ihre Herauslösung aus demselben, hat die Berufungsklägerin den Tatbestand der Hinderung einer Amtshandlung klarerweise erfüllt. Dass sie dies auch wusste und wollte, ergibt sich sodann zwangslos aus den äusseren Umständen. Der Schuldspruch ist demnach zu Recht erfolgt und die Berufung ist abzuweisen.
3.4 Nach § 4 Übertretungsstrafgesetz (ÜStG, SG 253.100) wird mit Busse bestraft, wer Angehörigen der Kantonspolizei anderer Organe mit polizeilichen Kompetenzen die Ausübung ihres Dienstes erschwert ihren Anordnungen Aufforderungen nicht nachkommt, die sie innerhalb ihrer Befugnisse erlassen, namentlich betreffend Angabe der Personalien. Damit entspricht § 4 ÜStG im Wesentlichen dem früheren § 16 Abs. 1 und 2 aÜStG. Geschütztes Rechtsgut dieses Tatbestandes ist die öffentliche Gewalt, mithin das reibungslose Funktionieren der staatlichen Organe, wie es auch von Art. 285 ff. StGB geschützt wird. Mit dem blossen Übertretungstatbestand von § 16 aÜStG werden leichtere Fälle sanktioniert, welche den Tatbestand der Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB) gar der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB) noch nicht erfüllen. Entsprechend sind die Anforderungen an die tatbestandsmässige Handlung in § 16 aÜStG nicht hoch anzusetzen. So braucht es bei der Diensterschwerung im Gegensatz zur Hinderung einer Amtshandlung kein Widersetzen, das sich in einem gewissen aktiven Störverhalten ausdrückt, sondern es genügt bereits eine leichtere Beeinträchtigung des Dienstes an sich das blosse Nichtbefolgen einer Anordnung (vgl. hierzu Ratschlag zur Totalrevision des ÜStG vom 28. März 2018 Ziff. 5.4.2 S. 17 f.). In jedem Fall stellt ein renitentes und streitbares Verhalten anlässlich einer Polizeikontrolle, welches die Tätigkeit der Polizei nur wenig verzögert geringfügige zusätzliche Umstände verursacht, ein tatbestandsmässiges Verhalten dar. Selbst das Aushändigen des Ausweises erst nach der zweiten dritten Aufforderung wird in der kantonalen Praxis gemeinhin als Diensterschwerung qualifiziert (AGE SB. 2019.25 vom 20. Dezember 2019 E. 5.3; StGE ES.2017.892 vom 18. April 2019 E. II. 2; SG.2014.99 vom 20. Juni 2014 E. III.6, best. in SB.2014.91. vom 13. November 2015).
Das Bundesgericht erachtete in einem Entscheid aus dem Jahr 2018 eine Bestimmung im zürcherischen kantonalen Polizeirecht, welche das Nichtbefolgen einer polizeilichen Anordnung unter Strafe stellt, als zulässig. In jenem Fall hatte sich der Betroffene einer Personenkontrolle widersetzt, deren Voraussetzungen im Zürcherischen PolG im Wesentlichen gleich wie im Basler PolG geregelt sind. Das Bundesgericht schützte die deswegen ausgesprochene Busse und taxierte die Verurteilung als nicht grundrechtswidrig. Es erwog dazu, eine Personenkontrolle greife nur kurzfristig und leicht in die Bewegungsfreiheit ein und setzte keine hohen Anforderungen an das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit einer solchen Kontrolle (BGer 6B_1174/2017 vom 7. März 2018 E. 3.3 und 4.5 ff. m.w.H.). Die Frage, ob eine kantonalrechtlich geregelte «Diensterschwerung» nur dann nicht strafbar sei, wenn das Verhalten der Polizei geradezu nichtig bzw. offensichtlich unrechtmässig erscheine, liess das Bundesgericht im genannten Entscheid zwar unbeantwortet. Allerdings weisen seine Erwägungen klarerweise in diese Richtung. Insgesamt vermöchte es nicht zu überzeugen, in Bezug auf die Diensterschwerung als blossen Übertretungstatbestand von strengeren Voraussetzungen an die Rechtmässigkeit des polizeilichen Handelns auszugehen als in Bezug auf die eingriffsintensiveren Tatbestände des Strafgesetzbuches. Daran kann auch der im totalrevidierten ÜStG eingefügte Zusatz, dass die Anordnung der Polizei «innerhalb ihrer Befugnisse» liegen müsse, nichts ändern. Damit ist ganz offenkundig lediglich das Kriterium gemeint, wonach eine «Amtshandlung» im Sinne von Art. 285 ff. vorliegen muss (vgl. hierzu Heimgartner, a.a.O., Vor Art. 285 N 9). Ähnlich entschied das Bundesgericht in einem Fall aus dem Kanton Bern im Jahr 2020. Dort hielt es fest, dass ein kantonalrechtlicher Übertretungsstraftatbestand wegen «Ungehorsams gegenüber der Polizei» nicht gegen Bundesrecht verstosse und die Kantone befugt seien, die Weigerung, auf gerechtfertigte Anordnung eines Polizeibeamten die Identität offenzulegen, mit Busse zu ahnden (BGer 6B_74/2020 vom 24. September 2020 E. 2.5.2 m.w.H.). Auch in jüngeren Entscheiden hielt es wiederholt fest, dass die Weigerung, sich auf Aufforderung der Polizei auszuweisen, vom kantonalen Übertretungsstrafrecht mit einer Busse geahndet werden dürfe, was keinen Verstoss gegen das nemo tenetur-Prinzip bedeute (BGer 6B_1325/2021 vom 27. September 2022 E. 5.2.3 m.w.H.).
3.5 Der Berufungsklägerin wird in der Anklageschrift als Diensterschwerung das Verweilen im Demonstrationskessel vorgeworfen. Sie habe der Aufforderung der Polizei, welche per Megaphon Personenkontrollen ankündigte, keine Folge geleistet, sondern sei im Pulk geblieben, woraus sie erst über 90 Minuten nach Beginn der polizeilichen Intervention habe gelöst und einer Personenkontrolle unterzogen werden können. Als Tathandlung reicht dies entsprechend den Erwägungen aus, schliesslich wurde die Arbeit bereits aufgrund des zuerst schlicht passiven Verhaltens der Berufungsklägerin in zeitlicher Hinsicht massiv verzögert. Auch hier kann die bloss persönliche Wertung, wonach die Polizei anlässlich der damaligen - notabene unbewilligten - Demonstration «übertrieben» habe, gemäss den strengen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zweifellos nicht zu einem Widerstandsrecht führen. Die Berufung ist demnach auch in diesem Punkt abzuweisen und die Verurteilung wegen Diensterschwerung zu bestätigen.
4.
4.1 Die Hinderung einer Amtshandlung wird mit einer Geldstrafe bis zu 30 Tagessätzen sanktioniert (Art. 286 StGB). Die individuelle Strafzumessung erfolgt nach den in Art. 47 StGB festgelegten Grundsätzen (s. dazu Strafurteil S. 12, act. 292). Wie das Strafgericht zu Recht ausführt, hat sich die Berufungsklägerin mit ihrem Verhalten die Arbeit der Polizei zwar behindert, letztlich war die Durchführung der Personenkontrolle aber gleichwohl möglich, weshalb ihr Verschulden als leicht eingestuft werden kann. Die dafür erstinstanzlich verhängte Geldstrafe von 5 Tagessätzen erweist sich als angemessen und wird bestätigt. Die von der Berufungsklägerin dargelegte Motivation zur Teilnahme an der unbewilligten Demonstration ist in diesem milden Strafmass enthalten. An der Berufungsverhandlung hat die Berufungsklägerin angegeben, sich in Ausbildung zu befinden. Damit erweist sich auch die erstinstanzlich festgelegte Tagessatzhöhe von CHF 30.– als (nach wie vor) korrekt. Die Berufungsklägerin ist nicht vorbestraft und es gibt keine Hinweise darauf, dass sie sich in Zukunft nicht an die Rechtsordnung halten wird, weshalb die Strafe bedingt sowie unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren angeordnet wird (Art. 42 Abs. 1 i.V.m. Art. 44 Abs. 1 StGB).
4.2 Für die begangene Diensterschwerung ist eine Busse auszusprechen (§ 4 ÜStG). Diese beträgt maximal CHF 10'000.– (§ 2 Abs. 1 ÜStG i.V.m. Art. 106 Abs. 1 StGB). Auch hier hat die Vorinstanz das Verschulden der Berufungsklägerin als «im unteren Rahmen» liegend erachtet, da – wie bei der Hinderung einer Amtshandlung – die Personenkontrolle schlussendlich stattfand, wenn auch später als dies bei einem sofortigen und freiwilligen Verlassen des Pulks möglich gewesen wäre. Diesen Ausführungen schliesst sich das Berufungsgericht an. Die Busse von CHF 100.– (bei schuldhafter Nichtbezahlung 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe) wird bestätigt.
5.
Damit unterliegt die Berufungsklägerin im Berufungsverfahren vollständig, weshalb sie dessen Kosten zu tragen hat (Art. 428 Abs. 1 StPO). Auch die Verlegung der Kosten durch das Strafgericht erweist sich damit als richtig. Für die Einzelheiten des Kostenentscheids wird auf das Dispositiv verwiesen.
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):
://: Es wird festgestellt, dass folgende Inhalte des Urteils des Einzelgerichts in Strafsachen vom 20. Juni 2022 mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen sind:
- Der Freispruch der Berufungsklägerin vom Anklagevorwurf der Gewalt und Drohung gegen Behörden sowie der Verletzung der Verkehrsregeln;
- die Einstellung des Verfahrens im Anklagepunkt des Hausfriedensbruchs zufolge Rückzugs des Strafantrages;
- die Aktennahme des USB-Sticks mit den Aufzeichnungen der Demonstration;
- die Mehrkosten der Verfahrenskosten im Umfang von CHF 89.80 zu Lasten des Staates.
Die Berufungsklägerin, A____, wird in Abweisung der Berufung der Hinderung einer Amtshandlung und der Diensterschwerung schuldig erklärt und zu einer Geldstrafe von 5 Tagessätzen zu CHF 30.–, mit bedingtem Strafvollzug und unter Auferlegung einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von CHF 100.- (bei schuldhafter Nichtbezahlung ein Tag Ersatzfreiheitstrafe) verurteilt,
in Anwendung von Art. 286 Abs. 1 StGB, § 4 ÜStG, Art. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1 und Art. 106 StGB.
Für das erstinstanzliche Verfahren wird der Berufungsklägerin eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 1'200.– (inkl. MWST und Auslagen) unter Abweisung der Mehrforderung aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Die Berufungsklägerin trägt die reduzierten Verfahrenskosten von CHF 310.60 sowie die reduzierte Urteilsgebühr von CHF 600.– für das erstinstanzliche Verfahren und eine Gerichtsgebühr von CHF 1'500.– (inklusive Kanzleiauslagen, zuzüglich allfällige übrige Auslagen) für das Berufungsverfahren.
Mitteilung an:
- Berufungsklägerin
- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt
- Strafgericht Basel-Stadt
- Vostra-Koordinationsstelle
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
lic. iur. Eva Christ lic. iur. Barbara Grange
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.