E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:SB.2020.73 (AG.2021.113)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid SB.2020.73 (AG.2021.113) vom 15.02.2021 (BS)
Datum:15.02.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:mehrfache Verletzung der Verkehrsregeln (6B_407/2021)
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 201 StPO ; Art. 21 VRV ; Art. 382 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 406 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 424 StPO ; Art. 43 SVG ; Art. 48 BGG ;
Referenz BGE:136 IV 133; 146 IV 30;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Dreiergericht



SB.2020.73


URTEIL


Vom 15. Februar 2021



Mitwirkende


lic. iur. Eva Christ, Dr. phil. und MLaw Jacqueline Frossard,

Prof. Dr. Jonas Weber und Gerichtsschreiber Dr. Nicola Inglese




Beteiligte


A____, geb. [...] Berufungskläger

c/o [...] Beschuldigter


gegen


Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Berufungsbeklagte

Binningerstrasse21, 4001 Basel



Gegenstand


Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen

vom 23. Juni 2020


betreffend mehrfache Verletzung der Verkehrsregeln



Sachverhalt


Mit Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen vom 23. Juni 2020 wurde A____ (Berufungskläger) - auf Einsprache gegen einen Strafbefehl vom 12. Juli 2019 hin - der mehrfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig erklärt und zu einer Busse von CHF120.- (bei schuldhafter Nichtbezahlung 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Des Weiteren wurden ihm Verfahrenskosten im Betrag von CHF 225.30 sowie eine Urteilsgebühr von CHF 300.- auferlegt.


Gegen dieses Urteil hat der Berufungskläger mit Schreiben vom 3. Juli 2020 Berufung angemeldet, mit als «Einsprache» bezeichneter Eingabe vom 24. August 2020 Berufung erklärt und sinngemäss die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils beantragt. Dabei hat er gleichzeitig eine schriftliche Begründung in Aussicht gestellt. Die Staatsanwaltschaft hat weder einen Nichteintretensantrag gestellt noch Anschlussberufung erklärt. Mit Verfügung der Verfahrensleiterin vom 24. September 2020 wurde den Parteien mitgeteilt, dass in Anwendung von Art.406 Abs.1 lit. c der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) das schriftliche Berufungsverfahren angeordnet werde, vorbehältlich erforderlicher Beweiserhebungen, die dem entgegenstünden und vorbehältlich eines anderslautenden Entscheids des erkennenden Gerichts. Gleichzeitig wurde dem Berufungskläger in Anwendung von Art.406 Abs. 3 StPO Frist zum Einreichen einer schriftlichen Berufungsbegründung samt allfälliger Beweisanträge im Rahmen von Art.398 Abs. 4 StPO gesetzt. Diese Verfügung wurde dem Gericht durch die Post mit dem Vermerk «nicht abgeholt» retourniert. Nachdem Nachforschungen im kantonalen Datenmarkt ergaben, dass der Berufungskläger noch immer an der rubrizierten Adresse des «[...]» gemeldet war und aufgrund der Tatsache, dass er die entsprechende Liegenschaft auch im Briefkopf seiner bisherigen Eingaben verwendet hatte, liess ihm die Verfahrensleiterin die Verfügung vom 24. September 2020 mit A-Post nochmals dahin zustellen. Die Staatsanwaltschaft hat mit Eingabe vom 13. November 2020 auf eine Stellungnahme zur Berufung verzichtet.


Die Tatsachen und die Einzelheiten der Standpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus dem erstinstanzlichen Urteil und den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen


1.

1.1 Gemäss Art. 398 Abs. 1 StPO ist die Berufung gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte zulässig, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen wird, was vorliegend der Fall ist. Zuständiges Berufungsgericht ist nach § 88 Abs. 1 und 92 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG 154.100) ein Dreiergericht des Appellationsgerichts. Der Berufungskläger ist vom angefochtenen Urteil berührt und hat ein rechtlich geschütztes Interesse an dessen Aufhebung, sodass er gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO zur Ergreifung der Berufung legitimiert ist. Diese ist gemäss Art.399 StPO form- und fristgemäss angemeldet und erklärt worden, womit auf sie einzutreten ist.


1.2 Gemäss Art. 406 Abs. 1 StPO kann das Berufungsgericht die Berufung in einem schriftlichen Verfahren behandeln, wenn ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils bilden und mit der Berufung nicht ein Schuldspruch wegen eines Verbrechens oder Vergehens beantragt wird (lit. c). Dies ist vorliegend der Fall, weshalb die Berufung im schriftlichen Verfahren beurteilt werden kann. Die (definitive) Anordnung des schriftlichen Verfahrens durch das Gericht muss praxisgemäss nicht in einem separaten Entscheid erfolgen, sondern es genügt ein entsprechender Hinweis im Urteil (vgl. statt vieler AGE SB.2019.112 vom 29. Juni 2020 E. 1.2, SB.2018.110 vom 2. April 2019 E. 1.2; jeweils mit Hinweisen). Die Verfahrensleitung setzt der Partei, welche die Berufung erklärt hat, Frist zur schriftlichen Begründung (Art. 406 Abs. 3 StPO).


Das vorliegende Berufungsurteil ist auf dem Zirkulationsweg ergangen (Art. 406 Abs. 3 und 4 in Verbindung mit 390 Abs. 2 bis 4 StPO). Die Verfahrensakten wurden beigezogen.


1.3 Im Rahmen einer Berufung wird der vorinstanzliche Entscheid grundsätzlich bezüglich sämtlicher Tat-, Rechts- und Ermessensfragen frei überprüft (Art.398 Abs.3 StPO). Bildeten jedoch - wie vorliegend - von vornherein ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so schränkt Art.398 Abs.4StPO die Kognition der Berufungsinstanz ein. In solchen Fällen können mit der Berufung nur Rechtsfehler oder die offensichtlich unrichtige bzw. auf Rechtsverletzung beruhende Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden. Neue Behauptungen und Beweise können gemäss Art.398 Abs.4 StPO nicht vorgebracht werden. Rechtsfragen überprüft das Berufungsgericht hingegen auch bei Übertretungen mit freier Kognition - die inhaltliche Begrenzung des Berufungsthemas in Art.398 Abs.4 StPO schränkt die Überprüfungsbefugnis diesbezüglich nicht ein. Ebenso überprüft das Berufungsgericht den Kostenspruch mit voller Kognition (vgl. AGE SB.2019.122 vom 3. Juni 2020 E. 1.3; Eugster, in: Basler Kommentar StPO, 2. Auflage 2014, Art.398 N3a; jeweils mit Hinweisen).


1.4 Dass der Berufungskläger die Verfügung der Verfahrensleiterin vom 24.September2020, mit welchem ihm die Anordnung des schriftlichen Berufungsverfahrens - vorbehältlich eines anderslautenden Entscheids des Gerichts - mitgeteilt und Frist zur Berufungsbegründung gesetzt worden war, nicht entgegengenommen hat und diese Verfügung dem Gericht durch die Post mit dem Vermerk «nicht abgeholt» retourniert wurde (Akten S. 138), ändert vorliegend nichts an der Zulässigkeit des schriftlichen Verfahrens.


1.4.1 Gemäss Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO gilt eine Zustellung bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (sog. Zustellfiktion). Im Unterschied zu denjenigen Fällen, in welchen zur Durchführung des schriftlichen Berufungsverfahrens gemäss Art. 406 Abs. 2 StPO die Zustimmung der Parteien vorausgesetzt ist, erscheint dies hier unproblematisch. In Bezug auf die zustimmungsbedürftigen Fälle gemäss Art. 406 Abs. 2 StPO könnte man allenfalls argumentieren, dass es sich um eine Art «doppelte Fiktion» handeln würde: Zum ersten würde fingiert, dass die Partei ihr Einverständnis mit dem schriftlichen Berufungsverfahren gibt (obwohl sie die entsprechende Mitteilung nicht abgeholt hätte) und zum zweiten würde fingiert, dass sie dann innerhalb des schriftlichen Berufungsverfahrens auch keine Berufungsbegründung mehr einreichen wolle (obwohl sie nicht einmal wüsste, dass ein schriftliches Verfahren durchgeführt wird). Demgegenüber bestimmt nach Art.406 Abs. 1 lit. c StPO ausschliesslich das Berufungsgericht über die Behandlung der Berufung im schriftlichen Verfahren. Der Berufungskläger hatte über diese Frage nach den gesetzlichen Voraussetzungen insofern kein Wahlrecht. Er hätte durch zusätzliche Beweisanträge (im Rahmen von Art.398 Abs.4 StPO) nur allenfalls bewirken können, dass das Gericht auf ein mündliches Verfahren umschwenkt. Solche Anträge hätte er aber wiederum spätestens in der Berufungsbegründung dartun müssen. Es ging ihm somit kein doppelter Schritt verloren, sondern es erfolgte eine einmalige, «gewöhnliche» Fiktion. In diesem Zusammenhang ist denn auch der Unterschied zum Einspracheverfahren nach einem Strafbefehl zu erwähnen, bei welchem das Bundesgericht die «doppelte Fiktion» untersagt hat (BGE 146 IV 30 E.1.1 S. 32 ff. und E.1.3 S. 35; BGer 6B_662/2020 vom 18. August 2020 E.1.2). Dabei hat es festgehalten, dass die gesetzliche Fiktion, wonach bei unentschuldigtem Fernbleiben die Einsprache als zurückgezogen gelte, nicht zur Anwendung gelange, wenn der Einsprecher oder die Einsprecherin keine Kenntnis von der Vorladung zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung und damit auch nicht von den Säumnisfolgen habe. Das Verbot dieser doppelten Fiktion (Zustellfiktion und Einspracherückzugsfiktion) gelte ungeachtet der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme und der mehrmaligen Zustellungsversuche der Vorladung, unter Vorbehalt von Fällen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (BGE 146 IV 30 Regeste und E. 1.1 S. 32 ff. und E.1.3 S. 35). Um eine solche doppelte Fiktion handelt es sich, wie erwähnt, vorliegend nicht. Aus dem Umstand, dass dem Berufungskläger die Einladung zum Einreichen der schriftlichen Berufungsbegründung nicht zugestellt werden konnte, erwächst ihm denn auch kein Totalverlust des Rechtsmittels. Vielmehr bleibt seine Berufung bestehen und das Verfahren wird weitergeführt - freilich ohne die von ihm angekündigte schriftliche Begründung seiner Rechtsbegehren.


1.4.2 Auch spricht vorliegend nicht gegen die Durchführung des schriftlichen Verfahrens, dass dem Berufungskläger im mündlichen Verfahren die Möglichkeit, sein rechtliches Gehör vor dem Endurteil im Rahmen einer Verhandlung wahrzunehmen, via Fiktion nicht leichthin genommen werden soll. Demnach ist ein Berufungskläger beim mündlichen Verfahren in jedem Fall zu einer Verhandlung vorzuladen und können entsprechende Vorladungen vor dem Hintergrund der Erscheinungspflicht mittels Publikation ersetzt und sogar mit polizeilicher Vorführung erzwungen werden (vgl. Art. 201 ff. StPO). Wie erwähnt hat der Gesetzgeber mit Art.406 Abs. 1 lit.c StPO demgegenüber die Wertung getroffen, dass bei Fällen mit vorwiegendem Bagatellcharakter (nämlich Übertretungen) - bei welchen die möglichen Rügen nach Art. 398 Abs. 4 StPO begrenzt sind - das schriftliche Verfahren ohne Einverständnis des Berufungsklägers von Amtes wegen einseitig angeordnet werden kann. Es besteht grundsätzlich kein erhöhtes Interesse an einer persönlichen Befragung der beschuldigten Person. Vielmehr zeichnet sich das schriftliche Verfahren durch Vereinfachung und Raschheit aus (vgl. Guidon, in: Basler Kommentar StPO, 2. Auflage 2014, Art. 397 N 1 f.). Diese Gewichtung, welche bei der grundsätzlich vorgesehenen Schriftlichkeit des Beschwerdeverfahrens eine Rolle spielt, soll auch im Rahmen der Äusserungsmöglichkeiten des Berufungsklägers im Falle von Übertretungen zum Tragen kommen. Wie beim Beschwerdeverfahren hat sich der Berufungskläger daher auch beim schriftlichen Berufungsverfahren nach Art. 406 Abs. 1 StPO - jedenfalls in den Fällen von lit. c - damit abzufinden, dass seine Mitwirkungs- und Rügemöglichkeiten namentlich auf die Geltendmachung von Rechtsfehlern beschränkt sind. Entsprechend können auch die Ansprüche an die Bemühungen um seinen Miteinbezug ins Verfahren nicht höher ausfallen als im schriftlichen Beschwerdeverfahren. Die erwähnte Zustellfiktion gemäss Art.85 Abs.4 lit.a StPO kommt uneingeschränkt zur Anwendung.


1.4.3 Die Anwendung der Zustellfiktion erscheint im vorliegenden Fall insbesondere auch deshalb als unproblematisch, weil der Berufungskläger in der Tat im Rahmen der Berufungsanmeldung bereits konkrete Anträge eingereicht hat (Akten S.110 f.). Der Umfang der Berufung, der gemäss Art. 399 Abs. 3 und 4 StPO ohnehin spätestens mit der Berufungserklärung verbindlich anzugeben wäre, ist damit klar. Zudem sind - erste - Argumente des Berufungsklägers zur Begründung seiner Anträge aufgeführt. Im Übrigen gilt iura novit curia. Dem Berufungskläger ist daher im konkreten Fall durch das Unterbleiben einer (weiteren) schriftlichen Begründung kein relevanter Nachteil erwachsen.


1.4.4 Selbst wenn man den Vergleich zum Einspracheverfahren ziehen wollte oder wenn man die Zustellfiktion im Lichte des rechtlichen Gehörs als problematisch betrachten würde, wäre schliesslich vorliegend ein Fall von rechtsmissbräuchlichem Prozessverhalten gegeben: Der Berufungskläger hat am 24. August 2020 Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil erklärt. Er hat in seiner Berufungserklärung die Adresse [...] angegeben und ausdrücklich das Nachreichen einer Begründung in Aussicht gestellt. Mit Verfügung vom 24. September 2020 wurde festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft keine Anschlussberufung erhoben und keinen Nichteintretensantrag gestellt hatte, das schriftliche Verfahren angeordnet und dem Berufungskläger Frist zum Einreichen einer schriftlichen Berufungsbegründung samt allfälliger Beweisanträge im Rahmen von Art. 398 Abs. 4 StPO gesetzt. Bereits diese Verfügung hat der Berufungskläger nicht mehr entgegengenommen, obwohl er nach wie vor an der in der Berufungserklärung und auch im vorinstanzlichen Verfahren angegebenen Adresse gemeldet war. Er hätte aber im Rahmen des von ihm begründeten Prozessverhältnisses dafür besorgt sein müssen, dass er Gerichtskorrespondenz an der angegebenen Adresse auch tatsächlich entgegennimmt, zumindest solange sich keinerlei Verzögerung im Verfahren ergeben hatte und er somit klarerweise mit dem Erhalt solcher Korrespondenz rechnen musste. Beides kann vorliegend bejaht werden.


2.

2.1 Materieller Hauptgegenstand des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils ist eine Busse in Höhe von CHF120.- wegen mehrfacher Verletzung der Verkehrsregeln. Dem Berufungskläger werden konkret Parkierverstösse in drei Fällen vorgeworfen: Am 17.November 2018 auf dem Trottoir (vgl. E. 2.2), am 10. Dezember 2018 im signalisierten Parkverbot (vgl. E. 2.3) und am 14.Dezember2018 unter nicht korrektem Anbringen der Parkscheibe an der Freiburgerstrasse (vgl. E. 2.4).


Der Berufungskläger bestreitet die äusseren Sachverhalte nicht grundsätzlich, sondern macht geltend, er sei zum jeweiligen Vorgehen berechtigt gewesen. Einzig in Bezug auf das nicht korrekte Anbringen der Parkscheibe macht er mit der Berufungsanmeldung neu geltend, diese habe sich «in der linken Ecke der Frontscheibe» befunden (Akten S.110) - vor erster Instanz hatte er noch ausgesagt, sie sei hinter einem Seitenfenster auf der rechten Seite» gewesen. Damit rügt der Berufungskläger zumindest sinngemäss eine falsche Anwendung des Rechts und bringt nach Art.398 Abs.4 StPO zulässige Einwände vor.


2.2 Dem Berufungskläger wird im vorinstanzlichen Verfahren unter dem Titel «Parkieren am [...]» zunächst vorgeworfen, gegen Art. 43 Abs. 2 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01) in Verbindung mit Art. 41 Abs. 1bis Verkehrsregelnverordnung (VRV, SR 741.11) verstossen zu haben (vgl. Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen vom 23. Juni 2020 E. II.1).


2.2.1 Dabei ist in tatsächlicher Hinsicht unbestritten und erstellt, dass der Berufungskläger einen von ihm angemieteten Lieferwagen der Marke Mercedes-Benz am 17.November 2018 um 10:38 Uhr auf dem Trottoir beim [...] parkiert hat. Der Berufungskläger hat auch nicht bestritten, dass noch andere, ordentliche Parkierungsmöglichkeiten bestanden hätten. Er macht indessen geltend, es habe sich um einen zulässigen Güterumschlag gehandelt; dieser sei zeitlich unbegrenzt gestattet. An der erstinstanzlichen Hauptverhandlung hat er dazu ausgeführt, er habe damals seine Wohnung am [...] verlassen müssen und sei im Umzug begriffen gewesen. Wegen seiner Gehbehinderung habe er einen möglichst kurzen Weg zur Wohnung benötigt. Ausserdem habe er mit seinem Auto das Trottoir nicht versperrt. Er habe das Auto nur zum Einladen dort abgestellt. Das habe, so hat er auf Frage eingeräumt, allerdings länger als 10 Minuten gedauert (Akten S.97).


2.2.2 Nach Art.37 Abs.2 SVG dürfen Fahrzeuge dort nicht angehalten oder aufgestellt werden, wo sie den Verkehr behindern oder gefährden könnten. Wo möglich sind sie auf Parkplätzen aufzustellen. Nach Art.19 Abs.1 VRV ist Parkieren das Abstellen des Fahrzeugs, das nicht bloss dem Ein- und Aussteigenlassen von Personen oder dem Güterumschlag dient. Diese Bestimmungen werden in Art.21 VRV konkretisiert. Art. 21 Abs. 2 VRV hält fest, dass der Güterumschlag ausserhalb vorgesehener Parkplätze nur zulässig ist, wenn Fahrzeuge nicht ausserhalb der Strasse oder abseits vom Verkehr halten können. In solchem Falle ist die Behinderung anderer Strassenbenützer möglichst zu vermeiden und die Ladetätigkeit ohne Verzug zu beenden. In Bezug auf das Abstellen von Autos auf dem Trottoir kommen sodann Art.43 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art.41 Abs.1bis VRV zur Anwendung. Danach ist das Trottoir den Fussgängern, der Radweg den Radfahrern vorbehalten. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen (Art. 43 Abs. 2 SVG). Das Parkieren von Autos auf dem Trottoir ist untersagt, sofern es Signale oder Markierungen nicht ausdrücklich zulassen. Ohne eine solche Signalisation dürfen Autos auf dem Trottoir nur zum Güterumschlag oder zum Ein- und Aussteigenlassen von Personen halten; für Fussgänger muss dabei stets ein mindestens 1,50 m breiter Raum frei bleiben. Die Ladetätigkeit und das Ein- und Aussteigenlassen sind ohne Verzug zu beenden (Art.41 Abs. 1bis VRV).


2.2.3 Die Voraussetzungen für ein zulässiges Abstellen auf dem Trottoir sind vorliegend nicht gegeben. Zum einen fehlt es an der Notwendigkeit, weil ordentliche Parkplätze zur Verfügung gestanden wären. Eine gewisse Gehbehinderung des Berufungsklägers ist zwar durch das an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eingelegte Arztzeugnis belegt - für eine Behindertenparkkarte, die dieser Rechnung getragen hätte, ist der Berufungskläger aber nach eigenen Aussagen «zu wenig behindert» (Akten S.96). Offenbar war er denn auch imstande, selbst den Hausrat aus seiner Wohnung in das Auto zu transportieren, was ebenfalls gegen eine in diesem Zusammenhang erhebliche Gehbehinderung spricht. Zum anderen fehlte es vorliegend auch an der erforderlichen Abwicklung «ohne Verzug» - es ist insoweit dem Berufungskläger nicht beizupflichten, wenn er mit der Berufungsanmeldung geltend macht, der Güterumschlag sei «nicht zeitlich begrenzt» (vgl. Akten S.110). Zwar ist keine fixe Zeitdauer gesetzlich festgelegt, doch setzt das Kriterium der Beendigung «ohne Verzug» der zulässigen Dauer des Güterumschlags Grenzen. Das Bundesgericht hat diese Grenzen - gerade im Zusammenhang mit Umzügen - zwar nicht allzu eng gesteckt. So zählt es zum Güterumschlag auch die Vor- und Nachstadien des Ein- und Ausladens und hat es namentlich den Transport von Zügelkisten vom Estrich in das vor dem Haus abgestellte Fahrzeug als Güterumschlag gewertet (BGE 136 IV 133 E.2.3.1 f. S. 135 f., 82 II 445 E.3 S. 453). So wie sich der Berufungskläger vor erster Instanz ausgedrückt hat, ging es bei ihm aber nicht um das blosse Einladen von bereitgestellten Kisten: Seine Erklärung «[ ] ich musste die Wohnung räumen. Das hat länger gedauert als 10 Minuten» (Akten S.97) zeugt von einem längeren Vorgang. Ausserdem ist nach seinen eigenen Angaben die Polizei (er spricht von einem Polizisten) mehrfach vorbeigekommen und hat er dem Polizisten gesagt, dass er zügeln müsse. Er habe auch ein Schild mit dem Hinweis, dass er umziehe und mit seiner Telefonnummer hinter der Frontscheibe angebracht (Akten S.8, S.93). Dieses Schild ist in den Akten mit einem Foto dokumentiert (Akten S.14).


Die Vorinstanz hat demnach aus dem von der Polizei erhobenen Sachverhalt, welcher vom Berufungskläger nicht bestritten wird, und aus der Darstellung des Berufungsklägers selbst zutreffend geschlossen, dass im Zeitpunkt, in dem die Ordnungsbusse ausgestellt wurde, kein Güterumschlag bestand. Vielmehr hat der Berufungskläger nach eigener Darstellung über einen längeren Zeitraum den Hausrat oder einen Teil davon aus seiner Wohnung geräumt, derweil sein Auto - mit geschlossenem Kofferraum - auf dem Trottoir abgestellt war. Während diesem Zeitraum hat die Polizistin den Sachverhalt mit vier Fotos dokumentiert und den Ordnungsbussenzettel ausgestellt (vgl. Akten S.11-14). Die Einwendungen des Berufungsklägers gehen somit ins Leere und es steht ausser Frage, dass sein Verhalten eine Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art.90 Abs. 1 SVG darstellt.


2.3 Dem Beschuldigten wird im vorinstanzlichen Verfahren unter dem Titel «Parkieren an der Müllheimerstrasse 180» ferner vorgeworfen, sein Fahrzeug innerhalb des signalisierten Parkverbots parkiert zu haben und damit gegen Art. 30 Abs. 1 Signalisationsverordnung (SSV, SR.741.21) verstossen zu haben (vgl. Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen vom 23. Juni 2020 E. II.2).


2.3.1 Wie erwähnt sind auch hier die Tatsachen unbestritten und es ist erstellt, dass der Berufungskläger am 10. Dezember 2018 um 15:40 Uhr seinen Personenwagen der Marke Opel an der Müllheimerstrasse 180 so geparkt hatte, dass er mit allen vier Rädern ausserhalb der signalisierten Parkplätze stand (Fotos, Akten S.27-30).


2.3.2 Nach Art.27 Abs.1 SVG sind Signale und Markierungen zu befolgen. Art.79 Abs.1ter aSSV bzw. Art.79 Abs. 6 SSV (aktuelle Fassung in Kraft seit 1. Januar 2021) bestimmen sodann, dass dort, wo Parkfelder gekennzeichnet sind, Fahrzeuge nur innerhalb dieser Felder parkiert werden dürfen. Mit seinem Vorgehen hat der Berufungskläger klar gegen diese Vorschriften verstossen, was von ihm im Grundsatz auch nicht bestritten wird.


2.3.3 Vor erster Instanz hat der Berufungskläger diesbezüglich eine Notlage geltend gemacht und erklärt, er habe dringend die öffentliche Toilette des Horburgparks aufsuchen müssen (Akten S.98). Diesbezüglich ist ihm mit der Vorinstanz zu entgegnen, dass das Erledigen der Notdurft praxisgemäss keinen Rechtfertigungsgrund darstellt (BGer 1C_264/2018 vom 5. Oktober 2018 E.4.4). Seine Ausführungen in der Berufungsanmeldung, dass das Parkieren von Behinderten im Parkverbot erlaubt sei und die fehlende Parkkarte nichts an seiner tatsächlichen Gehbehinderung ändere, sind unbehelflich. Wie bereits ausgeführt wies der Berufungskläger nach eigenen Angaben keine Behinderung auf, die ihn zum Erhalt einer Behinderten-Parkkarte mit den entsprechenden Privilegien berechtigt hätte. Diese wäre nach Art.20a VRV genau dazu da, gehbehinderten Personen Parkierungserleichterungen - wie etwa das Parkieren im Parkverblot bis maximal drei Stunden - zu gestatten. Nachdem der Berufungskläger nicht in den Genuss einer solchen Karte kommen konnte, waren ihm folgerichtig auch die entsprechenden Privilegien nicht gewährt. Zudem war der Berufungskläger, wie ebenfalls gesehen, sogar in der Lage, selbständig seine Wohnung zu räumen und den Hausrat ins Auto zu verfrachten. Demnach musste ihm auch der selbständige Gang zur Toilette über einen etwas längeren Weg möglich gewesen sein, wobei es in seiner Verantwortung lag, die Dauer, die er hierfür benötigen würde, bei seiner Parkplatzsuche mit zu veranschlagen und sich dementsprechend frühzeitig nach einem Parkfeld umzusehen.


2.4 Schliesslich wird dem Beschuldigten unter dem Titel «Nicht oder nicht gut sichtbares Anbringen der Parkscheibe am Fahrzeug an der Freiburgerstrasse» vorgeworfen, sein Fahrzeug ohne Anbringen der Parkscheibe parkiert zu haben.


2.4.1 Bereits vor erster Instanz war nicht bestritten, dass der Berufungskläger am 14. Dezember 2018 um 15:44 Uhr sein Auto der Marke Opel in der Freiburgerstrasse in Zone mit Parkscheibenpflicht (vgl. Art.48 Abs.2 aSSV bzw. neu Art. 48a Abs. 1 SSV [aktuelle Fassung in Kraft seit 1. Januar 2021]) parkiert hat, ohne die Parkscheibe hinter der Frontscheibe zu platzieren. Er selbst hat damals geltend gemacht, er habe die Parkscheibe im Seitenfenster auf der Fahrerseite angebracht: «Auf dem Foto sieht man die Parkscheibe nicht, ja. Es war auf der rechten Seite. Dort gibt es ein Seitenfenster. Dort habe ich es immer reingelegt. Von vorne sieht man das natürlich nicht. Wie gesagt, es ist auf der Seite. [ ] Normalerweise hat der Polizist immer geschaut. Für mich ist das schon sichtbar» (Akten S.98). Im Berufungsverfahren macht er nun geltend, die Parkscheibe habe sich «zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle in der linken Ecke der Frontscheibe» befunden. Das Tatfoto sei so unscharf, dass man nichts erkennen könne (Akten S.110). Es gelte diesbezüglich der Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» (Akten S.111).


2.4.2 Art.48 Abs.4 aSSV bzw. neu Art. 48a Abs. 4 SSV (aktuelle Fassung in Kraft seit 1. Januar 2021) schreiben ausdrücklich vor, dass die Parkscheibe gut sichtbar hinter der Frontscheibe anzubringen ist. Die Vorinstanz hat den (ursprünglichen) Einwand des Berufungsklägers unter Verweis diese Bestimmung zu Recht verworfen. Dass der Berufungskläger nun in Abweichung zu seiner früheren, detaillierten Darstellung geltend macht, die Parkscheibe habe sich hinter der Frontscheibe befunden, und zwar in der linken Ecke, stellt eine offensichtliche Schutzbehauptung dar. Ein entsprechender Beweis wäre im Übrigen nicht zu führen, darf doch der Berufungskläger im Rahmen einer Berufung gegen eine blosse Übertretung nach Art.398 Abs.4 StPO keine neuen Behauptungen und Beweise vorbringen und ist die erstinstanzliche Feststellung des Sachverhalts vom Berufungsgericht lediglich im Rahmen einer Willkürkognition zu überprüfen. Tatsächlich ist die Beweisführung aber auch gar nicht notwendig, denn auf dem Foto, das sich im Übrigen nicht als «so unscharf, dass man nichts erkennen» kann, präsentiert (Akten S.35), ist vielmehr ersichtlich, dass sich hinter der Frontscheibe überhaupt keine Parkscheibe befindet. Jedenfalls ist da - und das auch im Zweifel für den Angeklagten - keine Parkscheibe gut sichtbar hinter der Frontscheibe angebracht, wie es der Vorschrift entspräche. Demnach ist auch dieser Schuldspruch zu Recht ergangen und zu bestätigen.


3.

Bei der Strafzumessung hat sich das Einzelgericht in Strafsachen nach der Ordnungsbussenverordnung (OBV, SR314.11) gerichtet. Es hat dabei für das Parkieren auf dem Trottoir, wo dies Signale oder Markierungen nicht ausdrücklich zulassen, wenn für die Fussgänger ein mindestens 1,5 m breiter Raum frei bleibt (OBV Ziff. 249. lit. a), für das Parkieren innerhalb des signalisierten Parkverbots bis 2 Stunden (OBV Ziff. 250. lit. a) und für das nicht oder nicht gut sichtbare Anbringen der Parkscheibe am Fahrzeug (OBV Ziff. 202.1) jeweils eine Busse von CHF 40.- veranschlagt und diese Bussen gestützt auf Art. 3a (recte Art. 5) Ordnungsbussengesetz (SGS 314.1) zusammengezählt. Daraus resultiert die Gesamtbusse in Höhe von CHF 120.-. Diese Strafzumessung ist nicht rechtsfehlerhaft und der angefochtene Entscheid auch in diesem Punkt zu bestätigen.


4.

Entsprechend dem Verfahrensausgang gehen die erst- und zweitinstanzlichen Kosten zu Lasten des Berufungsklägers (Art. 426 Abs. 1 und 428 Abs. 1 StPO). Die Kosten von CHF 235.30 sowie eine Urteilsgebühr von CHF 300.- für das erstinstanzliche Verfahren sind zu bestätigen. Angesichts der Einfachheit des Falls sind die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens mit einer Urteilsgebühr von CHF 600. (inklusive Kanzleiauslagen, zuzüglich allfällige übrige Auslagen) unterhalb des für Urteile des Dreiergerichts durchschnittlichen Rahmens zu veranschlagen (Art. 424 StPO in Verbindung mit § 1 des Gesetzes über die Gerichtsgebühren [SG 154.800] und § 21 Abs. 1 des Gerichtsgebührenreglements [SG 154.810]).



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):


://: A____ wird - in Abweisung seiner Berufung - der mehrfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig erklärt und verurteilt und zu einer Busse von CHF 120.- (bei schuldhafter Nichtbezahlung 2 Tage Freiheitsstrafe), in Anwendung von Art. 90 Abs. 1 in Verbindung mit 27 Abs. 1 Strassenverkehrsgesetzes sowie Art. 41 Abs. 1bis der Verkehrsregelnverordnung, Art. 30 Abs. 1 und 48 Abs. 4 der Signalisationsverordnung sowie Art. 106 des Strafgesetzbuches.


A____ trägt die Kosten von CHF 235.30 sowie eine Urteilsgebühr von CHF 300.- für das erstinstanzliche Verfahren sowie die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens mit Einschluss einer Urteilsgebühr von CHF 600. (inklusive Kanzleiauslagen, zuzüglich allfällige übrige Auslagen).


Mitteilung an:

- Berufungskläger

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt

- Strafgericht Basel-Stadt


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber

lic. iur. Eva Christ Dr. Nicola Inglese


Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.



Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz