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Urteil Appellationsgericht (BS - SB.2020.70)

Zusammenfassung des Urteils SB.2020.70: Appellationsgericht

Die Vorinstanz hat in einem Urteil festgehalten, dass das Opfer in Bezug auf das Hauptgeschehen konstante Aussagen gemacht hat, jedoch im Tatzeitraum 2011 falsche Angaben gemacht hat. Der Beschuldigte wurde für diesen Zeitraum freigesprochen. Im Tatzeitraum 2016 wurde festgestellt, dass das Opfer von dem Beschuldigten zur Prostitution gezwungen wurde, jedoch einige Vorwürfe nicht eindeutig nachgewiesen werden konnten. Der Beschuldigte wurde zu einer Geldstrafe und Schadenersatz verurteilt. Der Beschuldigte bestreitet die Vorwürfe und argumentiert, dass das Opfer unglaubwürdig sei und keine Beweise für die Anschuldigungen gegen ihn vorliegen. Die Staatsanwaltschaft hält an den Aussagen des Opfers fest und sieht keine ausreichenden Gründe, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Das Gericht muss nun über die Glaubwürdigkeit des Opfers und die Beweise entscheiden.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts SB.2020.70

Kanton:BS
Fallnummer:SB.2020.70
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung: Dreiergericht
Appellationsgericht Entscheid SB.2020.70 vom 17.11.2023 (BS)
Datum:17.11.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Opfer; Beschuldigte; Akten; Beschuldigten; Aussage; Opfers; Richt; Aussagen; Beweis; Instanz; Basel; Apos; Einvernahme; Prostitution; Protokoll; Förderung; Schweiz; Gericht; Recht; Berufung; Anklage; Verfahren; Person; Bezug; Gericht; Ungarn
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ;Art. 107 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 138 StPO ;Art. 139 StPO ;Art. 147 StPO ;Art. 159 StPO ;Art. 162 StPO ;Art. 178 StPO ;Art. 182 StGB ;Art. 195 StGB ;Art. 267 StPO ;Art. 309 StPO ;Art. 318 StPO ;Art. 32 BV ;Art. 34 StGB ;Art. 343 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 389 StPO ;Art. 398 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 401 StPO ;Art. 405 StPO ;Art. 42 BGG ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 47 StGB ;Art. 48 BGG ;Art. 49 StGB ;Art. 50 StGB ;Art. 51 StGB ;Art. 9 StPO ;
Referenz BGE:127 I 38; 127 IV 101; 129 IV 81; 132 II 117; 133 I 33; 134 IV 17; 134 IV 79; 134 IV 97; 137 IV 122; 138 IV 248; 140 IV 196; 141 I 60; 141 IV 132; 143 IV 214; 143 IV 288; 143 IV 397; 143 IV 97; 144 IV 217; 144 IV 277; 144 IV 345; 147 IV 409;
Kommentar:
Donatsch, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2020

Entscheid des Verwaltungsgerichts SB.2020.70



Geschäftsnummer: SB.2020.70 (AG.2024.98)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 17.11.2023 
Erstpublikationsdatum: 04.07.2024
Aktualisierungsdatum: 04.07.2024
Titel: Menschenhandel, Förderung der Prostitution, einfache Körperverletzung, Drohung, Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise des rechtswidrigen Aufenthalts sowie Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung (Beschwerde beim BG hängig)
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Dreiergericht

 

 

SB.2020.70

 

URTEIL

 

vom 17. November 2023

 

 

Mitwirkende

 

lic. iur. Liselotte Henz (Vorsitz),

Dr. Christoph A. Spenlé, MLaw Anja Dillena

und Gerichtsschreiber MLaw Martin Seelmann, LL.M.

 

 

 

Beteiligte

 

A____, geb. [...]                                                                 Berufungskläger

[...]                                                                                          Beschuldigter

vertreten durch [...], Fürsprecher,

[...]

 

gegen

 

Staatsanwaltschaft Basel-Stadt                                 Berufungsbeklagte

Binningerstrasse 21, 4001 Basel

 

B____                                                             Anschlussberufungsklägerin

c/o Sozialhilfe, Klybeckstrasse 15, 4057 Basel                  Privatklägerin 1

vertreten durch [...], Advokatin,

[...]

 

Opferhilfe beider Basel                                                    Privatklägerin 2

Steinengraben 5, 4051 Basel

 

 

Gegenstand

 

Berufung gegen ein Urteil des Strafdreiergerichts

vom 20. Februar 2020

 

betreffend Menschenhandel, Förderung der Prostitution, einfache Körper-

verletzung, Drohung, Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise oder

des rechtswidrigen Aufenthalts sowie Förderung der Erwerbstätigkeit

ohne Bewilligung

 


Sachverhalt

 

A____ wurde mit Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt vom 20. Februar 2020 des Menschenhandels, der Förderung der Prostitution, der einfachen Körperverletzung, der Drohung, der Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise des rechtswidrigen Aufenthalts sowie der Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung schuldig erklärt und verurteilt zu 3 ½ Jahren Freiheitsstrafe, unter Einrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft seit dem 20. April 2019, sowie zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu CHF 30.–. Demgegenüber wurde A____ von der Anklage des Menschenhandels (begangen im 2011), der Förderung der Prostitution in gemeinsamer Begehung (begangen im 2011), der mehrfachen sexuellen Nötigung, der mehrfachen Schändung, der mehrfachen Nötigung sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Vergehen) freigesprochen. Im Anklagepunkt der mehrfachen Tätlichkeiten sowie der Widerhandlung gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz (Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise sowie des rechtswidrigen Aufenthalts, Tatzeitraum 2011) wurde das Verfahren zufolge Eintritts der Verjährung und im Anklagepunkt der mehrfachen einfachen Körperverletzung und der mehrfachen Drohung (beides in Bezug auf den Tatzeitraum 2011) wegen Fehlens eines Strafantrages eingestellt. A____ wurde sodann zu CHF 50'303.25 Schadenersatz an die Opferhilfe beider Basel sowie zu CHF 15'000.– Genugtuung zzgl. 5 % Zins seit dem 15. August 2016 an B____ verurteilt. Die Mehrforderung im Betrage von CHF 45'000.– wurde abgewiesen. Ausserdem wurden die beigebrachten Mobiltelefone [...] und [...] (Verz. [...], Pos. [...]) sowie die beigebrachten Fremdwährungen (Forint 2'000.–, Won 1'000.–, Peso 1.– und Lei 50.–) unter Aufhebung der Beschlagnahme A____ zurückgegeben und die zwei Memory Sticks (Verz. [...], Pos. [...]) sowie der USB-Stick (Verz. [...]) wurden zu den Akten genommen. Ferner wurden A____ die Verfahrenskosten im Betrage von CHF 8'744.50 sowie eine Urteilsgebühr von CHF 10'000.– auferlegt, wobei das Kostendepot im Betrage von CHF 2'970.55 mit den Verfahrenskosten und der Urteilsgebühr verrechnet wurde. Schliesslich wurde dem Opfer zu Lasten von A____ eine Parteientschädigung in Höhe von CHF 2'868.10 (inkl. MWST) zugesprochen.

 

Gegen dieses Urteil hat A____ (nachfolgend: Beschuldigter) mit Eingabe vom 14. August 2020 Berufung erklärt und vorgebracht, dass das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich angefochten werde. Hierbei hat er – neben Beweisanträgen – u.a. folgende Anträge gestellt: Es sei der Beschuldigte in Abänderung des Urteils des Strafgerichts Basel-Stadt vom 20. Februar 2020 vollumfänglich und kostenlos von Schuld und Strafe freizusprechen. Des Weiteren seien sämtliche Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Anklagebehörde resp. des Staates auszusprechen und sämtliche Zivilforderungen abzuweisen. Die Staatsanwaltschaft sowie die Privatklägerin 2 haben weder Anschlussberufung erhoben, noch Nichteintreten auf die Berufung beantragt. Die Privatklägerin 1 bzw. das Opfer hat mit Eingabe vom 10. September 2020 Anschlussberufung erklärt und in teilweiser Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids beantragt, dass der Beschuldigte zur Zahlung einer Genugtuung von insgesamt CHF 60'000.– zzgl. Zins zu 5 % seit dem 15. August 2020 zu verurteilen sei, dies unter o/e-Kostenfolge.

 

Mit Berufungsbegründung vom 11. November 2020 hat der Beschuldigte seine mit der Berufungserklärung gestellten Anträge begründet, ebenso die Privatklägerin 1 in ihrer Anschlussberufungsbegründung vom 1. Februar 2021. Ebenfalls mit Berufungsantwort vom 1. Februar 2021 beantragt die Staatsanwaltschaft die Abweisung der Berufung unter gleichzeitiger Bestätigung des strafgerichtlichen Entscheids.

 

Mit instruktionsrichterlicher Verfügung vom 26. Juli 2021 ist die Haftentlassung auf den 2/3-Termin gutgeheissen und der Beschuldigte per 19. August 2021 zuhanden des Migrationsamtes Basel-Stadt aus dem vorzeitigen Strafvollzug entlassen worden.

 

Der Beschuldigte hat mit Eingabe vom 21. März 2021 beantragt, es sei die Privatklägerin 1 rechtshilfeweise vorzuladen und an der Hauptverhandlung zu befragen. Mit Verfügung vom 1. Juni 2022 hat die Instruktionsrichterin den Antrag auf nochmalige Befragung der Privatklägerin 1 vorläufig – vorbehaltlich eines anderen Entscheids durch das Gesamtgericht– abgewiesen.

 

Mit Eingabe vom 21. Juni 2022 hat [...], Fürsprecher, mitgeteilt, dass er dem Beschuldigten ergänzend zur amtlichen Verteidigerin zur Seite stehe. Mit Eingabe vom 5. September 2022 hat ersterer sodann beantragt, dass die bisherige amtliche Verteidigerin aus dem amtlichen Mandat zu entlassen und er an ihrer Stelle als amtlicher Anwalt zur (notwendigen) Verteidigung des Beschuldigten einzusetzen sei. Dies wurde mit instruktionsrichterlicher Verfügung vom 23. September 2022 bewilligt.

 

Mit Verfügung vom 7. März 2023 hat die Instruktionsrichterin die Ansetzung der Hauptverhandlung angekündigt. Mit Vorladung vom 31. Mai 2023 sind die beteiligten Personen (Privatklägerin 1 und 2 fakultativ) sowie eine anonyme Zeugin der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration Zürich (FIZ) zur Hauptverhandlung am 25./26. Juli 2023 geladen worden.

 

Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 25./26. Juli 2023 ist der Beschuldigte aufgrund eines von der Fluggesellschaft kurzfristig annullierten Fluges von Budapest nach Basel nicht erschienen, weshalb das Berufungsgericht entschieden hat, die Hauptverhandlung zu verschieben. Mit Verfügung vom 25. Juli 2023 ist den Parteien mitgeteilt worden, dass nach Absprache mit allen Beteiligten die Berufungsverhandlung neu am 16./17. November 2023 stattfinden wird. Mit Vorladung vom 7. August 2023 sind wiederum die beteiligten Personen (Privatklägerin 1 und 2 fakultativ) sowie eine anonyme Zeugin der FIZ zur Hauptverhandlung am 16./17. November 2023 geladen worden.

 

Mit Eingabe vom 15. August 2023 hat die Verteidigung zum einen darum ersucht, dass betr. den Ausschluss der Öffentlichkeit von der Berufungsverhandlung eine Verfügung zu erlassen sei. Sofern am Ausschluss weiter festgehalten werde, werde darum ersucht, zumindest den Sohn des Beschuldigten, dessen Personalien in der letzten Verhandlung erhoben worden seien, als Vertrauensperson zur Verhandlung zuzulassen. Schliesslich hat sie erneut beantragt, es sei C____ als Zeugin zur Verhandlung vorzuladen. Mit Stellungnahme vom 11. September 2023 hat die Staatsanwaltschaft beantragt, es sei das Gesuch um Zulassung der Öffentlichkeit zur Hauptverhandlung vom 16./17. November 2023 abzuweisen. Hinsichtlich des Eventualersuchens betr. Zulassung des Sohns als Vertrauensperson des Beschuldigten zur Hauptverhandlung hat die Staatsanwaltschaft auf einen Antrag verzichtet, sofern es sich beim beantragten Begleiter nicht um D____ handle der Antrag auf Vorladung und Befragung von C____ abgewiesen würde. Entsprechend sei auch das erneute Gesuch um Vorladung von C____ als Zeugin zur Hauptverhandlung abzuweisen, dies alles unter o/e-Kostenfolge. Mit Eingabe vom 13. Oktober 2023 hat schliesslich das Opfer beantragt, es seien das Gesuch um Zulassung der Öffentlichkeit zur Hauptverhandlung, das Gesuch um Zulassung des Sohnes des Beschuldigten sowie das Gesuch um Vorladung von C____ als Zeugin abzuweisen, dies alles unter o/e-Kostenfolge.

 

Mit Verfügung vom 31. Oktober 2023 hat die Instruktionsrichterin den Antrag auf Durchführung einer für das Publikum offenen Verhandlung abgewiesen. Sodann ist dem Sohn des Beschuldigten, A____, geb. [...], erlaubt worden, den Beschuldigten als Vertrauensperson zur Verhandlung zu begleiten. Schliesslich ist der Antrag auf Vorladung von C____ abgewiesen worden, dies alles vorbehältlich eines anderen Entscheids durch das Gesamtgericht.

 

Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 16./17. November 2023 sind der Beschuldigte sowie eine anonyme Zeugin der FIZ befragt worden. Im Anschluss sind der amtliche Verteidiger, die Staatsanwaltschaft sowie die Vertreterin der Privatklägerin 1 zum Vortrag gelangt. Die Verteidigung sowie die Vertreterin der Privatklägerin 1 haben daraufhin repliziert. Die Parteien haben dabei grundsätzlich an ihren bereits schriftlich gestellten Anträgen festgehalten. Dem Beschuldigten ist schliesslich das letzte Wort zugekommen.

 

Für sämtliche Ausführungen wird auf das Verhandlungsprotokoll verwiesen. Die entscheidrelevanten Tatsachen und Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich aus dem vorinstanzlichen Urteil und den nachfolgenden Erwägungen.

 

 

Erwägungen

 

1.         Legitimation zur Ergreifung eines Rechtsmittels, Zuständigkeit und Prozessgegenstand

 

1.1      Nach Art. 398 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) unterliegt das angefochtene Urteil der Berufung an das Appellationsgericht. Der Beschuldigte ist gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO zur Berufung, die Privatklägerin 1 nach Art. 400 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit Art. 382 StPO zur Anschlussberufung legitimiert. Die Berufung ist nach Art. 399 StPO, die Anschlussberufung nach Art. 401 in Verbindung mit Art. 399 Abs. 3 StPO form- und fristgemäss eingereicht worden. Auf die Rechtsmittel ist einzutreten. Zur Beurteilung der Berufung ist gemäss § 18 Abs. 1 des Gesetzes über die Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung (EG StPO, SG.257.100) in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG 154.100) das Appellationsgericht als Dreiergericht zuständig.

 

1.2      Gemäss Art. 398 Abs. 3 StPO können mit der Berufung Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, die unvollständige unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie Unangemessenheit gerügt werden.

 

1.2.1   Im Rechtsmittelverfahren gilt die Dispositionsmaxime. Die Berufung resp. die Anschlussberufung kann demgemäss auf die Anfechtung von Teilen des Urteils beschränkt werden (vgl. Art. 399 Abs. 3 lit. a und Abs. 4 sowie Art. 401 Abs. 1 StPO). Erfolgt eine Teilanfechtung, erwachsen die nicht angefochtenen Punkte in Teilrechtskraft.

 

1.2.2   Der Beschuldigte beantragt grundsätzlich die vollumfängliche Aufhebung des Urteils der Vorinstanz resp. einen vollumfänglichen Freispruch, während die Privatklägerin 1 eine Erhöhung der zugesprochenen Genugtuung verlangt. In Rechtskraft erwachsen sind mithin lediglich die folgenden Punkte: Die Freisprüche von der Anklage des Menschenhandels (begangen im 2011), der Förderung der Prostitution in gemeinsamer Begehung (begangen im 2011), der mehrfachen sexuellen Nötigung, der mehrfachen Schändung, der mehrfachen Nötigung sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Vergehen), die Einstellung des Verfahrens im Anklagepunkt der mehrfachen Tätlichkeiten sowie der Widerhandlung gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz (Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise sowie des rechtswidrigen Aufenthalts, Tatzeitraum 2011) zufolge Eintritts der Verjährung, die Einstellung des Verfahrens im Anklagepunkt der mehrfachen einfachen Körperverletzung sowie der mehrfachen Drohung (beides in Bezug auf den Tatzeitraum 2011) wegen Fehlens eines Strafantrages, die Rückgabe der beigebrachten Mobiltelefone [...] und [...] (Verz. [...], Pos. [...]) sowie der beigebrachten Fremdwährungen (Forint 2'000.–, Won 1'000.–, Peso 1.– und Lei 50.–) unter Aufhebung der Beschlagnahme, die Beibehaltung der zwei Memory Sticks (Verz. [...], Pos. [...]) sowie des USB-Sticks (Verz. [...]) bei den Akten sowie die Entschädigung der amtlichen Verteidigung sowie der unentgeltlichen Vertreterin der Privatklägerin 1 für das erstinstanzliche Verfahren.

 

2.         Verfahrensanträge/Vorfragen

 

2.1

2.1.1   Der Beschuldigte beantragt zunächst in beweisrechtlicher Hinsicht im Berufungsverfahren, es sei C____ als Zeugin zu befragen. Der Beschuldigte habe die ihm vom Opfer vorgeworfenen Taten nicht begangen und sei im ihm zur Last gelegten Zeitraum im Jahre 2016 weder in Basel-Stadt noch in Zürich noch an einem anderen Ort in der Schweiz gewesen. Die obgenannte Zeugin könne über seinen Aufenthaltsort im Sommer 2016 aussagen.

 

Des Weiteren sei auch das Opfer nochmals vor dem Berufungsgericht zu befragen, da der Schuldspruch ausschliesslich auf seinen Aussagen beruhe und es ohnehin als Anschlussberufungskläger Partei sei. Die fehlende Glaubwürdigkeit des Opfers sei vom Beschuldigten hinlänglich geltend gemacht worden, dass sich das Berufungsgericht hierüber selbst ein Bild mache, sei aber selbstredend entscheidend.

 

Obwohl die Beweisanträge bereits von der Instruktionsrichterin abgewiesen wurden und nur der Antrag auf Befragung von C____ im Rahmen der Berufungsverhandlung wiederholt wurde, ist vorliegend gleichwohl auch (nochmals) auf die nicht durchgeführte (erneute) Befragung des Opfers einzugehen, da diese Frage auch im engen Zusammenhang mit der Glaubhaftigkeitsanalyse ihrer Aussagen (vgl. dazu hinten E. 3) steht. Nicht nochmals zu thematisieren ist jedoch der Antrag auf Befragung von F____, da dieser ebenfalls bereits mit instruktionsrichterlicher Verfügung vom 7. März 2023 abgewiesen wurde und keine erneute Stellung an das Gesamtgericht im Rahmen der Berufungsverhandlung erfolgte.

 

2.1.2   Nach Art. 139 Abs. 1 StPO setzen die Strafbehörden zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind. Nicht Beweis geführt wird nach Art. 139 Abs. 2 StPO über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt bereits rechtsgenügend erwiesen sind (vgl. auch Art. 318 Abs. 2 StPO; AGE SB.2019.31 vom 26. Januar 2021 E. 2.3.4). Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Umschreibung der Konstellationen, in welchen eine vorweggenommene (antizipierte) Beweiswürdigung zulässig ist (BGE 141 I 60 E. 3.3, 136 I 229 E. 5.3; BGer 6B_551/2021 vom 17. September 2021 E. 2.2.2, 6B_582/2017 vom 19. Juni 2018 E. 2.1.1; Gless, in: Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2023, Art. 139 StPO N 48 ff.).

 

Gemäss Art. 389 Abs. 1 StPO beruht das Rechtsmittelverfahren auf den bereits im Vorverfahren und erstinstanzlichen Hauptverfahren erhobenen Beweisen. Nach Art. 389 Abs. 2 StPO sind Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts im Rechtsmittelverfahren nur zu wiederholen, wenn sie unvollständig waren, die entsprechenden Akten unzuverlässig erscheinen Beweisvorschriften verletzt worden sind. Zusätzliche Beweise sind gemäss 389 Abs. 3 StPO zu erheben, soweit es erforderlich ist. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiserhebungen den Ausgang des Verfahrens beeinflussen könnten (BGE 141 I 60 E. 3.3; BGer 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 2.3.6, 6B_1352/2019 vom 14. Dezember 2020 E. 2.4.2, 6B_83/2020 vom 18. Juni 2020 E. 1.3.1). In diesem Zusammenhang verankert Art. 343 Abs. 3 StPO grundsätzlich eine einmalige Unmittelbarkeit im erstinstanzlichen Verfahren, in der Regel jedoch keine solche für das Rechtsmittelverfahren (BGE 140 IV 196 E. 4.4.1; BGer 6B_798/2021 vom 2. August 2022 E. 2.2; zum Ganzen BGE 143 IV 288 E. 1.4.1, 141 IV 39 E. 1.6, 140 IV 196 E. 4.4.1, je mit Hinweisen). Aus Art. 343 Abs. 3 StPO in Verbindung mit Art. 405 Abs. 1 StPO ergibt sich aber, dass eine unmittelbare Beweisabnahme im Rechtsmittelverfahren dann zu erfolgen hat, wenn im mündlichen Berufungsverfahren die unmittelbare Kenntnis für die Urteilsfällung notwendig erscheint. Art. 343 Abs. 3 StPO gelangt insofern auch im Rechtsmittelverfahren zur Anwendung (BGE 140 IV 196 E. 4.4.1; BGer 6B_484/2012 vom 11. Dezember 2012 E. 1.2). Eine unmittelbare Abnahme eines Beweismittels ist notwendig im Sinne von Art. 343 Abs. 3 StPO, wenn sie den Ausgang des Verfahrens beeinflussen kann. Dies ist namentlich der Fall, wenn die Kraft des Beweismittels in entscheidender Weise vom Eindruck abhängt, der bei seiner Präsentation entsteht, beispielsweise wenn es in besonderem Masse auf den unmittelbaren Eindruck einer Zeugenaussage ankommt, so, wenn die Aussage das einzige direkte Beweismittel (Aussage gegen Aussage) darstellt (BGE 140 IV 196 E. 4.4.2; BGer 6B_693/2021 vom 10. Mai 2022 E. 4.1.3, 6B_139/2013 vom 20. Juni 2013 E. 1.3.2). Alleine der Inhalt der Aussage einer Person (was sie sagt), lässt eine erneute Beweisabnahme nicht notwendig erscheinen. Massgebend ist, ob das Urteil in entscheidender Weise von deren Aussageverhalten (wie sie es sagt) abhängt (BGE 140 IV 196 E. 4.4.2; BGer 6B_693/2021 vom 10. Mai 2022 E. 4.1.3, 6B_970/2013 vom 24. Juni 2014 E. 2.1). Das Gericht verfügt bei der Frage, ob eine erneute Beweisabnahme erforderlich ist, über einen Ermessensspielraum (BGE 140 IV 196 E. 4.4.2; BGer 6B_693/2021 vom 10. Mai 2022 E. 4.1.3, 6B_970/2013 vom 24. Juni 2014 E. 2.1).

 

Zum Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 107 StPO, Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung [BV, SR 101], Art. 6 Ziff. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK, SR 0.101]) gehört, dass die Behörde alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien würdigt und die ihr angebotenen Beweise abnimmt, wenn diese zur Abklärung des Sachverhalts tauglich und notwendig erscheinen. Umgekehrt folgt daraus, dass keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt, wenn das Gericht auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es zur Erkenntnis gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und ohne Willkür in antizipierter Beweiswürdigung annehmen kann, dass diese Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen – selbst wenn das Beweismittel an sich tauglich wäre – nicht erschüttert würde (vgl. Art. 139 Abs. 2 StPO; BGE 141 I 60 E. 3.3, 136 I 229 E. 5.3; BGer 6B_1107/2020 vom 20. Juli 2022 E. 5.2.2, 6B_551/2021 vom 17. September 2021 E. 2.2.2, je mit Hinweisen). In gleicher Weise wird bei der sogenannten Wahrunterstellung die mit dem Beweisantrag verbundene Tatsachenbehauptung zugunsten des Antragstellers als wahr angesehen; ergibt sich, dass auch das die Überzeugung des Gerichts nicht beeinflussen würde, so erweist sich die Beweiserhebung ebenfalls nicht als erforderlich (Tophinke, in: Basler Kommentar, 3. Auflage 2023, Art. 10 StPO N 68; BGer 6B_479/2016 vom 29. Juli 2016 E. 1.4; 6B_764/ 2013 vom 26. Mai 2014 E. 4.3 je mit Hinweisen).

 

2.1.3   Was die beantragte Befragung von C____ anbelangt, gilt es festzuhalten, dass von ihr keine den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt erhellenden und glaubhaften weiteren Informationen zu erwarten sind. So erweist sich insbesondere die angeblich «auf eigene Initiative ohne jeglichen Zwang und ohne jegliche Beeinflussung» abgegebene Erklärung vom 21. Dezember 2020 (Akten S. 1525u) als unzuverlässig bzw. unzutreffend – dies ist umso erstaunlicher, als sie sich genaue Gedanken zum Inhalt ihrer Erklärung machen konnte und diese zudem vor einem ungarischen Rechtsanwalt zu Protokoll gab. So stehen C____s Angaben betreffend ihren letzten Aufenthalt in der Schweiz während «höchstens zwei Wochen», «ungefähr 2014–2015» (zudem sagte sie aus, sie sei «seit über fünf Jahren nicht in der Schweiz gewesen»), im Widerspruch zu ihrem tatsächlich festgestellten Aufenthalt für die Dauer von vier Tagen vom 17. August bis zum 21. August 2016 in Basel. Auch stellt sie in ihrer Erklärung – entgegen den Ausführungen der Verteidigung – in Abrede, in der Schweiz als Prostituierte gearbeitet zu haben – obgleich auch dies durch die Anmeldung an der [...] durch die [...] GmbH als erstellt gelten kann (vgl. Akten S. 1511) –, führt sie doch aus, dass eine solche Behauptung vom Opfer verbreitet werde, dies jedoch nicht der Wahrheit entspreche («Ich sage aus, dass das, was B____ über mich sagt, nicht wahr ist, nicht der Wahrheit entspricht»). Es ist mithin davon auszugehen, dass C____ ihre «Wahrheit» den Gegebenheiten anpasst. Ausserdem führte C____ in ihrer Erklärung vom 21. Dezember 2020 aus, dass sie dem Opfer in der Vergangenheit lediglich zufällig bei Bekannten über den Weg gelaufen sei und dass man sich dabei gegrüsst habe. Überdies machte sie geltend, dass sie den Beschuldigten nicht persönlich kenne und ihn nie getroffen habe (Akten S. 1525u). Entsprechend ist auch fraglich, inwiefern sie, wie vom Beschuldigten vorgebracht wird, über seinen Aufenthaltsort im Sommer 2016 glaubhafte Aussagen machen soll bzw. kann.

 

Damit ist der Antrag auf Befragung von C____ in antizipierter Beweiswürdigung abzuweisen.

 

2.1.4   Abzuweisen ist des Weiteren auch die beantragte (erneute) Befragung des Opfers. Zwar handelt es sich vorliegend zu einem grossen Teil um eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation, bei der die Schilderungen des Opfers ein entscheidendes Beweismittel darstellen, jedoch wurde das Opfer bereits im Vorverfahren unter (indirekter) Konfrontation mit dem Beschuldigten (über knapp fünf Stunden) sowie unter Teilnahme des Verteidigers einvernommen (vgl. Akten S. 619 ff.). Das Opfer wurde sodann nochmals vor dem Strafgericht über rund vier Stunden eingehend befragt, wobei der Beschuldigte auch hier mittels indirekter Konfrontation mit den Aussagen konfrontiert wurde und über seine Verteidigung Anschlussfragen stellen konnte. Von diesem Recht hat er denn auch Gebrauch gemacht (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1203 ff.). Die Befragung vor der ersten Instanz wurde zudem mittels Audio-/Videoaufnahme aufgezeichnet. Das Berufungsgericht konnte sich entsprechend durch die Konsultation der Aufnahmen selbst ein Bild vom Opfer und seinem Aussageverhalten machen. Schliesslich moniert der Beschuldigte auch – zu Recht – nicht, dass die vorinstanzliche Beweisabnahme nicht ordnungsgemäss erfolgt sei. Sofern der Beschuldigte Ungereimtheiten im Aussageverhalten des Opfers geltend macht, sind diese im Rahmen der Beweiswürdigung zu thematisieren und berühren nicht den Aspekt einer zureichenden und verwertbaren Beweiserhebung.

 

Im Ergebnis kann somit auf die in der Voruntersuchung sowie vor dem Strafgericht gemachten Aussagen des Opfers abgestellt werden. Es ist nicht einzusehen, was eine nochmalige Befragung zu denselben Punkten für neue Erkenntnisse zutage fördern sollte, welche die Entscheidfindung des Gerichts beeinflussen könnten. Ob die Aussagen schliesslich ausreichend für einen Schuldspruch sind, ist eine Frage der noch vorzunehmenden Beweiswürdigung.

 

2.2

2.2.1   Der Beschuldigte bringt des Weiteren vor, dass die nicht parteiöffentlichen Einvernahmen des Opfers aufgrund einer Verletzung der Teilnahmerechte nicht verwertbar seien, wobei auch eine Wiederholung der Einvernahmen die ursprünglichen Einvernahmen nicht verwertbar mache. Das Urteil dürfe sich entsprechend nur auf solche Sachverhalte beziehen, welche konkret an den parteiöffentlichen Einvernahmen geäussert worden seien. Die erste parteiöffentliche Einvernahme des Opfers habe am 28. Mai 2019 stattgefunden. So sei insbesondere der Verweis auf die Aussagen des Opfers anlässlich der ersten Einvernahme, welche, weil in freier Rede geäussert, als Beleg für dessen «(Teil)glaubwürdigkeit» unzulässig, solange diese keinen Niederschlag in den verwertbaren Protokollen fänden. Massgebend seien die Aussagen nach dem 28. Mai 2019 (ab Akten S. 587 ff.).

 

2.2.2   Im Untersuchungs- und Hauptverfahren gilt gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebungen. Danach haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Die Anwesenheit der Verteidigung bei polizeilichen Einvernahmen richtet sich nach Art. 159 StPO. Vor Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft besteht der Anspruch auf Parteiöffentlichkeit nicht. Bei Beweiserhebungen durch die Polizei, etwa bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen gestützt auf Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO, sind die Parteien mit anderen Worten nicht zur Teilnahme berechtigt (BGer 6B_780/2021 vom 16. Dezember 2021 E. 1.2, 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.2, 6B_1080/2020 vom 10. Juni 2021 E. 5.2). Die Strafuntersuchung gilt als eröffnet, sobald sich die Staatsanwaltschaft mit dem Straffall zu befassen beginnt, insbesondere, wenn sie Zwangsmassnahmen anordnet (BGE 143 IV 397 E. 3.4.2, 141 IV 20 E. 1.1.4 m.H.; vgl. auch Vogelsang, in: Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2023, Art. 309 StPO N 9 f.).

 

2.2.3   Vorliegend wurden mit dem Opfer insgesamt fünf Einvernahmen durchgeführt, an denen weder der Beschuldigte noch seine Verteidigung teilnehmen konnten (Einvernahme vom 7. November 2016 [Akten S. 410 ff.], Einvernahme vom 2. Februar 2017 [Akten S. 438 ff.], Einvernahme vom 13. Juli 2017 [Akten S. 468 ff.], Einvernahme vom 9. August 2017 [Akten S. 515 ff.], Einvernahme vom 17. August 2017 [543 ff.]. Sämtliche erwähnten Einvernahmen fanden jedoch im polizeilichen Untersuchungsverfahren statt; das Strafverfahren war zu diesen Zeitpunkten weder materiell noch formell bereits eröffnet worden. So erfolgte denn auch die Identifizierung des Beschuldigten durch die ungarischen Behörden erst am 16. März 2018 (Akten S. 319 ff., 563, s. dazu auch das Rechtshilfegesuch vom 19. Oktober 2017, Akten S. 311 ff.; ein zuvor durchgeführter Identifizierungsversuch via EUROPOL im Jahre 2017 war noch fehlgeschlagen [vgl. Schreiben EUROPOL vom 28. Juli 2017, Akten S. 286]) und dessen Ausschreibung im RIPOL am 18. Januar 2019 (Akten S. 98), seine Anhaltung/Haft sowie weitere Zwangsmassnahmen erfolgten sodann erst nach dem 20. April 2019 (Akten S. 99 ff.; vgl. auch die Eröffnungs-/Ausdehnungsverfügung vom 21. April 2019, Akten S. 264). Eine Gewährung der Teilnahmerechte vor der Identifizierung resp. Verhaftung des Beschuldigten wäre denn auch rein praktisch gar nicht möglich gewesen.

 

Zum Zeitpunkt der ersten Einvernahmen war der Staatsanwaltschaft zudem auch nicht klar, ob das Opfer in der Schweiz würde bleiben und mithin als Auskunftsperson auch im späteren Verlauf des Verfahrens zur Verfügung stehen können. So wurde am 7. Oktober 2016 vom Migrationsamt Basel-Stadt eine Anwesenheitsbestätigung (Erlaubnis des vorläufigen Aufenthalts) für das Opfer gestützt auf Art. 35 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) ausgestellt, die bis zum 6. November 2016 Gültigkeit hatte (Akten S. 398). Seither verfügte es über keine Aufenthaltsbewilligung (vgl. E-Mail FIZ, Akten S. 430). Am 7. November 2016 fand die erste Einvernahme des Opfers statt (Akten S. 410 ff.). Am 7. Dezember 2016 fragte die FIZ bei der Kriminalpolizei an, ob gestützt auf Art. 36 VZAE durch die Polizei ein Antrag auf eine Kurzaufenthaltsbewilligung gestellt werden könnte (E-Mail FIZ, Akten S. 430). Eine solche Anfrage (Kurzaufenthaltsbewilligung für 6 Monate) an das Migrationsamt Basel-Stadt durch die Polizei erfolgte am 8. Dezember 2016 (Akten S. 431). Den Akten kann hierzu entnommen werden, dass die Kurzaufenthaltsbewilligung wohl im Laufe des Dezembers ausgestellt wurde (vgl. Akten S. 432). Die zweite Einvernahme des Opfers fand sodann am 2. Februar 2017 statt (Akten S. 438 ff.). Die FIZ stellte am 28. April 2017 das Gesuch um eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund eines Härtefalls gestützt auf Art. 36 Abs. 6 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 VZAE (Akten S. 455 ff.). Das Gesuch wurde in der Folge bewilligt und dem Opfer eine Aufenthaltsbewilligung B ausgestellt. Zwar kann auch hier das exakte Datum nicht aus den Akten entnommen werden, dies muss aber zwischen Ende April und dem 9. August 2017 geschehen sein (vgl. Einvernahme vom 9. August 2017, Akten S. 530). Zumindest im Hinblick auf die beiden Einvernahmen vom 7. November 2016 und 2. Februar 2017 war mithin eine rasche Sicherung der Beweise im Sinne der zeitnahen Befragung des Opfers angezeigt. Ab Erhalt der Aufenthaltsbewilligung B im Frühling/Sommer 2017 wäre es der Staatsanwaltschaft jedoch grundsätzlich möglich gewesen, mit den weiteren Opferbefragungen zuzuwarten, bis der Beschuldigte hätte identifiziert und vorgeführt werden können. Die Frage der Verwertbarkeit der drei Einvernahmen vom 13. Juli 2017, 9. August 2017 und 17. August 2017 kann vorliegend jedoch offen bleiben, da in diesen ohnehin keine relevanten Aussagen zum Kernsachverhalt gemacht wurde. Vielmehr wurde das Opfer insbesondere zu Vorkommnissen befragt, die sich nach der Anzeigestellung gegen den Beschuldigten ereignet haben sollen und daher im Rahmen der Beweiswürdigung zum angeklagten Sachverhalt nicht von Relevanz sind.

 

Da das Opfer des Weiteren am 28. Mai 2019 parteiöffentlich einvernommen wurde (Akten S. 587 ff.), am 30. Juli 2019 die Konfrontationseinvernahme stattfand (Akten S. 619 ff.) und es auch im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren in Anwesenheit des Beschuldigten und unter Beachtung des Fragerechts einvernommen wurde (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1203 ff.), ist nicht erkennbar, weshalb die ersten beiden polizeilichen Einvernahmen nach Art. 147 Abs. 4 StPO nicht zu Lasten des Beschuldigten verwertet werden dürften. Im Ergebnis verletzte die Abwesenheit des Beschuldigten in den im polizeilichen Untersuchungsverfahren durchgeführten Einvernahmen des Opfers somit dessen Teilnahmerechte nicht.

 

Der Vollständigkeit halber gilt es zudem festzuhalten, dass auch keine Verletzung des Konfrontationsanspruchs vorliegt, fand eine Konfrontation des Opfers mit dem Beschuldigten doch – wie erwähnt – im Vorverfahren sowie vor dem Strafgericht statt, womit der Beschuldigte ausreichend Gelegenheit hatte, die Aussagen des Opfers in Zweifel zu ziehen und ihm Fragen zu stellen. Eine Verletzung dieses Anspruchs wird vom Beschuldigten denn auch nicht geltend gemacht.

 

2.3

2.3.1   Der Beschuldigte moniert ausserdem auch eine Verletzung des Anklagegrundsatzes. So fänden sich im vorinstanzlichen Urteil Sachverhaltserkenntnisse, welche nicht mit der Anklageschrift übereinstimmten. Insbesondere, dass der Beschuldigte nicht selbst vor Ort gewesen sei und via Dritte gehandelt habe, finde keine Grundlage in der Anklageschrift.

 

2.3.2   Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie aus Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten, in Art. 9 StPO verankerten Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Gegenstand des Verfahrens können nur Sachverhalte sein, die der beschuldigten Person in der Anklageschrift vorgeworfen werden. Entsprechend ist das Gericht an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden, nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (Umgrenzungsfunktion; Immutabilitätsprinzip; Art. 350 Abs. 1 StPO). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind (BGE 141 IV 132 E. 3.4.1, 140 IV 188 E. 1.3, 126 I 19 E. 2a; BGer 6B_1404/2020 vom 17. Januar 2022 E. 1.3; vgl. auch Jean- Richard-dit-Bressel, Flexibilität der Anklage, in: forumpoenale 5/2017, S. 309, 311).

 

2.3.3   Der Kritik des Beschuldigten kann vorliegend nicht gefolgt werden. Sofern er sich auf die Vorkommnisse aus dem Jahre 2011 bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass diesbezüglich bereits ein rechtskräftiger Freispruch ergangen ist. Nur ergänzend gilt es gleichwohl festzuhalten, dass die Anklageschrift zu diesen Vorkommnissen im Jahre 2011 ausführt, dass schon das Verbringen des Opfers in die Schweiz möglicherweise durch Drittpersonen erfolgt sein könnte («Es muss dabei offenbleiben, ob der Beschuldigte die Frauen auf dieser Reise begleitete, ob er sich dabei einer ihn in seiner Position als Zuhälter vertretenden Drittperson («[...]» «[...]») bediente», AS Ziff. I. 1.). Gleiches gilt auch für die Positionierung des Opfers auf dem Strassenstrich in Zürich («[…] er eine von ihm beauftragte und in seinem Namen handelnde Drittperson positionierte das Opfer] am Sihlquai auf dem Strassenstrich», AS Ziff. I. 1.), für die Abgabe des Verdienstes («Den Verdienst musste [das Opfer] jeweils dem Beschuldigten bzw. in dessen Abwesenheit den von ihm mit der Einziehung des Dirnenlohns beauftragten Drittpersonen aushändigen», AS Ziff. I. 1.) für die Einschränkung der Handlungsfreiheit («Der Beschuldigte und die von ihm beauftragten und ihn in seiner Position als Zuhälter vertretenden Drittpersonen schränkten [die] Handlungsfreiheit [des Opfers] durch diverse Massnahmen ein und hielten [das Opfer] auf diese Weise gegen [seinen] Willen in der Prostitution fest», AS Ziff. I. 1.).

 

Was den angeklagten Tatzeitraum im Jahre 2016 anbelangt, beschränkt sich die diesbezügliche Kritik des Beschuldigten auf die Aussagen des Opfers. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Frage der Verletzung des Anklagegrundsatzes, sondern um eine solche der Beweiswürdigung (dazu hinten E. 3).

 

2.4

2.4.1   Der Beschuldigte beantragt schliesslich, es sei die als Zeugin an die Berufungsverhandlung vorgeladene G____ anstatt als Zeugin als Auskunftsperson zu befragen. Diese habe das Opfer als Betreuungsperson zur erstinstanzlichen Verhandlung begleitet und sei offenbar während der ganzen Verhandlungsdauer anwesend gewesen. Damit habe sie aber ihre Zeuginnenqualität verloren, weil sie durch die ganze erstinstanzliche Verhandlung beeinflusst worden sei. Als Betreuungsperson habe sie sowieso eher Parteiqualität und sei demnach, wenn überhaupt, höchstens als Auskunftsperson zu befragen, dies analog zu Art. 178 StPO.

 

2.4.2   Gemäss Art. 162 StPO ist eine Zeugin eine an der Begehung einer Straftat nicht beteiligte Person, die der Aufklärung dienende Aussagen machen kann und nicht Auskunftsperson ist. Als Auskunftsperson wird nach Art. 178 StPO einvernommen, wer sich entweder als Privatklägerschaft konstituiert hat, zur Zeit der Einvernahme das 15. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hat, wegen eingeschränkter Urteilsfähigkeit nicht in der Lage ist, den Gegenstand der Einvernahme zu erfassen, ohne selber beschuldigt zu sein, als Täterin, Täter, Teilnehmerin Teilnehmer der abzuklärenden Straftat einer anderen damit zusammenhängenden Straftat nicht ausgeschlossen werden kann, als mitbeschuldigte Person zu einer ihr nicht selber zur Last gelegten Straftat zu befragen ist, in einem andern Verfahren wegen einer Tat, die mit der abzuklärenden Straftat in Zusammenhang steht, beschuldigt ist, in einem gegen ein Unternehmen gerichteten Strafverfahren als Vertreterin Vertreter des Unternehmens bezeichnet worden ist bezeichnet werden könnte, sowie ihre seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Aufzählung ist abschliessend, womit keine Ergänzung durch weitere Konstellationen erfolgen kann (Jositsch/Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung – Praxiskommentar, 4. Aufl., Zürich 2023, Art. 178 N 1).

 

2.4.3   Vorliegend sind keine der Voraussetzungen gegeben, dass die als Zeugin geladene G____ als Auskunftsperson einvernommen werden könnte. Aufgrund der abschliessenden Aufzählung in Art. 178 StPO fällt denn auch eine analoge Anwendung der Bestimmung ausser Betracht. Ausserdem gilt es festzuhalten, dass der Audio-/Videoaufzeichnung der erstinstanzlichen Verhandlung entnommen werden kann, dass die Zeugin G____ als damalige Begleitperson des Opfers nur während dessen Befragung anwesend war. Vor und nach der Opferbefragung befinden sich beide Personen mithin nicht im Gerichtssaal (vgl. Audioaufnahme II [Zeitstempel 2:34] sowie Audioaufnahme V [Zeitstempel 12:55]; vgl. auch Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1228) und waren – entgegen der Behauptung des Beschuldigten – somit nicht während der ganzen Verhandlungsdauer anwesend. Zudem wären allfällige «Beeinflussungen» Näheverhältnisse u.ä. bei der Beweiswürdigung und nicht der Frage der Zeuginneneigenschaft zu berücksichtigen.

 

3.         Tatsächliches

 

3.1      Die Vorinstanz hat in materieller Hinsicht zusammengefasst festgehalten, dass das Opfer in Bezug auf das Kerngeschehen – das Kennenlernen des Beschuldigten, das Verliebtsein, den Beginn ihrer Tätigkeit als Prostituierte für den Beschuldigten, die Ausgestaltung des Prostituierten-Zuhälter-Verhältnisses, das zunehmende Abhängigkeitsverhältnis mit einer Droh- und Gewaltkulisse sowie die Ausnützung der Schuldensituation durch den Beschuldigten – konstante und stimmige Aussagen gemacht habe. Was aber den Anklagevorwurf für den Tatzeitraum 2011 angehe, habe das Opfer seine frühere Aussage insofern korrigiert, als es in Zürich zwar für den Beschuldigten die Kreditschulden seines Vaters abgearbeitet habe, allerdings habe nicht der Beschuldigte, sondern sein Kompagnon «[...]» das Opfer in dessen Auftrag in die Schweiz begleitet und hier beaufsichtigt. In dieser Konstellation sei es rein theoretisch durchaus möglich, dass der Beschuldigte als Mittäter eines Menschenhandels respektive der Förderung der Prostitution in Frage komme. Allerdings habe er sich zum fraglichen Tatzeitraum nachweislich in Ungarn im Gefängnis befunden und es sei schlicht unklar geblieben, welchen wesentlichen Tatbeitrag er unter diesen Umständen geleistet haben solle und wie er auf die fraglichen Delikte in der Schweiz konkret Einfluss genommen habe. Diesbezüglich fehlten denn auch nähere Ausführungen in der Anklageschrift. Dasselbe gelte für die angeklagten Sexualdelikte. Hier käme bei der vorliegenden Sachlage von vornherein ohnehin nur eine Anstiftung in Frage. Diese Form der Teilnahme sei aber weder nachgewiesen noch im Anklagesachverhalt umschrieben. Insofern sei der Sachverhalt in Bezug auf den inkriminierten Tatzeitraum Januar/Februar 2011 nicht als erstellt anzusehen.

 

Hinsichtlich des Tatzeitraums 2016 sei demgegenüber gestützt auf die Aussagen des Opfers zunächst als erstellt zu betrachten, dass dieses in der Zeit nach seiner durch die FIZ organisierten Rückkehr nach Ungarn im Jahre 2011 und nachdem es und der Beschuldigte ihre jeweiligen Gefängnisstrafen verbüsst hätten, wieder zum Beschuldigten zurückgekehrt sei, da es keine Bleibe und keinerlei finanzielle Mittel gehabt habe. Des Weiteren sei den Aussagen des Opfers folgend nachgewiesen, dass der Beschuldigte die Familie des Opfers während seines Gefängnisaufenthalts abermals einen Kredit gewährt und erneut die Abmachung bestanden habe, dass das Opfer die Summe von 1'000'000.– Forint beim Beschuldigten durch seine Arbeit als Prostituierte abarbeite. Gestützt auf die Angaben des Opfers sei denn auch davon auszugehen, dass sie von diesem Deal noch vor der Reise in die Schweiz erfahren und sich anfänglich damit einverstanden erklärt habe. Ferner sei erstellt, dass der Beschuldigte Anfang August 2016 zusammen mit dem Opfer und zwei weiteren Prostituierten nach Basel an die [...] gefahren sei. Dort habe er bei seiner Schwägerin H____ ein Zimmer gemietet und das Opfer als Prostituierte arbeiten lassen. Insbesondere in der ersten, tatnahen Einvernahme habe das Opfer anschaulich geschildert, wie es dem Beschuldigten nach etwa zwei Wochen in Basel mitgeteilt habe, dass sie die Schulden nun abbezahlt habe und gerne nach Hause gehen möchte. Darauf habe der Beschuldigte mit Gewalt reagiert, indem er ihr zwei Zähne ausgeschlagen und die Nase gebrochen habe. Zudem habe er das Opfer nicht wie vereinbart nach Ungarn zurückkehren lassen. Stattdessen habe er es Anfang September 2016 nach Zürich mitgenommen, wo es sich gegen ihren Willen habe prostituieren müssen. Ebenso sei erstellt, dass der Beschuldigte als Zuhälter des Opfers diesem, wie in der Anklageschrift umschrieben, Vorschriften zu seiner Tätigkeit auf dem Strassenstrich in Basel und Zürich gemacht habe, das Opfer dabei kontrolliert, es überwacht, ihm den gesamten Verdienst abgenommen und es geschlagen habe, wenn es sich seinen Anweisungen nicht gefügt und Vorgaben nicht eingehalten habe.

 

In Bezug auf den Tatzeitraum 2016 sei indessen nicht erstellt, dass der Beschuldigte das Opfer wiederholt sexuell genötigt und geschändet habe, indem er es durch Gewaltanwendung durch Herbeiführung seiner Widerstandsunfähigkeit mittels Betäubungsmitteln respektive Alkohol zur Duldung von Analsex gezwungen habe. So seien die Opferaussagen im Zusammenhang mit den sexuellen Übergriffen, insbesondere in Bezug auf die Nötigungsmittel respektive die Widerstandsunfähigkeit, über das gesamte Verfahren hinweg zu vage, ausweichend und teilweise auch widersprüchlich ausgefallen, als dass gestützt darauf ein Schuldspruch ergehen könne. Ferner erscheine dem Gericht für die Tatzeit im Jahre 2016 aufgrund des damaligen Zustandes des Penis des Beschuldigten eine erzwungene anale Penetration eher nicht vorstellbar.

 

Hingegen sei gestützt auf die tatnahen Aussagen des Opfers davon auszugehen, dass der Beschuldigte es, nachdem es sich im September 2016 an [...] gewandt habe und von einer anderen Prostituierten verraten worden sei, mit dem Tod bedroht habe. Überdies stehe fest, dass das Opfer für seine Erwerbstätigkeit als Prostituierte nicht über die erforderliche Bewilligung verfügt habe.

 

3.2      Der Beschuldigte bringt dagegen vor, dass die ganze Anklage mit den Aussagen eines einzigen Opfers stehe und falle, die sich zum grössten Teil durch einen Gegenbeweis erst noch als unwahr herausgestellt hätten. Und dort, wo der Gegenbeweis für eine kleine Zeitspanne von Mitte August bis Mitte September 2016 nicht habe geleistet werden können, es an jedem objektiven Indiz fehle, welches die behauptete Anwesenheit des Beschuldigten in der Schweiz, sei dies in Zürich Basel, stützen könne. Der Beschuldigte, vom Opfer «A____» genannt, sei ein Phantom geblieben, währendem das angebliche Opfer tatsächlich als Prostituierte gearbeitet habe, aber eben nicht in Abhängigkeit vom Beschuldigten, sondern dort, wo überhaupt ersichtlich, bei Dritten, währendem vom Beschuldigten jede Spur fehle. Es habe eine Razzia an der [...] gegeben, wo das Opfer gearbeitet habe. Auch dort habe es keinen Hinweis auf den Beschuldigten gegeben, obwohl mehrere Prostituierte angehalten worden seien und das Opfer polizeilich aufgefordert worden sei, fünf von ihnen zu bezeichnen, welche mit dem Beschuldigten in Zusammenhang gebracht werden könnten. Fehlanzeige. Der einzige Bezug zum Beschuldigten sei offenbar eine Schwester von ihm, die in den Akten anonym als Menschenhändlerin denunziert werde.

 

Vorliegend von Relevanz sei insbesondere die «Glaubwürdigkeit» des Opfers. Dieses könne nicht glaubwürdig sein, weil es den Beschuldigten in Bezug auf angebliche Straftaten im Zeitraum von 2011 bis Juli 2016 wissentlich falsch beschuldigt habe. Der Beschuldigte habe sie hauptsächlich in Zürich in die Prostitution gezwungen und sie schwer misshandelt; und zwar persönlich, nicht via Drittpersonen. Diese Angaben habe der Beschuldigte als falsch belegen können, indem er den Gegenbeweis dadurch geliefert habe, dass er zur fraglichen Zeit im Gefängnis in Ungarn gewesen sei und somit die Taten nicht habe begehen können. Die Vorinstanz habe denn auch folgerichtig betreffend diesen Zeitraum den Beschuldigten freisprechen müssen. Wenn nun bezüglich des Zeitraums ab August 2016 behauptet werde, die Aussagen des Opfers träfen hier zu, obwohl sie sich für die Zeit davor durch den Gegenbeweis als falsch herausstellten, so komme das einer Umkehr der Beweislast und einer Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo gleich. Die Erwägungen der Vorinstanz, wonach das Opfer eben trotzdem nicht generell unglaubwürdig sei, hielten nicht stand: Wenn das Opfer seine Angaben anpasse, weil sie nicht mit der Beweislage korrespondierten, so liefere dies ein zusätzliches Merkmal der Unglaubwürdigkeit. Würde eine beschuldigte Person Aussagen derart anpassen, so würden diese sofort als einfache Schutzbehauptung abqualifiziert werden. Ganz grundsätzlich müssten so die Aussagen des Opfers als unglaubwürdig taxiert werden. Zu sehr seien sie nachweislich falsch derart widersprüchlich, dass sie nicht stimmen könnten. Insbesondere seien Aussagen des Opfers zum Zeitraum 2011 und zu den Sexual- und Drogendelikten nachweislich falsch und erfunden. Die Täterschaft des Berufungsklägers könne mit den Aussagen des Opfers nicht nachgewiesen werden. Die Kenntnisse des Opfers über die Hintergründe und Details von Menschenhandel, Zuhälterei, der einhergehenden Drohkulisse etc., welche dem Opfer unumstritten attestiert würden, basierten auf dessen Lebensgeschichte, welcher zugestandenermassen Selbsterlebtes wiedergebe, nicht aber die Täterschaft des Berufungsklägers beweise.

 

3.3      Die Staatsanwaltschaft führt zusammengefasst aus, dass die Vorinstanz zu Recht zur Erkenntnis gelangt sei, dass die Lügen des Opfers nicht das Kerngeschehen tangieren würden, dass die Ungereimtheiten nicht ausreichten, um die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Opfers in Zweifel zu ziehen und dass schliesslich kein nachvollziehbares Motiv für eine falsche Anschuldigung ersichtlich sei. Dieser Eindruck sei auch sehr anschaulich durch die an der Berufungsverhandlung befragte Zeugin untermauert worden. Und zu Recht sei die Vorinstanz zur Erkenntnis gelangt, dass die Schilderungen des Opfers schlicht überzeugender seien, als diejenigen des Beschuldigten, der weder mit Prostitution noch mit dem Opfer etwas zu tun haben wolle, der für das Gegenteil indizierende teils gar belegende Hinweise keine Erklärung biete und sich ausschliesslich in der Opferrolle sehe. Zu Recht habe die Vorinstanz den Anklagesachverhalt daher zumindest für den Tatzeitraum 2016 als erstellt angesehen.

 

3.4      Für die beweisrechtliche Beurteilung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Sachverhalte gilt es insbesondere auf die Aussagen des Opfers (hinten E. 3.5.1) sowie des Beschuldigten selbst einzugehen. Auch kann auf gewisse weitere (objektive) Beweismittel und Indizien abgestellt werden (hinten E. 3.5.2).

 

3.5

3.5.1   Was die Aussagen des Opfers betrifft, so wurde es mehrfach zum Vorfall befragt, wobei vorliegend nur auf die ersten beiden Einvernahmen vom 7. November 2016 und 2. Februar 2017 (vgl. vorne E. 2.2), auf die Einvernahme vom 28. Mai 2019, die Konfrontationseinvernahme vom 30. Juli 2019 sowie auf die Befragung im Rahmen der erstinstanzlichen Hauptverhandlung abzustellen ist.

 

3.5.1.1 In der ersten Einvernahme vom 7. November 2016 erzählte das Opfer in der mehrstündigen Einvernahme von seiner Kindheit in ärmlichen Verhältnissen, seinem Aufwachsen als Transsexuelle in Ungarn, wie es ins Heim gekommen sei und dort als Minderjährige schliesslich über «A____» den Weg in die Prostitution gefunden habe. Es berichtete, wie «A____» sein Zuhälter geworden sei und es in verschiedenen Ländern Europas für ihn als Prostituierte gearbeitet habe. Ferner schilderte es die Umstände – nämlich den zweimaligen Verkauf durch seinen Vater an «A____» –, unter denen es in den Jahren 2011 und 2016 in die Schweiz gekommen sei und hier ebenfalls für «A____» der Prostitution nachgegangen sei. Im Verlaufe dieser Einvernahme wurde das Opfer auch gefragt, ob es «A____» beschreiben könne, worauf es erwiderte, dass er A____ heisse, und es zeigte dem Untersuchungsbeamten auf seinem Mobiltelefon ein Foto des Beschuldigten (vgl. Akten S. 416). Des Weiteren berichtete das Opfer, wie der Beschuldigte im Dorf Mädchen gesucht habe, die sich für ihn prostituieren sollten und wie er dabei Mädchen im Kinderheim mit Blumen, Schokolade und Zigaretten verwöhnt habe. Als er vom Opfer erfahren habe, dass es transsexuell sei, habe er wohl gedacht, dass er mit ihm gutes Geld verdienen könne. Der Beschuldigte habe ihm erzählt, dass es eine Möglichkeit gebe, auf der Strasse zu arbeiten und dass man so sehr gut verdienen könne. Es solle es mit der Prostitution versuchen und wenn es ihm nicht passe, könne es wieder aufhören (Akten S. 413, 418 f.). Dabei brachte es als Motivlage für die Prostitution nicht nur die blosse Druckausübung durch den Beschuldigten vor, sondern wies auch auf seine eigenen finanziellen Interessen und seine Liebe zum Beschuldigten hin (Akten S. 413). Das Opfer hat sodann festgehalten, dass es zunächst jeweils damit einverstanden gewesen sei, die Schulden des Vaters in der Schweiz abzuarbeiten. Als das Geld aber abbezahlt gewesen sei, hätte sich «A____» nicht an die Abmachung gehalten, den Verdienst des Opfers künftig hälftig zu teilen es nach Ungarn zurückkehren zu lassen (Arten S. 411).

 

Ferner berichtete das Opfer eingebettet in das Geschehen von seinen Gefühlen, namentlich seiner Angst vor dem Beschuldigten (Akten S. 415, 417, 421). Auch seine Tätigkeit als Prostituierte auf dem Strassenstrich in Basel und Zürich, als es für den Beschuldigten gearbeitet habe, hat das Opfer geschildert. Es berichtete, wie es vor dem Geschäft jeweils den Beschuldigten habe anrufen und ihm sagen müssen, was gebucht worden sei. Danach habe es «A____» nochmals angerufen und ihm das Geld abgeben müssen. Das Opfer hätte alle sexuellen Dienstleistungen erbringen müssen, auch ohne Kondom, und habe nichts ablehnen können. Der Beschuldigte habe es auch brutal geschlagen, damit es diese Dienstleistungen erbringe (Akten S. 417, 419). Das Opfer habe von Donnerstag bis Sonntag durchgehend den ganzen Tag und von Montag bis Mittwoch von 19.00 bis 7.00 Uhr arbeiten müssen. Um diese 24h-Arbeit ertragen zu können, habe es Drogen genommen (Akten S. 414, 420). Weiter schilderte das Opfer, dass der Beschuldigte ihm seine persönlichen Ausweise abgenommen, für die Arbeit aber wieder ausgehändigt habe. Von seinem Verdienst habe das Opfer selbst kein Geld gesehen; manchmal habe «A____» Lebensmittel besorgt ihm CHF 5.– bis 10.– gegeben (Akten S. 421). Zudem finden sich in der Einvernahme Schilderungen im Zusammenhang mit dem Entkommen aus den Fängen des Beschuldigten und der diesbezüglichen Hilfe durch die Beratungsstelle [...] im September 2016 (Akten S. 415). Diesbezüglich berichtete das Opfer etwa auch, dass offenbar eines der Mädchen «A____» mitgeteilt habe, dass es sich mit jemandem von [...] getroffen habe und es in der Folge vom Beschuldigten bedroht worden sei. Es habe sich jedoch mit der Behauptung herausreden können, dass es nur Kondome habe abholen wollen und dass er nicht auf das andere Mädchen hören solle (Akten S. 416). Weiter erzählte das Opfer, dass es am nächsten Tag, als «A____» ihm gesagt habe, dass er nach Basel ein Mädchen holen gehe, die Gelegenheit ergriffen und bei [...] angerufen habe, man solle es sofort rausholen (Akten S. 416).

 

3.5.1.2 In der zweiten Einvernahme vom 2. Februar 2017 schilderte das Opfer sodann, dass es vom Beschuldigten – im Ausland sowie in der Schweiz – auch mehrfach vergewaltigt worden sei. Ihm seien sodann die Zähne ausgeschlagen und die Rippen gebrochen worden, es habe aber keine Arztzeugnisse hierfür, da es nicht habe zum Arzt gehen dürfen. Der Beschuldigte sei dabei, wie auch das Opfer, unter Drogeneinfluss gestanden (Akten S. 439 ff.). Nach der Meldung bei der Beratungsstelle [...] sei es zur Polizei und dann zur FIZ gebracht worden. Die FIZ habe das Opfer informiert, dass es einen Monat Zeit habe, um eine Anzeige zu erstatten, wenn es dies wünsche (Akten S. 440). Des Weiteren führte das Opfer aus, dass es nicht mit der Prostitution aufgehört habe, weil es zunächst in den Beschuldigten verliebt gewesen sei, später habe es dann Angst vor ihm gehabt, da er es bedroht habe, seine Familie umzubringen (Akten S. 442). Sodann führte das Opfer aus, dass der Beschuldigte seinem Vater zwei Mal Geld ausgeliehen habe. Diese Schulden habe das Opfer dann jeweils abarbeiten müssen. Das Opfer habe in der Schweiz Ende August/Anfang September 2016 in Basel erfahren, dass der Beschuldigte es vom Vater «abgekauft» habe (Akten S. 442 f.). Bei der letzten «Vergewaltigung» Ende August 2016 seien das Opfer und der Beschuldigte unter Drogeneinfluss gestanden. Er habe es an den Haaren gerissen und es geschlagen, daraufhin sei das Opfer ohnmächtig geworden. Als es erwacht sei, sei es voll mit Blut gewesen und habe Schmerzen gehabt (Akten S. 445). Nach der Rückkehr nach Ungarn habe das Opfer nicht vorgehabt, sich zu prostituieren, aufgrund der Armut und seiner ungenügenden Schuldbildung sei es aber dazu gezwungen gewesen. Das Opfer habe dann mit dem Beschuldigten vereinbart, dass das eingenommene Geld halbiert werde. Es sei zu ihm zurückgekehrt, weil man bei dieser Arbeit einen Beschützer gebraucht habe. Der Beschuldigte habe dem Opfer dann aber alles Geld weggenommen (Akten S. 446 f.).

 

3.5.1.3 In der Einvernahme vom 28. Mai 2019 machte das Opfer erneut Ausführungen dazu, wie es vom Beschuldigten sexuell genötigt worden sei. Zudem beschrieb das Opfer auch den Penis des Beschuldigten (Akten S. 591). Ferner machte es auch Angaben zur Geschlechtsumwandlung, der es sich im Mai 2018 in der Schweiz unterzogen habe (Akten S. 593). Das Opfer äusserte sich ausserdem eingehend zu den Vorwürfen das Jahr 2011 betreffend (Akten S. 592 ff.).

 

3.5.1.4 An der Konfrontationseinvernahme vom 30. Juli 2019 legte das Opfer in Bezug auf den angeklagten Sachverhalt dar, dass es mit dem Beschuldigten im Jahre 2016 von Bremerhaven nach Basel gekommen sei. Neben dem Beschuldigten und dem Opfer sei auch ein weiteres Mädchen namens C____, auch I____ genannt, aus Ungarn dabei gewesen. Der Beschuldigte habe das Mädchen für eine Million Forint an seine Schwägerin H____ verkauft, die sich als Zuhälterin von zwei bis drei Mädchen in Basel aufgehalten habe. Auch das Opfer sei an H____ verkauft worden, um sicherzustellen, dass der Verdienst des Opfers an den Beschuldigten weitergeleitet werde (Akten S. 621, 648). Aus Angst vor dem Beschuldigten und seinen Männern habe das Opfer ausserdem Drogen konsumiert (Akten S. 637 f.). Das Opfer machte zudem erneut Ausführungen zu den Verletzungen, die es vom Beschuldigten davongetragen habe. So habe er ihm mehrere Zähne ausgeschlagen und eine Rippe sowie die Nase gebrochen. Er habe es auch ins Gesicht geschlagen; das Opfer sei nur an wenigen Tagen nicht vom Beschuldigten geschlagen worden (Akten S. 641). Auch habe der Beschuldigte das Opfer zu sexuellen Handlungen gezwungen (Akten S. 648 f.).

 

3.5.1.5 An der strafgerichtlichen Hauptverhandlung wiederholte das Opfer in der ausführlichen Befragung schliesslich Angaben zu seiner Kindheit, wie der Beschuldigte es aus dem Kinderheim angeworben habe, wie es in ihn verliebt gewesen sei, und er es in die Prostitution eingeführt habe. Als es 18 geworden sei, habe es sich unter anderem in Österreich, Deutschland und Ungarn weiterprostituiert. Dort habe es in Wohnungen und auf der Strasse arbeiten müssen (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1203 ff.). Später hätten sie die Abmachung gehabt, dass sie die Einnahmen hälftig teilen würden, ein Teil des Geldes des Opfers, zu Beginn etwa ein Viertel, habe der Beschuldigte jeweils an den Vater des Opfers geschickt, da dieser dem Beschuldigten noch Geld schulde. Der Beschuldigte habe ausgeführt, dass im Falle einer Verweigerung der Rückzahlung der Vater sowie das Opfer selbst mit Drohungen rechnen müssten. Dem Opfer habe der Beschuldigte selten etwas vom Geld abgegeben (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1208). Das Opfer habe sich auch nicht vom Beschuldigten lösen können, dies aufgrund seiner schweren Kindheit, dem schlechten Bezug zu den Eltern sowie dem Umstand, dass der Beschuldigte ihm ein gewisse – auch finanzielle – Sicherheit habe bieten können. Es habe sonst keinen Platz gehabt, wo es habe hingehen können (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1214). Als sie im Jahre 2016 nach Basel gekommen seien, sei – neben einem weiteren Mädchen – eine andere Person namens I____ dabei gewesen. In Basel hätten sie in einer markierten Zone in der [...] gearbeitet (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1215). In Basel habe es durch den Beschuldigten des Weiteren körperliche und sexuelle Übergriffe gegeben. Unter anderem habe das Opfer bei einem der Vorfälle an der [...] zwei Zähne verloren und das Nasenbein gebrochen. Wenn das Opfer in der [...] angeschafft habe, sei es jeweils vom Beschuldigten überwacht worden. Wenn letzterer nicht vor Ort gewesen sei, so hätte er jeweils telefonisch über alles informiert und es hätten nach jedem Geschäft die Einnahmen an ihn abgegeben werden müssen (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1217 f.). Auch habe das Opfer seine Dienste auf Druck des Beschuldigten ohne Kondom anbieten müssen. Nachdem es einen Monat in Basel gearbeitet habe, seien sie nach Zürich gewechselt. Dies habe der Beschuldigte bestimmt, das Opfer habe dies nicht selbst entscheiden können (Protokoll 1. Instanz, Akten S.1219). Schliesslich schilderte das Opfer auch, wie es in Zürich 2016 schliesslich dem Beschuldigten habe entkommen können und wie es zur Anzeige gegen den Beschuldigten gekommen sei (Protokoll 1. Instanz, Akten S.1220).

 

3.5.2   Was den Beschuldigte anbelangt, so wurde er am 20. April 2019 (Akten S. 139 ff., 568 ff.), am 28. Mai 2019 (Akten S. 597 ff.), am 30. Juli 2019 (Akten S. 619 ff.), am 13. August 2019 (Akten S. 661 ff.) sowie vor dem Straf- und Berufungsgericht (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1191 ff.) befragt.

 

In der ersten Einvernahme vom 20. April 2019 bestritt der Beschuldigte alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Er sei insgesamt etwa drei Mal in der Schweiz gewesen, das letzte Mal sei aber schon lange her. Er habe sich dabei in Basel aufgehalten, er sei nun das dritte Mal in Basel, in anderen Städten sei er nicht gewesen (Akten S. 569). Im Jahre 2006 sei er zum ersten Mal hier gewesen, das andere Mal als Tourist auf der Durchreise. Dieses Mal habe ihn ein Freund gebeten, als Chauffeur mit dem Auto mitzukommen um eine Frau nach Deutschland zu holen (Akten S. 570). 2012 habe er sich einige Tage in Basel aufgehalten. Wegen des Opfers habe er 2010 für sechs Jahre ins Gefängnis gehen müssen. Er habe früher Geld verliehen und damit Geschäfte gemacht. Bis 2009 sei das in Ungarn legal gewesen, danach nicht mehr. Die Polizei habe dem [...]-Clan Geld gegeben, damit diese aussagten, dass er auch nach 2009 noch Geld verliehen habe. Seit damals seien sie verfeindet (Akten S. 572). Er habe das Opfer kennen gelernt, als dieses ca. 8 – 10 Jahre alt gewesen sei. Er habe es schon seit dem Jahr 2010 nicht mehr gesehen. Die Familie des Opfers habe Angst, dass er sich rächen würde, er tue dies aber nicht (Akten S. 574).

 

Auch in der Einvernahme vom 28. Mai 2019 bestritt er alle Anschuldigungen. Er führte ausserdem aus, dass das Opfer nicht wissen könne, wie sein Penis aussehe, weil es ihn nie gesehen habe, er habe es nur aus Erzählungen mitbekommen (Akten S. 599). Auch an der Konfrontationseinvernahme vom 30. Juli 2019 bestritt der Beschuldigte grundsätzlich alle Aussagen des Opfers und führte aus, dass alles Lügen seien. So habe er etwa keine Schwägerin namens H____. Wiederum brachte er vor, dass das Opfer seinen Penis gar nicht gesehen habe, weshalb es diesen auch nicht beschreiben könne (Akten S. 651 f.). Im Rahmen der Einvernahme vom am 13. August 2019 bestritt der Beschuldigte ebenfalls alle Vorhalte und wiederholte grundsätzlich seine bisherigen Ausführungen (Akten S. 662 f.). Auch an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung führte der Beschuldigte grundsätzlich aus, dass das Opfer in allen Punkten lüge und er mit diesem sexuell und privat nie Kontakt gehabt habe (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1200 ff., 1228 ff.). In gleicher Weise äusserte sich der Beschuldigte auch im Rahmen der Berufungsverhandlung, wo er angab, keinerlei Bezug zur Prostitution o.ä. zu haben und alle Anschuldigen seitens des Opfers bestritt (Protokoll 2. Instanz Akten S. 1723 ff., 1731 f.)

 

4.

4.1      Gemäss der in Art. 10 StPO, Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ist bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld zu vermuten, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Daraus wird der Grundsatz in dubio pro reo abgeleitet (BGE 127 I 38 E. 2, m.H.). Im Sinne einer Beweislastregel besagt dieser Grundsatz, dass dem Angeklagten ein Sachverhalt nur angelastet werden darf, wenn er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erstellt ist. Dabei darf sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären, wenn bei objektiver Betrachtung ernsthafte Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. In Art. 10 Abs. 3 StPO ist die Rede von «unüberwindlichen» Zweifeln. Bloss abstrakte und theoretische Zweifel sind freilich nicht massgebend, weil solche immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Vielmehr muss genügen, wenn das Beweisergebnis aus Sicht eines besonnenen und lebenserfahrenen Beobachters über jeden vernünftigen Zweifel erhaben ist. Relevant sind mithin nur unüberwindliche Zweifel, das heisst solche, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen (zum Ganzen: BGE 144 IV 345 E. 2.2.3, 138 V 74 E. 7, 124 IV 86 E. 2a; BGer 6B_517/2022 vom 7. Dezember 2022 E. 2.1.2, je m.H. sowie ausführlich: Tophinke, in: Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2023, Art. 10 StPO N 82 ff.). Nach dem Grundsatz der freien und umfassenden Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO) würdigt das Gericht die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung. Es kann für seine Entscheidfindung grundsätzlich – im Rahmen der zulässigen Beweiserhebung (Art 140 ff StPO) – sämtliche Beweismittel beiziehen, die es für beweistauglich hält, und es ist dabei auch nicht an feste Beweisregeln gebunden (Art. 139 Abs. 1 StPO). Es hat aufgrund gewissenhafter Prüfung der bestehenden Beweise darüber zu entscheiden, ob es eine Tatsache für bewiesen hält. Dabei ist es freilich nicht nur der eigenen Intuition verpflichtet, sondern auch an (objektivierende) Denk-, Natur- und Erfahrungssätze sowie wissenschaftliche Erkenntnisse gebunden (BGE 147 IV 409 E. 5.3.3, 127 IV 172 E. 3a; BGer 6B_1061/2020 vom 26. Oktober 2022 E. 1.7.2, 6B_811/2018 vom 25. Februar 2019 E. 2.2; vgl. auch vgl. auch Wohlers, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 2020, Art. 10 N 25 und 31). Solange das Sachgericht den Standards der Beweiswürdigung folgt, hat es dabei einen weiten Ermessensspielraum (in BGE 143 IV 214 nicht publ. E. 13.1 des BGer 6B_824/2016 vom 10. April 2017, BGer 6B_547/2014 vom 21. Juli 2014 E. 1.1 und 1.4).

 

In die Beweisführung sind auch Indizien miteinzubeziehen. Das sind Hilfstatsachen, die nicht unmittelbar rechtserheblich, aber bewiesen sind und aus denen auf die zu beweisende, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache geschlossen wird. Der erfolgreiche Indizienbeweis begründet eine der Lebenserfahrung entsprechende Vermutung, dass die nicht bewiesene Tatsache gegeben ist. Für sich allein betrachtet deuten Indizien jeweils nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache Täterschaft hin und lassen insofern Zweifel offen. Gemeinsam – einander ergänzend und verstärkend – können Indizien aber zum Schluss führen, dass die rechtserhebliche Tatsache nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben sein muss. Sind die verschiedenen Indizien dergestalt in ihrer Gesamtheit beweisbildend, so ist der Indizienbeweis dem direkten Beweis gleichgestellt (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3, 138 V 74 E. 7, 124 IV 86 E. 2a; BGer 6B_517/2022 vom 7. Dezember 2022 E. 2.1.2, 6B_691/2022 vom 17. Oktober 2022 E. 3.2.2, 6B_665/2022 vom 14. September 2022 E. 4.3.2; 6B_931/2021 vom 15. August 2022 E. 4.3.1, je m.H.).

 

Wie das Bundesgericht in jüngerer Zeit regelmässig betont, findet der in dubio-Grundsatz keine Anwendung auf die Frage, welche Beweismittel zu berücksichtigen und wie sie gegebenenfalls zu würdigen sind. Der in dubio-Grundsatz wird erst anwendbar, nachdem alle aus Sicht des urteilenden Gerichts notwendigen Beweise erhoben und ausgewertet worden sind. Insoweit stellt er keine Beweiswürdigungsregel dar und ist eher von «Entscheidregel» die Rede (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.1 und 2.2.3.2; BGer; 6B_477/2021 vom 14. Februar 2022 E. 3.2, 6B_1232/2019 vom 17. Dezember 2019 E. 3.1, 6B_699/2018 vom 7. Februar 2019 E. 2.3.2). Konkret bedeutet das, dass eine in dubio-Wertung erst herangezogen werden darf, wenn nach erfolgter Gesamtwürdigung noch relevante Zweifel verbleiben. Die mehrfache Würdigung von Beweismitteln zu den einzelnen Sachverhaltsteilen zugunsten der beschuldigten Person das unbesehene Abstellen auf den für sie günstigeren Beweis bei sich widersprechenden Beweismitteln ergäbe dagegen ein zugunsten der beschuldigten Person verzerrtes Bild und wäre unzulässig (zum Ganzen: BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.2; BGer 6B_926/2020 vom 20. Dezember 2022 E. 1.4.3, 6B_517/2022 vom 7. Dezember 2022 E. 2.1.2, 6B_160/2022 vom 5. Oktober 2022 E. 2.4, 6B_1164/2021 vom 26. August 2022 E. 1.2.2, 6B_477/2021 vom 14. Februar 2022 E. 3.2, je m.w.H.).

 

Nachfolgend ist in Berücksichtigung dieser Grundsätze zu prüfen, ob die Schuldsprüche im erstinstanzlichen Urteil zu Recht erfolgt sind

 

4.2      Im vorliegenden Fall stehen die Aussagen der unmittelbar beteiligten Personen im Vordergrund. Die Beurteilung von deren Glaubhaftigkeit ist mithin entscheidend, was einer einlässlichen Würdigung durch das Gericht bedarf (vgl. BGE 137 IV 122 E. 3.3). Es gilt diesbezüglich darauf hinzuweisen, dass nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht die «allgemeine Glaubwürdigkeit» Gegenstand der aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsbegutachtung darstellt. Da kein verlässlicher Zusammenhang zwischen der Glaubhaftigkeit einer konkreten Aussage und dem guten Ruf einer Person existiert, darf eine Person nicht generell als «glaubwürdig» «unglaubwürdig» beurteilt werden. Vielmehr bildet heute die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage zum untersuchten Sachverhalt den Gegenstand der aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsbeurteilung. «Denn niemand lügt immer, ebenso wenig sagt niemand durchwegs die Wahrheit» (Ludewig/Baumer/Tavor, in: Ludewig/Baumer/Tavor [Hrsg.], Aussagepsychologie für die Rechtspraxis, 2017, S. 26 f.).

 

Vorgreifend gilt es mithin bereits hier schon festzuhalten, dass der Beschuldigte fehlgeht, wenn er vorbringt, dass das Opfer nicht «glaubwürdig» sein könne, weil es ihn für den Tatzeitraum des Jahres 2011 wissentlich falsch beschuldigt habe. Denn auch wenn es diesbezüglich nicht die Wahrheit ausgesagt haben sollte, bedeutet dies nicht, dass die Aussagen den Tatkomplex 2016 betreffend nicht glaubhaft sein können, da es in jedem Fall die konkreten Aussagen zum in Frage stehenden Sachverhalt in Bezug auf die Glaubhaftigkeit zu würdigen gilt. Die Glaubhaftigkeit einer Aussage bestimmt sich dabei nach ihrem Inhalt; je detaillierter, individueller und in sich verflochtener eine Aussage ist, desto glaubhafter ist sie (Zweidler, Die Würdigung von Aussagen, in: ZBJV 132/1996, S. 115 ff.). Dabei ist sämtlichen Umständen, welche objektiv für die Erforschung von Tatsachen von Bedeutung sein können, Rechnung zu tragen. Danach unterscheiden sich Aussagen über selbst erlebte Ereignisse in ihrer Qualität von Aussagen, welche nicht auf selbst erlebten Vorgängen beruhen (vgl. Lude­wig/ Baumer/Tavor, a.a.O., S. 43 ff.; Undeutsch, Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen, in: Undeutsch [Hrsg.], Forensische Psychiatrie, 1968, S. 26 ff.). Überprüft wird dabei in erster Linie die Hypothese, ob die aussagende Person mit den gegebenen individuellen Voraussetzungen, unter den gegebenen Befragungsumständen und Entstehungsbedingungen der Aussage sowie unter Berücksichtigung der im konkreten Fall möglichen Einflüsse von Dritten diese spezifische Aussage machen könnte, wenn diese nicht auf einem realen Erlebnishintergrund basierte (vgl. Volbert, Glaubwürdigkeitsbegutachtung bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch, Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie 1995, S. 20 ff.; vgl. auch BGer 6B_760/2010 vom 13. Dezember 2010 E. 2.3). Damit eine Aussage als zuverlässig erachtet werden kann, ist sie besonders auf das Vorhandensein von Realitätskriterien und umgekehrt auf das Fehlen von Phantasiesignalen zu überprüfen (vgl. Ludewig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 46 ff.; Wiprächtiger, Aussagepsychologische Begutachtung im Strafrecht, in: forumpoenale 2010, S. 40 f.; Dittmann, Zur Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen, in: plädoyer 2/1997, S. 33 ff.; Zweidler, a.a.O., S. 105 ff.). Bei der Glaubhaftigkeitsbeurteilung ist immer auch davon auszugehen, dass die Aussage nicht realitätsbegründet sein kann. Erst wenn sich diese Annahme (Nullhypothese) aufgrund der festgestellten Realitätskriterien nicht mehr halten lässt, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erleben entspricht und wahr ist (BGE 133 I 33 E. 4.3 m.H. auf 129 I 49 E. 5 und 128 I 81 E. 2 und auf die Literatur; BGer 6B_542/2019 vom 28. August 2019 E. 2.3.1). Gegenüber den Realitätskriterien sind also in jedem Fall auch mögliche Anhaltspunkte für eine Falschbezichtigung abzuwägen (dazu Dittmann, a.a.O., S. 34 f.).

 

4.3      Im Folgenden gilt es entsprechend in einem ersten Schritt die Glaubhaftigkeit der Ausführungen des Opfers zu würdigen (E. 4.3.1), da die Vorwürfe gegen den Beschuldigten insbesondere auf seinen Aussagen basieren. Sodann sind die Aussagen des Beschuldigten einer Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen und die übrigen vorhandenen (objektiven) Beweismittel und Indizien zu würdigen (E. 4.3.2).

 

4.3.1

4.3.1.1 Grundlage für eine aussagepsychologische Bewertung der Schilderungen des Opfers ist dessen Aussagetüchtigkeit. Diese setzt unter anderem voraus, dass die betreffende Person adäquat eine Situation wahrnehmen und über einen längeren Zeitraum speichern sowie diese Wahrnehmung weitgehend selbständig in allen aussagerelevanten Zeitpunkten wieder abrufen kann. Grundsätzlich wird die Voraussetzung der Aussagetüchtigkeit in der Mehrzahl der Fälle von der jeweils aussagenden Person erfüllt. Eine vertiefte Abklärung der Aussagetüchtigkeit ist nur angezeigt, wenn im konkreten Fall ersichtlich wird, dass Gründe – etwa intellektuelle Einschränkungen psychische Störungen – für deren Beeinträchtigung vorliegen könnten (vgl. Lude­wig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 54). Im vorliegenden Fall sind keine Auffälligkeiten in der Person Anzeichen für kognitive Fehlleistungen in den Aussagen ersichtlich, durch welche die Aussagetauglichkeit des Opfers in Bezug auf die von ihm dargelegten Sachverhaltsschilderungen massgeblich beeinträchtigt und eine fachgerechte Aussageanalyse und Beweiswürdigung durch das Gericht erschwert wäre. Zwar wurde anscheinend in Ungarn eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, in den Urteilen des «Zentralen Bezirksgericht von Pest» vom 15. Juni 2016 sowie im Urteil des «Hauptstädtischen Gerichts als zweiter Instanz» vom 26. Oktober 2016 wurde jedoch festgehalten, dass die Persönlichkeitsstörung nicht an die Stufe einer Krankheit heranreiche (Akten S. 1061, 1072). Die Aussagetüchtigkeit des Opfers ist daher zu bejahen.

 

4.3.1.2 Des Weiteren kann der Wahrheitsgehalt einer Aussage nur beurteilt werden, wenn bekannt ist, in welchem Zusammenhang sie entstand (vgl. Ludewig/Baumer/ Ta­vor, a.a.O., S. 76). Die Analyse der Aussageentstehung dient unter anderem der Klärung der Frage, ob zum Zeitpunkt der Erstaussage eine Motivation für eine absichtliche Falschaussage vorgelegen haben könnte ob allfällige suggestive Beeinflussungen vorgelegen haben (Ludewig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 76; Niehaus, Begutachtung der Glaubhaftigkeit von Kinderaussagen, in: FamPra 2010, S. 325).

 

Vorliegend auszuschliessen sind von vornherein suggestive Effektive wie Falschinformationseffekte und Pseudoerinnerungen, welche auf das Opfer bzw. seine Aussagen Einfluss gehabt hätten können (vgl. dazu Ludewig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 71 ff.). Weder liegen Anzeichen für solche suggestiven Effekte vor, noch werden sie vom Beschuldigten geltend gemacht.

 

Im Rahmen der Aussageentstehung bringt der Beschuldigte jedoch vor, dass sehr wohl Motive für Falschaussagen seitens des Opfers erkennbar seien. So habe es in der Schweiz bleiben und sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen wollen, weshalb es den Beschuldigten fälschlicherweise belastet habe, um als Opfer ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. Dies habe das Opfer sodann auch getan, um selbst dem Vollzug einer Gefängnisstrafe in Ungarn zu entgehen. Ausserdem wolle sich das Opfer am Beschuldigten rächen bzw. die Familie des Opfers wolle die Kredite nicht zurückzahlen. Diese Vorbringen verfangen nicht. Grundsätzlich ist bereits darauf hinzuweisen, dass Beurteilungen möglicher Motivationen des Opfers für allfällige diskrepante Aussagen im Allgemeinen äusserst spekulativ bleiben und bereits daher nur in begrenztem Ausmass einer Überprüfung unterzogen werden können. Zudem sind auch die vom Beschuldigten genannte Hypothesen für ein mögliches Motiv im Besonderen nicht überzeugend. Was zunächst das Aufenthaltsrecht in der Schweiz betrifft, so erhellt nicht, weshalb das Opfer bei einer derartigen Motivation nicht bereits im Jahre 2011 eine Strafanzeige gegen den Beschuldigten einreichte, wäre dies ihm doch auch dann problemlos möglich gewesen. Zudem nahm das Opfer erst seit dem Jahre 2017 Frauenhormone ein (vgl. Akten S. 593) und fand die Geschlechtsumwandlung erst im Mai 2018 statt (vgl. Protokoll 1 Instanz, Akten S. 1223). Zum Zeitpunkt der Anzeigestellung im Jahre 2016 war es dem Opfer mithin noch gar nicht möglich, vorauszusehen, dass sie eine derartige Behandlung resp. Operation in der Schweiz effektiv würde erhalten, bzw., ob es überhaupt in der Schweiz würde verbleiben können (vgl. auch vorne E. 2.2.3). Hätte sich das Opfer sodann am Beschuldigten rächen und eine Rückzahlung der Kredite verhindern wollen, ist auch in diesem Fall unverständlich, weshalb es diesen nicht bereits im Jahre 2011 beanzeigte. Zudem erhellt nicht, weshalb es 2016 hierfür gerade in der Schweiz die Anzeige einreichte, wenn sich der Beschuldigte doch – gemäss eigenen Angaben – so gut wie nie in der Schweiz, sondern grossmehrheitlich in Ungarn und Deutschland aufhielt. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass das Opfer den Entschluss zur Anzeige nicht bereits von Beginn an gefasst hatte, wurde ihm doch vielmehr erst von [...] bzw. der FIZ zu einer Anzeige geraten. So stellte die FIZ für das Opfer zunächst etwa mit Schreiben vom 3. Oktober 2016 einen Antrag auf «Erholungs- und Bedenkzeit» (Akten S. 393 f.). Das FIZ teilte der Staatsanwaltschaft sodann (erst) am 18. Oktober 2016 mit, dass das Opfer eine Anzeige machen wolle (vgl. Akten S. 402). Die erste Einvernahme des Opfers fand sodann am 7. November 2016 statt (Akten S. 410 ff.). Was schliesslich eine mögliche Umgehung des Vollzugs einer Gefängnisstrafe in Ungarn betrifft, so verkennt der Beschuldigte, dass das straferhöhende Urteil des «Hauptstädtischen Gerichts als zweiter Instanz» erst am 26. Oktober 2016 erging, das Opfer sich jedoch, wie soeben ausgeführt wurde, bereits am 18. Oktober 2016 entschieden hatte, eine Strafanzeige zu erstatten. Es hatte zu diesem Zeitpunkt mithin noch gar keine Kenntnis davon, dass es in Ungarn noch eine (erhöhte) Gefängnisstrafe zu verbüssen hatte. Zudem kehrte das Opfer eigenständig nach Ungarn zurück, um sich dem Vollzug zu unterziehen (vgl. Akten S. 1575).

 

Im Ergebnis bestehen somit keine Anhaltspunkte einer Motivation für eine absichtliche Falschbezichtigung des Beschuldigten durch das Opfer.

 

4.3.1.3 Des Weiteren ist die Konstanz der Aussagen des Opfers zu überprüfen. Diese stellt einen wichtigen Aspekt der Glaubhaftigkeitsprüfung dar. Liegen von einer Person mindestens zwei Aussagen über denselben Sachverhalt zu verschiedenen Zeitpunkten vor, können diese Aussagen mittels einer Konstanzanalyse unter aussagepsychologischen Gesichtspunkten überprüft und bewertet werden (Ludewig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 63 f.). Die Frage der Aussagekonstanz bezieht sich aus aussagepsychologischer Sicht dabei auf Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen solchen Aussagen unter Berücksichtigung gedächtnispsychologischer Aspekte. Gravierende Widersprüche in zentralen Aspekten sprechen gegen die Erlebnisbasiertheit der Aussage. Kommt es über den Zeitverlauf zu einer Anreicherung, kann dies ein Hinweis auf eine bewusste Lüge auf suggestive Einflüsse sein. Liegen hingegen über längere Zeitintervalle keinerlei Abweichungen zwischen mehreren Aussageversionen vor, ist allenfalls eine gewisse Skepsis angebracht, da eine Ausdünnung unter diesen Umständen zu erwarten wäre (Ludewig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 64).

 

Wie bereits das Strafgericht zutreffend ausgeführt hat, hat das Opfer zum Kerngeschehen teilweise inkonstant und widersprüchlich ausgesagt (vorliegend ist aufgrund der rechtskräftigen Freisprüche für die Vorwürfe das Jahr 2011 sowie die Sexualdelikte betreffend nicht mehr auf die in diesem Zusammenhang gemachten Aussagen des Opfers einzugehen). Neben den im vorinstanzlichen Entscheid – insbesondere zu den Vorfällen im Jahre 2011 – aufgezählten Unstimmigkeiten (vgl. dort Akten S. 1298 ff.) gilt es vorliegend noch auf weitere Inkonsistenzen hinzuweisen: So gab das Opfer immer wieder andere Gründe an, weshalb es für den Beschuldigten habe arbeiten müssen und wann es von diesen Gründen erfahren habe. Betreffend das Jahr 2016 sagte es etwa einmal aus, dass es bereits in Bremerhaven gedacht habe, dass es die Schulden schon abgearbeitet habe, der Beschuldigte habe aber gesagt «nein, nein, das hast du nicht. Ich habe deinem Vater mehr Geld gegeben. Es seien noch höhere Beträge offen» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1216, vgl. auch S. 1208, 1224). In der Einvernahme vom 7. November 2016 hatte das Opfer jedoch noch ausgesagt, dass es erst in Zürich erfahren habe, dass es wieder vom Vater «verkauft» worden sei (Akten S. 414). In der Einvernahme vom 2. Februar 2017 schilderte es wieder davon abweichend, dass der Beschuldigte ihm erst in der [...] in Basel vom «Verkauf» erzählt habe (Akten S. 443 f.). An anderer Stelle sagte das Opfer sodann aus, dass es nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis den Beschuldigten um Hilfe gefragt habe: «Ich kam 2016 raus und dann gab mir eine Bekannte A____s Telefonnummer. Durch meine schlechte Beziehung zu meinen Eltern konnte ich nicht dort wohnen. Und da rief ich A____ an ‹kannst du mir irgendwie bitte helfen, ich stecke ein bisschen in Schwierigkeiten›. Und seitdem hat das Ganze so angefangen» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1214 f.). Wiederum anders brachte das Opfer vor, dass der Beschuldigte ihm versprochen habe, dass man mit dem verdienten Geld seine sexuelle Identität ändern könne: «Ich würde operiert. Er entnahm das ganze Geld mit der Behauptung, dass eine schöne Zukunft auf mich warte nach dieser Umwandlung» (Akten S. 651). Schliesslich erwähnte es davon abweichend an anderer Stelle, dass es dem Beschuldigten in Bremerhaven gesagt habe «ich komme mit in die Schweiz, wenn du wirklich mit mir jeden Tag das Geld halbierst» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1215; anders nur wenig später in derselben Befragung: «Ich musste mit ihm kommen, weil mein Vater eben Schulden hatte. Er gab meinem Vater mehrmals Geld. Ich musste einfach mitkommen. Zuerst sind wir nicht in die Schweiz gekommen, sondern nach Deutschland, Bremerhaven» sowie «Erstens war unser Ziel zuerst Deutschland, Bremerhaven und dann in Bremerhaven, hat A____ mitbekommen, dass zwei Zuhälter mich wollten und das gefiel A____ nicht und so sind wir in die Schweiz weitergereist», Akten S. 1224). Unterschiedliche Angaben machte das Opfer des Weiteren auch zum Ort, von dem sie im Jahre 2016 in die Schweiz gekommen seien. Hatte es zunächst noch ausgeführt, dass man von Ungarn direkt nach Zürich gekommen sei, um dort die in Ungarn hergestellten Betäubungsmittel zu verkaufen (Akten S. 440), gab es später bei der Konfrontationseinvernahme sowie vor dem Strafgericht an, vielmehr von Bremerhaven in die Schweiz gereist zu sein (Akten S. 621, Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1214 f., 1224).

 

Aus dem Ausgeführten erhellt, dass die Vorgeschichte hinsichtlich des Grunds, wie es zum erneuten Treffen mit dem Beschuldigten kam und warum das Opfer erneut mit ihm mitging und für ihn arbeitete bzw. arbeiten musste, vom Opfer diffus, widersprüchlich und inkonsistent geschildert wird. Entgegen den Erwägungen der Vorinstanz schilderte das Opfer gerade nicht gleichbleibend den erneuten «Verkauf» durch den Vater und dass der Beschuldigte es (im Ausland) nicht habe gehen lassen, nachdem es die Schulden abbezahlt habe. Mithin kann diesbezüglich keine für die Aussageanalyse zwingend erforderliche Konstanzanalyse vorgenommen werden. Gleiches gilt auch für die vorgeworfene Todesdrohung, die am Telefon gegenüber dem Opfer erfolgt sein soll. Letzteres erwähnte diese nämlich lediglich einmal in der Einvernahme vom 7. November 2016 (Akten S. 416).

 

Was demgegenüber die Aussagen zu den Schlägen/Verletzungen betrifft, so äusserte sich das Opfer zumindest hinsichtlich des Ausschlagens der Zähne und der Verletzung der Nase wiederholt und übereinstimmend. So schilderte es dieses Vorkommnis in der Einvernahme vom 7. November 2016 («[…] das war an der [...] […] Als ich ihm das sagte, war A____ voll mit Drogen und dort hat er mich geschlagen und mir zwei Zähne ausgeschlagen und mir meine Nase gebrochen» [Akten S. 415]), an der Konfrontationseinvernahme vom 30. Juli 2019 («[…] also er schlug mir […] die rechte obere Schaufel [aus]» [Akten S. 641]; [a.F.: Sie haben früher ausgesagt, A____ hätte Ihnen auch die Nase gebrochen] «Ja, das auch» [Akten S. 641]) sowie vor dem Strafgericht («[…] zwei Zähne habe ich verloren und das Nasenbein gebrochen»; [a.F.: bei welchem Vorkommnis passierte das?] «Das passierte im 2016 in der Wohnung an der [...] […] Er war unter Drogeneinfluss» [Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1218).

 

Konstante Aussagen liegen sodann auch betreffend den Anklagepunkt der Förderung der Prostitution vor. So schilderte das Opfer über verschiedene Einvernahmen hinweg wiederholt, wie der Beschuldigte es habe beobachten lassen, er alle Papiere des Opfers bei sich gehabt und ihm jeweils das Geld abgenommen habe, wie das Opfer den Beschuldigten jeweils habe anrufen und mitteilen müssen, «was läuft» und es nichts habe ablehnen dürfen (Einvernahme vom 7. November 2016, Akten S. 415 ff.; Einvernahme vom 2. Februar 2017, Akten S. 447; Einvernahme vom 30. Juli 2019, Akten S. 651; Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1215 ff.).

 

Wie die Vorinstanz zudem zutreffend festgehalten hat (vorinstanzlicher Entscheid, Akten S. 1300 f.), ist zumindest das (spätere) phasenweise unmotivierte und unkooperative Verhalten des Opfers bei der Kriminalpolizei insofern verständlich, als es in mehreren Einvernahmen und über längere Strecken gar nicht mehr konkret zur Sache befragt wurde. Stattdessen wurden über mehrere Einvernahmen hinweg eingehend und beharrlich die Erlebnisse des Opfers während der laufenden Strafuntersuchung im Jahre 2017 thematisiert, so die Geschichte rund um die Mobiltelefone (Akten S. 479 ff., 520, 548), noch offene Bussen (Akten S. 522) und die jüngsten Begegnungen des Opfers mit dem Beschuldigten (Akten S. 474 ff., 483 ff., 519, 532). Weiter wurde das Opfer mit Vorwürfen konfrontiert, wonach es sich ausserhalb der Toleranzzone prostituiert hätte und sich ständig im Rotlichtmilieu aufhalten würde (Akten S. 526 ff.). Es verwundert daher nicht, dass das Opfer den Eindruck erhalten hat, die Ermittlungen würden nicht vorwärtsgehen, und dass es sich selbst als Beschuldigter fühlte, dem man nicht glaubt.

 

Schliesslich gilt es noch festzuhalten, dass auch eine Anreicherung der Ausführungen vom Opfer nicht vorgenommen wurde, insbesondere sind keine Aggravationen in seinen späteren Schilderungen erkennbar. Im Ergebnis kann mithin die Konstanz und Widerspruchsfreiheit der Aussagen des Opfers zumindest in Bezug auf seine Aussagen zum Ausschlagen der Zähne und der Verletzung der Nase sowie betreffend den Anklagepunkt der Förderung der Prostitution bejaht werden.

 

4.3.1.4 Was des Weiteren die logische Konsistenz der Aussagen und deren inhaltliche Qualität (in Bezug auf vorhandene Realkennzeichen; s. für eine Auflistung der Realkennzeichen Ludewig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 49 ff.) betrifft, ist festzustellen, dass die Schilderungen des Opfers viele Realkriterien in hohem Mass erfüllen.

 

So beschreibt es Interaktionen zwischen sich und den übrigen Beteiligten im Sinne von Handlungen (Aktionen und Reaktionen), die sich gegenseitig bedingen und sich aufeinander beziehen. Zu nennen sind hierbei etwa die folgenden Ausführungen: «[…] ich musste weiterarbeiten und er, A____, hat immer das ganze Geld abgenommen. Da ich Angst hatte, habe ich das Geld immer gegeben» (Akten S. 417); «Vor dem Geschäft musste ich A____ anrufen und ihm sagen was läuft, also was gebucht wurde. Danach habe ich A____ nochmals angerufen, er hat dann dort gewartet ist gekommen und ich habe das Geld A____ abgeben müssen […] Ich musste alles machen, ich konnte nichts ablehnen» (Akten S. 419); «Wenn ich ohne Geld gekommen wäre, hätte A____ erfahren, dass ich etwas nicht gemacht habe. Die Kunden hätten auch bei A____ reklamiert, darum habe ich auch drei Geschlechtskrankheiten bekommen» (Akten S. 420); «Ich hatte lediglich meine ID Karte und meine Adressekarte (Ungarisches Dokument, Inland) dabei. Diese beiden Dokumente hatte A____ bei sich. Als ich gearbeitet habe, durfte ich sie bei mir haben. Als ich fertig mit der Arbeit war, musste ich diese Dokumente an A____ zurückgeben» (Akten S. 420); «Ich habe in dieser Zeit etwa 2‘000'000.– bis 3'000‘000.– Forint verdient, selber habe ich kein Geld gesehen davon. Ich musste vor jedem Kunden und nach jedem Kunden A____ anrufen und ihm sagen was läuft, danach musste ich das Geld A____ abgeben» (Akten S. 420); «Manchmal, wenn ich weniger verdient hatte, wenn ich müde war und nicht mehr arbeiten wollte. Er schlug mich immer, wenn er Lust dazu hatte. Er hatte vier Frauen, die für ihn arbeiteten und wenn er mit einer Streit hatte, dann wurden wir alle vier geschlagen von ihm. Das gehört zu diesem Beruf» (Akten S. 641); «Er schlug mich natürlich, um mich zu etwas zu zwingen. Aber auch, um vor seinen Freunden als grosser Mann zu erscheinen. In dieser Gesellschaft kann man damit Grösse dokumentieren» (Akten S. 642). «Er war unter Drogeneinfluss. Ich auch. Er tat es mit dem anderen Mädchen, ich für A____. Und dann fühlte ich mich einfach unwohl und ich sagte, das ist abstossend. Und dadurch hat das dann angefangen» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1218); «[…] er sass immer da. Wenn er im Moment nicht gerade da war mich nicht sah, mussten wir uns telefonisch melden, wo ich bin, ob ich nach oben gehe und wieviel das Ganze gekostet hat. Da mussten wir Bescheid geben» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1218); Ich musste das, weil A____ mich sonst wieder geschlagen hätte. Also ich wollte nicht. Wenn ich einen Kunden weggelassen hätte, wäre A____ sehr wütend mit mir und hätte mich vielleicht geschlagen. Es gab immer Diskussion» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1219);

 

Des Weiteren gibt das Opfer auch den konkreten Inhalt von Gesprächen und die diesbezüglichen Aspekte der Wechselseitigkeit wieder, die mit dem Kerngeschehen zusammenhängen: «Dann habe ich A____ gesagt, dass dieser Betrag fast die gesamte Schuld von 1'000'000.– Forint entsprechen würde und ich gerne nach Hause gehen möchte. Als ich ihm das sagte, war A____ voll mit Drogen und dort hat er mich geschlagen und mir zwei Zähne ausgeschlagen und mir meine Nase gebrochen» (Akten S. 415); «Er sagte mir nochmals, dass ich nicht weggehen darf, er liess mich auch nicht zum Arzt» (Akten S. 415); «Ich habe ihr erzählt, dass ich mich in einer ähnlichen Geschichte befinde wie vor fünf Jahren. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht weggehen kann, da mich A____ beobachten liess» (Akten S. 415); «A____ sagte mir, dass er nach Basel gehen werde um das eine Mädchen zu holen» (Akten S. 416); «Dann war A____ aufgeregt, ‹das sollst du nicht machen, du bist hier zum Arbeiten, du bist eine Prostituierte. Wenn das nochmals vorkommt, schlage ich dir deine Zähne aus› (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1219); «Er hat einfach angerufen, er hat überall Kollegen und es wurde ein Hotel ein Zimmer organisiert für die Mädchen ‹hör mal, ich komme mit zwei Mädchen, kannst du was organisieren?› (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1222).

 

Ausserdem schildert es auch Komplikationen im Sinne von unvorhersehbaren Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Kerngeschehen, vergeblichen Bemühungen und enttäuschten Erwartungen: «Dann habe ich A____ gesagt, dass dieser Betrag fast die gesamte Schuld von 1'000'000.– Forint entsprechen würde und ich gerne nach Hause gehen möchte. Als ich ihm das sagte, war A____ voll mit Drogen und dort hat er mich geschlagen und mir zwei Zähne ausgeschlagen und mir meine Nase gebrochen» (Akten S. 415); «ich konnte auch deswegen nicht weg, weil A____ alle meine Papiere bei sich hatte» (Akten S. 415).

 

Überdies kommen in den Aussagen des Opfers Schilderungen eigener psychischer Vorgänge sowie psychischer Vorgänge des Täters vor (Gefühle, Gedanken, Empfindungen) vor. So sagte es unter anderem aus: «Ich hatte fürchterliche Angst von ihm gehabt» (Akten S. 415); «Da ich Angst hatte, dass das auskommt, habe ich mit [...] abgemacht, dass ich durch die Polizei kontrolliert und dann abgeführt werde. Nicht dass A____ Verdacht schöpft» (Akten S. 416); «Sehr oft hat er mich gedemütigt, in dem er mich gezwungen hat den sexuellen Verkehr ohne Kondom zu haben» (Akten S. 417); «A____, hat immer das ganze Geld abgenommen. Da ich Angst hatte, habe ich das Geld immer gegeben» (Akten S. 417); «Ich habe Angst vor ihm und werde jetzt noch mehr Angst vor ihm haben. Als ich auf seiner Seite war hatte ich Angst, jetzt noch viel mehr» (Akten S. 421); «Ich habe mit den anderen beiden Frauen gearbeitet und das gefiel mir nicht so gut, dass ich nur eine Schachtel Zigaretten am Tag kaufen kann, soviel Geld hatte ich. Oder mir nur ein Sandwich leistete. Und dann waren wir fast ständig unter Drogeneinfluss. Wir hatten keinen grossen Appetit» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1215); «Wenn ich einen Kunden weggelassen hätte, wäre A____ sehr wütend mit mir und hätte mich vielleicht geschlagen. Es gab immer Diskussion» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1219); «Wenn ein Kunde zu viel getrunken hat und aggressiv war, dann fühlte ich mich nicht so sicher und habe das eher nicht gemacht» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1219);

 

Auch belastet sich das Opfer selbst: «Ich habe verschiedene Drogen genommen. Ecstasy-Tabletten, Speed und noch verschiedene andere» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1212).

 

Durch die Beschreibung folgender Umstände schildert das Opfer ausserdem ausgefallene Einzelheiten: «[...] und ich haben gemeinsam ein Zimmer bekommen. Die anderen Mädchen haben je ein Zimmer erhalten. Diese Zimmer kosteten pro Nacht CHF 100.– das war an der [...], in der Rotlichtzone. Ich habe alleine in zwei Wochen CHF 2‘600.– verdient […] Dann hatte A____ die Idee Basel zu verlassen, da ihm mitgeteilt wurde, dass Autos mit Ungarischen Kontrollschildern in Basel besonders gesucht und kontrolliert werden. Für das Parkieren musste er auch CHF 50.– pro Tag bezahlen, angeblich. Er sagte mir nochmals, dass ich nicht weggehen darf, er liess mich auch nicht zum Arzt […] In der [...] Bar haben wir für das Geschäft Zimmer gemietet, wir haben pro Zimmer pro Tag CHF 100.– bezahlt, diese Zimmer waren extra für das Geschäft eingerichtet. Dort hat A____ mich weiter misshandelt, mit der Faust geschlagen und so […]» (Akten S. 415); «dann wird alles so riesig» (Akten S. 445); «Stellen sie sich vor wie eine gefüllte Peperoni. Er ist mit Vaseline gefüllt, er soll mächtiger breiter aussehen […] Er war einfach vollgepumpt. Ich weiss noch, dass die Nadel einmal zu heiss war, dort wo er das Vaseline reingespritzt hat, dort hat es einen Flecken von der heissen Spritze […] Weil er so klein ist, kompensiert er seinen Minderwertigkeitskomplex damit, dass er seinen Schwanz aufpumpt» (Akten S. 591); «Er hat so Flecken am Penis […] er hatte so einen hässlichen und riesigen Schwanz» (Akten S. 594); «Die Haut kann man ganz schwer ziehen […] Das Gewicht geht dann nach vorne, die Haut h.gt so. Je nach dem Vaselin, man weiss es nicht ist es der Schwanz das Vaseline» (Akten S. 595); «Es war sehr geschwollen, blau und grün. Es war eine grosse Schwellung und kaum berührte ich es, blutete es schon und machte so komische Geräusche, wie wenn man die Knochen hört» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1218).

 

Schliesslich weisen die Aussagen des Opfers auch Raum-zeitliche Verknüpfungen auf: «So ist es bis Mitte September 2016 weitergegangen, an einem Tag habe die [...], das ist eine Frau von [...], angetroffen. Ich habe ihr erzählt, dass ich mich in einer ähnlichen Geschichte befinde wie vor fünf Jahren. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht Weggehen kann, da mich A____ beobachten liess» (Akten S. 415). «Anfang September 2016 sind wir dann nach Zürich zurück, dabei ist das eine Mädchen in Kleinbasel geblieben. Er hat mich dann noch immer nicht gehen lassen […]» (Akten S. 415); «An diesem Tag haben wir auch viele Drogen konsumiert und haben dann die ganze Nacht gearbeitet. Am nächsten Morgen war ich noch immer high und konnte nicht schlafen. Ich bin dann runter um weiter zu arbeiten. A____ sagte mir, dass er nach Basel gehen werde um das eine Mädchen zu holen. Das war am späten Nachmittag, ich konnte kaum noch stehen» (Akten S. 416); «Einen Monat arbeitete ich hier in Basel ab, im August war das. Und dann wechselten wir den Ort und gingen nach Zürich» (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1219).

 

4.3.1.5 Sodann gilt es einen intraindividuellen Vergleich der Aussagen des Opfers vorzunehmen. Dabei wird im Rahmen eines Qualitäts-Strukturvergleichs die Qualität der Aussagen zum Kerngeschehen mit der qualitativen Ausprägung von Schilderungen zu nicht tatbezogenen Inhalten verglichen. Bei einer falschaussagenden Person wird erwartet, dass die Aussagen zum Kerngeschehen aufgrund der mit der Produktion der Falschaussage verbundenen erhöhten kognitiven Anforderungen eine tiefere Qualität aufweisen als deren Schilderungen zu tatsächlich erlebten, fallneutralen Ereignissen Nebensächlichkeiten der Aussage (Ludewig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 66).

 

Vorliegend zeigen sich beim Qualitäts-Strukturvergleich keine Auffälligkeiten (und werden vom Beschuldigten auch nicht geltend gemacht), welche die Erlebnisbasiertheit der Aussagen des Opfers hinsichtlich der Schilderungen zum Ausschlagen der Zähne und der Verletzung der Nase sowie betreffend den Anklagepunkt der Förderung der Prostitution in Frage stellen würden. Vielmehr weisen seine Aussagen zum Kerngeschehen (vgl. vorgehenden Ausführungen) eine vergleichbare Qualität auf wie seine Ausführungen zu nicht tatbezogenen Inhalten: So machte das Opfer etwa qualitativ vergleichbare Aussagen zur Meldung der Vorkommnisse bei [...]: «So ist es bis Mitte September 2016 weitergegangen, an einem Tag habe die [...], das ist eine Frau von [...], angetroffen. Ich habe ihr erzählt, dass ich mich in einer ähnlichen Geschichte befinde wie vor fünf Jahren. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht Weggehen kann, da mich A____ beobachten liess. Danach sind wir eine Cola trinken gegangen, ich konnte auch deswegen nicht weg, weil A____ alle meine Papiere bei sich hatte» (Akten S. 415); «[…] dann ist mir in den Sinn gekommen, dass ich die Telefonnummern der [...] habe und habe der [...] angerufen. Ich habe ihr gesagt, dass A____ nicht da sei und sie solle mich sofort rausholen und mir helfen, damit ich Weggehen kann (Akten S. 416).

 

4.3.1.6 Eine Voraussetzung für die Analyse der Glaubhaftigkeit der konkreten Aussagen ist sodann die sog. Kompetenzanalyse, in welcher die spezifischen Kompetenzen der betreffenden Person ermittelt werden. Die Analyse umfasst neben der Aussagetüchtigkeit auch die jeweiligen intellektuellen Fähigkeiten, die Analyse des Erinnerungsvermögens, der Erzähl- und Erfindungskompetenz sowie die Ermittlung der Lebenserfahrung, des Wissensstands und der Erfahrung bezüglich des spezifischen Sachverhalts (Ludewig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 56 f.). Hinsichtlich der Frage der Aussagetüchtigkeit des Opfers kann auf das bereits Gesagte verwiesen werden, wonach die Aussagetüchtigkeit als gegeben zu erachten ist (s. vorne E. 4.3.1.1). Was die intellektuellen Fähigkeiten anbelangt, so gilt es zu konstatieren, dass das Opfer nicht überdurchschnittlich intelligent wirkt. Zwar wäre es wohl noch in der Lage, ein Lügengebäude aufrecht zu erhalten. Die hier vorliegende Situation ist jedoch aufgrund der Anzahl der erfolgten Einvernahmen, der dazwischen vergangenen Zeit und des Detaillierungsgrades der Aussagen zum Kerngehalt zu komplex, um ein solches Lügengebäude in Bezug auf die erwähnten Schilderungen widerspruchsfrei aufrecht zu erhalten. Im Ergebnis spricht somit auch die Kompetenzanalyse für die Erlebnisbasiertheit der Aussagen des Opfers in Bezug auf die Schilderungen zum Ausschlagen der Zähne und der Verletzung der Nase sowie betreffend den Anklagepunkt der Förderung der Prostitution.

 

4.3.1.7 Was die vom Beschuldigten monierten Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen des Opfers anbelangt, so kann diesen Vorbringen nicht gefolgt werden.

 

Was insbesondere die Behauptung des Beschuldigten betrifft, das Opfer könne seinen Penis nicht beschreiben, so hat bereits das Strafgericht zutreffend festgehalten, dass es bereits in der zweiten Einvernahme vom 2. Februar 2017 von sich aus und noch bevor der Beschuldigte dazu Aussagen machte, von ungewöhnlichen Details hinsichtlich seines Geschlechtsteils berichtete und angab, dass er seinen Penis mit Silikon aufspritze (Akten S. 445). In der Einvernahme vom 28. Mai 2019 hat das Opfer das Geschlechtsteil des Beschuldigten sodann sehr genau beschrieben (Akten S. 591 ff; für die einzelnen diesbezüglichen Angaben des Opfers kann auf das bereits Ausgeführte verwiesen werden, vgl. vorne E. 4.3.1.4). Auch in darauffolgenden Einvernahmen und anlässlich der Hauptverhandlung erwähnte das Opfer den Penis des Beschuldigten (Akten S. 650, Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1206, 1217). Zu erwähnen ist, dass – abgesehen davon, dass das Opfer ohne Umschweife eingeräumt hat, mit anderen über den Penis des Beschuldigten gesprochen zu haben – beispielsweise seine Aussage, wonach man die Penishaut «ganz schwer ziehen» könne (Akten S. 595), exakt zu den eigenen Umschreibungen des Beschuldigten, wonach bei ihm der obere Teil des Penis «nicht rauskomme» («[…] der obere Teil […] kommt bei mir nicht raus», Akten S. 599), passt. Ferner handelt es sich bei dem vom Opfer erwähnten Fleck augenscheinlich um die vom Beschuldigten als «Loch wie wildes Fleisch» beschriebene Wunde, welche auf der Fotodokumentation ebenfalls ersichtlich ist (vgl. Akten S. 601, 935 ff.). Die Ausgestaltung des Penis des Beschuldigten respektive die diesbezügliche gesundheitliche Problematik ist schlicht zu spezifisch, als dass das Opfer seine Beschreibungen hätte machen können, ohne das Geschlechtsteil des Beschuldigten je gesehen zu haben. Dem Einwand des Beschuldigten kann mithin vor dem Hintergrund dieser bildhaften und – mit Blick auf die sich in den Akten befindenden Fotos – sehr treffenden Angaben nicht gefolgt werden (Akten S. 599, 935 ff., Protokoll 1. Instanz, S. 1203 ff.). Sofern die Verteidigung vorbringt, dass das Opfer dies nur wisse, weil es mit anderen Frauen (vgl. Berufungsbegründung, Akten S. 1497) darüber geredet habe, würde dies vielmehr die Aussage des Beschuldigten widerlegen, nicht im Rotlichtmilieu verkehrt zu haben.

 

Nichts zu seinen Gunsten kann der Beschuldigte – sofern er geltend macht, dass die Aussagen des Opfers in Bezug auf seinen Drogenkonsum unglaubhaft seien – ausserdem aus dem Umstand ableiten, dass ein zum Zeitpunkt seiner Verhaftung durchgeführter Drogentest negativ ausfiel, wurde er doch erst mehr als 2 ½ Jahre nach dem entscheidrelevanten Zeitraum festgenommen. Was ferner die vom Beschuldigten für die angeblichen Falschaussagen des Opfers behaupteten Motive betrifft, kann auf die das bereits Ausgeführte verwiesen werden (vgl. vorne E. 4.3.1.2). Wenn das Opfer im Sinn gehabt haben sollte, ein – wie von der Verteidigung geltend gemachtes – «Phantom» als Täter zu bezeichnen, dessen man nicht habhaft werden konnte, stellt sich die Frage, weshalb es dann nicht eine gänzlich fiktive Person erfand, war ihm doch bewusst, dass der Beschuldigte mit grosser Wahrscheinlichkeit (irgendwann) wieder in die Schweiz einreisen und verhaftet werden würde, wodurch ihre «Lügengeschichte» in sich zusammengebrochen wäre.

 

Schliesslich gilt es noch anzufügen, dass die Aussagen des Opfers hinsichtlich der Schilderungen der Zuführung der Prostitution in Basel zusammen mit C____ alias «I____», welche zusammen mit dem Opfer und dem Beschuldigten in die Schweiz gekommen sei (vgl. Akten S. 639, 648), durch den Umstand gestützt werden, dass C____ effektiv am gleichen Tag (17. August 2016) wie das Opfer an der [...] in Basel angemeldet wurde (vgl. Akten S. 1511).

 

4.3.1.8 Insgesamt ist somit zur inhaltlichen Aussagequalität der Aussagen des Opfers festzuhalten, dass – neben der Vornahme der übrigen aussagepsychologischen Analysen – eine sehr grosse Anzahl von Realkennzeichen vorhanden ist. Dabei sind die aufgezeigten Merkmale quantitativ und qualitativ so ausgeprägt, dass die Annahme, dass seine Aussagen in Bezug auf die Schilderungen zum Ausschlagen der Zähne und der Verletzung der Nase (da kein ärztliches Attest vorliegt, ist im Zweifel jedoch davon auszugehen, dass diese nicht gebrochen war) sowie betreffend den Anklagepunkt der Förderung der Prostitution nicht realitätsbegründet sind (Nullhypothese), nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Konsequenterweise ist vorliegend davon auszugehen, dass seine diesbezüglichen Aussagen seinem wirklichen Erleben entsprechen.

 

Im Widerspruch zum vorliegenden Ergebnis steht dabei auch nicht der bereits rechtskräftige Freispruch des Beschuldigten von den Sexualdelikten, da sich das Opfer äusserst selten konkret zu einzelnen Vorwürfen geäussert resp. keine aussonderbaren Einzelvorwürfe geschildert hat (vgl. etwa Akten S. 440, 448, 590, 592, 648, Protokoll 1. Instanz, Akten S. 30, 33; auch sagte das Opfer beim «Hauptvorwurf» eines sexuellen Übergriffs sogar aus, es sei bewusstlos gewesen und habe mithin von der Tat nichts mitbekommen [vgl. etwa Akten S. 445 f.]). Sofern überhaupt konkrete Vorwürfe vorgebracht wurden, wurden diese in späteren Einvernahmen zudem nicht wiederholt, sodass keine Analyse der Aussagekonstanz vorgenommen werden könnte.

 

4.3.2   Was demgegenüber die Aussagen des Beschuldigten betrifft, kann grundsätzlich vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden, wonach sich seine Aussagen als äusserst widersprüchlich und inkonstant erweisen und in keiner Weise zu überzeugen vermögen. Was etwa sein kategorisches Bestreiten jeglicher Verbindungen ins Rotlichtmilieu betrifft, ist – unter Bezugnahme auf die vorliegenden objektiven Beweismittel – Folgendes zu erwähnen: Zunächst konnte der Beschuldigte nicht sagen, ob es sich bei seiner Partnerin um eine Prostituierte handelt (Akten S. 671, Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1196 ff.). Sodann konnte auf seinem Mobiltelefon verdächtige und auf eine Zuhältertätigkeit hinweisende Nachrichten gefunden werden. So förderte die Mobiltelefonauswertung beispielsweise zu Tage, dass er am 13. März 2019 per WhatsApp das Foto einer «Bescheinigung über die gesundheitliche Beratung nach §10 PostSchG» des Regionalverbandes Saarbrücken vom 16. November 2018 betreffend eine [...] an den Kontakt «[...]» gesendet hat. Am 18. April 2019 schickte der Beschuldigte ausserdem Fotos der ungarischen Adress- und Identitätskarte einer jungen Frau namens [...] an «[...]». Ferner ergab die Mobiltelefonauswertung einen WhatsApp-Chat zwischen dem Beschuldigten und «[...]» vom 11. Oktober 2018, wobei «[...]» kurz vor 20.00 Uhr schrieb «Hallo A____, bei mir hat gerade eine Frau für Sonntag abgesagt. Wohnung ‹Stern› ist ab 14.10. frei. Wenn Du eine Frau kennst, die noch keinen Termin hat, dann bitte melden. Danke, Gruss [...]». Und am 25. November 2018 schickte «[...]» an das Mobiltelefon des Beschuldigten folgende Nachricht: «Hallo [...], eine Frau ist krank geworden. Sie fährt nach Hause. Eine Wohnung ist ab morgen früh frei. LG [...]» (Akten S. 361 ff.). Zwar hat der Beschuldigte angegeben, dass es sich bei «[...]» um seine Lebenspartnerin F____ handle. Jedoch kenne er weder eine [...] noch eine [...] und er will die fraglichen Nachrichten nicht verfasst haben (Akt. S. 665 f., Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1196). Eine plausible Erklärung, weshalb die Nachrichten von seinem Mobiltelefon versandt worden sind, konnte er jedoch nicht präsentieren. Sein Einwand, er habe sein Telefon zuweilen auch an F____ ausgeliehen, ergibt keinerlei Sinn, hätte diese sich die besagten Nachrichten in diesem Fall doch selbst geschrieben (vgl. Akt. S. 666, Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1195). Ähnliches gilt für die Kommunikation mit «[...]», spricht dieser den Adressaten seiner Nachricht doch direkt mit «A____» an, weshalb nur der Beschuldigten gemeint sein kann. Für die mehr als eindeutigen Nachrichten von «[...]» hat der Beschuldigte bezeichnenderweise denn auch keinerlei Erklärung (Akten S. 675: «Das war sicher an mich gerichtet gewesen, aber ich weiss nicht, was ich dazu sagen soll. Ich mache solche Sachen nicht», Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1196). Mit den Nachrichten auf dem Mobiltelefon des Beschuldigten stimmen ausserdem auch die Aussagen des Opfers überein, wonach ersterer überall Kontakte gehabt habe und ein Hotel Zimmer habe organisieren können («Er hat einfach angerufen, er hat überall Kollegen und es wurde ein Hotel ein Zimmer organisiert für die Mädchen «hör mal, ich komme mit zwei Mädchen, kannst du was organisieren?», Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1222). Hinzu kommt, dass sich seine ehemalige Wohnung an der [...] in Plauen/D anscheinend in einem Gebäude befindet, dass ein Rotlichtetablissement beherbergt(e). Nach Vorhalt in der Berufungsverhandlung, dass man bei der Google-Suche dieser Adresse auf die Website «Hurenforum» gelange, meinte der Beschuldigte, dass er davon nichts wisse, es habe dort «keine Plakate» gehabt (Protokoll 2. Instanz, Akten S. 1720). Diese Aussage ist in Verbindung mit den vorerwähnten WhatsApp-Chats umso unglaubhafter, als «[...]» gemäss Aussagen des Beschuldigten der Wohnungsinhaber an der [...] gewesen sei (Akten S. 672).

 

Des Weiteren fällt auf, dass der Beschuldigte über das ganze Verfahren hinweg nicht wirklich erklären konnte, womit er sein Geld verdient und wovon er lebt. Während er in der Einvernahme zur Person im Rahmen des Vorverfahrens noch angab, früher in Fabriken gearbeitet zu haben, sodann erwerbslos gewesen zu sein und im Lotto gewonnen zu haben (Akten S. 5 ff.), betonte er in den weiteren Einvernahmen, dass er immer gearbeitet habe – unter anderem im Baugeschäft – und daher genügend Geld habe. Ausserdem habe er bis im Jahre 2010 Kreditgeschäfte getätigt und von diesem Geld gelebt zu haben. Zudem sei er noch im Autohandel tätig gewesen (Akten S. 600, Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1194 ff.). Abgesehen davon, dass die Angaben des Beschuldigten zu seinem Erwerbseinkommen mehr als widersprüchlich ausgefallen sind, ist auch völlig im Dunkeln geblieben, woher das Kapital für die Kredite stammt. Dass der Beschuldigte, der nicht weniger als sechs Kinder zu versorgen hatte, dafür die staatliche Hilfeleistung für kinderreiche Familien verwendet haben soll, erscheint wenig plausibel (vgl. Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1193). Ebenso unglaubhaft gestalten sich die Angaben des Beschuldigten rund um seine Einreise in die Schweiz am Tag seiner Festnahme vom 20. April 2019. In der Einvernahme vom 20. April 2019 gab er noch an, auf die Bitte seines Kollegen zusammen mit diesem und einem weiteren Kollegen von [...]/DE aus in die Schweiz gefahren zu sein, um dort ein Mädchen abzuholen und dieses nach Deutschland zu bringen. Das Reiseziel sei dem Beschuldigten unbekannt gewesen (Akten S. 569). Vor dem Strafgericht soll es laut dem Beschuldigte dann darum gegangen sein, die Frau in der Schweiz zu finden und sie zu fragen, was mit ihr los sei und ob man ihr helfen könne (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1195). Abgesehen davon, dass die Gründe für diese Fahrt mehr als diffus erscheinen, leuchtet nicht ein, weshalb der Beschuldigte und seine Kollegen eine immerhin mehrere hundert Kilometer lange Reise mitten in der Nacht auf sich nehmen, lediglich um die besagte Frau zu fragen, was mir ihr los sei. Einmal will der Beschuldigte zudem «2012» [gemeint wohl: 2010] für ein paar Tage allein mit seinem Auto als Tourist in Basel gewesen sein (Akten S. 572, 664, Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1195), wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Beschuldigte bei seiner Einreise zusammen mit drei Mitreisenden kontrolliert wurde, von denen der eine einen Schlagstock mit sich führte (vgl. Akten S. 319). Ein anderes Mal soll es sich bei dieser Fahrt nur um eine Durchreise gehandelt haben (Akten S. 570, Protokoll 2. Instanz, Akten S. 1721).

 

Entlarvend ist sodann die Aussage des Beschuldigten, wonach es in der [...] in Basel viele Kameras und Polizisten habe, zumal er abstreitet, ganz generell sowie in Basel im Speziellen je etwas mit dem Rotlichtmilieu zu tun gehabt zu haben (Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1229). Was ferner das Vorbringen des Beschuldigten betrifft, es seien 20 Frauen im Rotlichtmilieu in Basel einvernommen worden und keine davon habe seine Anwesenheit bestätigen können, so gilt es zunächst anzumerken, dass es sich bei der vom Beschuldigten erwähnten Befragung der Frauen wohl um die Kontrolle der Liegenschaft [...] in Basel vom 12. September 2017 handelt, bei der 19 Frauen kontrolliert wurden (vgl. Akten S. 336 ff.). Bereits aus dem Umstand, dass die Kontrolle rund ein Jahr nach den angeklagten Vorfällen im Jahre 2016 stattfand, ist auf eine geringe Wahrscheinlichkeit zu schliessen, dass die Frauen bereits ein Jahr zuvor im Etablissement arbeiteten, geschweige denn den Beschuldigten zwingend gesehen haben mussten. Zudem wäre selbst in einem solchen unwahrscheinlichen Fall nicht damit zu rechnen gewesen, dass diese den Beschuldigten belastet hätten.

 

Gegen die Version des Beschuldigten spricht schliesslich auch der Umstand, dass er überraschend gut über das Leben des Opfers während der letzten Jahre vor den angeklagten Vorwürfen informiert zu sein scheint: So behauptete er etwa, dass das Opfer in Ungarn bei der Polizei so fest gelogen habe, dass «Fachleute zur Klärung» hätten beigezogen werden müssen, auch wenn er angab, «früher mit [der] Schwägerin Kontakt» gehabt zu haben und dies deshalb zu wissen (Akten S. 651).

 

Auch wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegten Delikte bestreitet, ergeben sich aus seinem Aussageverhalten, insbesondere in Bezug auf die Mobiltelefonauswertung sowie seine erwiesenen Beziehungen ins Rotlichtmilieu, diverse Hinweise darauf, dass er entgegen seinen Beteuerungen sehr wohl als Zuhälter tätig war und damit sein Geld verdiente. Insofern werden die Darstellungen des Opfers in einem entscheidenden Punkt gestützt.

 

4.3.3   Zusammengefasst ist somit auf die Aussagen des Opfers – untermauert von den genannten übrigen Indizien und Beweisen – abzustellen, da einzig diese in Bezug auf das Kerngeschehen betreffend die vorerwähnten Schilderungen als glaubhaft zu werten sind. Somit ist der zur Anklage gebrachte Sachverhalt in Bezug auf das Ausschlagen der Zähne und der Verletzung der Nase sowie die Einflussnahme des Beschuldigten auf die Prostitution des Opfers in Basel und Zürich im Jahre 2016 (Beobachtung, Überwachung, Einziehung der Papiere, Abnahme des Geldes, Vorschreiben der anzubietenden Dienstleistungen, der zu bedienenden Freier sowie der Örtlichkeiten, Verbot der Beendigung der Arbeit, fehlende Bewilligung zur Ausübung der Prostitution) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als erstellt zu betrachten. Unklar bleibt hingegen aufgrund der in diesem Punkt inkonstanten Aussagen des Opfers, aus welchen Gründen es im Jahre 2016 erneut den Beschuldigten von Ungarn – wohl indirekt über andere Länder – in die Schweiz begleitete und sich in dessen Abhängigkeit erneut in die Prostitution begab und inwiefern diesbezüglich eine Freiwilligkeit vorlag.

 

5. Rechtliches

 

5.1

5.1.1   Was die rechtliche Würdigung betrifft, so macht sich des Menschenhandels gemäss Art. 182 Abs. 1 StGB schuldig, wer als Anbieter, Vermittler Abnehmer mit einem Menschen Handel treibt, unter anderem zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung der Ausbeutung seiner Arbeitskraft. Das Anwerben eines Menschen zu diesen Zwecken ist dem Handel gleichgestellt. Geschütztes Rechtsgut ist die sexuelle Selbstbestimmung sowie das Recht eines Menschen, hinsichtlich seiner Arbeitskraft als Subjekt (nicht als Objekt) behandelt zu werden. Die Strafbestimmung schützt Opfer, die etwa unter Anwendung von Gewalt anderer Form der Nötigung, durch Entführung, Täuschung, Missbrauch von Macht Ausnützung besonderer Hilflosigkeit zum Zweck der Ausbeutung angeworben und ins Ausland gebracht werden. Ein Schuldspruch wegen Menschenhandels im Sinne von Art. 182 StGB setzt voraus, dass die betroffene Person in ihrem sexuellen Selbstbestimmungsrecht verletzt worden ist. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts schliesst die in Kenntnis der konkreten Sachlage und ihrem tatsächlichen Willen entsprechende Zustimmung der betroffenen Person einen Menschenhandel aus (BGer 6B_1006/2009 vom 26. März 2010 E. 4.2.1, 6B_126/2010 vom 29. April 2010 E. 4.2, 6B_128/2013 vom 7. November 2013 E. 1.2). Es ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob eine wirksame Einwilligung vorliegt. Unwirksam sind Einwilligungen, die, für den Täter ersichtlich, wesentlich als Folge der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse erteilt worden sind (BGE 129 IV 81 E. 3, 126 IV 225 E. 1c; BGer 6B_277/2007 vom 8. Januar 2008 E. 5, 6B_81/2010 vom 29. April 2010 E. 4.1, 6B_1006/2009 vom 26. März 2010 E. 4).

 

5.1.2   Vorliegend kann – im Gegensatz zur Vorinstanz – nicht widerlegt werden, dass das Opfer mit freiem Willen und in Kenntnis aller wesentlichen Umstände den Entscheid fällte, wiederum in die Schweiz zu kommen und sich hier zu prostituieren. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde (vgl. vorne E. 3), ist aufgrund der diesbezüglich inkonstanten Aussagen des Opfers nämlich unklar, weshalb es erneut mit ihm in die Schweiz reiste und für den Beschuldigten arbeitete. Es ist mithin nicht nachgewiesen, dass das Selbstbestimmungsrecht des Opfers im Rahmen der dem Aufenthalt in der Schweiz vorgelagerten Geschehen, d.h. hinsichtlich des erneuten «Anwerbens» sowie des Verbringens ins Ausland bzw. in die Schweiz (dem eigentlichen Eintritt des Opfers in die Ausbeutung), eingeschränkt resp. verletzt wurde. Sofern die Vorinstanz darauf verweist, dass es dem Opfer nicht möglich gewesen sei, (in der Schweiz) frei über die wesentlichen Punkte seiner Prostitutionstätigkeit zu bestimmen, so wird dieser Umstand vom Tatbestand der Förderung der Prostitution erfasst (vgl. sogleich E. 5.2). Im Ergebnis ist der Beschuldigte daher vom Vorwurf des Menschenhandels gemäss Art. 182 Abs. 1 StGB freizusprechen.

 

5.2

5.2.1   Der Förderung der Prostitution nach Art. 195 lit. c StGB macht sich schuldig, wer als Täter die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er diese Person bei dieser Tätigkeit überwacht Ort, Zeit, Ausmass andere Umstände der Prostitution bestimmt. Geschütztes Rechtsgut ist die Entscheidungsfreiheit der Prostituierten, welche vor übermässigem Druck und Zwang geschützt werden soll. Von der Bestimmung wird erfasst, wer sich der Prostituierten gegenüber in einer Machtposition befindet, die es ihm erlaubt, deren Handlungsfreiheit einzuschränken und festzulegen, wie sie ihrer Tätigkeit im Einzelnen nachzugehen hat, in Einzelfällen bestimmte Verhaltensweisen zu erzwingen. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass auf die betroffene Person ein gewisser Druck ausgeübt wird, dem sie sich nicht ohne weiteres entziehen kann, so dass sie in ihrer Entscheidung, ob und wie sie dem Gewerbe nachgehen will, nicht mehr vollständig frei ist, und dass die Überwachung die bestimmende Einflussnahme ihrem Willen ihren Bedürfnissen zuwiderläuft. Die Machtposition kann etwa auf dem wirtschaftlichen sozialen Druck, der auf den Frauen lastet, und auf ihrer schwachen Stellung als mittellose illegale Aufenthalterinnen beruhen. Ein solcher Druck kann weiter darin bestehen, dass der Täter die Kontrolle darüber ausübt, ob, wie und in welchem Ausmass die Prostituierte dem Gewerbe nachgeht, von ihr regelmässig über ihre Arbeit und ihre Einkünfte Rechenschaft forciert die Umstände ihrer Tätigkeit, namentlich die Art der zu erbringenden Leistungen, die pro Kunde mindestens höchstens aufzuwendende Zeit, den Preis und die Modalitäten der Abrechnung, näher festlegt (BGE 129 IV 81 E. 1.2, 126 IV 76 E. 2, 125 IV 269 E. 1; BGer 6B_493/2018 vom 18. September 2018 E. 2.3 f.). Für die Erfüllung des Tatbestands spielt es keine Rolle, ob die Prostitution freiwillig unfreiwillig ausgeübt wird (BGer 6B_476/2015 vom 26. November 2015 E. 3.3).

 

5.2.2   Wie bereits das Strafgericht zutreffend ausgeführt hat (und vom Beschuldigten auch nicht kritisiert wurde), beschränkte der Beschuldigte die Handlungsfreiheit des Opfers, übte unzulässigen Druck auf es aus und hatte eine bestimmende Position inne, die Rahmenbedingungen zu diktieren und deren Einhaltung sicherzustellen. So hat der Beschuldigte nicht nur die Arbeitszeiten bestimmt (das Opfer konnte nicht frei bestimmen, wenn es einmal nicht arbeiten wollte), er hat diesem auch Anweisungen in Bezug auf die Ausübung der Prostitution erteilt. Das Opfer musste beispielsweise sexuelle Dienstleistungen ohne Kondom erbringen, obwohl es dies nicht wollte. Der Beschuldigte kontrollierte und überwachte das Opfer sodann bei der Ausübung seiner Tätigkeit, indem es ihm persönlich telefonisch mitzuteilen hatte, wann es mit einem Freier zu welchem Preis mitging. Seine Machtposition wusste der Beschuldigte nicht nur durch leere Versprechungen, sondern auch durch das Schaffen finanzieller Abhängigkeiten, durch physische Gewalt und Drohungen zu verstärken. Dem Opfer wurden ausserdem nach der Arbeit die Ausweispapiere weggenommen, was regelmässig ein deutlicher Hinweis für eine tatbestandsmässige Überwachung und ein Zeichen für die Abhängigkeit ist, in welcher das Opfer steht (Isenring/Kessler, in: Basler Kommentar, 4. Aufl., Basel 2019, Art. 195 StGB N 32). Dasselbe gilt für den Umstand, dass es der Beschuldigte war, der Anfang September 2016 über den Kopf des Opfers hinweg entschied von Basel nach Zürich zu wechseln und das Opfer dort der Prostitution nachgehen zu lassen. Das Opfer musste zudem nicht nur unter den beschriebenen Umständen der Prostitution nachgehen, es hatte dem Beschuldigten auch sämtliche Einnahmen abzuliefern und vermochte sich dem Druck des Beschuldigten nicht zu entziehen. Hinzu kommt, dass das Opfer als Angehöriger einer ethnischen Minderheit und aufgrund seiner offen gelebten sexuellen Orientierung einer besonders verletzlichen und – insbesondere in Ungarn – Ausgrenzung ausgesetzten Gruppe von Menschen zuzurechnen war resp. ist. Das Opfer wuchs zudem in einer der ärmsten Regionen Europas auf und entstammte einer Familie, welche sich ökonomisch am Rande der Gesellschaft bewegt. Es genoss keine grosse Schulbildung, keine Berufsausbildung und verfügte insgesamt über geringe bis keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Aufgrund der teilweise illegalen Beschäftigung in der Schweiz kannte es sich vor Ort und im Umgang mit den hiesigen Behörden nicht aus, beherrschte die Sprache nicht, hatte keine Kontaktpersonen vor Ort und verfügte über keine finanziellen Mittel. Insgesamt war das Opfer aufgrund der bestehenden Drucksituation in seiner Entscheidung, ob und wie es dem Gewerbe nachgehen wollte, nicht mehr frei. Die Beschränkung der Handlungsfreiheit des Opfers entsprach zweifelsohne nicht seinem Willen. Unbeachtlich ist für die Erfüllung des Tatbestands ferner, ob das Opfer freiwillig der Prostitution nachging nicht. Ebenso steht ausser Frage, dass der Beschuldigte hierbei (direkt) vorsätzlich handelte. Der Beschuldigte ist demnach der Förderung der Prostitution im Sinne von Art. 195 lit. c StGB schuldig zu sprechen.

 

5.3

5.3.1   Festhalten in der Prostitution liegt gemäss Art. 195 lit. d StGB vor, wenn die Prostituierte daran gehindert wird, diese Tätigkeit aufzugeben. Der Täter muss auf diesen Entschluss des Opfers in einer Art und Weise einwirken, welche die Intensität der Nötigung nach Art. 181 erreicht. Beispiele sind Gewalt, psychischer Druck, Drohung, Wegnahme der Ausweispapiere das Verstricken in Abhängigkeiten finanzieller Art (Trechsel/Bertossa, in: Praxiskommentar Strafgesetzbuch, 4. Aufl., Zürich 2021, Art. 195 N 10; BGE 129 IV 81 E. 2.3).

 

5.3.2   Vorliegend erfüllt der Beschuldigte auch diese Variante des Tatbestands, da es dem Opfer entgegen seinem Willen aufgrund der Vorkehrungen des Beschuldigten – insbesondere der Droh- resp. Gewaltkulisse sowie der Abnahme der Ausweise – auch nicht möglich war, die Tätigkeit zu beenden und sich dem Zugriff des Beschuldigten zu entziehen.

 

5.4      Was des Weiteren das Ausschlagen der Zähne sowie die Gewalteinwirkung auf die Nase betrifft, so ist die Vorinstanz zurecht davon ausgegangen, dass es sich hierbei um gesundheitliche Beeinträchtigungen im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB handelt. Entsprechend ist der Beschuldigte der einfachen Körperverletzung schuldig zu sprechen.

 

5.5      Kein Schuldspruch kann hingegen für den Vorwurf der (Todes-)Drohung an das Opfer, nachdem dieses sich an die Frauenberatungsstelle [...] gewandt hatte, ergehen, da, wie ausgeführt wurde, der entsprechende Anruf des Beschuldigten nicht als erstellt gelten kann.

 

5.6      Was schliesslich die Vorwürfe der Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise des rechtswidrigen Aufenthalts (Art. 116 Abs. 1 lit. a AuG/AIG) und der Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung (Art. 116 Abs. 1 lit. b (AuG/AIG) anbelangt, so gilt es zunächst in Übereinstimmung mit der Vorinstanz zu konstatieren, dass der Beschuldigte als Zuhälter dem Opfer in Zürich Arbeit als Prostituierte verschaffte, ohne dass dieses über die zur Ausübung der Prostitution für Personen aus Ungarn notwendige Meldebestätigung verfügte, weshalb ein entsprechender Schuldspruch zu ergehen hat. Demgegenüber hat ein Freispruch vom Vorwurf der Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise des rechtswidrigen Aufenthalts zu erfolgen, da das Opfer als ungarischer Staatsangehöriger einreisen und sich während der in Frage stehenden Zeit in der Schweiz aufhalten durfte. Nicht tatbestandsmässig ist nämlich der Transport von Angehörigen eines EU-Mitgliedstaates in die Schweiz. Diese haben selbst dann, wenn sie nicht einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollen und für einen erwerbslosen Aufenthalt nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen, das Recht auf Aufenthalt für drei Monate (BGE 143 IV 97 E. 1).

 

6.         Strafzumessung

 

6.1      Der Beschuldigte wird demnach in zweiter Instanz der Förderung der Prostitution (lit. c und d), der einfachen Körperverletzung sowie der Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung schuldig erklärt, jedoch von der Anklage des Menschenhandels (begangen im 2016), der Drohung sowie der Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise des rechtswidrigen Aufenthalts freigesprochen.

 

6.2      Gemäss Art. 47 StGB misst das Gericht die Strafe innerhalb des anzuwendenden Strafrahmens nach dem Verschulden des Täters zu und berücksichtigt dabei sein Vorleben, seine persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf sein Leben (Täterkomponenten, Abs. 1). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie nach seinen Möglichkeiten, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden, bemessen (Tatkomponenten, Abs. 2). An eine «richtige» Strafzumessung werden drei allgemeine Anforderungen gestellt: Sie muss zu einer verhältnismässigen Strafe führen (Billigkeit), ein Höchstmass an Gleichheit gewährleisten (Rechtssicherheit) und transparent, überzeugend begründet und dadurch überprüfbar sein (Legitimation durch Verfahren; vgl. Trechsel/Seelmann, in: Praxiskommentar Strafgesetzbuch, 4. Aufl., Zürich 2021, Art. 47 N 6; Wiprächtiger/Keller, in: Basler Kommentar, 4. Auflage, Basel 2019, Art. 47 StGB N 10). Die Strafzumessung ist einlässlich zu begründen (Art. 50 StGB; BGE 134 IV 17 E. 2.1; BGer 6B_579/2013 vom 20. Februar 2014 E. 4.3; Eugster/Frischknecht, Strafzumessung im Betäubungsmittelhandel, in: AJP 2014 S. 327 ff., 332).

 

6.3

6.3.1   Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt das Gericht ihn zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht diese angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen, Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB). Die Anwendbarkeit von Art. 49 Abs. 1 StGB setzt dabei voraus, dass für die zur Beurteilung stehenden Delikte im konkreten Fall gleichartige Strafen ausgefällt würden (BGE 144 IV 217 E. 3.3 ff.). Bei der Bildung der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB ist vorab der Strafrahmen für das (abstrakt) schwerste Delikt zu bestimmen und alsdann die Einsatzstrafe für die schwerste Tat innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen. In einem zweiten Schritt sind die hypothetischen Einsatzstrafen für die weiteren Taten zu bestimmen. Sodann ist die Gesamtstrafe durch angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe (in Anwendung des Asperationsprinzips) zu bilden. Nach der Festlegung der Gesamtstrafe für sämtliche Delikte sind schliesslich die allgemeinen Täterkomponenten zu berücksichtigen (BGE 127 IV 101 E. 2b; BGer 6B_483/2016 vom 30. April 2018 E. 3.5.1, 6B_466/2013 vom 25. Juli 2013 E. 2.1 und 2.3.2, 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011 E. 3.3.4; AGE SB.2016.114 vom 15. September 2017 E. 3.3.2).

 

6.3.2   Wenn nebeneinander Geldstrafe und Freiheitsstrafe in Betracht fallen, ist bei der Wahl der Sanktionsart als wichtiges Kriterium die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 97 E. 4.2; BGer 6B_112/2020 vom 7. Oktober 2020 E. 3.2). Nach der Konzeption des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches stellt die Geldstrafe in deren Anwendungsbereich (Art. 34 StGB) die Hauptsanktion dar. Freiheitsstrafen sollen nur verhängt werden, wenn der Staat keine anderen Mittel hat, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten bzw. eine Freiheitsstrafe geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten (Art. 41 Abs. 1 lit. a StGB). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift bzw. die ihn am wenigsten hart trifft, wodurch der Geldstrafe grundsätzlich Vorrang gegenüber der eingriffsstärkeren Freiheitsstrafe zukommt (vgl. BGE 134 IV 79 E. 4.2.2).

 

Bei der Bemessung der hypothetischen Gesamtstrafe müssen die einzelnen Straftaten in einem selbstständigen Schritt gewürdigt werden. Dies bezieht sich jeweils auch auf die Wahl der Strafart. Der Frage, ob eine Geld- eine Freiheitsstrafe auszusprechen ist, ist nicht erst nachzugehen, wenn die Dauer der (Gesamt-)Strafe feststeht. Vielmehr ist dies bereits bei der Würdigung der einzelnen Straftat zu bestimmen. Denn erst nachdem das Gericht sämtliche Einzelstrafen (gedanklich) festgesetzt hat, kann es beurteilen, ob und welche Einzelstrafen gleichartig sind (vgl. BGE 144 IV 217 E. 4.1 m.H.; BGer 6B_59/2020 vom 30. November 2020 E. 4.4).

 

6.3.3   Vorliegend ist bei den Tatbeständen der Förderung der Prostitution, der einfachen Körperverletzung sowie der Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung sowohl das Aussprechen von Geld- als auch Freiheitsstrafe möglich. Was die Förderung der Prostitution anbelangt, kann vorliegend aufgrund der Verschuldenshöhe resp. der 180 Strafeinheiten übersteigenden Einsatzstrafe (vgl. hinten E. 6.4) nur auf eine Freiheitsstrafe erkannt werden.

 

In Bezug auf die einfache Körperverletzung sowie die Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung hat die Vorinstanz ebenfalls auf Freiheitsstrafe erkannt, da diese in einem engen sachlichen Zusammenhang rund um die Zwangsprostitution stehen würden. Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar darf auch nach der neusten Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Gesamtfreiheitsstrafe ausgesprochen werden, wenn eine grosse Zahl von Einzeltaten zeitlich sowie sachlich eng miteinander verknüpft sind und eine blosse Geldstrafe bei keinem der in einem engen Zusammenhang stehenden Delikte geeignet ist, in genügendem Masse präventiv auf den Täter einzuwirken (BGer 6B_691/2022 vom 17. Oktober 2022 E. 5.3.1, 6B_141/2021 vom 23. Juni 2021 E. 1.3.2, 6B_918/2020 vom 19. Januar 2021 E. 6.3.1, 6B_496/2020 vom 11. Januar 2021 E. 3.4.2, 6B_112/2020 vom 7. Oktober 2020 E. 2.2 und 2.4, 6B_1186/2019 vom 9. April 2020 E. 2.2 und 2.4), was das Bundesgericht insbesondere in Bezug auf Handlungen bzw. zu beurteilende Tatbestände, die in einer familienähnlichen Beziehungskonstellation begangen wurden und Züge eines Dauerdelikts aufweisen, bejaht hat (BGer 6B_798/2021 vom 2. August 2022 E. 5.2). Eine solche Konstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da dem Beschuldigten konkret lediglich eine einzige einfache Körperverletzung nachgewiesen werden kann. Dies gilt auch für die abgrenzbare Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung. Da der Beschuldigte in beiden Fällen nicht einschlägig vorbestraft ist, ist mithin aufgrund des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes jeweils eine Geldstrafe auszusprechen (vgl. BGE 144 IV 217 E. 4.1; BGer 6B_409/2018 vom 7. Juni 2019 E. 2.3).

 

6.4      Ausgangspunkt für die Bemessung der Strafe bildet der Strafrahmen der Förderung der Prostitution gemäss Art. 195 StGB, der eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren Geldstrafe vorsieht.

 

6.4.1   Hinsichtlich der objektiven Tatkomponenten ist zunächst festzuhalten, dass der Beschuldigte sich über das Selbstbestimmungsrecht des Opfers hinweggesetzte und ihre Handlungsfreiheit beeinträchtigte und es ihm aufgrund des ausgeübten Drucks nicht möglich war, die Tätigkeit zu beenden, obwohl sie dies wünschte. Dies geschah, indem er dem Opfer so etwa den gesamten Verdienst abnahm, ihm Vorschriften zu dessen Tätigkeit auf dem Strassenstrich machte und es dabei kontrollierte und überwachte. Das Opfer musste so unter anderem mit diversen Freiern gegen seinen Willen ungeschützten Geschlechtsverkehr ausüben, wobei es sich diverse Geschlechtskrankheiten zuzog. Des Weiteren konnte es keine Freier ablehnen. Entgegen der Vorinstanz ist die Dauer der Beschränkung der Handlungsfreiheit nicht entlastend zu werten, wurde das Selbstbestimmungsrecht des Opfers doch über einen nicht nur kurzen Zeitraum von mehreren Wochen beeinträchtigt. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass es sich nur deshalb nicht um eine längere Zeitspanne handelte, weil das Opfer selbst Hilfe suchte.

 

Des Weiteren ist die Verwerflichkeit des Handelns hervorzuheben. Dabei gilt es etwa zu berücksichtigen, wie intensiv der Beschuldigte seinen Plan verfolgte, welche Mittel er einsetzte und welchen Aufwand er betrieb («kriminelle Energie») sowie, wie brutal grausam er sein Opfer behandelte (BGer 6B_375/2014 vom 28. August 2014 E. 2.4, 6S.444/2005 vom 10. Februar 2006 E. 2). Vorliegend kann dem Beschuldigten eine nicht nur geringe kriminelle Energie attestiert werden, setzte er das Opfer während des Deliktszeitraums doch vehement psychisch unter Druck und misshandelte es körperlich, wenn es sich seinen Anweisungen nicht fügte und seine Vorgaben nicht einhielt. Auch ging er äusserst professionell vor, war er doch im Rotlichtmilieu gut vernetzt und wechselte nach seinem Gutdünken mit dem Opfer auch innerhalb der Schweiz den Standort von Basel nach Zürich. Das objektive Tatverschulden ist daher als nicht mehr leicht zu werten.

 

6.4.2   In Bezug auf die subjektiven Tatkomponenten ist bei den Beweggründen des Beschuldigten hervorzuheben, dass er seine persönlichen Ziele der finanziellen Bereicherung äusserst rücksichtslos durchsetzte. Wie bereits festgehalten wurde, setzte er das Opfer stark unter Druck und konnte sich durch den ihm vollumfänglich gegen den Willen des Opfers abzugebenden Dirnenlohn bereichern. Sein Verhalten zeugt zudem von einer erheblichen Geringschätzung der körperlichen und psychischen Unversehrtheit des Opfers. Der Beschuldigte handelte hierbei vorliegend mit (direktem) Vorsatz. Als weitere (subjektive) Tatkomponente bestimmt sich die Höhe des Verschuldens ferner danach, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu vermeiden. Dies wäre dem Beschuldigten vorliegend ohne weiteres möglich gewesen, hätte er doch problemlos einer anderen Tätigkeit nachgehen können.

 

Das subjektive Tatverschulden ist daher ebenfalls als nicht mehr leicht zu werten.

 

6.4.3   Im Ergebnis wiegt das Tatverschulden des Beschuldigten für die Förderung der Prostitution demnach nicht mehr leicht, weshalb sich eine Einsatzstrafe von 30 Monaten Freiheitstrafe rechtfertigt.

 

6.5      Sodann gilt es die Tatkomponenten für die einfache Körperverletzung darzulegen, für die das Gesetz einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe vorsieht.

 

6.5.1   Hinsichtlich der objektiven Tatkomponenten gilt es für das Ausmass des schuldhaft herbeigeführten Erfolges festzuhalten, dass dem Opfer zwei Zähne ausgeschlagen wurden und es eine Verletzung der Nase davontrug. Diese Verletzungsfolgen waren keinesfalls unerheblich, weshalb die erlittene Verletzung der körperlichen Integrität mithin nicht mehr im untersten Verschuldensbereich anzusiedeln ist.

 

6.5.2   Was die subjektiven Tatkomponenten betrifft, ist bei den Beweggründen des Beschuldigten hervorzuheben, dass das verwerfliche Motiv für den gewalttätigen Übergriff auf das Opfer darin bestand, dass letzteres seinen Befehlen nicht gehorchen wollte. Für die Verletzungsfolgen ist beim Beschuldigten hierbei zumindest Eventualvorsatz zu bejahen.

 

6.5.3   Im Ergebnis wiegt das Tatverschulden des Beschuldigten in diesem Fall jedoch noch leicht, weshalb von einer Einsatzstrafe von 120 Tagen Geldstrafe auszugehen ist.

 

6.6      Schliesslich gilt es das Tatverschulden der Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung zu eruieren, die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr Geldstrafe bestraft werden kann.

 

6.6.1   Bei den Tatkomponenten ist in objektiver sowie subjektiver Hinsicht von einem leichten Verschulden auszugehen. So musste der Beschuldigte für die einzelnen Handlungen keine hohe Menge an krimineller Energie aufwenden. Zu seinen Bewegründen bedarf es keiner weiteren speziellen Ausführungen.

 

6.6.2   Das Tatverschulden ist auch in diesem Fall noch als leicht zu beurteilen, weshalb eine (hypothetische) Einsatzstrafe von 60 Tagessätzen Geldstrafe als angemessen erscheint.

 

6.7      Für die beiden mit Geldstrafen belegten Einsatzstrafen ist des Weiteren in Anwendung des Asperationsprinzips gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB folgende Gesamtstrafenbildung vorzunehmen: Die Einsatzstrafe für die einfache Körperverletzung von 120 Tagessätzen wird für die Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung um 40 Tagessätze auf insgesamt 160 Tagessätze erhöht.

 

6.8      Schliesslich sind die allgemeinen Täterkomponenten noch miteinzubeziehen. Was das Vorlebens und die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten angeht, hat die Vorinstanz zutreffend ausgeführt, dass es in [...]/Ungarn geboren und dort zusammen mit fünf Brüdern und zwei Schwestern bei den Eltern aufgewachsen. Er besuchte acht Jahre lang die Grundschule, hat danach aber keine Ausbildung absolviert. Der Beschuldigte ist geschieden und hat mit drei verschiedenen Frauen sechs Kinder (Akten S. 5, Protokoll 1. Instanz, Akten S. 1191 ff.). Wie dem Beweisergebnis entnommen werden kann, sind die variationsreichen Angaben des Beschuldigten zu seinen Einkommensverhältnissen als Schutzbehauptungen zu werten und es ist davon auszugehen, dass er von Kreditgeschäften und der Zuhälterei lebte. Dafür hielt er sich zuletzt zusammen mit seiner Ex-Partnerin offenbar abwechslungsweise in Ungarn und Deutschland auf. Der Beschuldigte ist strafrechtlich nicht unbelastet, jedoch nicht durchgehend einschlägig verurteilt. Wie EUROPOL berichtet, sass der Beschuldigte vom 15. November 2012 bis 11. April 2015 in Ungarn im Gefängnis, da er wegen Erpressung und Wucher zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt wurde; er wurde auf Bewährung freigelassen. Im 2015 erfolgte in Ungarn eine weitere Verurteilung wegen Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 1 ½ Jahren, wobei der diesbezügliche Freiheitsentzug vom 12. Januar bis 26. April 2016 dauerte, ehe der Beschuldigte erneut auf Bewährung entlassen wurde (Akten S. 327). Dabei belastet es den Beschuldigten nicht unerheblich, dass er die vorliegend zur Debatte stehenden Delikte nur kurze Zeit nach seiner letzten Gefängnisstrafe für ein einschlägiges Delikt verübt hat, da auch der Tatbestand der Förderung der Prostitution Nötigungskomponenten aufweist. Diese Vorstrafe ist mithin zu Ungunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen, nicht hingegen seine nicht einschlägige Delinquenz. Entgegen der Vorinstanz ist jedoch der gesundheitliche Zustand des Beschuldigten nicht im Sinne einer erhöhten Strafempfindlichkeit zu werten, da er im Rahmen der Berufungsverhandlung angab, dass sich sein Karzinom nicht verschlechtert habe und er dies selbst mit Entzündungshemmern und Crèmes behandeln könne (Protokoll 2. Instanz, Akten S. 1718). Auch aus dem Nachtatverhalten des Beschuldigten lässt sich nichts zu seinen Gunsten ableiten. Er hat die ihm zur Last gelegten Delikte bestritten und keinerlei Einsicht und Reue gezeigt. Insgesamt wirken sich die Täterkomponenten somit neutral aus.

 

Jedoch ist dem Berufungskläger eine Verletzung des Beschleunigungsgebots zuzugestehen, da in der Zeit vom 16. August 2021 bis 22. März 2022 keine Verfahrenshandlungen erfolgten. Entsprechend ist die Freiheitsstrafe von 30 Monaten um zwei Monate auf 28 Monate sowie die Geldstrafe von 160 auf 150 Tagessätze zu reduzieren.

 

6.9

6.9.1   Das Gericht bestimmt die Tagessatzhöhe nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB).

 

6.9.2   Aufgrund des nur geringfügigen Verdiensts des Beschuldigten in Ungarn von 150'000.– Forint pro Monat (vgl. Protokoll 2. Instanz, Akten S. 1719) bemisst sich die Tagessätzhöhe im Ergebnis auf das Minimum von CHF 30.–.

 

6.10

6.10.1 Das Gericht schiebt gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB den Vollzug einer Geldstrafe einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. Dies bedeutet, dass bei Fehlen einer ungünstigen Prognose der bedingte Vollzug zu gewähren ist. Der Strafaufschub ist die Regel, von der grundsätzlich nur bei ungünstiger Prognose abgewichen werden darf. Zentrale materielle Voraussetzung für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges ist die Aussicht auf künftiges Wohlverhalten. Die Prüfung der Bewährungsaussichten des Täters ist anhand einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen (BGE 144 IV 277 E. 3.2 S. 282 ff., 134 IV 1 E. 4.2.2 S. 6; BGer, 6B_125/2018 vom 14. Juni 2018 E. 1.2.2, 6B_80/2009 vom 1. Mai 2009 E. 2; Schneider/Garré, in: Basler Kommentar, 4. Auflage, Basel 2019, Art. 42 N 46). Wurde der Täter allerdings innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zu einer Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen (Art. 42 Abs. 2 StGB). Dies gilt auch für einen allfälligen teilbedingten Vollzug (vgl. Schneider/Garré, in: Basler Kommentar, 4. Aufl., Basel 2019, Art. 42 StGB N 13).

 

6.10.2 Wie bereits festgehalten wurde, wurde der Beschuldigte zuletzt im Jahre 2015 in Ungarn wegen Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 1 ½ Jahren verurteilt, weshalb die Frage des bedingten Vollzugs vorliegend nach Art. 42 Abs. 2 StGB zu beurteilen ist. Besonders günstige Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr muss festgehalten werden, dass sich der Beschuldigte trotz mehrfacher (vollzogener) Freiheitsstrafen in keiner Weise hat beeindrucken resp. von weiterer Delinquenz hat abhalten lassen. Die Freiheits- und Geldstrafe sind daher unbedingt auszusprechen.

 

6.11    In Würdigung sämtlicher relevanter Strafzumessungsfaktoren ist über den Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von 28 Monaten sowie eine Geldstrafe von 150 Tagessätze à CHF 30.–auszufällen, an welche die bislang ausgestandene Haft vom 20. April 2019 bis zum 19. August 2021in Anwendung von Art. 51 StGB angerechnet wird.

 

7.         Beschlagnahmte Gegenstände und Vermögenswerte

 

Über beschlagnahmte Gegenstände und Vermögenswerte ist spätestens bei Abschluss des Verfahrens zu entscheiden (Art. 267 Abs. 3 StPO). Vorliegend kommt die Einziehung der beim Beschuldigten am Tag seiner Festnahme in den Effekten sichergestellten EUR 2'715.– mangels Deliktskonnex nicht in Frage. Jedoch werden die von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Vermögenswerte (vgl. Akten S. 260) nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zur Deckung der Verfahrenskosten herangezogen (Art. 268 Abs. 1 lit. a StPO).

 

8.         Zivilforderungen

 

Die Opferhilfe beider Basel macht einen Schadenersatz für Leistungen im Zusammenhang mit der durch die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration ab dem Jahre 2016 organisierten Unterbringung des Opfers in einer geeigneten Unterkunft inkl. Dolmetscherkosten in Höhe von CHF 50'303.25 geltend. Die Parteien haben hierzu keine Ausführungen gemacht. Es kann mithin auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden, wonach die Forderung nicht nur hinreichend belegt, sondern auch zweifellos geschuldet ist. Der Beschuldigte wird entsprechend zur Zahlung von CHF 50'303.25 an die Opferhilfe beider Basel verurteilt.

 

9.

9.1      Die Vorinstanz hat dem Opfer zu Lasten des Beschuldigten eine Genugtuung in Höhe von CHF 15'000.– zugesprochen. Das Opfer beantragt diesbezüglich jedoch, dass ihm insgesamt CHF 60'000.– zuzusprechen seien. Diese Summe sei in Anbetracht dessen, was der Beschuldigte ihm über Jahre angetan habe und welch tiefe Spuren dies bei ihm hinterlassen habe, absolut angemessen. Die Rechtsvertretung des Opfers verweist hierbei auf einen Vergleichsfall betreffend Menschenhandel und Prostitution sowie qualifizierte Vergewaltigung, bei welchem dem dortigen Opfer ein Betrag von CHF 50'000.– zugesprochen worden sei. Im dort aufgeführten Fall scheine sich der Zeitrahmen der Deliktsbegehung während zwei Jahren abgespielt zu haben. In casu habe es hingegen über Jahre angedauert.

 

9.2      Gemäss Art. 47 des Obligationenrechts (OR, SR 220) und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bezweckt die Genugtuung den Ausgleich für die erlittene seelische Unbill. Bemessungskriterien für die Höhe des zuzusprechenden Betrages sind dabei vor allem die Art und Schwere der Verletzung, die Intensität und Dauer der Auswirkungen auf die Persönlichkeit der betroffenen Person, der Grad des Verschuldens der haftpflichtigen Person, ein allfälliges Selbstverschulden des Geschädigten sowie die Aussicht auf Linderung der physischen und psychischen Unbill durch die Zahlung eines Geldbetrages (BGE 132 II 117 E. 2.2.2). In der Regel wird zur Bemessung der Genugtuung die Präjudizienvergleichsmethode herangezogen. Das Bundesgericht betont, dass sich aus Präjudizien durch Vergleich Anhaltspunkte für die Festlegung des Genugtuungsbetrages gewinnen liessen. Anhand bereits beurteilter vergleichbarer Fälle wird die Höhe des Genugtuungsbetrags im Einzelfall unter Würdigung der konkreten Umstände festgesetzt (Landolt, Genugtuungsrecht, 2. Auflage 2020, Rz. 403).

 

9.3      Es steht, wie es bereits das Strafgericht zutreffend erwogen hat, aufgrund des genannten Schuldspruches und der ausgestandenen seelischen Unbill des Opfers ausser Zweifel, dass vorliegend eine Genugtuung geschuldet ist. Entgegen den Vorbringen des Opfers ist die vom Strafgericht als angemessen erachtete Genugtuungssumme von CHF 15'000.– nicht als zu tief bemessen anzusehen. So gilt es den Vorbringen der Opfervertretung in Bezug auf den erwähnten Vergleichsfall entgegenzuhalten, dass sich der deliktsrelevante Zeitraum vorliegend nicht über Jahre erstreckt hat, sondern «lediglich» auf einige Wochen im Jahre 2016 beschränkt war. Der Vergleich mit anderen Präjudizien zeigt vielmehr, dass sich auch die dortigen Genugtuungssummen im durch das Strafgericht festgelegten Rahmen befinden: So wurde einer 21-jährigen, die in Ungarn an einen Zuhälter verkauft und von diesem in die Schweiz verbracht wurde und sich unter seiner Kontrolle, nach seinen Vorgaben und auf seine Rechnung prostituieren musste und von diesem mehrfach geschlagen wurde, eine Genugtuung von ebenfalls CHF 15'000.– zugesprochen (Verurteilung wegen qualifizierten Menschenhandels, Förderung der Prostitution, mehrfacher einfacher Körperverletzung [Nasenbeinbruch, Hämatome. Depressive, labile Verfassung, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, Albträume, Kopfschmerzen, Schamgefühle], Baumann/Anabitarte/Müller Gmünder, Genugtuungspraxis Opferhilfe, in: Jusletter 1. Juni 2015, Rz 79), wobei es anzumerken gilt, dass im vorliegenden Fall keine Verurteilung wegen Menschenhandels erfolgt ist. Gleiches gilt auch für einen vergleichbaren Fall, bei dem eine Genugtuung von CHF 20'000.– zugesprochen wurde, der Täter jedoch neben Menschenhandel (und Förderung der Prostitution) zusätzlich wegen Vergewaltigung und sexuelle Nötigung verurteilt worden war (Baumann/Anabitarte/Müller Gmünder, a.a.O., Rz. 83).

 

Vorliegend ist die durch die Vorinstanz zugesprochene Genugtuungssumme aufgrund der Freisprüche von der Anklage des Menschenhandels (begangen im 2016) sowie der Drohung vielmehr anteilsmässig in Höhe von CHF 2'000.– zu kürzen (die Kürzung erfolgt nicht in grösserem Umfang, da sich der Menschenhandel und die Förderung der Prostitution grundsätzlich gegen das gleiche Rechtsgut richten und durch den Freispruch vom Vorwurf des Menschenhandels lediglich die «Vorgeschichte» entfällt. Mithin hat der Freispruch auch keinen anteilmässig grösseren Einfluss auf die Verschuldenshöhe gehabt, vgl. vorne E. 6).

 

Nach dem Gesagten wird der Beschuldigte zur Zahlung von CHF 13'000.– Genugtuung zuzüglich 5 % Zins seit dem 15. August 2016 an das Opfer verurteilt. Die Mehrforderung im Betrag von CHF 47'000.– wird abgewiesen.

 

10.      Kosten

 

10.1    Die schuldig gesprochene Person hat – sofern keine gesetzlichen Ausnahmen vorliegen – gestützt auf Art. 426 Abs. 1 StPO sämtliche kausalen Verfahrenskosten zu tragen (BGE 138 IV 248 E. 4.4.1; BGer 6B_744/2020 vom 26. Oktober 2020 E. 4.3 m.H.). Der Beschuldigte wird auch im zweitinstanzlichen Verfahren wegen Förderung der Prostitution, der einfachen Körperverletzung sowie der Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung schuldig gesprochen, jedoch erfolgen Freisprüche von den Vorwürfen des Menschenhandels (begangen im 2016), der Drohung sowie der Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise des rechtswidrigen Aufenthalts. Der beschuldigten Person können gleichwohl die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn die ihr zur Last gelegten Handlungen in einem engen und direkten Zusammenhang stehen und alle Untersuchungshandlungen hinsichtlich jedes Anklagepunktes notwendig waren (Domeisen, in: Basler Kommentar, 3. Auflage, 2023, Art. 426 StPO N 6). Dies ist vorliegend aufgrund des engen Zusammenhangs aller untersuchten Vorwürfe der Fall, weshalb der Berufungskläger für das erstinstanzliche Verfahren Verfahrenskosten in Höhe von CHF 8'744.50 trägt. Aufgrund der teilweisen Freisprüche ist die erstinstanzliche Urteilsgebühr jedoch um CHF 2'000.– auf CHF 8'000.– zu reduzieren.

 

10.2    Für die Kosten des Rechtsmittelverfahrens kommt Art. 428 Abs. 1 StPO zum Tragen. Ob bzw. inwieweit eine Partei im Sinne dieser Bestimmung obsiegt unterliegt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor der zweiten Instanz gestellten Anträge gutgeheissen werden (BGer 6B_460/2020 vom 10. März 2021 E. 10.3.1 m.H.). Der Beschuldigte obsiegt aufgrund der teilweisen Freisprüche und der diesbezüglich verminderten Strafe/Genugtuung mit seinen Anträgen zu rund einem Viertel, weshalb ihm die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens im entsprechenden Umfang aufzuerlegen sind. Unter diesen Umständen trägt er die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens mit Einschluss einer reduzierten Urteilsgebühr von CHF 2'000.–, inkl. Kanzleiauslagen, zzgl. allfälliger übriger Auslagen sowie einer Zeugenentschädigung von insgesamt CHF 66.20 (Art. 428 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 21 Abs. 1 des Gerichtsgebührenreglements [GGR, SG 154.810]).

 

11.      Honorare

 

11.1    Der amtlichen Verteidigerin [...] werden für die zweite Instanz für ihre Aufwendungen bis zum 13. November 2020 (vgl. ihre Eingabe vom 19. September 2022, Akten S. 1597) ein Honorar von CHF 1'400.– sowie ein Auslagenersatz von CHF 42.–, zuzüglich 7,7 % MWST von insgesamt CHF 111.05, somit total CHF 1'553.05 aus der Gerichtskasse zugesprochen. Art. 135 Abs. 4 StPO bleibt im Umfang von 75 % vorbehalten.

 

11.2    Dem amtlichen Verteidiger [...] werden für die zweite Instanz ein Honorar von CHF 9’716.– und ein Auslagenersatz von CHF 909.40 (zzgl. Gebührenersatz von CHF 165.–), zuzüglich 7,7 % MWST von insgesamt CHF 818.15, somit total CHF 11'608.55 aus der Gerichtskasse zugesprochen. Art. 135 Abs. 4 StPO bleibt im Umfang von 75 % vorbehalten.

 

11.3    Der unentgeltlichen Vertreterin des Opfers und Privatklägerin 1, [...], Advokatin, werden für die zweite Instanz ein Honorar von CHF 4'800.– und ein Auslagenersatz von CHF 107.40, zuzüglich 7,7 % MWST von insgesamt CHF 377.85, somit total CHF 5'285.25 aus der Gerichtskasse ausgerichtet. Der Beschuldigte hat dem Appellationsgericht diesen Betrag in Anwendung von Art. 138 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 StPO zurückzuerstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

Der unentgeltlichen Vertreterin des Opfers und Privatklägerin 1, [...], Advokatin, werden für die zweite Instanz ein Honorar von CHF 2’300.– und ein Auslagenersatz von CHF 69.–, somit total CHF 2'369.– aus der Gerichtskasse ausgerichtet. A____ hat dem Appellationsgericht diesen Betrag in Anwendung von Art. 138 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 StPO zurückzuerstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

11.4    Dem Opfer und Privatklägerin 1 wird zu Lasten des Beschuldigten für das erstinstanzliche Verfahren eine – aufgrund der teilweisen Freisprüche – reduzierte Parteientschädigung in Höhe von CHF 3'500.– (inkl. Auslagen und MWST) zugesprochen. Die Parteientschädigung fällt gemäss Art. 138 Abs. 2 StPO zu Folge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege an den Kanton.

 

 

Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):

 

://:        Es wird festgestellt, dass folgende Punkte des Urteils des Strafgerichts vom 20. Februar 2020 mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen sind:

-       Freispruch von der Anklage des Menschenhandels (begangen im 2011), der Förderung der Prostitution in gemeinsamer Begehung (begangen im 2011), der mehrfachen sexuellen Nötigung, der mehrfachen Schändung, der mehrfachen Nötigung sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Vergehen);

-       Verfahrenseinstellung im Anklagepunkt der mehrfachen Tätlichkeiten sowie der Widerhandlung gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz (Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise sowie des rechtswidrigen Aufenthalts, Tatzeitraum 2011) zufolge Eintritts der Verjährung;

-       Verfahrenseinstellung im Anklagepunkt der mehrfachen einfachen Körperverletzung sowie der mehrfachen Drohung (beides in Bezug auf den Tatzeitraum 2011) wegen Fehlens eines Strafantrages;

-       Rückgabe der beigebrachten Mobiltelefone [...] und [...] (Verz. [...], Pos. [...]) sowie der beigebrachten Fremdwährungen (Forint 2'000.–, Won 1'000.–, Peso 1.– und Lei 50.–) unter Aufhebung der Beschlagnahme an den Beurteilten;

-       Verbleib der zwei Memory Sticks (Verz. [...], Pos. [...]) sowie des USB-Sticks (Verz. [...]) bei den Akten;

-       Entschädigung der amtlichen Verteidigung des Beschuldigten sowie der unentgeltlichen Vertreterin der Privatklägerin 1 für das erstinstanzliche Verfahren.

 

A____ wird – in teilweiser Gutheissung der Berufung – der Förderung der Prostitution, der einfachen Körperverletzung sowie der Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung schuldig erklärt und verurteilt zu 28 Monaten Freiheitsstrafe sowie zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu CHF 30.–, unter Einrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft vom 20. April 2019 bis zum 19. August 2021,

in Anwendung von Art. 195 lit. c und d und Art. 123 Ziff. 1 des Strafgesetzbuches, Art. 116 Abs. 1 lit. b des Ausländergesetzes (alte Fassung), sowie Art. 49 Abs. 1 und Art. 51 des Strafgesetzbuches.

 

Von der Anklage des Menschenhandels (begangen im 2016), der Drohung sowie der Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise des rechtswidrigen Aufenthalts wird A____ freigesprochen.

 

A____ wird zu CHF 50'303.25 Schadenersatz an die Opferhilfe beider Basel verurteilt.

 

A____ wird zu CHF 13'000.– Genugtuung zzgl. Zins zu 5 % seit dem 15. August 2016 an die Privatklägerin 1 verurteilt. Die Mehrforderung im Betrag von CHF 47'000.– wird abgewiesen.

 

A____ trägt die Verfahrenskosten von CHF 8'744.50 und eine reduzierte Urteilsgebühr von CHF 8'000.– für das erstinstanzliche Verfahren sowie die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens mit Einschluss einer reduzierten Urteilsgebühr von CHF 2'000.– (inkl. Kanzleiauslagen, zzgl. Zeugenentschädigung von insgesamt CHF 66.20 sowie allfällige übrige Auslagen).

 

Die beschlagnahmten EUR 2'715.– werden unter Aufhebung der Beschlagnahme mit den Verfahrenskosten verrechnet.

 

Der amtlichen Verteidigerin [...] werden für die zweite Instanz für ihre Aufwendungen bis zum 13. November 2020 ein Honorar von CHF 1'400.– und ein Auslagenersatz von CHF 42.–, zuzüglich 7,7 % MWST von insgesamt CHF 111.05, somit total CHF 1'553.05 aus der Gerichtskasse zugesprochen. Art. 135 Abs. 4 der Strafprozessordnung bleibt im Umfang von 75 % vorbehalten.

 

Dem amtlichen Verteidiger [...] werden für die zweite Instanz ein Honorar von CHF 9’716.– und ein Auslagenersatz von CHF 909.40 (zzgl. Gebührenersatz von CHF 165.–), zuzüglich 7,7 % MWST von insgesamt CHF 818.15, somit total CHF 11'608.55 aus der Gerichtskasse zugesprochen. Art. 135 Abs. 4 der Strafprozessordnung bleibt im Umfang von 75 % vorbehalten.

 

Der unentgeltlichen Vertreterin der Privatklägerin 1, [...], Advokatin, werden für die zweite Instanz ein Honorar von CHF 4'800.– und ein Auslagenersatz von CHF 107.40, zuzüglich 7,7 % MWST von insgesamt CHF 377.85, somit total CHF 5'285.25 aus der Gerichtskasse ausgerichtet. A____ hat dem Appellationsgericht diesen Betrag in Anwendung von Art. 138 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 der Strafprozessordnung zurückzuerstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

Der unentgeltlichen Vertreterin der Privatklägerin 1, [...], Advokatin, werden für die zweite Instanz ein Honorar von CHF 2’300.– und ein Auslagenersatz von CHF 69.–, somit total CHF 2'369.– aus der Gerichtskasse ausgerichtet. A____ hat dem Appellationsgericht diesen Betrag in Anwendung von Art. 138 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 der Strafprozessordnung zurückzuerstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

Der Privatklägerin 1 wird zu Lasten von A____ für das erstinstanzliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung in Höhe von CHF 3'500.– (inkl. Auslagen und MWST) zugesprochen. Die Parteientschädigung fällt gemäss Art. 138 Abs. 2 der Strafprozessordnung zu Folge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege an den Kanton.

 

Mitteilung an:

-       Berufungskläger

-       Staatsanwaltschaft-Basel-Stadt

-       Privatkläger

 

sowie nach Rechtskraft des Urteils:

-       Strafgericht Basel-Stadt

-       VOSTRA-Koordinationsstelle

-       Justiz- und Sicherheitsdepartement, Abteilung Strafvollzug

-       Migrationsamt Basel-Stadt

-       [...]

 

APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT

 

Die Präsidentin        Der Gerichtsschreiber

 

 

lic. iur. Liselotte Henz         MLaw Martin Seelmann, LL.M.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.

 

Die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Vertretung der Privatklägerschaft können gegen einen allfälligen Entscheid betreffend ihre Entschädigung für das zweitinstanzliche Verfahren gemäss Art. 135 Abs. 3 lit. b der Strafprozessordnung (StPO) das Rechtsmittel ergreifen, das auch gegen den Endentscheid zulässig ist.

 



 
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