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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:SB.2020.44 (AG.2021.169)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid SB.2020.44 (AG.2021.169) vom 06.01.2021 (BS)
Datum:06.01.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:sexuelle Handlungen mit einem Kind sowie sexuelle Nötigung (BGer 6B_551/2021)
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 126 StPO ; Art. 13 BV ; Art. 135 StPO ; Art. 164 StPO ; Art. 180 StPO ; Art. 182 StPO ; Art. 187 StGB ; Art. 189 StGB ; Art. 191 StGB ; Art. 3 EMRK ; Art. 34 StGB ; Art. 343 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 389 StPO ; Art. 391 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 42 StGB ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 46 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 48 BGG ; Art. 49 StGB ; Art. 5 BV ; Art. 51 StGB ; Art. 66a StGB ; Art. 8 EMRK ; Art. 89 StGB ;
Referenz BGE:129 IV 179; 133 I 33; 134 IV 140; 134 IV 17; 135 IV 146; 141 I 60; 142 II 35; 143 IV 288; 144 I 266; 144 II 1; 144 IV 217; 144 IV 277; 145 IV 137; 145 IV 146; 145 IV 55; 146 IV 105; 146 IV 153; 146 IV 172;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Dreiergericht



SB.2020.44


URTEIL


vom 6. Januar 2021



Mitwirkende


lic. iur. Eva Christ (Vorsitz), Dr. Christoph A. Spenlé,

lic. iur. Lucienne Renaud und Gerichtsschreiber Dr. Beat Jucker




Beteiligte


A____, geb. [...] Berufungskläger

c/o Justizvollzugsanstalt Lenzburg, Beschuldigter

Wilstrasse51, Postfach 75, 5600Lenzburg

vertreten durch [...], Advokat,

[...]


gegen


Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Berufungsbeklagte

Binningerstrasse21, 4001 Basel



Privatkläger


B____

vertreten durch [...],

Kinder- und Jugenddienst (KJD),

Steinengraben40, Postfach 1616, 4001Basel



Gegenstand


Berufung gegen ein Urteil des Strafdreiergerichts

vom 17. Oktober 2019 (SG.2019.170)


betreffend sexuelle Handlungen mit einem Kind sowie sexuelle Nötigung



Sachverhalt


Mit Urteil des Strafdreiergerichts vom 17. Oktober 2019 wurde A____ (Berufungskläger) der sexuellen Handlungen mit einem Kind sowie der sexuellen Nötigung schuldig erklärt. Die gegen den Berufungskläger am 20. Februar 2018 vom Bezirksgericht Brugg wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, Probezeit drei Jahre, wurde vollziehbar erklärt und A____ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 34 Monaten verurteilt (unter Einrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft seit dem 12. Juni 2019). Darüber hinaus wurde er für acht Jahre des Landes verwiesen (mit Eintrag im Schengener Informationssystem [SIS]). Überdies wurde der Berufungskläger zur Zahlung einer Genugtuung in Höhe von CHF 6000.- an seinen Sohn B____ (Privatkläger) verurteilt. Die Mehrforderung im Betrag von CHF 2000.- wurde hingegen abgewiesen. Die Schadenersatzforderung des Privatklägers für noch anfallende Kosten im Zusammenhang mit insbesondere therapeutischen Hilfeleistungen wurde unter Festlegung einer Haftungsquote von 100 Prozent dem Grundsatz nach gutgeheissen, B____ bezüglich der Höhe seines Anspruchs indes auf den Zivilweg verwiesen. Im Übrigen ist über die beschlagnahmten Gegenstände verfügt worden und wurden A____ Verfahrenskosten von CHF 4844.10 sowie eine Urteilsgebühr in Höhe von CHF 5000.- auferlegt (sein Kostendepot von CHF 2460.- wurde damit verrechnet). Ferner ist der amtliche Verteidiger unter Rückforderungsvorbehalt aus der Strafgerichtskasse entschädigt worden.


Der Berufungskläger, amtlich verteidigt durch [...], hat am 18. Oktober 2019 rechtzeitig Berufung angemeldet und nach Erhalt der schriftlichen Urteilsbegründung mit Eingaben vom 20. Mai 2020 bzw. 26. Mai 2020 Berufung erklärt. Es wird beantragt, es sei das Urteil des Strafdreiergerichts unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben, A____ von sämtlichen Vorwürfen freizusprechen und Letzterem eine Genugtuung von CHF 200.- pro Tag ungerechtfertigten Freiheitsentzugs zuzusprechen. Zudem seien auch die Zivilforderungen abzuweisen. Darüber hinaus sei in jedem Fall von einer Landesverweisung abzusehen, eventualiter sei diese aufzuschieben. Der Privatkläger, vertreten durch [...], beantragt mit Stellungnahme vom 20. Juli 2020, es sei an seinen Anträgen «weiterhin festzuhalten und die Entschädigungssumme zu bestätigen». Die Staatsanwaltschaft ersucht um Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils.


In der Berufungserklärung sind zudem mehrere Beweisanträge gestellt worden. So wurde beantragt, C____, Heimleiter des Wohnheims [...] (Ziff.1), sowie B____s Mutter, D____ (Ziff. 2), als Zeugen zur Hauptverhandlung vorzuladen und (erneut) zu befragen. Darüber hinaus sei bezüglich der Aussagen des Privatklägers ein Glaubhaftigkeitsgutachten zu erstellen (Ziff.3), eventualiter sei B____ anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung erneut zum Tathergang zu befragen (Ziff. 4). Nach Vernehmlassung bei den Parteien sind die Beweisanträge mit begründeter Verfügung der instruierenden Appellationsgerichtspräsidentin vom 22. September 2020 vorbehältlich eines anderslautenden Entscheids des erkennenden Gerichts auf erneuten Antrag abgelehnt worden.


In der zweitinstanzlichen Hauptverhandlung vom 6. Januar 2021 wurde der Berufungskläger befragt. Anschliessend gelangten der amtliche Verteidiger und die Staatsanwaltschaft zum Vortrag. Für sämtliche Ausführungen wird auf das Verhandlungsprotokoll verwiesen. Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich soweit für den Entscheid von Relevanz aus dem erstinstanzlichen Urteil und aus den nachfolgenden Erwägungen.


Erwägungen


1.

1.1 Nach Art. 398 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) ist die Berufung gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte zulässig, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen wird, was vorliegend der Fall ist. Zuständiges Berufungsgericht ist nach § 88 Abs. 1 und 92 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG 154.100) ein Dreiergericht des Appellationsgerichts. Der Berufungskläger ist vom angefochtenen Urteil berührt und hat ein rechtlich geschütztes Interesse an dessen Aufhebung, sodass er gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO zur Erklärung der Berufung legitimiert ist. Auf das form- und fristgerecht eingereichte Rechtsmittel ist daher einzutreten.


1.2 Gemäss Art. 398 Abs. 3 StPO können mit der Berufung (respektive Anschlussberufung) Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie Unangemessenheit gerügt werden.


1.3

1.3.1 Im Rechtsmittelverfahren gilt die Dispositionsmaxime. Die Berufung kann daher auf die Anfechtung von Teilen des Urteils beschränkt werden (Art. 399 Abs. 3 lit.a und Abs. 4 StPO). Erfolgt eine Teilanfechtung, erwachsen die nicht angefochtenen Punkte in Teilrechtskraft.


1.3.2 Der Privatkläger hat mit seiner Stellungnahme vom 20. Juli 2020 beantragt, es sei an seinen Anträgen «weiterhin festzuhalten und die Entschädigungssumme zu bestätigen». Daraus wird nicht restlos klar, was er genau verlangt, zumal er in seinem Schreiben an das Strafgericht vom 7. Oktober 2019 (Akten S. 455 f.) unter anderem eine Genugtuungssumme in Höhe von CHF8'000. beantragt hatte, allerdings «nur» CHF6'000. zugesprochen erhielt. Da er indes weder selbständig Berufung noch Anschlussberufung erklärt hat, kann im Berufungsverfahren aufgrund des Verbots der «reformatio in peius» nicht mehr als CHF6'000. Genugtuung zugesprochen werden (Art. 391 Abs. 2 StPO). Insofern ist die Abweisung der Genugtuungsmehrforderung in Höhe von CHF 2'000. genauso wie die Verfügungen über die beschlagnahmten Gegenstände sowie die Entschädigung der amtlichen Verteidigung (mit Rückforderungsvorbehalt) in Rechtskraft erwachsen. Darüber ist im Berufungsverfahren nicht mehr zu befinden.


2.

Anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung hat der Berufungskläger an den in der Berufungserklärung vom 20.Mai 2020 bzw. 26. Mai 2020 gestellten und seitens der Verfahrensleitung mit begründeter Verfügung vom 22. September 2020 abgelehnten Beweisanträgen (Befragung des Ehepaars C____, erneute Befragung von D____, Erstellung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens bezüglich der Aussagen von B____, eventualiter die erneute Befragung des Privatklägers) festgehalten (Akten S. 706 ff.). Da für die Begründung des Entscheids über die Beweisanträge eine Einbettung derselben in das Gesamtgefüge der erhobenen Beweise erforderlich ist, erfolgen entsprechende Ausführungen nach der in Erwägung 3 vorzunehmenden Sachverhaltsfeststellung (vgl. dazu im Detail E. 4).


3.

3.1 Dem Berufungskläger wird vorgeworfen, seinem zur mutmasslichen Tatzeit noch nicht ganz siebenjährigen Sohn B____ (geboren [...] 2012) im Rahmen eines Besuchs bei der Kindsmutter im März oder April 2019 seinen erigierten Penis in den Mund gesteckt zu haben, nachdem der Junge dies abgelehnt hatte. Dann soll der Berufungskläger mindestens teilweise in den Mund seines Sohnes ejakuliert haben.


3.2

3.2.1 Neben den Aussagen vorab von B____ (die drei mit ihm getätigten Einvernahmen bei der Jugendanwaltschaft wurden lege artis per Videostream aufgezeichnet und sind in schriftlichen Protokollen zusammengefasst [Akten S. 208 ff.]) und denjenigen seiner Mutter und des Berufungsklägers selbst sowie den Berichten von Personen, denen sich B____ anvertraut hat, existieren nur wenige (indizielle) Beweismittel. Damit ist die Beurteilung der Glaubhaftigkeit dieser Aussagen entscheidend. Sie müssen vom urteilenden Gericht einlässlich gewürdigt werden (BGE137 IV 122 E.3.3 S. 127).


3.2.2 Die Glaubwürdigkeit einer Person lässt sich an ihrer Persönlichkeit, ihren (möglichen) Motiven und der Aussagesituation abschätzen. Die Glaubhaftigkeit einer Aussage bestimmt sich nach ihrem Inhalt; je detaillierter, individueller und in sich verflochtener eine Aussage ist, desto glaubhafter ist sie (Zweidler, Die Würdigung von Aussagen, in ZBJV 132/1996, S. 115 ff.). Dabei ist sämtlichen Umständen, welche objektiv für die Erforschung von Tatsachen von Bedeutung sein können, Rechnung zu tragen. In Lehre und Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich die Glaubhaftigkeit einer Aussage im Wesentlichen nach ihrem Inhalt bestimmt. Danach unterscheiden sich Aussagen über selbst erlebte Ereignisse in ihrer Qualität von Aussagen, welche nicht auf selbst erlebten Vorgängen beruhen (vgl. dazu Ludewig/Baumer/Tavor, Einführung in die Aussagepsychologie, Wie können aussagepsychologische Erkenntnisse Richtern und Staatsanwälten helfen?, in: Ludewig/Baumer/Tavor [Hrsg.], Aussagepsychologie für die Rechtspraxis, Zürich 2017, S. 17 ff., 43 ff.; Undeutsch, Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen, in: Undeutsch [Hrsg.], Handbuch der Psychologie, Band 11: Forensische Psychologie, Göttingen 1967, S. 26 ff.). Überprüft wird dabei in erster Linie die Hypothese, ob die aussagende Person mit den gegebenen individuellen Voraussetzungen, unter den gegebenen Befragungsumständen und Entstehungsbedingungen der Aussage sowie unter Berücksichtigung der im konkreten Fall möglichen Einflüssen von Dritten diese spezifische Aussage machen könnte, wenn diese nicht auf einem realen Erlebnishintergrund basierte (Volbert, Glaubwürdigkeitsbegutachtung bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch, Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie 1995, S. 20 ff.; vgl.BGer 6B_760/2010 vom 13.Dezember 2010 E. 2.3).


3.2.3 Damit eine Aussage als zuverlässig erachtet werden kann, ist sie besonders auf das Vorhandensein von Realitätskriterien und umgekehrt auf das Fehlen von Phantasiesignalen zu überprüfen; dabei hat auch eine Einordnung sogenannter Warnmerkmale zu erfolgen (vgl. Ludewig/Baumer/Tavor, a.a.O., S. 46 ff.; Hussels, von Wahrheiten und Lügen, Eine Darstellung der Glaubhaftigkeitskriterien anhand der Rechtsprechung, forumpoenale 6/2012, S. 368 ff.; Wiprächtiger, Aussage-psychologische Begutachtung im Strafrecht, forumpoenale 1/2010, S. 40 f.; Ferrari, Erkenntnisse aus der Aussagepsychologie, plädoyer 4/09, S. 34 ff.; Dittmann, Zur Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen, in: plädoyer 2/1997, S. 33 ff.). Bei der Glaubhaftigkeitsbeurteilung ist immer auch davon auszugehen, dass die Aussage nicht realitätsbegründet sein kann. Erst wenn sich diese Annahme (Nullhypothese) aufgrund der festgestellten Realitätskriterien nicht mehr halten lässt, wird geschlossen, dass die Aussage einem wirklichen Erleben entspricht und wahr ist (BGE 133 I 33 E.4.3 S. 45 f., 129 I 49 E. 5 S. 58 f.; BGer 6B_542/2019 vom 28. August 2019 E.2.3.1; AGESB.2017.112 vom 9. Juli 2018 E. 4.1.2). Gegenüber den Realitätskriterien sind also in jedem Fall auch mögliche Anhaltspunkte für eine Falschbezichtigung abzuwägen (vgl. dazu Dittmann, a.a.O., S. 34 f.).


3.3

3.3.1 Das Strafgericht hat B____s Aussagen einer umfassenden und sorgfältigen Würdigung nach den vorstehend zitierten Standards (insbesondere den Realitätskriterien) unterzogen und die Wahrheits- und Unwahrheitskennzeichen eingehend geprüft (vorinstanzliches Urteil S. 17 ff.). Es hat - wie sich aus der Visualisierung der Einvernahmen ohne weiteres ergibt - zutreffend festgestellt (vorinstanzliches Urteil S.45), dass sich B____ als wacher Zuhörer erweist, der auf die ihm gestellten Fragen überlegt, konkret und ohne Umschweife eingeht, der nachfragt, wenn er etwas nicht versteht (zum Beispiel Video 3, 11:30), Erinnerungslücken eingesteht (beispielsweise Video 1, 13:40) oder unkorrekt gestellte Fragen richtigstellt (zum Beispiel Video 1, 32:30 oder Video 2, 17:28). Zu keinem Zeitpunkt wirken seine Depositionen auch nur ansatzweise zurechtgelegt, konstruiert oder einstudiert. In der Gesamtheit seines körperlichen und sprachlichen Ausdrucks hinterlässt B____ das Bild eines durchgehend ernsthaften, unverstellten und offenen sowie altersgemäss vernünftigen und verständigen Jungen, der gut zuhört, sich gedanklich konkret in die erlebte Situation zurückversetzt und differenziert antwortet, wie sich etwa am Beispiel der ihm zweimal gestellten Frage zeigt, wie es ihm damals, zur Tatzeit, ergangen sei. Es sei ihm - so B____ - «eigentlich gut» gegangen, er habe sich «gut gefühlt». Nicht gut angefühlt habe sich nur, was sein Papi mit ihm gemacht habe; was dieser gemacht habe, sei nicht gut gewesen für ihn (Video 1, 25:30, 50:10 und 50:32).


Aus den Videostreams jeder der drei Einvernahmen ist aber auch deutlich erkennbar, wie schwer sich B____ damit tut, an belastende und peinlich berührende Einzelheiten des angeklagten Vorfalls erinnert zu werden. Es ist ihm offensichtlich unangenehm, über das angeklagte Geschehen sprechen zu müssen, was sich mitunter darin manifestiert, dass er bei der Schilderung intimer Details öfters seine Stimme senkt und den Blick abwendet. So muss ihn der Befrager mehrmals an den Handlungskern zurückführen, während B____ die Erinnerungen an die demütigende Erfahrung jeweils rasch hinter sich bringen zu wollen scheint und die Gedanken immer wieder dahin lenkt, wo er sich beschützt und verstanden weiss («und denn simmer zu de [...] gange»).

3.3.2 Hinsichtlich des relevanten Kerngeschehens erweisen sich die Aussagen von B____ - wie das Strafgericht ebenfalls zu Recht festgestellt hat (vgl. dazu vorinstanzliches Urteil S. 45 f.) - als konstant. Er gibt die wesentlichen Elemente des Handlungsverlaufs inhaltlich stets gleichbleibend wieder, ohne deswegen in ein starres oder stereotypes Antwortschema zu verfallen: Schauplatz ist das Wohnzimmer seiner Mutter, er und der Berufungskläger sitzen gemeinsam auf dem Sofa, während die Mutter in der Küche mit Kochen beschäftigt ist. Der Berufungskläger fragt seinen Sohn, ob dieser seinen Penis in den Mund nehmen möchte, dieser verneint, der Vater zieht den Kopf des Jungen zu sich heran, führt sein erigiertes Glied in dessen Mund und ejakuliert. Der Vater lässt ab, zieht die Hose wieder hoch, setzt sich wieder aufs Sofa, derweil B____ im Badezimmer den Mund mit Wasser ausspülen und das Vorgefallene seiner Mutter berichten geht. Diese wirft den Berufungskläger in der Folge aus der Wohnung und schliesst die Wohnungstür ab. Danach nehmen B____ und seine Mutter das Abendessen ein und gehen zu Bett. In der Folge verspürt B____ zunächst Hemmungen, das Erlebte zu erzählen, vertraut sich dann aber doch eines Tages einer Praktikantin im Kinderheim (E____) an, welche dieses über eine weitere Mitarbeiterin ([...]) an die Gruppenleiterin der «[...]» (F____) weiterleitet.


3.3.3 Das im vorliegenden Fall vielleicht bedeutsamste Realkennzeichen taucht mit dem Strafgericht (vorinstanzliches Urteil S. 48 f.) relativ spät in der ersten Videobefragung auf, als B____ auf das Stichwort «Pfiffli und Pipimachen» fast beiläufig erwähnt, dass er «das» im Brünneli mit Wasser ausgespült habe, ehe er seiner Mutter in der Küche den Vorfall berichten gegangen sei (Video 1, 38:50, 39:17, 39:52). Auf die Frage, wie das im Brünneli Ausgespülte denn in seinen Mund gekommen sei, meint B____: «Der hat doch Pipi gemacht», worauf er das dann mit Wasser ausspülen gegangen und ihm dann wohler gewesen sei. Vom «Pipi», welches «wie Wasser», «bitz gelb», ausgesehen habe, sei ein wenig aufs Sofa gelangt und ein wenig in seinen Mund (Video 1, 39:58, 40:42, 47:15). Auch äusserte B____ sein Unverständnis darüber, warum der Berufungskläger ausgerechnet in seinem Mund habe Pipi machen müssen, nachdem es ihm zuvor offenbar kein Bedürfnis gewesen sei («denn er hat vorher nicht Pipi machen müssen» [Video 1, 41:30]). Ganz offensichtlich vermochte B____ - völlig altersgemäss - das Ejakulat, worum es sich beim beschriebenen «Pipi» zweifellos gehandelt haben muss, nicht einzuordnen, was dem Realkennzeichen der «phänomengemässen Schilderung unverstandener Handlungselemente» entspricht.


Kaum anders als mit eigenem Erleben lässt sich sodann erklären, wie B____ die Reaktion seiner Mutter wiedergibt: «Dann hat sie gesagt Jetzt gehst du heim» (Video 1, 10:20); «Du musst jetzt heimgehen. Dann musst du daheim überlegen, wie du umgehst und dann darfst nie mehr kommen. Nie mehr» (Video 1, 26:25); «Und dann hat Mami ihn rausgeschickt und dann hat sie gesagt: wenn du jetzt nicht rausgehst, rufe ich halt die Polizei. Dann hat sie ihn rausgemacht und die Tür abgeschlossen» (Video 2, 25:20). Dass D____ hinter dem der Wohnung verwiesenen Berufungskläger die Tür verriegelte, erscheint mit dem Strafgericht (vorinstanzliches Urteil S. 49 f.) ebenso lebensnah wie situationsadäquat und hat B____ in den Videobefragungen mehrmals erwähnt (Video 1, 49:50; Video 2 21:25 und 25:20). Überhaupt sind seine Einlassungen bezüglich der Reaktion seiner Mutter bemerkenswert konstant. Und die sinngemässe Wiedergabe der Aufforderung an A____, sich daheim einmal zu überlegen, wie man sich aufführe, kann nicht der Phantasie eines knapp Siebenjährigen entsprungen sein. Neben dieses Realkennzeichen der Wiedergabe des gesprochenen Worts tritt zudem ein unscheinbares, aber bedeutsames weiteres: In Video 1, 26:25, zitiert B____ seine Mutter mit den Worten «Du musst jetzt heimgehen», um diesem Satz die beiläufige Bemerkung folgen zu lassen: «Lauter hat sie es gesagt». Auch solch spontane Verbesserungen der eigenen Aussage und Zeichen gedanklichen Wiedererlebens lassen B____s Aussagen authentisch und glaubhaft erscheinen.


Darüber hinaus war B____ bestrebt, den Berufungskläger nicht über Gebühr zu belasten (so beispielsweise in Video 1, 11:07, 28:40 und 29:55; Video 3, 13:20), schilderte schwer erfindbare Details (der Berufungskläger habe so getan, als ob er das «Nein» zur Frage, ob B____ sein Pfiffli in den Mund nehmen wolle, nicht verstanden habe [Video 1, 20:43]) und gab auch innerpsychologischer Vorgänge bei sich selbst und beim Täter wieder (B____s Beschreibung zufolge soll sich der Berufungskläger nach vollzogener Tat wieder aufs Sofa gesetzt und «nochmals den Film angeschaut» haben, «damit Mami das nicht glaubt», um also den Anschein zu erwecken, dass nichts vorgefallen sei [Video 1, 10:05]; in Video 3, 35:30, hat B____ darüber hinaus ausgeführt, er fände es gut, dass sein Papi «Schimpfis» bekommen habe). Auch wurden nebensächliche Einzelheiten geschildert (nach dem Vorfall habe er Fleisch gegessen, das sei lecker gewesen [Video 1, 28:10] oder sein Papi habe einmal die Türe nicht verschlossen, als er auf der Toilette gewesen sei [Video 1, 33:30]). Unter den Aspekt «Schilderung ausgefallener Einzelheiten» bzw. «unverstandene Handlungselemente» fällt schliesslich die Aussage des Privatklägers, er habe bei seinem Vater einen «roten Dingpunkt» bzw. «so eine rote Backe» [Video 1, 44:13]) festgestellt, wobei hier von einer Hautrötung, einem «Sex Flush», auszugehen ist, wie dies während des Orgasmus auftreten kann (vgl. bereits vorinstanzliches Urteil S.47).


3.3.4 Die Ungereimtheiten, welche das Strafgericht (vorinstanzliches Urteil S.50 ff.) in den Aussagen von B____, insbesondere hinsichtlich der logischen Konsistenz, ausmacht (dass der Berufungskläger seine Hände während des ganzen Vorfalls hinter seinem Rücken gehalten haben soll; die divergierenden Angaben B____s dazu, ob und wie er sich gewehrt habe; sowie das erst spät berichtete Verlangen, B____ müsse seine Augen verschliessen), hat es gleich selbst mit überzeugender Begründung entkräftet. So ist es effektiv gut denkbar, dass sich der Berufungskläger unmittelbar vor der Tatausübung mit in den Rücken gestemmten Händen vor B____ aufgebaut hatte, mit der Folge dass dem Jungen dieses Bild eingeprägt blieb (vorinstanzliches Urteil S. 47 f.). Dies ist nicht zuletzt deshalb gut denkbar, da die in den Videostreams feststellbare Körpersprache B____s ein anderes Vorgehen des Berufungsklägers als dasjenige, von welchem B____ berichtete, nahelegt: So legte B____ seine Hände während seines Berichts an den Hinterkopf, zog den Kopf mit den Händen nach vorne und hielt diesen dann einen Moment zwischen den Händen fest, was zu Fixierungszwecken aus Sicht des Täters durchaus Sinn ergeben hätte (Video 1, 07:57, 43:43; Video 2, 07:57 und 18:08). Eine mit der angeklagten Handlung so stimmig korrespondierende Aussage («den Kopf so genommen») und begleitende Gestik (Hand an Hinterkopf und leichtes Vorbeugen) dürfte die Erfindungskompetenz eines knapp Siebenjährigen übersteigen, zumal B____ gemäss den Aussagen von E____ zwar offenbar auch schon über «klassischen» Geschlechtsverkehr, indes nie über Oralverkehr berichtet hatte (vgl.dazu nachfolgend E.3.5.1).


Eine auch (entwicklungs)psychologisch nachvollziehbare Erklärung für den scheinbar beliebigen Versionenwechsel bezüglich seiner Abwehrreaktion gegen den Berufungskläger (von «Stopp» gesagt, über in «Pfiffli» bzw. Hand gebissen bis zu mit einem Fusstritt gewehrt) dürfte mit dem Strafgericht (vorinstanzliches Urteil S. 50 ff.) darin zu finden sein, dass eine solche möglicherweise gar nicht stattfand, B____ sich damals gegen den übermächtigen Vater also gar nicht zur Wehr setzte, sich deshalb für das gemäss Anklage ihm Widerfahrene (mit) in der Schuld sieht und damit hadert, sich nicht bzw. nicht früher oder energischer zur Wehr gesetzt zu haben. Ungeschickte, an B____s Mitverantwortung appellierende Fragen etwa von E____, ob er sich denn nicht gewehrt habe und wie er das nur habe zulassen können (vgl.dazu nachfolgend E. 3.5.1), dürften solche Schuldgefühle und deren verfälschende Auswirkungen auf die Wiedergabe des Erlebten demnach zusätzlich verstärkt haben, zumal B____ aus dem Kreis der Eingeweihten mit gutgemeinten Ratschlägen zum künftigen Umgang mit sexuellen Übergriffen versorgt worden sein dürfte.


Auf einen ähnlichen Entstehungshintergrund wie die von B____ behaupteten Abwehrszenarien dürfte schliesslich auch die erst spät, in der zweiten Videobefragung vorgebrachte Zusatzinformation zurückgehen, wonach er während der angeklagten Handlung auf Geheiss des Berufungsklägers die Augen habe schliessen müssen (Video 2, 15:30, 18:08). Auch hier könnte dem späten Vorbringen einer ihn entlastenden neuen Version B____s Scham, Opfer einer so demütigenden Misshandlung geworden zu sein bzw. die daraus resultierende Erinnerungsverfälschung zugrunde gelegen haben. So wie ein heftiger Fusstritt oder kräftiger Biss eine beherztere Abwehrhandlung darstellt als - wenn überhaupt - nur die Bitte aufzuhören («Stopp»), muss es für B____ Entlastung vom (Selbst-)Vorwurf der Mitverantwortung bedeutet haben, wenn er sich bezüglich des schmachvollen Tatgeschehens als ahnungslos darstellen kann.


3.3.5 Nach dem Gesagten erweisen sich die Aussagen des Privatklägers zum Kerngeschehen - dass der Berufungskläger dem Opfer gegen dessen Willen sein erigiertes Glied in den Mund steckte und dabei zu einem Samenerguss kam - als authentisch und glaubhaft.


3.4

3.4.1 Darüber hinaus gibt es auch keinerlei Hinweise darauf, dass B____ von irgendjemandem zu einer Falschbezichtigung veranlasst worden sein könnte oder dass ihm das geschilderte Geschehen von irgendwoher suggeriert worden wäre (etwa im Rahmen einer sogenannten «therapierten Erinnerung» oder ähnlichem, wie es bei Opfern von Sexualdelikten im Kindesalter zumindest diskutiert wird). Seine Mutter hat sich - wie noch zu zeigen sein wird (vgl.dazu E. 3.6) - stets strikt auf die Seite des Berufungsklägers gestellt und den Vorfall rundweg abgestritten. Es lag ihr ganz offensichtlich fern, B____ zu derartigen Aussagen zu beeinflussen.


3.4.2 B____ wuchs ab Geburt im [...] auf und ist seit jeher verbeiständet. Zur psychisch kranken und ihrerseits ebenfalls verbeiständeten Mutter bestand regelmässiger Kontakt, zum Vater hingegen nur selten (Akten S. 204, 713; Video 1, 23:15, 29:40). Die Betreuerinnen im [...] hatten zwar erhebliche Vorbehalte gegenüber dem Berufungskläger (daher auch das Verbot, B____ in der Wohnung der Mutter zu sehen [Akten S.208 f., 300; vgl. dazu nachfolgend im Detail E.3.4.3, 3.6.1, 3.7.3, 3.7.3, 3.7.4]). Dies hing aber offenbar mit seinem Verhalten gegenüber B____s Mutter, mit der problematischen Paarbeziehung der Eltern sowie mit der ungenügenden Vater-Sohn-Beziehung zusammen (Akten S. 204, 208 ff.). Dass B____s Mutter nach Auffassung der Betreuerinnen ihrerseits nicht in der Lage war, das Kindeswohl umfassend zu wahren und ihren Sohn notfalls vor negativen Erfahrungen aus einem problematischen Umfeld zu schützen, zeigt sich auch darin, dass B____ weitere Besuche im Wohnheim [...], in welchem die Mutter vor ihrem per 1. Januar 2019 erfolgten Umzug in eine eigene Wohnung untergebracht war, aufgrund des dortigen «problematischen Umfelds» (es ist die Rede von Schimpfen und Auskitzeln, entgegen der Ansicht der Verteidigung [Akten S. 703] mitnichten aber von sexuellem Missbrauch) ab Juli 2018 verweigert wurden (Akten S.262 f.). Von der einschlägigen Vorstrafe des Vaters (vgl.dazu im Detail nachfolgend E. 3.8) hatten die Betreuerinnen dagegen nach eigenen Angaben keine Kenntnis, wobei solches auch nie thematisiert und ihnen das entsprechende Urteil auch nicht eröffnet worden war (Akten S. 23, 352). Demgemäss erklärte D____ auf die Frage, weshalb der Berufungskläger den gemeinsamen Sohn nur in Begleitung des Beistands habe sehen dürfen, man habe gesagt, das der Berufungskläger «nicht sauber ist» und «dass er halt von seinem Körperbau her nicht so adrett aussieht» (Akten S.250 f.). Es erscheint damit ausgeschlossen, dass die Betreuerinnen B____ eine entsprechende Geschichte in irgendeiner Form - wenn auch unbewusst - eingeredet hätten, zumal der Berufungskläger aufgrund seiner seltenen Besuche auch nicht speziell «lästig» war. Vielmehr müsste B____ sie frei erfunden haben, was - wie nachfolgend zu zeigen sein wird - auszuschliessen ist.


3.4.3 Auch B____ selbst hatte keinerlei Motiv, ohne realen Hintergrund einen derart schwerwiegenden Vorwurf gegen seinen eigenen Vater zu erfinden. Wie das Strafgericht zutreffend erwogen hat (vorinstanzliches Urteil S. 41), bietet jedenfalls das in B____s Aussagen anklingende Bedauern über die spärliche Präsenz seines Vaters oder der Umstand, dass der Berufungskläger mit seinem Sohn offenbar keinen sehr freundlichen Umgang pflegte und es an väterlicher Zuwendung und Wärme fehlen liess (Akten S. 270, 482), keine ausreichende Erklärung dafür. Dass ein Kind im Alter von dazumals noch nicht einmal sieben Jahren ausgerechnet eine derart schambehaftete, erniedrigende und verletzende Geschichte erfindet und diese darüber hinaus noch über eine längere Zeit inklusive dreier anstrengender Einvernahmen bei der Jugendanwaltschaft aufrechterhält, um sich am Vater für dessen mangelnde Zuwendung zu rächen, ist nicht nur angesichts der Erfahrung, dass Kinder dieses Alters möglichst wenig «anecken» wollen, abwegig. Wäre es B____ effektiv darum gegangen, seinen Vater zu bestrafen oder ihn aus seinem Leben mit der Mutter zu verdrängen, so hätte er dazu alle möglichen anderen Vorwürfe erfinden können, was ihm angesichts der Situation (die Mutter hatte davon gesprochen, die Polizei zu requirieren, weil der Vater «blöd tat»; die Heimleiterin hatte mit der Mutter geschimpft, weil sie entgegen der entsprechenden Auflage Vater und Sohn zusammen empfangen hatte [Akten S. 203 f., 319 f.]), auch zweifellos bewusst war (von der einschlägigen Vorstrafe des Vaters konnte B____ offensichtlich nichts gewusst haben, zumal nicht einmal seine Mutter darüber im Bilde war).


Darüber hinaus erhoffte sich B____s Mutter stets ein möglichst normales Familienleben unter Einbezug des Vaters und bedauerte es, dass dieser sich nicht mehr um seinen Sohn bemühte, wobei sie ihn zugleich auch in Schutz nahm und ihm attestierte, dass er ein lieber Vater sei (vgl. dazu im Detail nachfolgend E. 3.6). B____ wusste, dass sich seine Mutter nicht an die vom [...] gesetzten Regeln hielt, wenn sie ihn zu Hause mit dem Vater zusammenbrachte. Er wollte seine Mutter diesbezüglich denn auch schützen. So nahm er sie in seiner ersten Befragung spontan in Schutz: «Meine Mami ist nett und hat im Fall gar nichts gemacht» (Video 1, 52:25; Akten S.221). Das deckt sich mit den Angaben der Betreuerin im [...], F____, wonach B____ Angst gehabt habe, sie werde mit seiner Mutter schimpfen (Akten S.320). Indem B____ vom inkriminierten Vorfall berichtet hat, hat er diesen eigenen Interessen zuwidergehandelt, was ihm gemäss Aussagen von F____ denn auch bewusst war (Akten S. 319 f.).


3.4.4 Die Aussagegenese und B____s Motivlage sprechen zusammengefasst stark dafür, dass seine Schilderung realitätsbasiert ist, wobei das Strafgericht mit eingehender Begründung, auf welche ergänzend verwiesen werden kann (vgl. vorinstanzliches Urteil S. 41 ff.), zum selben Schluss gekommen ist.


3.5

3.5.1 Die Depositionen des Privatklägers werden darüber hinaus durch die Aussagen von E____, welche seit August 2018 als Praktikantin im [...] tätig war, gestützt. In ihrer Einvernahme vom 18. Juni 2019 (Akten S. 266 ff.) gab sie zunächst zu Protokoll, dass das Setzen von Grenzen B____ gegenüber am Anfang nicht einfach gewesen sei. Allein mit ihm und vielleicht einem anderen Kind höre er aber gut auf sie. Er sei meistens auch recht offen ihr gegenüber und erzähle viel. Wenn sie mit weiteren Kindern auf der Gruppe sei und mit ihm nicht mehr klarkomme, dann gebe sie ihn ab. B____ sei nicht immer einfach und alle hätten ein bisschen Schwierigkeiten mit ihm. Es gebe aber auch Betreuende, die ihn gut unter Kontrolle hätten (Akten S. 268 f.). Auf die Frage, ob sie durch B____ auch schon angelogen worden sei, meinte sie, dass dieser immer wieder Spässchen mache, man aber eigentlich immer merke, ob es stimme oder nicht (Akten S. 269).


Den Vater von B____ kenne sie nicht, sie habe ihn in ihrer Zeit im [...] auch nie gesehen (Akten S.270). Soweit sie sich erinnere, sollte der Vater nicht zu Hause sein, wenn B____ da sei. Dies habe B____ ihr bei früheren Gelegenheiten nicht erzählt. Sie habe das eher so mitbekommen, wenn er es anderen erzählt habe. Die Besuche von B____ im [...] habe sie «jetzt nicht so mitbekommen» (Akten S. 271). Es sei immer ausgemacht gewesen, dass die Mutter etwas mit B____ mache, vom Vater sei nie die Rede gewesen. B____ erzähle ohnehin, dass er nicht wolle, dass sein Vater zu Hause sei und dass er Angst habe. Auf die Frage weshalb dies so sei, mutmasst E____ «weil er vielleicht merkt, dass er nicht richtig mit der Mutter umgeht. Er erzählte mir auch, dass seine Mutter erzählt habe, dass sie die Polizei rufen musste, weil der Vater blöd machen würde» (Akten S. 270). Einmal habe der Vater, als die Mutter nicht zu Hause war, das WC-Papier weggenommen und B____ habe gesagt, dass er dann «einfach so lange auf dem WC blieb, bis seine Mutter nach Hause kam. Das kam mir so rüber, als wenn er Angst hatte, da seine Mutter nicht zu Hause war und er auf dem WC wartete». B____ habe zudem erzählt, dass der Vater «blöd gemacht habe und D____ die Polizei rief, diese kam und verwarnte den Vater, wenn es nochmals passiert. Der Vater machte dann nochmals blöd. Die Mutter war aber zu lieb, um die Polizei zu rufen» (Akten S. 275). Allgemein sei der Vater gemäss Erzählungen von B____ nicht so nett, trinke Bier und sage seiner Mutter, was sie zu tun habe (Akten S. 270). Letztere sei hingegen ganz liebevoll und lasse B____ entscheiden, was er machen wolle. Wenn er nicht «folge» oder nicht mache, was sie wolle, habe sie schon auch Schwierigkeiten mit ihm. Auf seine Mutter habe sich B____ aber immer gefreut. Er habe auch gefragt, wann sie wiederkomme (Akten S. 270 f.).


Zum Bericht über den sexuellen Übergriff führte E____ Folgendes aus: «Also ich hatte Nachtdienst. Er schaute noch einen Film. Im Film küssten sich am Schluss zwei und er hat sich darüber lustig gemacht». Beim Zubettbringen und Liedersingen sei er dann «wie aufgedreht» gewesen und habe plötzlich erzählt, «dass jemand der Vater oder die Mutter [...] in einem Zeitungsartikel in einem Heim Sex hatten. Das fand er zuerst noch ein bisschen lustig. Dann sagte er plötzlich, dass er seine Eltern auch schon beim Sex gesehen habe. Als er reinkam, sagte seine Mutter, dass er rausgehen soll. Er blieb dann und die Eltern machten einfach weiter. Das hat er noch wie ein bisschen lustig gefunden. Plötzlich ist er von dem Lustig in das Ernste reingekommen und sein Vater gesagt habe, dass er seinen Penis in den Mund nehmen könne. Dann nahm er seinen Kopf und machte seinen Penis in den Mund. Er sagte, dass er sogar reingepinkelt hat. Also so hat er es mir beschrieben. Ich war dann mega schockiert und fragte ihn ob er sich nicht gewehrt hat und wieso er das zugelassen hat. Er sagte, dass er sich erst danach wehren konnte. Ich fragte was mit der Mutter, wieso sie nichts gemacht oder gesagt habe. Er sagte, dass der Vater stärker sei und die Mutter ihn zurückhalten wollte» (Akten S. 272). So wie sie B____s Schilderung verstanden habe, habe der Vater den Kopf von B____ genommen und den Penis in B____s Mund gemacht. «Als B____ mir das erzählte war er mega ernst und wollte, dass ich es niemandem erzähle, weil er Angst hatte, dass dann wieder F____ mit seiner Mutter streiten würde. Ich fragte auch, ob er das schon jemandem erzählt habe. Er sagte nein» (Akten S. 272). B____ habe dies ihr gegenüber am Sonntag, 28.April 2019, berichtet. Wann sich der Übergriff ereignet habe, könne sie nicht einschätzen. Sie denke aber, es sei schon ein bisschen her. Sie wisse nicht, ob sie nicht gefragt habe, wann es war oder ob er ihr selbst nicht sagen konnte, wann es passiert sei (Akten S. 272 f.).


B____ habe ihr nur von diesem einen Vorfall erzählt. Er sei zuvor bei seinen Erzählungen noch lustig gewesen, auch als er vom Sex zwischen seinen Eltern berichtet habe. Als er das mit dem Vater erzählt habe, sei er ernst gewesen und «traute sich mir wie nicht mehr in die Augen zu sehen». Er habe nicht geweint. Man habe einfach gemerkt, dass es ihn recht betreffe. «Ich habe das bei ihm noch nie so gesehen, so ernst oder betroffen» (Akten S. 273 f.). B____ habe es ihr als Erste erzählt, er wisse aber, dass sie es F____ und einer weiteren Betreuerin erzählt habe. Sie wisse, dass er auch mit G____ darüber geredet habe. B____ habe wohl damals wegen der Umstände (Nachtdienst, alle anderen Kinder ausser ihm hätten geschlafen) eine Art Sicherheit gehabt, dass sie nur für ihn da sei und er ihr etwas anvertrauen könne (Akten S. 274). Zum Schluss schildert E____ ihr Dilemma, weil sie B____ zuerst gesagt hat, sie müsse das Erzählte nicht weitersagen. Sie habe ihm dann mit ihrer Betreuungsperson zusammen erklärt, dass es wichtig sei, solche Sachen zu sagen und dass man sie nicht für sich behalten dürfe. «Dann ist er wieder ganz in sich rein. Er sagte, dass ihm eh niemand glauben werde. Seine Mami werde ihm eh nicht glauben. Er hatte auch das Gefühl, dass wir ihm auch nicht glauben. Wir machten ihm klar, dass wir ihm helfen wollen und das nicht mehr passiert. [ ] B____ sagte, dass seine Mutter eh lügen würde und man ihm nicht glauben wird» (Akten S.276).


Auf entsprechende Fragen des Verteidigers hin meinte E____, B____ habe ihr keine Details vom angeblichen Sex der Eltern erzählt. Er habe nur gesagt, dass sie Sex gehabt hätten. Er wisse aber ganz genau, was Geschlechtsverkehr sei, er habe ihr auch schon gesagt, was Sex sei und wie es funktioniere. Sie denke, dass die Mutter mit ihm darüber rede, das sei aber nur ihre eigene Theorie. Sie selbst habe in dem Alter das alles jedenfalls nicht gewusst. Auf die Frage, ob B____ auch zu erkennen gegeben habe, dass er wisse, was Oralverkehr sei, meinte sie: «Nein, er hat immer nur das Normale beschrieben. Also nie sonst so Andeutungen auf Oralverkehr» (Akten S. 277 f.). Als der Verteidiger noch nachfragte, was gemäss B____ weiter passiert sei, antwortete sie: «Er sagte nichts, ich habe ihn einfach darauf angesprochen, ob er sich nicht gewehrt hat. Er sagte, dass er sich am Schluss gewehrt hat, wie weiss ich nicht» (Akten S. 278). Auf die Frage des Verteidigers, wann sich die Situation, als sich die Mutter zwischen B____ und den Vater gestellt hat, Letzterer aber stärker war, ereignete, gab sie zu Protokoll: «Also wie er es erzählt hat und ich es mir vorgestellt habe, dort wo der Vater B____ zu sich genommen, seinen Kopf genommen hat. Er hat es nicht genau gesagt. Er sagte nichts von der Mutter. Erst als ich ihn auf die Mutter angesprochen habe, sagte B____, dass seine Mami dazwischen ging und ihn zurückgehalten hat» (Akten S. 279).


3.5.2 E____ erscheint als neutrale Zeugin. Sie hat zweifellos eine von Zuneigung geprägte Beziehung zum Privatkläger, bewahrt aber auch eine gewisse Distanz, indem sie die problematischen Anteile an seinem Verhalten klar benennt. Den Berufungskläger kennt sie gar nicht. Die Mutter von B____ beschreibt sie als liebevoll und hebt hervor, dass sie eine wichtige Person im Leben des Privatklägers sei und er eine positive Beziehung zu ihr habe. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass E____ beabsichtigt hätte, das Verhältnis des Privatklägers zu seinen Eltern zu torpedieren. So hatte sie offenkundig schon früher mitbekommen, dass der Vater teilweise abredewidrig zugegen war, wenn B____ seine Mutter besuchte und hatte auch erfahren, dass sich der Vater gegenüber der Mutter nicht korrekt verhielt. Das hat die Praktikantin aber offenbar nicht zum Anlass genommen, etwa bei der Heimleitung zu intervenieren (wohl, weil sie den Ereignissen keinen allzu grossen Stellenwert beigemessen hat). Auch allfällige Vorkommnisse im [...] hat die Praktikantin «nicht so mitbekommen», die diesbezüglichen Massnahmen fielen in den Bereich der [...]-Leitung.


Erst B____s Eröffnung, dass es zu einem sexuellen Übergriff gekommen sei, hat die Praktikantin dann verständlicherweise «mega schockiert» und zum Aktivwerden veranlasst. E____ ist damit gewiss kein Übereifer anzulasten, der sie zu voreiligen Verdächtigungen oder Beschuldigungen hätte treiben können. Auch ihre Schilderung von B____s Bericht wirkt keineswegs aufgebauscht oder dramatisierend. Sie gibt das Erzählte schlüssig wieder, eingebettet in einen räumlich-zeitlichen Kontext und unter Schilderung auch von Details (wollte gerade Gutenachtlieder singen, alle anderen Kinder schliefen). Sie beschreibt das Verhalten B____s während seiner Erzählung wie er zuerst aufgedreht war, von lustig zu ernst wechselte, wie er ihr nicht mehr in die Augen sah wobei sie auch hier auf eine dramatisierende Darstellung verzichtet und etwa erklärt, B____ habe nicht geweint. Sie stellt auch Überlegungen dazu an, wie sich B____ gefühlt haben könnte und beschreibt ihre eigenen innerpsychologischen Vorgänge, nämlich wie sie schockiert gewesen sei, wie sie danach in ein Dilemma geriet, weil sie sich verpflichtet sah, das ihr Anvertraute weiterzusagen. Wenn sie etwas nicht mehr weiss oder gar nicht erfragt hat, tut sie dies kund. Darüber hinaus benennt sie auch klar, wenn etwas ihrer eigenen Vorstellung oder Überlegung entspringt.


Insgesamt kommt den Aussagen von E____ hohe Glaubhaftigkeit zu und es ist davon auszugehen, dass sie B____s Angaben korrekt wiedergibt. Das ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass B____ den geschilderten sexuellen Übergriff tatsächlich erlebt hat. Es wäre kaum zu erklären, weshalb er sonst dergleichen seiner engen Bezugsperson im vertrauten Zusammensein hätte erzählen sollen, nachdem er wie zuvor erwogen (vgl. dazu E. 3.4) keinerlei Anlass für eine Falschbezichtigung hatte.


3.6

3.6.1 D____ hat anlässlich ihrer Einvernahme vom 13. Juni 2019 (Akten S.247 ff.) ausgesagt, sie habe «das Kind» (sie bezeichnet B____ immer so; auf die Frage, weshalb sie das tue, meint sie, er sei eben noch ein Kind [Akten S.248 f.]) anfangs praktisch jeden Tag besucht. Seit er «gross» sei (seit dem vierten Lebensjahr), sehe sie ihn drei Mal pro Woche. Der Vater habe das Kind in den ersten drei Jahren nicht besuchen dürfen. Danach seien die Besuche probeweise im Büro der Beiständin erlaubt worden. Der Grund dafür sei, dass man «sagte, dass A____ nicht sauber ist», «halt von seinem Körperbau her nicht so adrett aussieht» (Akten S.251). Man habe verboten, dass der Berufungskläger bei ihr und B____ sei, wobei A____ von dieser Auflage gewusst habe. Seit sie im Januar 2019 eine eigene Wohnung bezogen habe, sei es dort zu zwei gemeinsamen Treffen zu dritt gekommen. Das erste Mal ungefähr im Februar 2019, das letzte Mal ungefähr in der dritten Märzwoche (Akten S. 251 f.).


Dass es zu sexuellen Handlungen gekommen sein soll, bezeichnet D____ als «nicht wahr». Sie kenne den Berufungskläger seit acht Jahren. Die vorgeworfene Tat hält sie für «unmöglich. «Mein Mann ist 37 Jahre, er weiss, was Recht und Unrecht ist. Er liebt sein Kind» (Akten S. 255). Auf die Frage, warum B____ denn so etwas erzählen sollte, meint sie: «Ich kenne das Kind, das sind seine Gedanken. Er ist ein spezielles Kind. Das Kind kann sagen, was es will, das was er sagte, stimmt nicht» (Akten S. 254). Hingegen bestätigt sie, dass B____ und sein Vater im März 2019 auf dem Sofa im Wohnzimmer gesessen sind: «Also das mit dem Sofa war im März, das war beim 2. Besuch». B____ habe mit seinem Vater Spiele gemacht, Memory, glaube sie (Akten S. 253 f.). Danach sei der Vater nach Hause gegangen und sie mit B____ in die Stadt, um Trommeln zu hören [anlässlich eines «Bummelsonntags»]. Auf die Frage, ob es einen Moment gegeben habe, als Vater und Sohn alleine zusammen auf dem Sofa gesessen seien, meinte sie: «Ich denke schon. Ich sagte, ich gehe in den Keller, um Wäsche zu holen». Die beiden seien in normaler Distanz von etwa 30 Zentimetern gesessen. Sie seien aber lediglich ganz kurz alleine gewesen (Akten S.254). Auf dem Sofa sei nichts passiert, «B____ lief und fiel hin. Es ist nichts passiert. Normal, dass ein Kind halt hinfällt» (Akten S. 254).


Sie sei von B____ bisher nicht auf den zur Diskussion stehenden Vorfall angesprochen worden. Sie liebe ihr Kind, aber sie denke, das stimme nicht (Akten S. 256). Den Berufungskläger habe sie seit dem Vorfall noch zwei weitere Male gesehen, ohne B____. Sie und der Berufungskläger hätten «nur gute Gefühle füreinander» (Akten S. 258). B____ habe sie seit etwa der dritten Aprilwoche nicht mehr getroffen. Er habe anlässlich dieses letzten Besuchs keine Andeutungen wegen eines solchen Vorfalls gemacht (Akten S.260 f.). Auf die Frage, seit wann sie einen Fernseher in der Wohnung habe, gab D____ zunächst trotz zweifacher Nachfrage zu Protokoll, dass sie keinen TV habe (Akten S. 255). Erst auf die Frage des Verteidigers zum Schluss der Einvernahme meinte sie dann, dass sie jetzt einen TV-Bildschirm habe. Ihr Sohn [...] habe ihr vor etwa einem Monat einen solchen gebracht. Es brauche aber noch ein Gerät. Man könne noch nicht TV schauen (Akten S. 260).


3.6.2 An der erstinstanzlichen Hauptverhandlung hat D____ ihren «Mann» weiterhin in Schutz genommen und bestritten, etwas von einem Übergriff auf B____ mitbekommen zu haben. Auf die Frage, warum sie den Berufungskläger im Gefängnis nicht besucht oder ihm geschrieben habe, meint sie, sie habe die Polizei kontaktiert und dort die Auskunft bekommen, man könne ihr nicht sagen, wo er sei (Akten S.482). Sie liebe den Berufungskläger, aber sie wisse nicht, ob er sie auch liebe (Akten S. 486). Sie «hätte es gerne, wenn der Vater mit dem Sohn so gut auskäme wie ich, wie in einer [...] Familie». Der Vater habe «den Sohn auch sehr lieb. Aber der Sohn lebt zurzeit nicht mit den Eltern, sondern im Kinderheim. Und im Kinderheim hat der Vater wenig Kontakt, weil sie ihm verboten haben, den Sohn zu sehen. Ich sähe es gerne, wenn der Vater B____ häufig im Kinderheim besuchen käme. Dadurch, dass der Vater zu seinem Sohn keinen Kontakt hat, entstehen auch Probleme fürs Familienleben. Dann wollte man dem Vater etwas anlasten, was passiert sein soll, aber das ist nicht wahr. Der Beschuldigte hat mit seinem Sohn vielleicht manchmal nicht sehr nett gesprochen, aber das, was man ihm anlastet, den Penis dem Sohn in den Mund gegeben zu haben, das stimmt gar nicht» (Akten S. 482). Auf die Frage, ob sie im Verlauf des Verfahrens erfahren habe, dass der Berufungskläger (einschlägig) vorbestraft sei, meint sie, sie habe bis heute nichts davon gewusst. Die Frage, ob es sie interessiere weswegen, bejaht sie. Es wird ihr dann mitgeteilt, dies sei, weil er ein elf- und ein 13-jähriges Mädchen unsittlich berührt habe. Hierauf meinte sie: «Mir hat er nur erzählt, dass er mit der Polizei ein Problem gehabt habe. Von Kindern hat er nichts erzählt», um kurz darauf völlig aus dem Zusammenhang gerissen darauf zurückzukommen: «Und was die Mädchen von 11 und 13 Jahren angeht, so ist es so, dass die beiden Mädchen zu ihm, zum Beschuldigten, gegangen sind. Auf seinem Handy habe ich ein Foto dieser Mädchen gesehen. Diese Mädchen sind zu ihm hingegangen, es ging darum, bei etwas zu helfen» (Akten S.483).


Die angeblich zwei Gelegenheiten, bei welchen der Berufungskläger zusammen mit B____ in der neu bezogenen Wohnung gewesen ist, schildert D____ nun anders als noch zuvor (Akten S. 483 f.). Im Gegensatz zu ihrer ersten Einvernahme gibt sie nun unter anderem zu Protokoll, Vater und Sohn seien im Wohnzimmer gewesen, während sie in der Küche (von wo aus selbst bei offener Türe kein direkter Sichtkontakt in das Wohnzimmer besteht [Akten S. 291, 299]) Nudelsuppe vorbereitet habe. Später soll man einen Ausflug mit dem Auto nach Dornach unternommen haben. B____s angebliche Falschbezichtigung erklärt sie mitunter damit, dass dieser ihre Beziehung zum Vater nicht habe akzeptieren können. Zugleich versucht sie auch die Aussage, sie hätte vor dem Jungen mit dem Berufungskläger Geschlechtsverkehr gehabt, zu entkräften: «Beim ersten Mal ging ich den Sohn holen, da war der Beschuldigte immer noch im Bett. Und dann hat B____ dem A____, der noch im Bett lag, ein «Mützi» gegeben. [ ] B____ hat bei der Polizei gesagt, dass er gesehen habe, wie Vater und Mutter miteinander Sex gehabt hätten. Aber das stimmt nicht. Ich habe nur Hallo gesagt und A____ ist aufgestanden, hat sich angekleidet und dann hat man Nudelsuppe gegessen, das ist alles [ ] B____ kann es nicht akzeptieren, wenn ich dem Vater ein Mützi gebe, also zur Begrüssung. Weil wir zu lange auseinander waren. Und dann habe ich A____ mit einem kleinen Mützi begrüsst und mich ein bisschen neben ihn gelegt. Nur so ein wenig, um Familie zu zeigen. Aber B____ kann das nicht akzeptieren. Und er erzählte den Begleiterinnen im Heim, dass Vater und Mutter miteinander Sex gehabt hätten. Und der Vater habe ihm das Geschlecht gezeigt und ihm in den Mund gesteckt» (Akten S. 484). Ausserdem sei B____ enttäuscht, weil sein Vater nicht so nett zu ihm sei. Auch das soll «das Kind» nicht akzeptieren können (Akten S.485).


Auf die Frage, ob B____ ihr von sexuellen Handlungen des Vaters berichtet habe, meint sie: «Er hat nicht erzählt, dass sein Vater mit ihm Sex gemacht hätte oder so. Aber ich denke, B____ war von seinem Vater so enttäuscht, dass dieser ihm nicht Liebe und Wärme gab und sich so gegen B____ verhielt, obwohl man sich so selten sah» (Akten S. 485). Ihr Sohn habe wohl «diese Geschichte aufgebaut [ ] mit dem Geschlecht des Vaters. Aber meine Meinung ist, dass er so enttäuscht ist in seiner Erwartung, dass ihm der Vater mit Liebe und Wärme begegnet. Er ist enttäuscht und hat das Gefühl, dass er die väterliche Liebe und Wärme nicht bekommen hat». Der Vater habe «auch manchmal komische Gedanken, aber das ist nicht passiert» (Akten S. 485). Dann kommt sie von sich aus auch noch auf die Episode mit dem WC-Papier zu sprechen, das der Berufungskläger seinem Sohn weggenommen haben soll (vgl. dazu E. 3.5.1). Nachdem sie einen solchen Vorfall anlässlich ihrer ersten Einvernahme noch abgestritten hatte, meinte sie nun, B____ habe ihr erzählt, dass der Vater ihm das WC-Papier weggenommen habe und fügt an: «Der Vater hat sein Leben so gelebt und überträgt seine Probleme auf den Sohn» (Akten S.485). Zum Fernseher meint sie nun auf die Frage, ob sie beim ersten oder zweiten Besuch einen Fernseher in der Wohnung gehabt habe: «Wir haben einen Fernseher, können aber nicht schauen», auch keine Videos. Ihr Sohn [...] habe diesen Fernseher gebracht, aber sie habe noch keine Box, damit es funktioniere. Auf den Hinweis, DVDs könne man auch ohne Box schauen, meint sie nur: «Nein» und auf die Frage, ob der Fernseher also seit Monaten dort stehe und dunkel sei, antwortete sie mit «Ja», wobei das auch heute noch so sei. Sie könne weder Fernsehen noch Videos schauen, gar nichts (Akten S. 484). Ihr älterer Sohn [...] habe den Fernseher vor etwa fünf Monaten (vom Zeitpunkt der erstinstanzlichen Hauptverhandlung an gerechnet) vorbeigebracht. Auf die Frage, ob der Fernseher beim zweiten Besuch im März schon in der Wohnung gewesen sei oder nicht, antwortete sie «Noch nicht» (Akten S. 486 f.).


3.6.3 Die Aussagen von D____ weisen zahlreiche Widersprüche, mitunter auch in zentralen Punkten (Ablauf des angeblichen Tattags, Fernseher im Wohnzimmer), auf und wirken insgesamt nicht ansatzweise schlüssig. Sie sind vom offensichtlichen Bestreben geprägt, den Berufungskläger zu schützen und auch selbst in einem besseren Licht als Mutter dazustehen. Dies ist besonders dann augenfällig, wenn sie von der Geschichte mit dem WC-Papier zunächst nichts wissen will, um danach plötzlich von sich aus darauf zurückzukommen und eine Erklärung dafür zu suchen oder, nachdem sie mit der einschlägigen Vorgeschichte des Berufungsklägers konfrontiert worden ist, plötzlich eine absurde Erklärung dazu einwirft (auf dem Handy des Berufungsklägers habe sie ein Foto dieser Mädchen gesehen; sie seien «zu ihm hingegangen, es ging darum, bei etwas zu helfen»). Dasselbe gilt sodann für die Aussage ihres Sohnes, er habe seine Eltern beim Sex gesehen, welche sie ebenfalls zu entkräften sucht (sie habe den Berufungskläger «mit einem kleinen Mutzi begrüsst» und sich «ein bisschen neben ihn gelegt. Nur so ein wenig, um Familie zu zeigen. Aber B____ kann das nicht akzeptieren»).


D____ hat auch ein Motiv dafür, den Berufungskläger zu schützen. Erstens befand bzw. befindet sie sich offenbar noch immer in einer emotionalen Abhängigkeit von A____, sprach sie doch an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung noch davon, dass sie - trotz aller Bedenken, die sie angesichts ihrer eigenen Erfahrungen und der Ermahnungen der Heimleiterin haben musste - ihn liebe, zumal sie den Berufungskläger gemäss dem Vollzugsbericht der JVA Lenzburg vom 15. Dezember 2020 seit seinem Eintritt in die JVA sieben Mal besucht hat (Akten S. 667). Auch der behandelnde Psychiater von D____, [...], bestätigt in seinem Schreiben an das Strafgericht vom 25. September 2019, dass seine Patientin «emotional nicht frei von der Person des Beklagten» sei und plädiert dafür, eine Begegnung zwischen den beiden «tunlichst zu vermeiden» (Akten S. 452). Darüber hinaus versuchte D____ - nachdem sie eben erst aus ihrer eigenen Einvernahme kam, welche aufgrund des Fehlens einer Übersetzerin abgebrochen werden musste - den Berufungskläger kurz nach Beginn von dessen Befragung auf dem Mobiltelefon zu erreichen (Akten S.238). Zweitens hatte sie den Traum von einer gemeinsamen Familie mit dem Berufungskläger und B____ offenbar noch nicht aufgegeben, wie aus ihren Aussagen ebenfalls deutlich wird. Und drittens musste ihr spätestens nach den Ereignissen im [...] auch klar sein, dass der Kontakt zu ihrem Sohn weiteren Einschränkungen unterworfen würde, wenn sie nicht in der Lage wäre, ihn in seiner körperlichen und psychischen Integrität zu schützen.


Die einzige Erklärung, welche D____ für die angebliche «Geschichte» vorbringt, die ihr Sohn «aufgebaut» haben soll, ist seine Enttäuschung über die mangelnde väterliche Liebe und Wärme. Dass ein Kind im Alter von dazumals noch nicht einmal sieben Jahren ausgerechnet eine derart schambehaftete, erniedrigende und verletzende Geschichte erfindet, um sich am Vater für dessen mangelnde Zuwendung zu rächen, ist - wie bereits bezüglich der Aussagegenese erwogen (vgl.E. 3.4) - abwegig. Den Aussagen von D____ kommt nach dem Gesagten keinerlei Glaubhaftigkeit zu. Vielmehr machen sie deutlich, dass die Befürchtung von B____, wonach seine Mutter ihn der Lüge bezichtigen werde (Akten S. 276), zutrifft.


3.7

3.7.1 An der Einvernahme zur Hafteröffnung vom 12. Juni 2019 (Akten S. 88 ff.) äussert sich der Berufungskläger kaum zum Sachverhalt. Er erwähnt, dass D____ ihn während der Befragung angerufen habe (das Telefon hatte geklingelt) und meint auf die Frage nach der Fortsetzungsgefahr, er habe solche Handlungen mit Kindern noch nie gemacht und würde es auch nie machen (Akten S.89). An der Verhandlung vor dem Zwangsmassnahmengericht vom 14. Juni 2019 (Akten S.99ff.) meint er dann, er wisse nicht, weshalb sein Sohn so etwas sagen sollte, wenn es nicht stimmte. Ausserdem erklärt er, er sei bezüglich der Vorstrafe «wirklich unschuldig», er habe mit der Familie zusammengelebt und «man hat das alles konstruiert» (Akten S.100).


3.7.2 An seiner Einvernahme vom 12. Juni 2019 (Akten S.228ff.) meint der Berufungskläger zunächst, er habe seinen Sohn, sobald ihm monatliche Besuche erlaubt worden seien, «jeden Monat besucht. Manchmal hatte ich halt zu tun und bin alle 2 oder 3 Monate ihn besuchen gegangen» (Akten S.230). Er habe «seit 7 Jahren nicht verstanden», weshalb B____ weder beim Vater noch bei der Mutter leben dürfe (Akten S.230). Von der Auflage, nicht in der Wohnung der Kindsmutter zu sein, wenn B____ dort sei, wusste er angeblich nichts (Akten S.231). Auf die Frage, wann genau er mit B____ zusammen gewesen sei und sie gemeinsam TV geschaut hätten, meint er: «Also sie haben keinen TV. Es ist nur ein Sofa und wir haben nur zusammen gegessen». Auf die Nachfrage, weshalb B____ gesagt habe, der Vater habe TV geschaut, während er daneben sass, meint er nochmals: «Sie haben keinen TV. Zu dieser Zeit war sie neu in der Wohnung. Sie hatte da keinen TV. Vielleicht hat sie jetzt einen TV, ich weiss es nicht» (Akten S.232). Auf Frage seines Verteidigers zum Schluss der Einvernahme meint er nochmals, er sei zu 100 Prozent sicher, dass es bei seinem letzten Besuch in der Wohnung, als B____ zugegen war, dort keinen Fernseher gehabt habe. Ein anderer Sohn von D____ habe ihr ein TV-Gerät von sich angeboten. «D____ sagte, dass wir bei ihm einen TV abholen können. Ich sagte zwar ja, ich hatte an diesem Tag aber keine Zeit und bin nicht gegangen. Auch zu einem späteren Zeitpunkt konnte ich den TV nicht abholen. Ich war zuletzt vor zwei Wochen bei ihr, da habe ich einen TV gesehen bei ihr, der war aber nicht angeschlossen. Kein Kabel nichts» (Akten S.236).


Er habe B____ zweimal in der Wohnung von D____ besucht. Einmal hätte ihn die Mutter alleine abgeholt und sie seien nachher zusammen mit dem Auto umhergefahren. Das andere Mal hätten sie B____ gemeinsam im Kinderheim abgeholt (Akten S. 230). Auf die Frage, was genau geschehen sei, als er und B____ auf dem Sofa im Wohnzimmer gesessen seien, gibt er Folgendes zu Protokoll: «Wir sind zusammen einfach dagesessen. Ich oder die Mutter hatten gekocht, das weiss ich nicht mehr. Was soll das? Danach sind wir rausgegangen. Ich habe ein Auto. Seine Mutter ist einen Autositz holen gegangen. Dann sind wir mit dem Auto in die Stadt und sind einfach herumgefahren» (Akten S.232). Auf die Frage seines Verteidigers wenige Augenblicke später, wo man mit B____ anlässlich des letzten Besuchs (fünf Wochen vor dem 2. Mai 2019) hingegangen sei, schildert er hingegen, dass man B____ zu zweit im Kinderheim abgeholt habe und dann zu D____ nach Hause gegangen sei, wo bereits gekocht gewesen sei. Nach circa einer Stunde, habe die Mutter mit B____ an ein «Fest» in der Stadt gehen wollen. Er sei aber nicht mitgegangen und mit seinem Auto nach Hause gefahren» (Akten S.236).


3.7.3 Anlässlich seiner Einvernahme vom 5. Juli 2019 (Akten S. 328 ff.) äussert sich der Berufungskläger zur Auflage, seinen Sohn nicht bei D____ sehen zu dürfen, anders. Nun räumt er - was auch D____ unmissverständlich bestätigt hat (vgl. dazu schon E. 3.6.1) - ein, dass bereits kurz nach B____s Geburt darauf hingewiesen worden sei, dass er seinen Sohn nur im [...] besuchen dürfe (Akten S.329). Dass er sich nicht daran gehalten habe, liege daran, dass die Kindsmutter anlässlich des zweiten Besuchs im Heim angerufen habe, weil B____ seinen Vater vermisst habe. Hierauf habe F____ die Erlaubnis gegeben, «wir könnten das Kind abholen, er könne eine Stunde bei uns bleiben, dann sollten wir ihn zurückbringen». Sie seien zu dritt an einem Fest gewesen. Danach habe er sich verabschiedet (Akten S.329 f., 333). Beim ersten Mal sei er bei der Mutter gewesen. «Sie sagte, sie habe einen Termin mit dem Kind und wir könnten ihn abholen. Wir holten ihn ab mit dem Auto. Seine Mutter bekam vom Kinderheim einen Kindersitz. Wir sind ein bisschen rumgefahren. Und dann waren wir vor der Wohnung der Mutter und dann habe ich mich verabschiedet und bin nach Hause gefahren» (Akten S.330). Auf Nachfrage, wie es denn mit dem Autofahren genau gewesen sei, antwortete er: «Das Kind hat mich vermisst und hat gesagt, wir müssen ihn abholen. Das haben wir nach Rücksprache mit F____ getan. Die Mutter hat das Kind abgeholt und nach Hause gebracht beim ersten Mal. Wir waren zu dritt 20 Minuten zu Hause. Dann hat die Mutter gesagt, wir könnten ein wenig rumfahren mit dem Auto. Ich sagte, sie solle den Kindersitz im Kinderheim holen. Das hat sie getan und wir sind dann etwas rumgefahren im Baselland in den Bergen, zu einer alten Kirche ganz oben. Dann habe ich sie nach Hause gefahren, mich verabschiedet und bin gegangen» (Akten S. 330). Die Übergriffe auf seinen Sohn bestreitet der Berufungskläger weiterhin mit Vehemenz. Er schwöre bei seiner Ehre, dass das alles erfunden sei. Er sei doch nicht verrückt. Das sei alles Lüge. «Vielleicht sollte man das Kind fragen. Vielleicht hat ihm jemand gesagt, dass er solche Aussagen machen muss» (Akten S.331 f.).


3.7.4 An der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (Akten S. 477 ff.) verstrickt sich der Berufungskläger in neue Widersprüche und offensichtliche Ausflüchte. An seine Vorstrafen (vgl. dazu nachfolgend E. 3.8) will er sich zuerst gar nicht recht erinnern. Zur einschlägigen Vorstrafe des Bezirksgerichts Brugg meint er dann auf die konkrete Frage hin, ob behauptet wurde, er habe zwei junge Mädchen berührt: «Aber in der Familie». Er habe nur ein 15-jähriges Mädchen massiert, nachdem er deren Mutter massiert hatte. Ein weiteres Mädchen habe er gar nicht berührt. Wegen Körperverletzungsdelikten will er nicht verurteilt worden sein. Allerdings führt er dann aus, er sei einmal drei Monate «im Knast» gewesen und erinnert sich auch noch an acht Monate im Altersheim geleistete gemeinnützige Arbeit sowie an eine Geldstrafe (Akten S. 478). Auf die Frage nach seiner sexuellen Orientierung meint er: «Ich tendiere zu älteren Damen eher. Vor drei bis vier Jahren war ich noch schwul, aber jetzt nicht mehr». Von Kindern fühle er sich nicht angezogen (Akten S. 479).


Zu D____ habe er bis zu seiner Inhaftierung eine glückliche Beziehung gehabt. Seinen Sohn habe er einmal im Monat im Kinderheim besucht. Zwei Mal habe er ihn auch bei der Mutter zu Hause gesehen. Es stimme nicht, dass er B____ im Kinderheim kaum je besucht habe, er sei einmal im Monat dort gewesen. Von der Auflage, dass er seinen Sohn bei der Mutter zu Hause nicht besuchen darf, will er nun wieder nichts gewusst haben: «Nein, davon wusste ich nichts, hat man mir nichts gesagt» (Akten S. 479). Betreffend Fernseher meint er nun, es habe bei den beiden Besuchen, anlässlich welchen er B____ bei dessen Mutter sah, keinen Fernseher gehabt. Später habe D____ ihm gesagt, dass sie einen Fernseher besorgt habe, der sei dann am Boden gestanden. Er habe aber nicht funktioniert (Akten S.479 f.). Sexuelle Handlungen mit seinem Sohn streitet er weiterhin ab. Auf die Frage, wie er sich erklären könne, dass B____ so etwas mitgeteilt habe, meint er: «Darüber kann nur spekuliert werden. Entweder hat ihn jemand im Kinderheim beeinflusst und instruiert, so etwas zu sagen, damit die Mutter und ich uns trennen oder damit Probleme entstehen. [ ] Es kann sein, dass es jemand anderes war und er mich mit diesem verwechselt hat, oder dass mit seiner geistigen Entwicklung etwas nicht in Ordnung ist, oder dass er das geträumt hat» (Akten S. 480).


Über den Ablauf der beiden Besuche bei der Mutter zu Hause bzw. was man dazumals gemacht hat, wer B____ wie abholte, ob man gemeinsam an ein Fest ging oder ob der Berufungskläger sich zuvor verabschiedete, bleiben weiterhin erhebliche Unklarheiten bestehen (nun soll man - nachdem D____ B____ abgeholt hatte - beim ersten Treffen mit dem Auto in der Stadt umhergefahren und nur etwa zehn Minuten zu dritt in der Wohnung gewesen sein; beim zweiten Mal habe man B____ mit dem Segen von F____ gemeinsam abgeholt und in die Wohnung genommen; dort habe man zusammen gekocht bzw. das Essen vom Tag davor aufgewärmt; die Mutter sei später mit B____ an ein Fest gegangen, weil er am Montag arbeiten musste, sei er mit dem Auto nach Hause zurückgefahren [Akten S.480 f.]).


3.7.5 Auch in der heutigen Berufungsverhandlung (Akten S. 705 ff.) hat A____ den angeklagten Sachverhalt vehement bestritten. Vom Verbot, B____ in der Wohnung D____s besuchen zu dürfen, will er - trotz Vorhalts der vorzitierten, anderslautenden Aussage (Akten S. 329 f.) - nichts gewusst haben. Auf die Frage, warum B____ denn ohne realen Erlebnishintergrund eine derart heftige Beschuldigung verbreiten sollte, gab er zu Protokoll, dass B____ zuvor gemäss Telefonat mit D____ vom 2. Mai 2019 während dreier Wochen bei seiner Mutter gewesen sei, er aber nicht wisse, was während dieser Zeit passiert sei. Nachdem er auf entsprechende Fragen der Verfahrensleiterin zunächst versicherte, mit D____ - auch während der Gefängnisbesuche - nicht über die Beschuldigungen seines Sohnes geredet zu haben, musste er dann wenig später auf Vorhalt der von seinem Verteidiger heute vorgetragenen «Noven» (vgl. dazu nachfolgend E.4.3.3) doch eingestehen, mit ihr darüber gesprochen zu haben. Auf die Frage nach seiner sexuellen Orientierung, antwortete er, dass er sich zu «Frauen im Alter meiner Freundin» hingezogen fühle (Akten S. 714 ff.).


Da er seinen Sohn seit fünf Wochen nicht mehr gesehen hatte, habe er 3-4 Tage vor dem Anruf vom 2. Mai 2019 den Wunsch verspürt, B____ wieder einmal zu sehen und ihn im Heim zu besuchen. Er habe deshalb F____ angerufen. Diese habe gesagt, sie würden schauen und wieder Bescheid geben. Später habe sie mitgeteilt, dass «es verboten sei». Beim ersten der beiden bereits mehrfach erwähnten Treffen, hätte D____ B____ im Kinderheim abgeholt und sie hätten dann zu dritt mit seinem Auto eine Rundfahrt gemacht. Seine Mutter hätte B____ dann wieder ins Heim zurückgebracht. Beim zweiten Treffen seien sie zu zweit ins Kinderheim gegangen, wo F____ ihnen B____ übergeben habe. Danach seien sie nach Hause gegangen, wo die Mutter gekocht und das Essen bereits bereitgestellt hatte. B____ wollte mit einer Wasserpistole spielen, er habe ihn jedoch dazu überredet, doch lieber Karten zu spielen. Trotz mehrfacher Nachfrage konnte er die Art der Karten nicht spezifizieren, sondern gab zu Protokoll «genau weiss ich es nicht mehr, ein Kinderspiel mit Karten». Die Mutter sei hierbei bei ihnen gewesen. Später sei die Mutter alleine mit B____ in die Stadt gegangen, um eine «Vorstellung zu sehen». Er sei mit dem Auto nach Hause gefahren. Einen Fernseher habe es in der Wohnung zum Zeitpunkt dieser Treffen keinen gehabt (Akten S.714 ff.).


3.7.6 Die Aussagen des Berufungsklägers halten einer Glaubhaftigkeitsprüfung nicht stand. Er verstrickt sich einerseits in offenkundige Widersprüche (so etwa bezüglich der Frage, ob ihm die Auflage, B____ nicht bei dessen Mutter zu Hause zu sehen, bekannt war oder nicht; oder hinsichtlich des Fernsehers: wusste er nun gar nicht, ob D____ inzwischen einen Fernseher besass? Oder hatte er doch einen - nicht angeschlossenen - in ihrer Wohnung stehen sehen?). Andererseits sind seine Schilderungen der Zusammentreffen mit B____ und dessen Mutter inkohärent und voller Ungereimtheiten. So bleibt insbesondere unklar, bei welchem der beiden Treffen man nun den Sohn gemeinsam mit dem Auto abgeholt bzw. ob ihn doch nur die Mutter geholt hat, ob man beim ersten Treffen nach Hause gegangen ist bzw. doch nur mit ihm im Auto herumgefahren ist bzw. wenn ja, wohin man gefahren ist und ob man sich anlässlich des zweiten Treffens an einem «Fest» aufhielt oder nicht doch mit dem Auto umhergefahren ist und wer denn nun wann gekocht hatte und wann man gegessen hat. Abgesehen davon kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden (Akten S.208 f., 300, 319 f.), dass F____ einen Besuch des Vaters in der Wohnung der Mutter im Beisein von B____ gutgeheissen hätte. Darüber hinaus hätte sie A____ anlässlich des Telefonats vom 2. Mai 2019 mit Sicherheit mitgeteilt, wenn B____ vorgängig tatsächlich während drei Wochen bei der Mutter gewesen wäre, womit eine Dritttäterschaft nur schon deshalb ausgeschlossen werden kann.


Das Aussageverhalten des Berufungsklägers ist zudem strategisch geprägt. So erscheint es zwar nicht besonders sinnvoll, die aktenkundigen Vorstrafen zu bestreiten; dennoch tut es der Berufungskläger im offenkundigen Bestreben, seine früheren sexuellen und gewalttätigen Übergriffe nicht zum Thema zu machen. Ebenso wenig sinnhaft - aber von durchschaubarer Zielsetzung - erscheint es, wenn der Berufungskläger eine Vorliebe für «ältere Damen» behauptet. Dass er seine angeblichen sexuellen Präferenzen dem jeweiligen Verfahren anpasst, wird allerdings umso deutlicher, nachdem er im Aargauer Verfahren - als es um drei Mädchen ging - auf Frage seines Verteidigers noch behauptet hatte, er habe zwar Sex mit Frauen, geniesse aber den Sex mit Männern mehr. Wobei er erst auf mehrfaches Rückfragen schliesslich erklärte, er meine erwachsene Männer, jedenfalls solche über 16 Jahre (von der Verfahrensleiterin beigezogene Vorakten Bezirksgericht Brugg, Protokoll Hauptverhandlung S. 15 f.). Zu D____ - die im Brugger Verfahren ebenfalls zur Sprache kam - wollte er dagegen gemäss dortigen Aussagen nur noch eine platonische Beziehung haben. Stattdessen sei er mit einem Mann liiert, mit dem er auch seine Sexualität lebe (von der Verfahrensleiterin beigezogene Vorakten Bezirksgericht Brugg Protokoll Hauptverhandlung S.19). An der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (in Basel), 1 ½ Jahre später, soll sein Schwulsein dann drei bis vier Jahre zurückliegen und er inzwischen eher zu älteren Damen tendieren. Heute will er sich zu Frauen im Alter von D____, mit welcher er bis zu seiner Verhaftung eine sexuelle Beziehung gelebt hatte, hingezogen fühlen.


3.8

3.8.1 Neben Vorstrafen aus den Jahren 2010 und 2014 wegen einfacher Körperverletzung und 2010 auch wegen Raufhandels, wurde der Berufungskläger vom Bezirksgericht Brugg mit Urteil vom 20. Februar 2018 rechtskräftig wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind (Tatzeit 2016) zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe, mit bedingten Strafvollzug, unter Auferlegung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt (Akten S. 16 ff., 650 ff. sowie die von der Verfahrensleiterin beigezogenen Vorakten des Bezirksgerichts Brugg und der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach). Der Berufungskläger verging sich dabei an zwei der drei Töchter (damals neun, zehn und 13 Jahre alt) seiner damaligen Freundin (im Falle der Jüngsten erging ein Freispruch). Die Parallelen zum vorliegend angeklagten Fall sind frappant. Wie hier unterhielt der Berufungskläger zur Mutter der Opfer eine eher lose freundschaftliche und sexuelle Beziehung, die insbesondere Besuche und Essen bei ihr zu Hause beinhaltete. Wie B____ waren die drei Kinder in einem Kinderheim untergebracht und verbrachten nur die Wochenenden bei ihrer Mutter. Während diesen Wochenenden ereigneten sich die Übergriffe, wobei die Mutter jeweils auch in der Wohnung anwesend war, einmal unter der Dusche, einmal gar im selben Zimmer (schlafend). Auch diese Übergriffe waren jeweils eher von kurzer Dauer und auch dort setzte sich der Berufungskläger zwar über den verbal geäusserten Widerstand seiner Opfer hinweg, wandte jedoch keine Gewalt an und schüchterte die Kinder auch nicht durch Drohungen ein. Auch diese Mutter stellte sich schliesslich auf die Seite des Berufungsklägers und behauptete, es sei nie etwas vorgefallen und er sei gar nie mit den Mädchen allein gewesen.


3.8.2 Die einschlägige Vorstrafe ist unter dem Aspekt der Täter- bzw. Persönlichkeitsadäquanz (vgl. dazu BGer 6B_509/2019 vom 29. August 2019 E 2.3; AGESB.2018.27 vom 27. August 2019 E. 2.7.1, SB.2016.51 vom 13. März 2018 E.5.2; OGer ZH SB150083 vom 21. Januar 2016 E. 6.9 und 7) von einigem Gewicht. Dass ein Delikt wie das vorliegende dem Berufungskläger nicht fremd ist, erscheint besonders bedeutsam, weil es sich bei Straftaten im Bereich der Pädosexualität um eine sehr spezifische Deliktskategorie handelt, die nur von einem eingeschränkten Täterkreis verübt wird und bei welcher die Rückfallhäufigkeit erfahrungsgemäss hoch ist. Dass ein Beschuldigter eine einschlägige Vorstrafe wegen einer Sexualstraftat zu Lasten von doch recht kleinen Kindern aufweist, erweist sich daher als starkes Indiz für erneute pädosexuelle Taten. Aufgrund der aufgezeigten Parallelen der beiden Fälle trifft dies vorliegend erst recht zu. Im Übrigen hat eines der Brugger Opfer - so wie B____ es bei seinem Vater beobachtet hat (vgl. dazu schon E. 3.3.3) - eine Hautrötung im Sinne eines «Sex Flush» beobachtet, was den angeklagten Sachverhalt zusätzlich erhellt.


3.9

3.9.1 Die Depositionen des Berufungsklägers bzw. von D____, wonach zur Tatzeit kein Fernseher im Wohnzimmer der Mutter gestanden haben soll (vgl. dazu E. 3.6 und 3.7), vermögen entgegen der Ansicht der Verteidigung (Akten S. 697) die konstanten Aussagen von B____, wonach unmittelbar vor dem Übergriff der Fernseher lief (Video 2, 18:55, 19:50), nicht zu entkräften, zumal die diesbezüglichen Aussagen der Eltern nicht konstant und im Übrigen - wie soeben referiert - ohnehin nicht glaubhaft sind. Auch ändert nichts, dass der anlässlich der polizeilichen Überprüfung vom 19. Juni 2019 angetroffene Fernseher nicht am Strom angeschlossen war und keine Sender programmiert bzw. auch keine Batterien in die Fernbedienung eingelegt waren (Akten S.282, 296 ff.), zumal damit nichts über die Situation zur Tatzeit im März/April 2019 bekannt ist und der TV voll funktionstüchtig war bzw. man per Internet Fernsehen oder auch DVD hätte schauen können.


3.9.2 Insgesamt bestehen keinerlei Zweifel daran, dass sich der bereits von der Vorinstanz angenommene Sachverhalt effektiv verwirklicht hat. Es ist daher davon auszugehen, dass der Berufungskläger seinem zur Tatzeit noch nicht ganz siebenjährigen Sohn B____ im Rahmen eines Besuchs bei der Kindsmutter im März oder April 2019 gegen dessen Willen seinen erigierten Penis in den Mund gesteckt und in der Folge mindestens teilweise in den Mund seines Sohnes ejakuliert hat.


4.

4.1

4.1.1 Das Rechtsmittelverfahren beruht gemäss Art. 389 Abs. 1 StPO grundsätzlich auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren erhoben worden sind. Nach Art. 389 Abs. 2 StPO sind Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts im Rechtsmittelverfahren nur dann zu wiederholen, wenn sie unvollständig waren, die entsprechenden Akten unzuverlässig erscheinen oder Beweisvorschriften verletzt worden sind. Zusätzliche Beweise erhebt die Rechtsmittelinstanz dann, wenn dies erforderlich ist (Art.389 Abs. 3 StPO). Aus Art. 343 Abs. 3 StPO in Verbindung mit Art.405 Abs. 1 StPO ergibt sich sodann, dass eine unmittelbare Beweisabnahme im Rechtsmittelverfahren zu erfolgen hat, wenn sie vor erster Instanz unterblieb oder unvollständig war oder wenn im mündlichen Berufungsverfahren die unmittelbare Kenntnis für die Urteilsfällung notwendig erscheint. Da es den Strafbehörden obliegt, die Beweise rechtskonform zu erheben, sind die notwendigen Ergänzungen nicht nur auf Antrag einer Partei, sondern gegebenenfalls auch von Amtes wegen vorzunehmen (Art. 389 Abs. 3 StPO; BGE 143 IV 288 E.1.4.1 S. 290 f., 140 IV 196 E. 4.4.1 S.198 ff.; BGer 6B_422/2017 vom 12. Dezember 2017 E.4.3.1).


4.1.2 Zum Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.3 Abs. 2 lit. c und Art.107 StPO, Art.29 Abs.2 der Bundesverfassung [BV, SR 101] sowie Art.6 Ziff. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK, SR 0.101]) gehört, dass die Behörde alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien würdigt und die ihr angebotenen Beweise abnimmt, wenn diese zur Abklärung des Sachverhalts tauglich erscheinen. Umgekehrt folgt daraus, dass keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt, wenn das Gericht auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es zur Erkenntnis gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt und ohne Willkür in vorweggenommener (antizipierter) Beweiswürdigung annehmen kann, dass diese Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (Art.139 Abs.2 StPO; BGE 141 I 60 E. 3.3 S. 64, 136 I 229 E.5.3 S. 236 f.; BGer 6B_278/2017 vom 12. Februar 2018 E.2.1). Beim Verzicht auf weitere Beweisabnahmen muss das Gericht das vorläufige Beweisergebnis hypothetisch um die Fakten des Beweisantrags ergänzen und würdigen. Die Ablehnung des Beweisantrags im Sinne einer antizipierten Beweiswürdigung ist zulässig, wenn die zu beweisende Tatsache nach dieser Würdigung als unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen anzusehen ist (BGE136 I 229 E. 5.3 S. 236 f., 134 I 140 E. 5.3 S. 148; BGer6B_1090/2018 vom 17. Januar 2019 E. 3.2). In gleicher Weise wird bei der sogenannten «Wahrunterstellung» die mit dem Beweisantrag verbundene Tatsachenbehauptung zugunsten des Antragstellers als wahr angesehen. Ergibt sich, dass auch dann die Überzeugung des Gerichts nicht erschüttert würde, so erweist sich die Beweiserhebung ebenfalls nicht als erforderlich (BGer 6B_479/2016 vom 29. Juli 2016 E. 1.4, 6B_764/ 2013 vom 26. Mai 2014 E.4.3; Hofer, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art. 10 StPO N 68).


4.2

4.2.1 Der Berufungskläger beantragt zunächst auch dem Gesamtgericht die Befragung des Ehepaars C____, Leiter des Wohnheims [...], in welchem die Mutter des Privatklägers über mehrere Jahre hinweg wohnte. Dies wird damit begründet, dass die beiden auch das Opfer selbst kennen gelernt hätten. Sie sollen «zur Person und zur Frage der Glaubwürdigkeit von B____ und seiner Mutter» Auskunft geben (Akten S.609, 706).


4.2.2 C____ haben beide keinerlei Kenntnis von den Vorgängen in der Wohnung von B____s Mutter. H____ hat B____s Mutter als Leiter des Wohnheims [...] kennen gelernt und bezeichnet sich als deren Vertrauensperson (Akten S.240). Er gibt selbst an, B____ «nicht sonderlich gut» zu kennen, mutmasst aber, dieser könnte «Sachen erfinden» (Akten S.240). In seinem Schreiben vom 12. Juni 2019 an die Untersuchungsbehörde zeigt sich das Ehepaar C____ enttäuscht über die Tatsache, dass das [...] Besuche von B____ bei seiner Mutter im Wohnheim [...] unter Hinweis auf Dinge, die B____ erzählt habe, unterband. Das Ehepaar tut auch sein Befremden darüber kund, dass im Wohnheim [...] gemäss dem [...] «katastrophale Zustände herrschen» würden (Akten S.245; vgl. dazu schon E. 3.4.2).


4.2.3 Damit nehmen C____ offenkundig eine gegenüber den Schilderungen des Jungen skeptische Haltung ein. Abgesehen davon, dass die beiden nichts aus eigener Wahrnehmung über das inkriminierte Geschehen berichten könnten und B____ darüber hinaus nicht sonderlich gut kennen, eignen sie sich damit auch nicht als neutrale Zeugen, um Angaben zur Person des Privatklägers und seiner Mutter oder zu deren Verhältnis zueinander zu machen, zumal der zur Diskussion stehende Vorfall nicht in die Zeit der Unterbringung von B____s Mutter im Wohnheim [...] fällt (Akten S. 204). Das Gericht verspricht sich daher keine wesentlichen bzw. neuen Erkenntnisse aus einer Befragung von C____, die bei der gegebenen - komfortablen - Beweislage die Entscheidfindung beeinflussen könnten. Der entsprechende Beweisantrag bleibt damit in antizipierter Beweiswürdigung abzuweisen.


4.3

4.3.1 Bezüglich des Antrags, es sei D____ erneut als Zeugin zu befragen, wird geltend gemacht, die Aussagen von B____ und seiner Mutter widersprächen sich in diversen Punkten. B____s Mutter habe den Berufungskläger vor Strafgericht entlastet, sei aber zu Unrecht als nicht glaubwürdig eingestuft worden. Es sei deshalb angezeigt, dass sich das Appellationsgericht ein eigenes Bild von deren Glaubwürdigkeit verschaffe (Akten S. 609, 694, 706 ff.).


4.3.2 D____ hat bereits im Vorverfahren und auch vor der ersten Instanz ausgesagt. Sie wurde jeweils strafprozessual korrekt einvernommen und hat sich dabei ausführlich zur Sache geäussert. Sie hat den inkriminierten sexuellen Übergriff auch gemäss der Darstellung ihres Sohnes nicht selbst gesehen und kann damit nicht als direkte Augenzeugin betreffend das Kerngeschehen gelten. Mit ihren Ausführungen vor der Vorinstanz macht sie deutlich, dass sie B____ keinen Glauben schenkt, sondern seine Behauptung darauf zurückführt, dass er von seinem Vater «enttäuscht» gewesen sei, «dass dieser ihm nicht Liebe und Wärme gab und sich so gegen B____ verhielt, obwohl man sich so selten sah» (Akten S. 485; vgl. dazu schon E. 3.6.2). Bereits in ihrer ersten Einvernahme hat sich D____ vehement auf den Standpunkt gestellt, dass die Angaben ihres Sohnes nicht wahr sein könnten, weil sie ein solches Verhalten ihrem Mann (dem Berufungskläger) nicht zutraute. Sie musste freilich einräumen, dass Vater und Sohn anlässlich eines Besuchs in ihrer Wohnung für eine kurze Weile allein im Raum waren, sie also nicht das gesamte Verhalten des Berufungsklägers beobachten konnte (vgl. dazu schon E. 3.6.1).


4.3.3 Insofern ist der Standpunkt von D____ klar und es ist nicht ersichtlich, welche weiteren Erkenntnisse aus einer erneuten Befragung ihrer Person gewonnen werden könnten, zumal sie den Berufungskläger gemäss Vollzugsbericht der JVA Lenzburg vom 15. Dezember 2020 seit seinem Eintritt sieben Mal besucht hat (Akten S. 667) und offenbar weiterhin der Meinung ist, dass ihr Sohn lügt. Dies kommt insbesondere in den als «Noven» bezeichneten, indes nichts Neues beinhaltenden und als reine Parteibehauptungen zu qualifizierenden heutigen Ausführungen der Verteidigung (F____ habe auf D____ eingeredet, dass sie B____s Aussagen Glauben schenken müsse bzw. B____ habe seiner Mutter mitgeteilt, dass seine Belastungen unzutreffend seien) erneut zum Ausdruck (Akten S.693, 706). D____s Einlassungen sind einer Würdigung durch das Appellationsgericht ohne weiteres zugänglich und es besteht keine Konstellation, bei welcher sich das Gericht ein eigenes Bild über das Aussageverhalten machen müsste, wie es etwa bei Opferzeugen der Fall sein kann (vgl. dazu etwa BGE 133 I 33 E.3.1 S.41, 131 I 476 E.2.2 S.480 ff., 129 I 151 E. 3.1 S. 153 f.; AGESB.2018.19 vom 19. Mai 2020 E.5.3.2), wobei der Berufungskläger bzw. seine Verteidigung anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung ohnehin nicht das Bedürfnis hatte, Ergänzungsfragen an die Zeugin zu richten (Akten S. 487). Damit ist auch der Antrag auf erneute Befragung von D____ vom Gesamtgericht abzulehnen.


4.4

4.4.1 Gemäss Art. 164 Abs. 1 StPO werden das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse einer Zeugin oder eines Zeugen nur abgeklärt, soweit dies zur Prüfung ihrer Glaubwürdigkeit erforderlich ist. Die Verfahrensleitung kann eine ambulante Begutachtung anordnen, wenn sie Zweifel an der Urteilsfähigkeit hat oder wenn Anhaltspunkte für eine psychische Störung vorliegen, sofern die Bedeutung des Strafverfahrens und des Zeugnisses dies rechtfertigt (Art. 164 Abs. 2 StPO). Aufgrund des Verweises in Art. 180 Abs. 2 StPO gilt die genannte Bestimmung grundsätzlich auch für die Privatklägerschaft (BGer 1B_342/2016 vom 12. Dezember 2016 E. 2). Sodann bestimmt Art. 182 StPO, dass die Staatsanwaltschaft und die Gerichte eine oder mehrere sachverständige Personen beiziehen, wenn sie nicht über die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Feststellung oder Beurteilung eines Sachverhalts erforderlich sind (BGer 6B_1090/2018 vom 17. Januar 2019 E. 1.2).


4.4.2 Die Prüfung der Glaubhaftigkeit von Aussagen ist Teil der Beweiswürdigung und damit primär Aufgabe des Gerichts. Eine Begutachtung durch eine sachverständige Person drängt sich nach der Rechtsprechung nur dann auf, wenn das Gericht aufgrund besonderer Umstände auf zusätzliches medizinisches oder psychologisches Fachwissen angewiesen ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn bruchstückhafte oder schwer interpretierbare Äusserungen eines Kleinkinds zu beurteilen sind, bei ernsthaften Anzeichen geistiger Störungen, welche die Aussagefähigkeit bzw. Aussageehrlichkeit des Zeugen beeinträchtigen könnten, oder wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Zeuge unter dem Einfluss von Drittpersonen steht (BGE 129 IV 179 E 2.4 S. 183 ff., 128 I 81 E. 2 S. 84 ff.; BGer 6B_1211/2018 vom 3.Juli 2019 E. 1.2, 6B_1090/2018 vom 17. Januar 2019 E. 1.2, 6B_113/2017 vom 26. September 2017 E. 1.2, 6B_333/2014 vom 22. Oktober 2014 E. 2.1). Bei kindlichen Opferzeugen ist ein Gutachten namentlich dann erforderlich, wenn Anzeichen für eine sprachliche oder kognitive Entwicklungsstörung bestehen, die es dem Gericht erschweren würde, eine fachgerechte Aussagenanalyse und Beweiswürdigung vorzunehmen. Analoges kann zutreffen, wenn die Opferbefragung nicht professionell erfolgt ist oder wenn bloss rudimentäre oder schwer verständliche Aussagen des Kindes vorliegen, die näherer Interpretation bedürfen (BGer 6B_79/2014 vom 16.Oktober 2014 E. 1.3; 6B_84/2011 vom 28. Juni 2011 E. 2.3.1 mit weiteren Hinweisen). Dem Gericht steht bei der Beantwortung der Frage, ob aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls der Beizug einer sachverständigen Person notwendig ist, ein Ermessensspielraum zu (BGer 6B_1211/2018 vom 3. Juli 2019 E. 1.2, 6B_1090/2018 vom 17. Januar 2019 E. 1.2). Eine starre Beweisregel, wonach bei streitigen Aussagen des mutmasslichen Opfers stets ein Aussagegutachten anzuordnen wäre, widerspräche dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (BGer6B_23/2017 vom 14. November 2017 E. 1.2, 6B_1294 /2015 vom 18. Mai 2016 E.5.1. mit weiteren Hinweisen).


4.4.3 Bei der Würdigung von Aussagen relativ kleiner Kinder - wie hier - mag eine Glaubhaftigkeitsbegutachtung oft geboten sein. Das trifft aber keineswegs immer zu. So hat das Bundesgericht etwa in einem neueren Entscheid bei einem ebenfalls 6½-jährigen Kind die Notwendigkeit einer Begutachtung verneint, da mit Blick auf die protokollierten Schilderungen keine Auffälligkeiten in der Person oder Anzeichen für kognitive Beeinträchtigungen ersichtlich seien, welche sich in den Aussagen widerspiegelten und dem Gericht die fachgerechte Aussageanalyse und Beweis-würdigung erschwerten (BGer 6B_23/2017 vom 14. November 2017 E. 1.3; vgl. dazu auch BGer6B_79/2014 vom 16. Oktober 2014 E. 1.4). Auch vorliegend gibt es - unter Berücksichtigung des Alters von B____ - keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dieser in seiner Wahrnehmungs-, Erinnerungs- oder Wiedergabefähigkeit beeinträchtigt und zur wahrheitsgemässen Aussage nicht fähig oder nicht willens gewesen wäre. Trägt man dem jungen Alter bei der Würdigung seiner Aussagen Rechnung, so ergibt sich vielmehr ein stimmiges Bild, das keinerlei Hinweise auf eine geistige Störung oder kognitive Beeinträchtigung liefert und einer Aussagewürdigung durch das Gericht - auch bezüglich Ungereimtheiten (vgl. dazu E. 3.3.4) - ohne weiteres zugänglich ist. Es handelt sich bei den Angaben nicht um bruchstückhafte oder schwer interpretierbare Aussagen, vielmehr sind die Schilderungen altersentsprechend flüssig und nachvollziehbar. Das gilt auch für das eigentliche Kerngeschehen, dessen Beschreibung erwartungsgemäss etwas zurückhaltender ausfällt bzw. häufigerer Nachfragen bedarf. Neben den Aussageprotokollen befinden sich in den Akten auch die Videoaufzeichnungen der mit B____ durchgeführten Befragungen, die nach den hierfür geltenden Standards erfolgt sind und sich dementsprechend nicht nur auf das inkriminierte Geschehen konzentrieren, sondern auch einen Austausch zu allgemeinen Themen und zu Vorgängen rund um das Kerngeschehen enthalten. Sie zeigen eindrücklich und selbst für einen Laien erkennbar, dass es sich bei B____ um einen kognitiv bestens entwickelten, altersgerecht agierenden Jungen handelt, der sich sprachlich differenziert ausdrücken kann, die ihm gestellten Fragen allesamt versteht und auch genau erfasst, welches die Anforderungen an seine Aufrichtigkeit sind sowie dass er Fragen, die er nicht beantworten kann oder möchte, benennen darf (vgl. dazu schon E.3.3.1).


4.4.4 Hervorzuheben ist sodann - wie bereits erwähnt (vgl. dazu E. 3.4) - dass eine Beeinflussung durch Drittpersonen im vorliegenden Fall verworfen werden kann, was geradezu als komfortabel erscheint und ihn von einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle unterscheidet: Der Bericht von B____ liegt nicht im (vermeintlichen) Interesse seiner Mutter oder einer sonstigen engen Bezugsperson; vielmehr hat die Mutter einen sexuellen Übergriff des Vaters auf B____ stets verneint und den Wunsch nach einer gelebten Vater-Kind-Beziehung geäussert (vgl. dazu schon E. 3.6.1). Auch gegenüber den Betreuerinnen im Kinderheim bestand seitens von B____ keine Veranlassung, ein derartiges Erlebnis vorzubringen, zumal er nie bekundet hatte, die ohnehin seltenen Kontakte zu seinem Vater gänzlich meiden zu wollen. Ausserdem hatten die Mitarbeiterinnen des Kinderheims - wie bereits erwähnt (vgl. dazu E.3.4.1) - keine Kenntnis von der Vorstrafe des Berufungsklägers wegen sexuellen Handlungen mit Kindern, so dass eine allenfalls auch unbewusste Steuerung von ihrer Seite abwegig erschiene. Eine Beeinflussung von B____s Bezichtigung durch Loyalität oder Suggestion kann damit ausgeschlossen werden. Das lässt komplexe Fragen hinsichtlich der Aussagegenese wie auch viele Interpretationshürden hinsichtlich des Aussagegehalts, die allenfalls einer Abklärung durch eine medizinische oder psychologische Fachperson bedürften, in den Hintergrund treten. Die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens ist daher nicht angezeigt.


4.5 In Bezug auf die eventualiter beantragte erneute Befragung des Privatklägers (Akten S. 624, 707) ist festzustellen, dass B____ bereits drei Mal auf der Jugendanwaltschaft befragt worden ist (zuletzt am 16. September 2019 auf Antrag des Berufungsklägers im Rahmen einer indirekten Konfrontation, wobei die Befragung per Videostream in die Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft übertragen worden ist, wo sie der Berufungskläger und sein Verteidiger sowie ein Dolmetscher mitverfolgen konnten [Akten S. 432, 440]). Im Vorfeld der Befragung konnte der Berufungskläger mit seinem Verteidiger die Videoaufzeichnungen der ersten beiden Befragungen sichten und weitere Ergänzungsfragen einreichen (Akten S. 432, 440). Dies tat er dann auch (Akten S. 445 ff.). Erste Fragen an B____ hatte er bereits nach dessen erster Befragung eingereicht und dem Jungen in der zweiten Einvernahme stellen lassen (Akten S. 301 ff.). Unter diesen Umständen ist das rechtliche Gehör des Berufungsklägers gewahrt. Das Appellationsgericht hatte anhand der Videoaufzeichnungen auch die Möglichkeit, sich selbst einen Eindruck von den Befragungen zu verschaffen. Was eine nochmalige Befragung des Jungen darüber hinaus für Erkenntnisse zutage fördern könnte, ist - erst recht, wenn sie gut 1 ½ Jahre nach dem Vorgefallenen und im Rahmen eines wenig kindgerechten Settings erfolgen sollte - nicht ersichtlich. Die beantragte Einvernahme von B____ erscheint weder zweckmässig noch zumutbar und es ist darauf zu verzichten.


4.6

4.6.1 Die Instruktionsrichterin hat mit ihrer Verfügung vom 22. September 2020 von Amtes wegen die Musiktherapeutin von B____, G____, als Zeugin in die Hauptverhandlung geladen. G____ wurde vom Sozialarbeiter der Jugendanwaltschaft im Rahmen der «Vorabklärungen» zur Videoeinvernahme vom 27. Mai 2019 befragt, weil B____ ihr gegenüber spontan Angaben zum Vorfall gemacht haben soll. Der Sozialarbeiter hat B____s Beiständin (I____) gebeten, G____ «von der Schweigepflicht bezüglich der Schilderungen über den Vorfall zu entbinden», was I____ tun werde (Akten S.209). Am folgenden Tag gab G____ dann telefonisch Auskunft.


4.6.2 Aufgrund der Schilderungen in den bereits erwähnten «Vorabklärungen» (Akten S. 208 ff.) hätte G____ mutmasslich den Berufungskläger belastende Angaben zum angeklagten Kerngeschehen machen können. Am 5. Januar 2021 ging beim Appellationsgericht allerdings ein Zeugnis von [...], Allgemeine Innere Medizin FMH, ein, wonach G____ wegen Krankheit in ihrer Behandlung stehe und den Termin morgen um 08:15 Uhr vor Gericht nicht wahrnehmen könne (Akten S. 690). Da die Beweislage - wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt - geradezu komfortabel erscheint und das Appellationsgericht den angeklagten Sachverhalt auch ohne die Befragung von G____ mit Überzeugung durch den Berufungskläger erfüllt sieht, kann nachträglich auf die Einvernahme von G____ verzichtet werden. In der Konsequenz werden die in den Vorabklärungen getätigten, indes strafprozessual nicht korrekt erhobenen Aussagen, nicht zu Lasten des Berufungsklägers berücksichtigt.


4.7 Nach dem Gesagten sind sämtliche Beweisanträge auch vom Gesamtgericht abzulehnen. Dasselbe gilt für den im Rahmen des Plädoyers trotz vorgängigem diesbezüglichen Entscheid gestellten Eventualantrag, das Verfahren zwecks Befragung der beantragten Zeugen (zusätzlich auch G____) und Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens zu B____s Aussagen zu sistieren.


5.

5.1 Der Berufungskläger nahm gemäss Beweisergebnis (vgl. dazu E. 3.9.2) an seinem knapp siebenjährigen Sohn eine sexuelle Handlung vor, indem er seinen erigierten Penis in dessen Mund steckte und mindestens teilweise darin ejakulierte. Er hat sich damit nach Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) strafbar gemacht und es erfolgt ein Schuldspruch wegen sexueller Handlungen mit einem Kind.


5.2

5.2.1 Gemäss Art. 189 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer eine Person zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht (sexuelle Nötigung).


5.2.2 Die Anwendung der Nötigungstatbestände erfordert zunächst, dass sich das Opfer bereits einen Willen betreffend seine sexuelle Freiheit bilden kann. Es ist unmöglich, in denjenigen Fällen, in denen ein Wille betreffend die eigene sexuelle Freiheit mangels Einsichtsfähigkeit noch nicht gebildet werden kann, einen solchen (noch nicht bestehenden) Willen zu brechen. Diesfalls ist der in Art. 191 StGB geregelte Tatbestand der Schändung einschlägig. Eine allein altersbedingte Urteilsunfähigkeit darf dabei nur zurückhaltend angenommen werden, zumal sexuelle Handlungen das Kind in seiner körperlichen und intimen Sphäre berühren, in welcher es eher als in anderen Gebieten zum Bewusstsein und zu einer (Abwehr-) Reaktion fähig ist. Dabei ist nicht geklärt, bis zu welchem Alter eine solche altersbedingte Urteilsunfähigkeit anzunehmen ist. Auf die Festlegung einer fixen Altersgrenze hat das Bundesgericht bisher verzichtet und die Umstände des Einzelfalls als massgebend bezeichnet (BGE 146 IV 153 E. 3.5.3 S. 157 f., 120 IV 194 E. 2 S. 196 ff.).


5.2.3 Obwohl die Tatbestandselemente der Schändung in der Anklageschrift rechtsgenüglich geschildert sein dürften, sind die Voraussetzungen einer diesbezüglichen Verurteilung nicht erfüllt: B____ hinterlässt in der Gesamtheit seines körperlichen und sprachlichen Ausdrucks - wie bereits erwogen (vgl. dazu E. 3.3.1) - das Bild eines durchgehend ernsthaften, unverstellten und offenen sowie altersgemäss vernünftigen und verständigen Jungen, der gut zuhört, sich gedanklich konkret in die erlebte Situation zurückversetzt und differenziert antwortet, wie sich etwa am Beispiel der ihm zweimal gestellten Frage zeigt, wie es ihm damals, zur Tatzeit, ergangen sei. Es sei ihm - so B____ - «eigentlich gut» gegangen, er habe sich «gut gefühlt». Nicht gut angefühlt habe sich nur, was sein Papi mit ihm gemacht habe; was dieser gemacht habe, sei nicht gut gewesen für ihn bzw. habe er nicht toll gefunden (Video 1, 18:50, 25:40, 50:10). Er möchte nicht, dass sein Vater dies nochmals macht (Video 1, 25:00). Auf die Frage seines Vaters, ob er sein «Pfiffli im Mund haben wolle», hat er mit «Nein, sicher nicht» geantwortet (Video 1, 20:50, 43:30). B____ ist nach dem Gesagten trotz seines geringen Alters in Bezug auf die angeklagte Handlung als urteilsfähig zu bezeichnen, zumal eine altersbedingte Urteilsunfähigkeit gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ohnehin zurückhaltend anzunehmen ist (BGE 146 IV 153 E. 3.5.3 S.157 f.).


5.3

5.3.1 Betreffend die Anforderungen an die für die Tatbestandsvariante des «Unter-psychischen-Druck-Setzens» erforderliche «tatsituative Zwangssituation» bei sexuellen Übergriffen im sozialen Nahraum auf Kinder, die aufgrund der zurückhaltenden Rechtsprechung zur altersbedingten Urteilsunfähigkeit als urteilsfähig eingestuft werden, deren Bewusstseins- und Persönlichkeitsentwicklung betreffend Sexualität aber erst beginnend im Gange ist, hat das Bundesgericht in einem kürzlich publizierten Leitentscheid Folgendes erwogen: «Eine solche «tatsituative Zwangssituation» kann beim betroffenen Kind dadurch entstehen, dass der Täter zum Erreichen seines Ziels auf die Willensbildung und das Bewusstsein des Kindes einwirkt, ohne dass dabei diese Einwirkung mit aktiver Zwangsausübung oder dem expliziten Androhen von Nachteilen verbunden sein muss. Die Einwirkungsmöglichkeit auf den Kindeswillen kommt dem Täter aufgrund seiner Bezugspersoneneigenschaft, seiner kognitiven Überlegenheit, dem Vertrauen, das ihm das Kind entgegenbringt und seiner daraus resultierenden Machtposition zu. Es ist Verantwortung und Aufgabe von erwachsenen Bezugspersonen, [ ], das kindliche Bewusstsein über den Umgang mit dem eigenen Körper und der eigenen Sexualität zu stärken. Dazu gehört, einem Kind zu vermitteln, welcher Umgang mit seinem Körper in seinem Alter angebracht ist. Wer als Bezugsperson einem von ihm abhängigen Kind in dieser Phase vermittelt, sexuelle Handlungen mit einem Erwachsenen in der Art der hier vorgenommenen ([ ], Oralsex [ ]) entsprächen in seinem Alter auch nur ansatzweise einer Selbstverständlichkeit und Normalität, nimmt in krasser Weise Einfluss auf die Bewusstseinsentwicklung dieses Kindes und nimmt dem Kind in Ausnützung seiner Machtposition und seines Alters- und Wissensvorsprungs die Freiheit, zu diesen sexuellen Handlungen «Nein» zu sagen und sich dagegen zu wehren» (BGE 146 IV 153 E. 3.5.5 S.159 ff.).

5.3.2 Das Bundesgericht fährt fort: «Psychischer Druck entsteht für ein Kind nicht nur dann, wenn ihm der Täter ausdrücklich einen Nachteil androht. Vielmehr kann das Verhalten einer Bezugsperson im Kind eine ausweglose Zwangssituation bewirken, auch wenn es in oberflächlicher, kontextloser Betrachtungsweise nicht als direkt bösartig oder objektiv schwerwiegend erscheint. Der Täter, der dem Kind vorspiegelt, die sexuellen Handlungen seien normal, bewirkt einen erheblichen psychischen Druck für das Kind, das die Frage der Normalität allein nicht abschliessend beurteilen kann und sich nicht abnormal verhalten möchte. Der Täter, der sich vom Kind einen nur kleinen, normalen Gefallen erbittet, oder der Täter, der dem Kind weismacht, es handle sich um eine schöne Sache, die man zusammen erleben könnte, erzeugt einen enormen psychischen Druck für das Kind, das ihm einen solchen Gefallen nicht abschlagen möchte, und das nicht daran schuld sein möchte, wenn der Täter diese angeblich schöne Sache nicht erleben darf. Der Täter, der die Willensbildung des Kindes in dieser Art steuert und manipuliert, schafft eine für das Kind dermassen ausweglose Situation, wie sie von den sexuellen Nötigungstatbeständen erfasst ist. Je näher die Bezugsperson dem Kind und je grösser das Vertrauen des Kindes in diese Bezugsperson ist, desto grösser ist die psychische Zwangssituation für das betroffene Kind und desto auswegloser dessen Situation. Dem Kind ist ein Widersetzen gegen die sexuellen Handlungen unter diesen Umständen nicht zuzumuten. Es handelt sich nicht um ein reines Ausnutzen einer Machtposition, sondern um instrumentalisierte, strukturelle Gewalt. Ein Kind, dessen Persönlichkeits- und Bewusstseinsentwicklung betreffend Sexualität noch längst nicht abgeschlossen ist, ist dem Täter aufgrund dessen kognitiver und körperlicher Überlegenheit und seinem Einfluss auf die Willensbildung des Opfers bei dieser Tat vollkommen ausgeliefert. Der Einfluss auf die Willensbildung des Opfers ist dabei umso grösser, je jünger das Opfer ist und je näher der Täter dem Opfer steht. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung, ob vom Opfer erwartet werden kann, dass es sich dem Täter widersetzt, d.h. ob ihm ein Widersetzen unter solchen Umständen zuzumuten ist. Mit anderen Worten ist in einem Fall von Kindesmissbrauch im sozialen Nahraum entscheidend, ob von einem Kind angesichts seines Alters, seiner familiären und sozialen Situation, der Nähe des Täters und Funktion des Täters in seinem Leben, seines Vertrauens in den Täter und der Art und Weise der Vornahme der sexuellen Handlungen durch den Täter (als Normalität, als Selbstverständlichkeit, als etwas Schönes, als ein Spiel), erwartet werden kann, dass es sich diesem eigenständig entgegensetzt» (BGE 146 IV 153 E.3.5.5 S.159 ff.).


5.3.3 Dabei ist - so das Bundesgericht - «nicht erforderlich, dass der Täter auf diese Weise ein Nachgeben des Kindes erreicht, zumal ein solches vielfach gar nicht erst aktiv bewirkt werden muss. Vielmehr reicht es aus, dass der Täter das Mitmachen des Kindes erwirkt, dem ein Widerstand aufgrund der genannten Umstände nicht zuzumuten ist. Von einem Einverständnis zu den vorgenommenen Handlungen, von Freiwilligkeit kann bei so kleinen Kindern in keinem Fall ausgegangen werden. Lassen sich Kinder im Alter wie vorliegend (achteinhalb- bis zehneinhalbjährig) ohne sich zu wehren in sexuelle Handlungen involvieren, kann daraus nicht auf eine freiwillige Mitwirkung geschlossen werden; es ist eine immer nur vermeintliche Freiwilligkeit. Das Bild des aus seiner Persönlichkeit heraus sexualisierten Kindes, [ ], entspricht keineswegs der Realität. Vielmehr ist das Vorgehen des Täters, der dem Kind nahesteht, der sogar eine Erziehungsfunktion wahrnimmt, der ein grosses Vertrauen durch das Kind und dessen familiäres Umfeld geniesst, und der das Kind aufgrund dieser Umstände zur Befriedigung seiner Bedürfnisse missbrauchen kann, als erheblicher Gewaltakt gegen die sexuelle Freiheit einzustufen. Dem betroffenen Kind fehlt die Möglichkeit, die Bedeutung der sexuellen Handlungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf seine Persönlichkeitsentwicklung abschliessend zu erkennen und selbstständig, entgegen die manipulative Beeinflussung durch seine - genau diese Situation ausnutzende - Bezugsperson einzuordnen. Diese Möglichkeit erreicht es erst mit zunehmendem Alter [ ]. Die Situation ist für das Kind ausweglos und aussichtslos. Der Täter nimmt dem Opfer durch seine Beeinflussung die Freiheit, «Nein» zu den vorgenommenen Handlungen zu sagen, die es selbst nicht kennt und nicht eigenständig einordnen kann. Der Täter schafft so durch Instrumentalisierung eines strukturellen Gewaltverhältnisses eine für das Opfer ausweglose Zwangssituation» (BGE 146 IV 153 E. 3.5.6 S.161).


5.3.4 Aus dem soeben Referierten erhellt für den vorliegenden Fall, dass der Berufungskläger im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung in krasser Weise Einfluss auf die Bewusstseinsentwicklung seines Sohnes und diesem in Ausnützung seiner Machtposition und seines Alters- und Wissensvorsprungs die Freiheit genommen hat, zu den sexuellen Handlungen «Nein» zu sagen und sich dagegen zu wehren. Der Tatbestand der sexuellen Nötigung im Sinne des psychischen-unter-Druck-Setzens ist damit zweifellos erfüllt (Art. 189 Abs. 1 StGB), wobei die Vorinstanz mit zutreffender Begründung (vgl. vorinstanzliches Urteil S. 55 f.) bereits vor der Publikation des zitierten Bundesgerichtsentscheids zu einem entsprechenden Schuldspruch gekommen ist.


5.3.5 Da zwei verschiedene Rechtsgüter (ungestörte sexuelle Entwicklung bzw. sexuelle Selbstbestimmung des Kindes) betroffen sind, besteht zwischen diesem Tatbestand und demjenigen der sexuellen Handlungen mit einem Kind (Art. 187 StGB) gemäss der bereits zitierten bundesgerichtlicher Rechtsprechung Idealkonkurrenz (BGE 146 IV 153 E. 3.5.2 S.156 f.; vgl.dazu auch Maier, in: Basler Kommentar, 4.Auflage 2019, Art. 187 StGB N 57, Art. 189 StGB N82).


6.

6.1 An die Strafzumessung werden drei grundsätzliche Anforderungen gestellt: Sie muss einerseits zu einer verhältnismässigen Strafe führen (Billigkeit), zudem ein Höchstmass an Gleichheit gewähren (Rechtssicherheit) und andererseits transparent sowie überzeugend begründet und dadurch überprüfbar sein (Legitimation durch Verfahren; vgl. dazu Trechsel/Thommen, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich 2018, Art. 47 N 3). Massgeblich für die Strafzumessung ist gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB das Verschulden des Täters. Dabei zu berücksichtigen sind das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse und seine Strafempfindlichkeit. Die Bewertung des Verschuldens wird in Art. 42 Abs.2 StGB dahingehend präzisiert, dass dieses nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden. Dem Gericht kommt ein Ermessen zu, in welchem Umfang es die einzelnen Kriterien berücksichtigt (BGE 134 IV 17 E. 2.1 S.19 f.).


6.2 Auszugehen ist vom Strafrahmen für das schwerste Delikt, hier der sexuellen Nötigung, worauf Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe steht (Art. 189 Abs. 1 StGB). Sofern für den ebenfalls verwirklichten Tatbestand der sexuellen Handlungen mit einem Kind (Art. 187 Ziff. 1 StGB) nach erfolgter Verschuldensbewertung eine Gesamtstrafe in Frage kommt, ist die Strafe in Anwendung des Asperationsprinzips im Sinne von Art. 49 StGB angemessen zu erhöhen (vgl. dazu nachfolgend E. 6.4).


6.3

6.3.1 Ausgangspunkt der Strafzumessung bezüglich der sexuellen Nötigung als am schwersten wiegendes Delikt bildet das Tatverschulden. Dieses orientiert sich an der Bandbreite möglicher Begehungsweisen innerhalb des fraglichen Tatbestands und ist somit relativ. Auch das Tatverschulden eines Mörders kann innerhalb des Tatbestandes, dessen Strafrahmen mindestens zehn Jahre Freiheitsstrafe vorsieht, vergleichsweise leichter wiegen, was nicht mit einem leichten strafrechtlichen Vorwurf gleichzusetzen ist (AGE SB.2018.118 vom 9.Oktober 2020 E. 4.4.1, SB.2018.27 vom 27.August 2019 E. 4.3.1).


6.3.2 Der Übergriff war zwar vor dem Hintergrund aller denkbaren Tatvarianten nicht von besonders langer Dauer oder besonders gewalttätig. Indes ist zu berücksichtigen, dass B____ mit knapp sieben Jahren zum Tatzeitpunkt noch sehr jung war und sich der Berufungskläger in rücksichtsloser Ausnutzung seiner besonderen Vertrauensstellung als Vater und der emotionalen Abhängigkeit seines Sohnes exakt in einem der wenigen von der Mutter unbeobachteten Augenblicke an diesem vergangen hat, was seinem Handeln einen berechnend-abwartenden Zug verleiht. In subjektiver Hinsicht sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die objektive Schwere der Tat zu relativieren vermöchten. Unter Berücksichtigung dieser Tatkomponenten bzw. eines eher mittelschweren Verschuldens erscheint als Einsatzstrafe für die sexuelle Nötigung eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten dem objektiven und subjektiven Tatverschulden des Berufungsklägers gerade noch angemessen. Bei dieser Strafhöhe fällt eine Geldstrafe bereits aus formellen Gründen ausser Betracht (Art. 34 Abs. 1 StGB).


6.4

6.4.1 Der strafrechtliche Unwertgehalt der sexuellen Handlungen mit einem Kind geht gemäss dem bereits zitierten BGE 146 IV 153 E. 3.5.2 über jenen der sexuellen Nötigung insoweit hinaus, als er nicht ganz denselben (aber doch einen eng verwandten) Schutzzweck verfolgt (jenen der ungestörten sexuellen Entwicklung des Kindes). Insoweit kann für die Verschuldensbewertung grundsätzlich auf diejenige betreffend die sexuelle Nötigung verwiesen werden, wobei anzufügen ist, dass der zur Diskussion stehende Vorfall in einer Weise einschneidend ist, dass B____ an diesem traumatisierenden, seine sexuelle Entwicklung möglicherweise nachhaltig beeinträchtigenden Erlebnis mutmasslich noch lange zu tragen haben dürfte (vgl. dazu nachfolgend bezüglich der Zivilforderungen E. 9.2).


6.4.2 Vor dem Hintergrund des im Vergleich zur sexuellen Nötigung geringeren Strafrahmens (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) und eines wiederum eher mittelschweren Verschuldens erscheint isoliert betrachtet eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten gerade noch angemessen, wobei auch hier eine Geldstrafe bereits aus formellen Gründen ausser Betracht fällt (Art. 34 Abs. 1 StGB). In Anwendung des Asperationsprinzips (Art. 49 Abs. 1 StGB) ist die Einsatzstrafe um sieben Monate, auf 21 Monate, zu erhöhen.


6.5

6.5.1 Mit Blick auf die Täterkomponente ist festzuhalten, dass der heute 36-jährige Berufungskläger [...] geboren und dort mit sieben Geschwistern auch aufgewachsen ist, wobei seine gesamte Familie gemäss eigenen Angaben verstorben sein soll. In seinem Heimatland absolvierte er fünf Schuljahre, aber keine Berufsausbildung. Im Jahr 2006 reiste er über Deutschland in die Schweiz ein, wo er ein Asylgesuch einreichte, welches aber genauso wie dasjenige, welches er in Deutschland gestellt hatte, abgewiesen wurde. Indes wurde eine Wegweisung des Berufungsklägers aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage [...] damals als nicht zumutbar erachtet und A____ vorläufig aufgenommen (F-Bewilligung). Seither hat er in unsteten Anstellungsverhältnissen als [...] gearbeitet und wurde im Übrigen von der Arbeitslosenkasse unterstützt (vgl.dazu eingehend E. 7.3). A____ ist nicht verheiratet und hat ausser B____ keine weiteren Kinder. Alkohol- und Drogenprobleme will er hinter sich gelassen haben. D____ bezeichnet er als seine Freundin, mit der er «ein Kind» und bis zu seiner Inhaftierung eine «glückliche Beziehung» gehabt habe. Auch zu seinem Sohn habe er eine gute Beziehung gehabt (Akten S.4ff., 478 f., 710 ff.; durch die Verfahrensleiterin beigezogene Migrationsakten S.7ff.). Aus dem Gesagten lassen sich keine strafmindernden Umstände ableiten.


6.5.2 Zwar ist dem Vollzugsbericht aus der JVA Lenzburg vom 15. Dezember 2020 zu entnehmen (Akten S. 664 ff.), dass sich der bisherige Vollzug problemlos gestaltet hat, wobei bezüglich der Arbeitsmotivation und der qualitativen und quantitativen Arbeitsleistung offenbar noch Potential besteht. Indes ist das Wohlverhalten des Täters im Strafvollzug für die Strafzumessung grundsätzlich nicht von Bedeutung, zumal solches vorausgesetzt werden kann (BGer 6B_738/2014 vom 25. Februar 2015 E.3.4, 6B_55/2013 vom 11. April 2013 E. 2.4; AGE SB.2016.114 vom 15. September 2017 E. 3.8.3; Mathys, Leitfaden Strafzumessung, 2. Auflage, Basel 2019, N392).


6.5.3 Auch unter dem Titel des Nachtatverhaltens kann dem Berufungskläger, der die Tatbegehung rundweg abstreitet und auch pädosexuelle Neigungen konsequent negiert (Akten S. 479), nichts zugutegehalten werden. Statt sich zur Tat zu bekennen und sich in Reue und Einsicht zu üben, zieht er es - wie das Strafgericht zutreffend erwogen hat (vorinstanzliches Urteil S. 58) - vor, seinem nunmehr achtjährigen Sohn im Berufungsverfahren eine erneute Befragung zuzumuten bzw. eine entsprechende Einvernahme zu beantragen (was indessen das gute [strafprozessuale] Recht von A____ und somit strafneutral zu werten ist).


6.5.4 Hingegen schlagen unter dem Gesichtspunkt der Täterkomponenten die mehreren Vorstrafen wegen Gewaltdelikten (Verurteilung wegen Raufhandels und einfacher Körperverletzung gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach vom 24. Dezember 2010, Schuldspruch wegen einfacher Körperverletzung der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg vom 13. Oktober 2014 [Akten S.650ff.]), sowie vor allem die bereits thematisierte Vorstrafe des Bezirksgerichts Brugg wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern (vgl. dazu schon eingehend E.3.8) negativ zu Buche. Wie das Strafgericht zutreffend erwogen hat (vorinstanzliches Urteil S. 58), weckt dabei der Umstand, dass der Berufungskläger nur gerade rund ein Jahr nach dem Urteil des Bezirksgerichts Brugg erneut einschlägig delinquierte, besondere Bedenken und lässt die erneute Tatverübung umso unverfrorener erscheinen. Kommt dazu, dass A____ wie bereits vor Strafgericht auch heute noch davon ausgeht, dazumals unschuldig verurteilt worden zu sein und dementsprechend wenig Unrechtseinsicht zeigt (Akten S. 478, 716 f.). Die damit zum Ausdruck kommende Unbeeindruckbarkeit bzw. Unbelehrbarkeit muss sich zu Ungunsten des Berufungsklägers auswirken, weshalb die bisher zugemessene Gesamtstrafe um weitere drei Monate, auf 24 Monate, zu erhöhen ist.


6.6

6.6.1 Bei dieser Strafhöhe käme formell der bedingte Strafvollzug in Frage (Art. 42 Abs. 1 und 2 StGB). Hierfür genügt grundsätzlich die Abwesenheit der Befürchtung, der Täter werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen. Vom Strafaufschub darf deshalb im Regelfall nur bei ungünstiger Prognose abgesehen werden, wobei dem Gericht bei der Prüfung der Legalprognose ein Ermessensspielraum zusteht (BGE 145 IV 137 E. 2.2 S. 139, 134 IV 1 E. 4.2.2 S. 5 f.). Vorliegend ist allerdings ein Rückfall im Sinne von Art. 42 Abs. 2 StGB gegeben. Für die Gewährung des bedingten Strafvollzugs bräuchte es daher besonders günstige Umstände. Die Vorstrafe stellt damit zwar keinen objektiven Ausschlussgrund für eine bedingte Strafe dar, sie ist jedoch ein relevantes Kriterium bei der Prognosebildung (BGE 145 IV 137 E. 2.2 S. 139, 144 IV 277 E. 3.1.2 S.281 f.). Unter «besonders günstigen Umständen» sind solche Umstände zu verstehen, die ausschliessen, dass die Vortat die Prognose verschlechtert. Die Gewährung des bedingten bzw. teilbedingten Strafvollzugs ist nur möglich, wenn eine Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren den Schluss zulässt, dass trotz der Vortat eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Dabei ist zu prüfen, ob die indizielle Befürchtung durch die besonders günstigen Umstände zumindest kompensiert wird. Anders als beim nicht rückfälligen Täter ist das Fehlen einer ungünstigen Prognose nicht zu vermuten. Vielmehr kann eine günstige Prognose nur gestellt werden, wenn Umstände vorliegen, die ausschliessen, dass der Rückfall die Prognose verschlechtert. Das trifft etwa zu, wenn die neuerliche Straftat mit der früheren Verurteilung in keinerlei Zusammenhang steht oder bei einer besonders positiven Veränderung in den Lebensumständen des Täters (vgl.zum Ganzen BGer 6B_287/2020 vom 17. August 2020 E.1.3.2 mit weiteren Hinweisen).


6.6.2 Für die Prognosestellung ist ein Gesamtbild der Täterpersönlichkeit massgeblich. Die Bewährungsaussichten des Täters sind anhand einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände zu prüfen, wobei dies sowohl unter den Voraussetzungen des Art. 42 Abs. 1 als auch von Abs. 2 StGB gilt (BGE 144 IV 277 E. 3.2 S. 282 ff., 134 IV 140 E. 4.4 S. 143 f.; BGer 6B_699/2018 vom 7. Februar 2019 E. 5.3.2). Zu berücksichtigen sind neben den Tatumständen namentlich das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Relevante Prognosekriterien sind insbesondere auch die Sozialisationsbiographie und das Arbeitsverhalten sowie das Bestehen sozialer Bindungen (BGE134 IV 1 E. 4.2.1 S. 5; BGer 6B_699/2018 vom 7.Februar 2019 E. 5.3.2).


6.6.3 Vorliegend kommt mit dem Strafgericht (vorinstanzliches Urteil S. 59) die Gewährung des bedingten Vollzugs aufgrund dieser Kriterien nicht in Betracht. Nicht nur weist der Berufungskläger eine absolut einschlägige, noch nicht lange zurückliegende Vorstrafe auf. Er zeigt sich darüber hinaus - wie bereits erwähnt (vgl. dazu E.6.5.4) - auch völlig uneinsichtig was sein bisheriges und aktuelles, doch recht schwerwiegendes strafrechtliches Verhalten, nicht nur im einschlägigen Bereich, anbetrifft. Eine positive Wende in seinem Leben ist nicht auszumachen. Zudem wurde nicht bekannt bzw. ist nicht ersichtlich, inwiefern ein deliktspräventives soziales Beziehungsnetz bestehen würde oder auch in beruflicher bzw. finanzieller Hinsicht begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Dass beim Berufungskläger schon seit Jahren eine eigentliche Schlechtprognose zu stellen ist, zeigt sich im Übrigen auch darin, dass bereits die für 2010 und 2014 im Strafregister erscheinenden Strafen unbedingt ausgesprochen worden sind. 2018 wurde dem Berufungskläger zwar wieder der bedingte Aufschub gewährt, aber mit einer Probezeit von immerhin drei Jahren.


6.7

6.7.1 Da der Berufungskläger innerhalb der Probezeit, die ihm mit Urteil des Bezirksgerichts Brugg vom 20. Februar 2018 in Zusammenhang mit der damals bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von zwölf Monaten auferlegt worden ist, erneut (einschlägig) delinquiert hat, ist vorliegend gemäss Art. 46 Abs. 1 StGB auch über den Vollzug dieser Strafe zu entscheiden. Dieser ist grundsätzlich dann anzuordnen, wenn aufgrund der neuen Tat zu erwarten ist, dass der Beschuldigte weitere Straftaten verüben wird (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Ist dies nicht zu erwarten, so verzichtet das Gericht auf einen Widerruf (Art. 46 Abs. 2 Satz 1 StGB). Ein während der Probezeit begangenes Verbrechen oder Vergehen führt demnach nicht zwingend zum Widerruf des bedingten Strafaufschubs. Dieser soll nach Art. 46 Abs. 1 StGB nur erfolgen, wenn wegen der erneuten Straffälligkeit eine eigentliche Schlechtprognose besteht (BGE 134 IV 140 E. 4.3 S. 143). Die mit der Gewährung des bedingten Vollzugs abgegebene Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters ist somit unter Berücksichtigung der neuen Straftat neu zu formulieren. Das Nebeneinander von zwei Sanktionen erfordert eine Beurteilung in Varianten: Möglich ist, dass der Vollzug der neuen Strafe erwarten lässt, der Verurteilte werde dadurch von weiterer Straffälligkeit abgehalten, weshalb es nicht notwendig erscheine, den bedingten Vollzug der früheren Strafe zu widerrufen. Umgekehrt kann der nachträgliche Vollzug der früheren Strafe dazu führen, dass eine Schlechtprognose für die neue Strafe im Sinne von Art. 42 Abs. 1 StGB verneint und diese folglich bedingt ausgesprochen wird (BGE 134 IV 140 E. 4.5 S. 144 f.; BGer 6B_808/2018 vom 6. Mai 2019 E. 2.3).


6.7.2 Die Bewährungsaussichten sind auch bei der Prüfung des Vorstrafenvollzugs anhand einer Gesamtwürdigung der Tatumstände, des Vorlebens, des Leumunds sowie aller weiteren Tatsachen zu beurteilen, die gültige Schlüsse etwa auf den Charakter des Täters sowie Entwicklungen in seiner Sozialisation und im Arbeitsverhalten bis zum Zeitpunkt des Widerrufsentscheids zulassen. Bei der Beurteilung dieser Fragen verfügt das Sachgericht über einen Ermessensspielraum (BGE 134 IV 140 E.4 S. 143; BGer 6B_808/2018 vom 6. Mai 2019 E. 2.3; Schneider/Garré, in: Basler Kommentar, 4. Auflage 2019, Art.46 StGB N 41 ff.).


6.7.3 Der Berufungskläger ist mehrfach vorbestraft und hat sich auch von früheren empfindlichen Sanktionen - er spricht selbst von «Knast» und gemeinnütziger Arbeit (Akten S. 478) - nicht von weiterer Delinquenz abhalten lassen. Dies jeweils im einschlägigen Bereich - zuvor waren es Gewaltdelikte, nun handelt es sich um pädosexuelle Delikte - und in bedenklicher Kadenz: in den Jahren 2010 und 2014 wegen einfacher Körperverletzung sowie (im Jahr 2010) dazu wegen Raufhandels; 2018 und aktuell wegen Sexualdelikten an Kindern. Offenbar haben ihn weder frühere Strafverbüssungen noch die Warnwirkung eines bedingen Vollzugs nachhaltig zu beeindrucken vermocht. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die deutliche Schlechtprognose durch den Vollzug der neuen Strafe (vgl. dazu vorstehend E. 6.6) hinreichend verbessern würde. Der Vollzug auch der Vorstrafe ist daher erforderlich.


6.7.4 Gemäss dem seit dem 1. Januar 2018 in Kraft stehenden Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB ist - sofern die beiden Strafen gleichartig sind - beim Widerruf einer bedingten Strafe mit der neuen Strafe «in sinngemässer Anwendung von Art. 49» zwingend eine Gesamtstrafe zu bilden. Dabei hat das Bundesgericht klargestellt, dass damit wie bei Art. 49 StGB ausschliesslich die konkret ausgesprochenen Sanktionen und nicht der abstrakte Strafrahmen gemeint sind (BGE 144 IV 217 E. 3.3.4 S. 229). Es ist eine Asperation der gleichartigen Strafen vorzunehmen, obschon dies in solchen Fällen eigentlich unangebracht ist, wie auch das Bundesgericht festhält. Denn der Fall, dass ein Täter nach einer rechtkräftigen Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe während der Probezeit weitere Delikte verübt, unterscheidet sich wesentlich vom Fall eines Täters, der sämtliche Taten begangen hatte, bevor er wegen dieser Taten (Art.49 Abs. 1 StGB) bzw. zumindest wegen eines Teils davon (Art. 49 Abs. 2 StGB) verurteilt worden ist. Die Gleichstellung dieser Fälle erscheint als sachfremd, weil damit der straferhöhend zu wertende Umstand, dass der Täter einen Teil der Taten während der Probezeit nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer bedingten Strafe begangen hat, bei der Strafzumessung zu Unrecht unberücksichtigt bleibt. Am zwingenden Ergebnis der grammatikalischen, historischen und systematischen Auslegung vermag die teleologische allerdings nichts zu ändern, da der Gesetzgeber die vom Bundesgericht geäusserten Bedenken offenkundig nicht teilt. Das Bundesgericht hat konstatiert: «Als Auslegungsergebnis kann somit festgehalten werden, dass sich aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte sowie der systematischen Stellung von Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB ergibt, dass das Gericht - die Gleichartigkeit der einzeln ausgesprochenen Strafen und den Widerruf der Vorstrafe vorausgesetzt - mit den früheren Taten und den während der Probezeit begangenen Taten eine Gesamtstrafe bilden muss» (BGE 145 IV 146 E. 2.3.5 S. 151 f.).


6.7.5 Bei der Methodik zur Bildung einer Gesamtstrafe ist zu berücksichtigen, dass es dem Gericht kaum möglich ist, die in Rechtskraft erwachsene, bedingte oder teilbedingte Strafe nachträglich neu festzusetzen und dabei gleichwohl eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Strafzumessung vorzunehmen. Daher ist es zweckmässig, bei der Gesamtstrafenbildung nach Art. 46 Abs. 1 StGB auf die zu Art.62a Abs. 2 und 89 Abs. 6 StGB entwickelte Methodik zurückzugreifen (BGE 135 IV 146 E. 2.4.1 S. 150; BGer 6B_297/2009 vom 14. August 2009 E. 3.3). Bei der Gesamtstrafenbildung hat das Gericht demnach methodisch von derjenigen Strafe als «Einsatzstrafe» auszugehen, die es für die während der Probezeit neu verübte Straftat nach den Strafzumessungsgrundsätzen von Art. 47 ff. StGB ausfällt. Anschliessend ist diese mit Blick auf die zu widerrufende Vorstrafe angemessen zu erhöhen. Daraus ergibt sich die Gesamtstrafe. Bilden die «Einsatzstrafe» für die neu zu beurteilenden Probezeitdelikte und die Vorstrafe ihrerseits Gesamtstrafen, kann das Gericht der bereits im Rahmen der jeweiligen Gesamtstrafenbildung erfolgten Asperation durch eine gemässigte Berücksichtigung bei der Gesamtstrafenbildung Rechnung tragen» (BGE 145 IV 146 E. 2.4.2 S. 152 f.).


6.7.6 Schon die vergleichbare Regelung in Art. 89 Abs. 6 StGB (Gesamtstrafenbildung beim Widerruf einer bedingten Entlassung aufgrund einer neuen Straftat) hatte das Bundesgericht als «nicht sachgerecht» kritisiert und erwogen, dass es offenkundig nicht die mutmassliche Meinung des Gesetzgebers gewesen sein könne, das System von Art. 49 StGB bei der Gesamtstrafenbildung im Rückversetzungsverfahren unbesehen zu übernehmen. Es könne im Rahmen von Art. 89 Abs. 6 StGB in Verbindung mit Art. 49 StGB nur darum gehen, dem Täter bei der Festlegung der Sanktion in sinngemässer Anwendung des Asperationsprinzips - im Vergleich zum Kumulationsprinzip - eine gewisse Privilegierung zu gewähren, wenn sowohl die Freiheitsstrafe für das neue Delikt als auch die konkrete Reststrafe zum Vollzug anstünden (BGE 135 IV 146 E. 2.4.1 S. 149 ff.).


6.7.7 Das Strafgericht ist mit einer Reduktion von «lediglich» zwei Monaten diesen Vorgaben gefolgt (vorinstanzliches Urteil S. 60). Nach dem Gesagten ist die vorstehend zugemessene Strafe um zehn Monate, auf 34 Monate Gesamtfreiheitsstrafe, zu erhöhen. Der Anrechnung der erstandenen Haft steht nichts entgegen (Art. 51 StGB). Indes ist dem Berufungskläger keine Haftentschädigung auszurichten und der entsprechende Antrag damit abzuweisen.


6.8 Anzumerken bleibt, dass der Berufungskläger mit dieser Strafhöhe eher mild sanktioniert wird, zumal bereits die Verschuldensbewertungen (vgl. dazu E. 6.3 und 6.4) wohlwollend ausgefallen sind. Indes hat die Staatsanwaltschaft bereits in ihrer Anklageschrift «bloss» eine 30-monatige (Gesamt)Freiheitsstrafe beantragt und auch im Rechtsmittelverfahren weder selbständig Berufung noch Anschlussberufung erklärt. Aufgrund des Verbots der reformatio in peius (Art. 391 Abs. 2 StPO) ist es dem Berufungsgericht bereits aus formellen Gründen verwehrt, das erstinstanzliche Urteil zu Ungunsten des Berufungsklägers abzuändern, sodass sich weitere diesbezügliche Erwägungen erübrigen.


7.

7.1 A____ ist [...] Staatsangehöriger und hat die zur Diskussion stehenden Delikte im März bzw. April 2019, mithin nach Inkrafttreten der in Art. 66a ff. StGB geregelten Landesverweisung, verübt. Er wird auch zweitinstanzlich wegen sexuellen Handlungen mit einem Kind sowie sexueller Nötigung, beides Katalogtaten gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. h StGB, verurteilt. Somit sind die Voraussetzungen einer obligatorischen Landesverweisung erfüllt.


7.2

7.2.1 Von der (obligatorischen) Landesverweisung kann nur dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sie kumulativ einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen (Art. 66a Abs. 2 StGB). Die Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 BV). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2 S. 108, 145 IV 364 E. 3.2 S. 366 f.). Die strafrechtliche Landesverweisung führt nach dem Willen des Gesetzgebers zu einer klaren Verschärfung der bisherigen ausländerrechtlichen Ausweisungspraxis (BGE 145 IV 55 E. 3.4 und E. 4.3 S.368ff.). Zur kriteriengeleiteten Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB lässt sich dabei der Kriterienkatalog der Bestimmung über den «schwerwiegenden persönlichen Härtefall» in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) heranziehen (BGE146 IV 105 E.3.4.2 S. 108 f., 144 IV 332 E. 3.3.2 S. 340 f.; vgl. auch BGer6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.7).


7.2.2 Zwar ist gemäss der neueren ausländerrechtlichen Rechtsprechung nach rund zehnjähriger rechtmässiger Aufenthaltsdauer regelmässig davon auszugehen, dass die sozialen Beziehungen in diesem Land so eng geworden sind, dass es für eine Aufenthaltsbeendigung besonderer Gründe bedarf; im Einzelfall kann es sich freilich anders verhalten und die Integration zu wünschen übrig lassen (BGE 144 I 266 E.3.9 S. 277 ff.; 6B_131/2019 vom 27. September 2019 E. 2.5.5, 6B_48/2019 vom 9. August 2019 E. 2.6). In diesem Zusammenhang gilt, wie das Bundesgericht betont (BGer 6B_48/2019 vom 9. August 2019 E. 2.6, 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E.1.3.2, 1.4): «Die Landesverweisung wird überwiegend eine Härte bewirken. Sie ist denn auch eine strafrechtliche Massnahme, die nach der Zielsetzung des Gesetzgebers primär als sichernde Massnahme zu verstehen ist. Ihre causa liegt in der Delinquenz der betroffenen Person selber. Ein langjähriger Aufenthalt in der Schweiz oder familiäre oder private Verhältnisse bilden keinen Freipass für Straftaten [ ]». So ist denn selbst bei Ausländern, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind, keine Sonderregelung anzunehmen, sondern die Härtefallprüfung anhand der gängigen Integrationskriterien vorzunehmen. Der besonderen Situation wird dabei insoweit Rechnung getragen, als eine längere Aufenthaltsdauer, zusammen mit einer guten Integration - beispielsweise aufgrund eines Schulbesuchs in der Schweiz - in aller Regel als starkes Indiz für das Vorliegen von genügend starken privaten Interessen und damit für die Bejahung eines Härtefalls zu werten ist. Bei der allenfalls anschliessend vorzunehmenden Interessenabwägung als zweite kumulative Voraussetzung ist der betroffenen Person mit zunehmender Anwesenheitsdauer ein gewichtigeres privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz zuzubilligen. Hingegen kann davon ausgegangen werden, dass die in der Schweiz verbrachte Zeit umso weniger prägend war, je kürzer der Aufenthalt und die in der Schweiz absolvierte Schulzeit waren, weshalb auch das private Interesse an einem Verbleib in der Schweiz weniger stark zu gewichten ist (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4 S. 109 f.).


7.2.3 Allgemein ist unter dem Titel der Integration neben familiären und sonstigen privaten Beziehungen vor allem zu berücksichtigen, ob der Ausländer in beruflicher und finanzieller Hinsicht in der Schweiz gut verankert ist und ob er die an seinem Wohnort gesprochene Landessprache beherrscht. Spielt sich das gesellschaftliche Leben einer ausländischen Person primär mit Angehörigen des eigenen Landes ab, spricht dies eher gegen die Annahme einer gelungenen Integration. Ebenso ist eine erfolgreiche Integration zu verneinen, wenn eine Person kein Erwerbseinkommen erwirtschaften kann, welches ihren Konsum zu decken vermag, und etwa während einer substanziellen Zeitdauer von Sozialleistungen abhängig ist (BGer 6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.7.2, 6B_793/2019 vom 12. September 2019 E. 2.3.2, 2C_221/2019 vom 25. Juli 2019 E. 2.3). Die Respektierung der rechtsstaatlichen Ordnung und der Werte der Bundesverfassung ist grundsätzlich ebenfalls ein Kriterium für die (ausländerrechtliche) Integration (BGer 6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.7.2), ist aber natürlich bei der strafrechtlichen Landesverweisung regelmässig nicht vollumfänglich gegeben; das Mass der Missachtung und die Art der Delinquenz spielen dabei auch eine Rolle.


7.2.4 Ein Härtefall lässt sich - wie gesehen - erst bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV bzw. Art.8 EMRK gewährleistete Privat- und Familienleben annehmen (BGer 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 2.2). Soweit ein Anspruch aus Art. 8 EMRK in Betracht fällt, ist primär die Rechtsprechung des EGMR zu beachten. Die Staaten sind nach dieser Rechtsprechung berechtigt, Delinquenten auszuweisen. Berührt die Ausweisung indes Gewährleistungen von Art. 8 Ziff. 1 EMRK, ist der Eingriff nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu rechtfertigen (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte [EGMR] I.M. gegen Schweiz vom 9. April 2019, [Nr. 23887/16], § 68). Nach diesem Urteil haben sich die nationalen Instanzen von den im Urteil Üner gegen Niederlande vom 18. Oktober 2006 (Nr. 46410/99) resümierten Kriterien leiten zu lassen (BGE144 IV 332 E. 3.3.2 S. 340 f.; BGer 6B_131/2019 vom 27. September 2019 E.2.4, 6B_48/2019 vom 9. August 2019 E. 2.5).


7.2.5 Aus dem soeben Referierten können die folgenden, in casu relevanten Kriterien abgeleitet werden (BGer 6B_48/2019 vom 9.August 2019 E. 2.5, 6B_131/2019 vom 27. September 2019 E. 2.5.3): Die Natur und Schwere der Straftat, die Dauer des Aufenthalts im ausweisenden Staat, die seit der Straftat abgelaufene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit sowie die Nationalität der betroffenen Personen. Ferner die familiäre Situation, die Dauer des Zusammenlebens und andere Umstände, die ein tatsächliches Familienleben bezeugen, sowie das Alter allfälliger Kinder. Weiter das Interesse und das Wohl der Kinder. In Rechnung gestellt werden müssen schliesslich die besonderen Umstände des Einzelfalls, auch die temporäre oder definitive Natur des Landesverbots. Bereits daraus ergibt sich, dass auch sog. «umgekehrte Familiennachzug» - wie er hier angesichts des Sohnes des Berufungsklägers in Frage stehen könnte - keineswegs zu einem von den Härtefallkriterien ausgenommenen Anwesenheitsrecht führt. Das Bundesgericht hat unter anderem in BGer6B_627/2018 vom 22. März 2019 festgehalten, dass die EMRK keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt oder auf einen besonderen Aufenthaltstitel verschafft. Sie hindert die Konventionsstaaten nicht daran, die Anwesenheit auf ihrem Staatsgebiet zu regeln und den Aufenthalt ausländischer Personen unter Beachtung überwiegender Interessen des Familien- und Privatlebens gegebenenfalls auch wieder zu beenden. Das entsprechende, in Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV geschützte Recht ist gemäss Bundesgericht berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen (BGE 144 II 1 E. 6.1 S. 12 f.; BGer 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.4). Das gilt auch hinsichtlich der Beziehung zu Kindern. Der Schutz des Familienlebens betrifft nach Bundesgericht in erster Linie die Kernfamilie, mithin die Gemeinschaft der Eltern mit ihren minderjährigen Kindern (BGE 144 II 1. E. 6.1.). Auch der sogenannte umgekehrte Familiennachzug setzt ein enge affektive und wirtschaftliche Beziehung sowie die Unmöglichkeit voraus, diese grenzüberschreitend aufrecht zu erhalten; zudem ist grundsätzlich ein tadelloses Verhalten des um Nachzug ersuchenden Elternteils erforderlich (BGer 2C_441/2018 vom 17. September 2018 E. 5.3 mit weiteren Hinweisen). Es ist zu beachten, dass der Anspruch auf Achtung des Familienlebens jedenfalls nicht absolut gilt: Liegt eine aufenthaltsbeendende oder -verweigernde Massnahme im Schutz- und Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK, erweist sich diese als zulässig, falls sie gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK entspricht und zu dessen Realisierung in einer demokratischen Gesellschaft «notwendig» erscheint (BGE 142 II 35 E. 6.1 S.46 f.; BGer 6B_770/2018 vom 24. September 2018 E. 2.1, 6B_627/2018 vom 22.März 2019 E. 1.4).


7.3

7.3.1 Neben dem bereits zu den persönlichen Verhältnissen im Rahmen der Strafzumessung Erwogenen (vgl. dazu E. 6.5) lässt sich den durch die Verfahrensleiterin beigezogenen Migrationsakten entnehmen, dass der Berufungskläger im Dezember 2006 mit damals knapp 22 Jahren in die Schweiz kam und hier ein Asylgesuch stellte (zuvor hatte er offenbar bereits in Deutschland unter einem Aliasnahmen um Asyl ersucht). Sein Gesuch wurde mit Entscheid des Bundesamts für Migration vom 28.Dezember 2006 abgelehnt; indessen wurde der Berufungskläger vorerst für die Dauer von zwölf Monaten vorläufig aufgenommen. Im September 2008 wurde ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit provisorisch bewilligt. Er erzielte hierauf in einer Garage bei [...] ein monatliches Nettoeinkommen von knapp CHF 2450.-. Es folgte eine Beschäftigung in einer anderen Garage in [...], wo er aber per Ende April 2009 die Kündigung erhielt, weil er länger als einen Monat nicht am Arbeitsplatz erschienen sei und sich nicht gemeldet habe. Ab Oktober 2009 fand er dann eine Beschäftigung als [...] in einer Garage in [...], wo ihm aber vor Ablauf der Probezeit per Ende Januar 2010 gekündigt wurde, weil er den Anforderungen nicht genüge. Die nächste Stelle trat der Berufungskläger gegen Ende 2010 in einer Garage in [...] an. Hier wurde ihm Ende Mai 2011 fristlos gekündigt, weil er trotz mehrerer Mahnungen Arbeiten unkorrekt und gefährlich ausgeführt, damit grössere Schäden verursacht habe und weil er der Arbeit mehrmals unentschuldigt ferngeblieben sei. Ein weiterer Stellenantritt ist für Juni 2017 verzeichnet (Garage [...] in [...]). Bereits per November 2018 trat der Berufungskläger dann aber wieder eine neue 100%-Stelle bei einer Garage in [...] an.


7.3.2 Der Berufungskläger trat verschiedentlich strafrechtlich in Erscheinung. Neben den bereits vorgängig thematisierten Delikten (vgl. dazu bereits E. 3.8, 6.5.4) wurde A____ gemäss einem Polizeirapport vom 12. Juni 2016 in Basel zudem beim Drogenkauf beobachtet. Er gestand den Kauf von Kokain für CHF30.- von einem Strassendealer zu und meinte, es sei das erste Mal seit zwei Jahren, dass er wieder Drogen habe konsumieren wollen (beigezogene Migrationsakten S. 145 ff.).


7.3.3 Auch wenn eine Rückkehr des Berufungsklägers in seine Heimat für ihn mit empfindlichen Einschränkungen und einer erheblichen Umstellung in vielen Lebensbereichen verbunden sein wird, ergibt sich aus einer Anwendung der zuvor ausgeführten Kriterien, dass der Berufungskläger nicht von der Härtefallklausel profitieren kann: Er lebt zwar inzwischen seit bald 14 Jahren in der Schweiz, ist aber erst mit knapp 22 Jahren hierher gekommen und hat hier weder eine Schule besucht noch eine Ausbildung absolviert. Er lebte bis zu seinem 19. oder 20. Lebensjahr in seiner Heimat [...] und verbrachte somit dort die prägenden Kindheits- und Jugendjahre. Er ist mit der Sprache und den dortigen Gepflogenheiten vertraut und könnte sich bei einer Rückkehr rasch wieder in die dortige Gesellschaft einfügen, zumal er auch in der Schweiz hauptsächlich Umgang mit Landsleuten zu pflegen scheint, wie aus der Auswertung seiner Mobiltelefondaten zu ersehen ist (Akten S. 351). Obwohl er immer wieder (in Teilzeit) gearbeitet hat, hat er in der Schweiz beruflich und finanziell nie richtig Fuss gefasst. Seine Arbeitsstellen konnte er nie lange halten. Vielmehr erhielt er meist nach kurzer Zeit Kündigungen aus eigenem Verschulden. Entsprechend war er nach eigenen Angaben auch auf staatliche Unterstützung angewiesen. Auch wenn er sich gewisse Deutschkenntnisse angeeignet hat, ist ihm auch in sprachlicher Hinsicht keine Integration gelungen, war er doch für sämtliche Befragungen auf eine Übersetzung angewiesen.


7.3.4 Wie zuvor erwogen, lässt sich auch beim persönlichen Umfeld des Berufungsklägers kein wesentlicher Bezug zur Schweiz ausmachen. Ins Gewicht fällt sodann insbesondere die wiederholte Delinquenz praktisch ab Beginn des Aufenthalts in der Schweiz. Hierzu hat sich die Vorinstanz treffend geäussert (vorinstanzliches Urteil S.62). Für einen Verbleib des Berufungsklägers in der Schweiz würde einzig der Umstand sprechen, dass er einen hier lebenden minderjährigen Sohn hat. Wie zuvor ausgeführt, würde der Schutz der Familie (im Sinne eines «umgekehrten Familiennachzugs») aber zunächst voraussetzen, dass tatsächlich eine enge affektive und wirtschaftliche Beziehung gelebt wird. An diesem Erfordernis fehlt es aber - wie bereits zuvor erwogen (vgl. dazu E. 3.4.2, 3.5.2, 2.6.2) - offensichtlich. Auch hat der Berufungskläger seine familiären Bindungen mit dem vorliegend geahndeten Sachverhalt ohnehin in gröbster Art und Weise verletzt. Zwar will der Berufungskläger während neun Jahren mit D____ in fester Partnerschaft gelebt haben (Akten S.712 f.). Indes hat A____ heute zu Protokoll gegeben, dass er im Jahr 2018, als D____ gerade keine eigene Wohnung hatte, eine sexuelle Beziehung zur Mutter der damals missbrauchten Kinder unterhalten hat und darüber hinaus in Olten und Zürich auch mehrere Male im «Puff» gewesen sei (Akten S. 716 f.). Zudem hat er im Verfahren in Brugg ausgesagt, zu D____ nur noch eine platonische Beziehung zu haben. Stattdessen sei er mit einem Mann liiert, mit dem er auch seine Sexualität lebe (von der Verfahrensleiterin beigezogene Vorakten Bezirksgericht Brugg Protokoll Hauptverhandlung S. 19). Darüber hinaus gab er im Vorverfahren zu Protokoll, dass er allfällige Anrufe von D____ nicht entgegennehmen (Akten S. 89) bzw. keinen Kontakt zu ihr aufnehmen werde (Akten S.333). Daraus erhellt, dass auch die Beziehung zur Mutter des Privatklägers keine von Zuneigung geprägte, echte Beziehung darstellt. Vielmehr entstand während des Verfahrens der auch von den der Familie nahestehenden F____ und I____ geteilte Eindruck (Akten S. 279, 318, 320), dass der Berufungskläger die psychisch kranke D____ bzw. deren emotionale Abhängigkeit zu ihm seit jeher zu seinen Gunsten ausgenutzt hat.


7.3.5 Es ist bekannt, dass die Sicherheitslage und politische Situation [...] auch heute noch instabil ist. Wie das Strafgericht zutreffend erwogen hat (vorinstanzliches Urteil S. 62), bestehen allerdings keine Hinweise darauf, dass der Berufungskläger etwa aufgrund seines Glaubens, seiner Ethnie, der Familienzugehörigkeit oder infolge früherer politischer Aktivitäten nach einer Rückkehr bzw. Rückführung in die Heimat staatliche Repression oder sonstige mit seiner Person verbundene Schwierigkeiten zu gewärtigen hätte, zumal bereits das damalige Bundesamt für Migration (heute Staatssekretariat für Migration [SEM]) im rechtskräftigen Asylentscheid erwogen hat, dass sich keine Anhaltspunkte ergäben, dass der Berufungskläger im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine durch Art. 3 EMRK verbotene Strafe oder Behandlung drohe. Daran ändert auch nichts, dass der Berufungskläger anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung geltend machte, dass er in seinem Heimatland gezwungen würde, sich dem Islamischen Staat (IS) anzuschliessen und bei einer diesbezüglichen Weigerung verhaftet oder umgebracht würde (Akten S.703 f., 713 f.). Zum einen hat der Berufungskläger diesen Aspekt - obwohl er schon mehrere Male die Möglichkeit gehabt hätte - heute das erste Mal vorgebracht und zum anderen erst auf mehrmaliges Nachfragen seines Verteidigers thematisiert (zunächst machte er geltend, dass die [...] «da seien» und er bestraft würde, wenn er rasiert dort erscheinen würde bzw. dass er Krieg hasse und er Angst vor dem IS habe), sodass die diesbezüglichen Aussagen - wie ohnehin die gesamten Depositionen des Berufungsklägers (vgl. dazu schon E.3.7) - wenig glaubhaft erscheinen. Im Übrigen obliegt die abschliessende Prüfung der tatsächlichen Vollziehbarkeit der Landesverweisung unter den Gesichtspunkten der rechtlichen Zulässigkeit bzw. des «non refoulement» den Migrationsbehörden, welche in spezifischer Kenntnis der aktuellen politischen Verhältnisse abschliessend darüber zu entscheiden haben werden (Art.66d StGB; BGer 6B_1024/2019 vom 29.Januar 2020 E. 1.3, 2C_1106/2018 vom 4. Januar 2019 E. 3 und 4). Zu einem überwiegenden privaten Interesse des Berufungsklägers und damit einem Härtefall führen die ausgeführten Aspekte jedenfalls nicht.


7.3.6 Die von der Vorinstanz verhängten acht Jahre Landesverweisung sind angesichts des Strafmasses, der Deliktsart und der persönlichen Umstände des Berufungsklägers als moderat zu bezeichnen. Da die Staatsanwaltschaft weder selbständig Berufung noch Anschlussberufung erklärt hat, ist darauf aufgrund des Verbots der reformatio in peius (Art. 391 Abs. 2 StPO) indes nicht zurückzukommen.


8.

8.1 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 146 IV 172 E. 3 S. 176 ff.) darf eine Ausschreibung von Drittstaatsangehörigen im Sinne von Art.3 lit.d SIS-II-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation; ABl. L 381 vom 28.Dezember 2006, S. 4) im SIS gemäss dem in Art.21 SIS-II-Verordnung verankerten Verhältnismässigkeitsprinzip nur dann vorgenommen werden, wenn die Angemessenheit, Relevanz und Bedeutung des Falles dies rechtfertigen. Voraussetzung der Ausschreibung im SIS ist eine nationale Ausschreibung, die auf einer Entscheidung der zuständigen nationalen Instanz (Verwaltungsbehörde oder Gericht) beruht (Art.24 Ziff. 1 SIS-II-Verordnung). Die Ausschreibung wird eingegeben, wenn die Entscheidung auf die Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder die nationale Sicherheit gestützt wird, die die Anwesenheit des betreffenden Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats darstellt (Art.24 Ziff. 2 Satz 1 SIS-II-Verordnung). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die betreffende Person in einem Mitgliedstaat wegen einer Straftat verurteilt wurde, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist (Art.24 Ziff. 2 lit.a SIS-II-Verordnung), oder wenn gegen sie der begründete Verdacht besteht, dass sie schwere Straftaten begangen hat, oder wenn konkrete Hinweise bestehen, dass sie solche Straftaten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates plant (Art.24 Ziff. 2 lit.b SIS-II-Verordnung; vgl.zum Ganzen auch Schneider/Gfeller, Landesverweisung und das Schengener Informationssystem, Sicherheit & Recht 1/2019, S. 9; Zurbrügg/Hruschka, in: Basler Kommentar Strafrecht, Art.66a-66d StGB N 96; Progin-Theuerkauf/Zoeteweij-Turhan/Turhan, Interoperabilität der Informationssysteme im Migrationsbereich - digitale Grenzkontrollen 2019, in: Achermann et al. [Hrsg.], Jahrbuch für Migrationsrecht 2018/2019, Bern 2019, S. 13). Sind die Voraussetzungen von Art.21 und 24 Ziff. 1 und 2 SIS-II-Verordnung erfüllt, besteht eine Pflicht zur Eintragung im SIS.


8.2 Die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS bewirkt, dass der betroffenen Person die Einreise in das Hoheitsgebiet aller Schengen-Mitgliedstaaten grundsätzlich untersagt ist (Art.6 Abs.1 lit.d in Verbindung mit Art.14 Abs.1 des Schengener Grenzkodexes (Verordnung [EU] Nr.2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen; ABl. L77 vom 23.März 2016, S. 1; vgl. auch Art.32 Abs.1 lit.a des Visakodexes [Verordnung [EG] Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft; ABl. L 243 vom 15.September 2009, S. 1]). Die übrigen Schengen-Staaten können die Einreise in ihr Hoheitsgebiet im Einzelfall aus humanitären Gründen oder Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen indes dennoch bewilligen (Art.6 Abs.5 lit.c Schengener Grenzkodex; vgl.auch Art.25 Abs.1 lit.a Visakodex; BGE146 IV 172 E. 3.2.3 S. 178 f.). Gegebenenfalls haben die betroffenen Schengen-Mitgliedstaaten ein Konsultationsverfahren nach Art.25 Abs.2 des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 14. Juni 1985 (SDÜ; ABl. L 239 vom 22. September 2000, S. 19) durchzuführen (OGer ZH SB190022 vom 26. November 2019 E.4.3, 4.5; BVGer F-1367/2020 vom 10. Juni 2020 E.5.1, BVGer F-6623/2016 vom 22. März 2018 E.10.2, BVGer C-329/2013 vom 14. Dezember 2015 E.8.3, je mit Hinweisen).


8.3 Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Ausschreibung im SIS klar gegeben. Der Berufungskläger ist Drittstaatsangehöriger. Er ist zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 34 Monaten verurteilt worden und fällt damit unter Art. 24 Ziff. 2 lit. a SIS-II-Verordnung, bei welchem es sich nach dem soeben Ausgeführten nicht um eine blosse Kann-Vorschrift handelt. Die Anwesenheit des Berufungsklägers muss aber auch hinsichtlich der Natur der zu befürchtenden weiteren Delinquenz bzw. der besonderen Schutzwürdigkeit von Kindern als Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, welche die Ausschreibung im SIS rechtfertigt, bezeichnet werden. Im Übrigen ist weder dargelegt worden noch ist ersichtlich, aus welchen Gründen vorliegend dennoch auf einen Eintrag im SIS zu verzichten wäre. So bestehen insbesondere keine Hinweise dafür, dass der Berufungskläger besondere Beziehungen zu einem Schengenstaat hätte, die gegen eine Ausschreibung sprächen.

9.

9.1 Die Vorinstanz hat dem Privatkläger für die erlittene Unbill eine Genugtuung in Höhe von CHF 6'000.- zugesprochen (die Abweisung der Mehrforderung im Betrag von CHF 2'000.- ist bekanntlich in Rechtskraft erwachsen [vgl. dazu E. 1.3.2]). Dies ficht der Berufungskläger lediglich deshalb an, weil er nach wie vor seine Unschuld behauptet. Nachdem jedoch die Schuldsprüche wegen sexueller Handlungen mit einem Kind sowie sexueller Nötigung im Berufungsverfahren aber bestätigt werden, erweist sich die Zusprechung einer Genugtuung in der genannten Höhe mit der überzeugenden Erwägung des Strafgerichts (vorinstanzliches Urteil S. 64 f.) als gerechtfertigt, zumal die Höhe der Genugtuungsforderung im Hinblick auf vergleichbare Urteile auch angemessen erscheint (AGE SB.2020.3 vom 29. September 2020 E. 7, SB.2019.68 vom 21.August 2020 E. 8).


9.2 Auch die Abweisung der Schadenersatzforderung von CHF 8'000.- (längerfristige Hilfen für Therapien in Höhe von 24 x CHF 200.- für den Zeitraum von einem Jahr, Mehrforderung vorbehalten) wurde bloss für den Fall eines Freispruchs beantragt. Abgesehen davon hat die Vorinstanz zutreffend erwogen (vorinstanzliches Urteil S. 65), dass aufgrund des einschneidenden Missbrauchserlebnisses eine tatkausale psychologische Aufarbeitung dringend angezeigt ist (vgl. dazu schon E. 6.4). Da sich die für künftige Therapieleistungen anfallenden Kosten zum aktuellen Zeitpunkt naturgemäss noch nicht beziffern lassen, ist die Schadenersatzforderung in Anwendung von Art. 126 Abs. 1 und 3 StPO mit einer dem uneingeschränkten alleinigen Verschulden des Berufungsklägers entsprechenden Haftungsquote von 100 Prozent dem Grundsatz nach gutzuheissen und im Übrigen auf den Zivilweg zu verweisen.


10.

10.1 Die schuldig gesprochene Person hat - sofern keine gesetzlichen Ausnahmen vorliegen - gestützt auf Art. 426 Abs. 1 StPO sämtliche kausalen Verfahrenskosten zu tragen (BGer 6B_811/2014 vom 13. März 2015 E. 1.4). Die Verfahrenskosten werden demnach gemäss Verursacherprinzip verlegt.


10.2 Da der Berufungskläger auch im Berufungsverfahren wegen sexueller Nötigung und sexueller Handlungen mit einem Kind schuldig gesprochen wird, sind die erstinstanzlichen Verfahrenskosten zu belassen. Demgemäss trägt der Berufungskläger für das erstinstanzliche Verfahren Kosten in Höhe von CHF 4844.10 und eine Urteilsgebühr von CHF 5000.. Sein Kostendepot in Höhe von CHF 2460. wird damit verrechnet.


11.

11.1 Für die Kosten des Rechtsmittelverfahrens kommt Art. 428 Abs. 1 StPO zum Tragen. Ob bzw. inwieweit eine Partei im Sinne dieser Bestimmung obsiegt oder unterliegt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor der zweiten Instanz gestellten Anträge gutgeheissen werden (BGer 6B_1025/2014 vom 9. Februar 2015 E. 2.4.1).


11.2 Der Berufungskläger unterliegt mit all seinen Anträgen. Es rechtfertigt sich deshalb, ihm die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens mit Einschluss einer Urteilsgebühr von CHF 2500.- (inklusive Kanzleiauslagen, zuzüglich allfälliger übriger Auslagen) aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 21 Abs. 1 des Gerichtsgebührenreglements [GGR, SG 154.810]).


12.

12.1 Dem amtlichen Verteidiger, [...], wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung gemäss seiner Aufstellung ausgerichtet. Für den genauen Betrag wird auf das Urteilsdispositiv verwiesen.


12.2 Da der Berufungskläger vollumfänglich unterliegt, umfasst die Rückerstattungspflicht bezüglich des Honorars seines amtlichen Verteidigers im Falle einer wirtschaftlichen Besserstellung 100 % des zugesprochenen Honorars (Art. 135 Abs.4 StPO).


Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):


://: Es wird festgestellt, dass folgende Punkte des Urteils des Strafdreiergerichts vom 17. Oktober 2019 mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen sind:

- Abweisung der Genugtuungsmehrforderung des Privatklägers in Höhe von CHF 2'000.;

- Verfügungen über die beschlagnahmten Gegenstände;

- Entschädigung des amtlichen Verteidigers (mit Rückforderungsvorbehalt).


A____ wird - in Abweisung seiner Berufung - der sexuellen Handlungen mit einem Kind sowie der sexuellen Nötigung schuldig erklärt.


Die gegen A____ am 20. Februar 2018 vom Bezirksgericht Brugg wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe von 12 Monaten, Probezeit 3 Jahre, wird in Anwendung von Art.46 Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuches vollziehbar erklärt.


A____ wird unter Einbezug der vollziehbar erklärten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 34 Monaten verurteilt, unter Einrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft bzw. des vorzeitigen Strafvollzugs seit dem 12.Juni 2019,

in Anwendung von Art. 187 Ziff. 1 und 189 Abs. 1, 49 Abs. 1 und 51 sowie Art.46 Abs. 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches.


Der Antrag von A____ auf Zusprechung einer Haftentschädigung wird abgewiesen.


A____ wird in Anwendung von Art. 66a Abs. 1 lit. h des Strafgesetzbuches für 8 Jahre des Landes verwiesen.


Die angeordnete Landesverweisung wird gemäss Art. 20 der N-SIS-Verordnung im Schengener Informationssystem (SIS) eingetragen.


A____ wird zur Zahlung einer Genugtuung im Betrag von CHF 6000. an den Privatkläger B____ verurteilt.


Die Schadenersatzforderung des Privatklägers für noch anfallende Kosten im Zusammenhang mit insbesondere therapeutischen Hilfeleistungen im Sinne von Art. 13 Abs. 2 und 14 Abs. 1 des Opferhilfegesetzes wird in Anwendung von Art. 126 Abs. 3 der Strafprozessordnung dem Grundsatz nach gutgeheissen, unter Festlegung einer Haftungsquote von 100 Prozent. Bezüglich der Höhe seines Anspruchs wird der Privatkläger auf den Zivilweg verwiesen.


A____ trägt die Kosten von CHF 4844.10 und eine Urteilsgebühr von CHF5000. für das erstinstanzliche Verfahren sowie die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens mit Einschluss einer Urteilsgebühr von CHF 2500. (inklusive Kanzleiauslagen, zuzüglich allfällige übrige Auslagen). Sein Kostendepot im Betrag von CHF 2460. wird mit den erstinstanzlichen Verfahrenskosten bzw. der erstinstanzlichen Urteilsgebühr verrechnet.


Dem amtlichen Verteidiger, [...], werden für die zweite Instanz ein Honorar von CHF 5850. und ein Auslagenersatz von CHF 48., zuzüglich 7,7 % MWST von CHF 454.10, insgesamt also CHF 6352.10, aus der Gerichtskasse zugesprochen. Art. 135 Abs. 4 StPO bleibt vorbehalten.


Mitteilung an:

- Berufungskläger

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt

- Privatkläger

- Justiz- und Sicherheitsdepartement, Abteilung Strafvollzug

- Strafgericht Basel-Stadt

- Bezirksgericht Brugg

- Strafregister-Informationssystem VOSTRA

- Migrationsamt des Kantons Aargau


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber

lic. iur. Eva Christ Dr. Beat Jucker

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Die amtliche Verteidigung kann gegen den Entscheid betreffend ihre Entschädigung für das zweitinstanzliche Verfahren gemäss Art. 135 Abs. 3 lit. b der Strafprozessordnung (StPO) innert 10 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde beim Bundesstrafgericht (Viale Stefano Franscini 7, Postfach 2720, 6501 Bellinzona) erheben (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 6B_360/2014 vom 30. Oktober 2014).



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