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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:SB.2019.52 (AG.2021.87)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid SB.2019.52 (AG.2021.87) vom 11.11.2020 (BS)
Datum:11.11.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:versuchte schwere Körperverletzung (Beschwerde beim BG hängig)
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 12 StGB ; Art. 122 StGB ; Art. 123 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 140 StPO ; Art. 177 StPO ; Art. 389 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 428 StGB ; Art. 44 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 48 BGG ; Art. 51 StGB ; Art. 66a StGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Dreiergericht



SB.2019.52


URTEIL


vom 11. November 2020



Mitwirkende


lic. iur. Christian Hoenen (Vorsitz),

Dr. phil. und MLaw Jacqueline Frossard, Prof. Dr. Jonas Weber

und Gerichtsschreiberin lic. iur. Barbara Grange




Beteiligte


A____, geb. [...] Berufungskläger

[...] Beschuldigter

vertreten durch [...], Advokat,

[...]


gegen


Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Berufungsbeklagte

Binningerstrasse21, 4001 Basel


B____ Opfer



Gegenstand


Berufung gegen ein Urteil des Strafdreiergerichts

vom 19. Dezember 2018


betreffend versuchte schwere Körperverletzung



Sachverhalt


Mit Strafurteil vom 19. Dezember 2018 wurde A____ der versuchten schweren Körperverletzung schuldig erklärt und zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 20 Monaten, unter Auferlegung einer Probezeit von 2 Jahren, verurteilt sowie für 5 Jahre des Landes verwiesen. Von der Anklage des Diebstahls wurde er freigesprochen. Zudem wurden ihm die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und eine erstinstanzliche Urteilsgebühr auferlegt.


Gegen dieses Urteil hat A____ Berufung erklären lassen und diese mit Eingabe vom 9. September 2019 begründet. Er beantragt die teilweise Aufhebung des Strafurteils, wobei er vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung kostenlos freizusprechen sei und die Freiheitsstrafe sowie die Landesverweisung aufzuheben seien. Für den erlittenen Freiheitsentzug vom 28. Februar bis 17.März2017 sei ihm eine Entschädigung im Sinne einer Genugtuung von CHF200.- pro Hafttag und damit mindestens CHF 4'000.- zu entrichten. Zusätzlich sei ihm für den in diesem Zeitraum erlittenen Erwerbsausfall ein Schadenersatz von CHF 150.- pro Hafttag und damit mindestens CHF 3'000.- zu bezahlen. Aufzuheben seien zudem die Auferlegung der Verfahrenskosten und die erstinstanzliche Urteilsgebühr sowie der Vorbehalt der Rückzahlung der Kosten der amtlichen Verteidigung gemäss Art. 135 Abs. 4 Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0) zu seinen Lasten. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragte er die Befragung von C____, B____, D____, E____, F____ und G____ als Zeugen bzw. im Falle des Opfers B____ eventualiter als Auskunftsperson.


Mit Berufungsantwort vom 16. September 2019 beantragt die Staatsanwaltschaft die kostenpflichtige Abweisung der Berufung und die Bestätigung des erstinstanzlichen Schuldspruchs und Strafentscheids. Sämtliche Beweisanträge seien abzuweisen und es sei das schriftliche Verfahren nach Art. 406 Strafprozessordnung (StPO, SR 3123.0) anzuordnen.


Mit Instruktionsverfügung vom 27. Juli 2020 sind der Berufungskläger und die Staatsanwaltschaft zur Berufungsverhandlung geladen worden. Dem Opfer B____ ist die Teilnahme an der Verhandlung freigestellt und damit der Antrag auf seine erneute Befragung abgelehnt worden. Ebenso sind die Anträge auf Zeugenbefragung des C____, des D____, des E____, des F____ und der G____ abgelehnt worden. Die Ablehnung der Beweisanträge wurde kurz begründet und erfolgte vorbehältlich eines anders lautenden Entscheid des Gerichts.


An der Berufungsverhandlung ist der Berufungskläger zu seiner Person und zur Sache befragt worden und sind sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft zum Vortrag gelangt. Der Verteidiger beantragt nochmals die Befragung der vorgenannten Zeugen und Auskunftsperson mit dem Hinweis, dass darüber in der Beratung zur Strafsache befunden werden könne, wiederholt in der Hauptsache den bereits im Schriftenwechsel geforderten kostenlosen Freispruch und stellt sinngemäss den Eventualantrag auf einen Verzicht des Aussprechens einer Landesverweisung im Falle eines Schuldspruchs. Auch die Staatsanwaltschaft bleibt bei der vorgängig beantragten vollumfänglichen Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils. Das Opfer hat an der Berufungsverhandlung nicht teilgenommen.



Erwägungen


1.

1.1 Das Appellationsgericht ist zuständig für die Beurteilung von Berufungen gegen Strafurteile (§ 91 Abs. 1 Ziff. 1 Gerichtsorganisationsgesetz [GOG, SG 154.100]). Es beurteilt Berufungen gegen Urteile des Dreiergerichts in Strafsachen als Dreiergericht (§92 Abs. 1 Ziff. 1 GOG). Auf die rechtzeitig und formrichtig angemeldete und begründete Berufung ist einzutreten (vgl. Art. 399 StPO).


1.2 Das Berufungsgericht überprüft das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO). Die nicht angefochtenen Inhalte des Strafurteils erwachsen unabhängig davon in Rechtskraft (s. Dispositiv).

2.

2.1 Der Berufungskläger lässt die erneute Befragung des Opfers, B____, sowie der Zeugen C____, D____, E____, F____ und G____ beantragen. Sämtliche angerufene Zeugen sowie das Opfer sind bereits im Vorverfahren befragt worden (act. 274 ff., 279 ff, 305 ff., 324 ff., 355 ff., 401 ff., 471 ff., 502 ff.). B____, C____, E____ und F____ sind ein weiteres Mal an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung durch das Gericht befragt worden (act. 775 ff., 812 ff.).


2.2 Das Rechtsmittelverfahren beruht auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind (Art. 389 Abs. 1 StPO), weshalb der Unmittelbarkeitsgrundsatz im Berufungsverfahren nicht gilt, es sei denn, die vorgängige Beweisabnahme ist mangelhaft (Ziegler/Keller, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar StPO, 2. Auflage 2014, Art. 389 N1). Eine Wiederholung bereits erhobener Beweise ist in Art. 389 Abs. 2 für den Fall vorgesehen, dass Beweisvorschriften verletzt worden sind (lit. a), die Beweiserhebung unvollständig erfolgt ist (lit. b) oder die Akten über die Beweiserhebung unzuverlässig erscheinen (lit. c). Beweisabnahmen können zudem aus im Gesetz nicht genannten besonderen Gründen wiederholt werden. So beispielsweise wenn es sich um einen besonders wichtigen Zeugen handelt oder es in besonderem Masse auf den unmittelbaren Eindruck eines Zeugen ankommt (Ziegler/Keller, a.a.O., Art. 389 N 2).


2.3 Wie bereits in der Instruktionsverfügung vom 27. Juli 2020 dargelegt worden ist, führt die Nichtzulassung der Frage der Verteidigung durch das Strafgericht, ob sich die Zeugen C____, D____ und F____ in ihrer Vergangenheit wegen falscher Anschuldigung zur verantworten hatten, nicht zu einer Unverwertbarkeit ihrer Aussagen (vgl. Art. 141 Abs. 1 i.V.m. Art. 140 StPO). Wohl kann auch die Verletzung wesentlicher Formvorschriften, wie etwa unterbliebene Zeugenbelehrungen, verweigerte Mitwirkungsrechte, nicht gewährte notwendige Verteidigung etc. eine Wiederholung von Beweisabnahmen erforderlich machen. Art. 177 StPO sieht vor, dass Zeugen über ihre Zeugnis- und Wahrheitspflicht und auf die Strafbarkeit eines falschen Zeugnisses aufmerksam gemacht sowie auf ein allfälliges Zeugnisverweigerungsrecht hingewiesen werden müssen. Eine obligatorische Frage nach früheren Verfahren betreffend falsche Anschuldigung findet sich in der Bestimmung hingegen nicht. Art. 177 Abs. 2 StPO statuiert in dieser Hinsicht einzig, dass Zeugen über ihre Beziehungen zu den Parteien und zu weiteren Umständen, die für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen von Bedeutung sein können, zu befragen sind. Ohnehin hat eine materielle Beurteilung der Aussagen nach den üblichen Regeln der Überprüfung ihrer Glaubhaftigkeit zu erfolgen. Dabei gilt das Prinzip der freien Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO). Was die behauptete Bekanntschaft des Zeugen C____ mit dem Opfer B____ zu bedeuten hat, ist somit im Rahmen eben dieser Beweiswürdigung zu besprechen (s. unten E. 3.8). Soweit die Verteidigung gar insinuiert, bei den drei Personen könnte es sich um die eigentliche Täterschaft handeln (Berufungsbegründung S. 14; Prot. HV act. 1004), ist darauf ebenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung einzugehen (s. unten E. 3.6.2). Die Anträge auf erneute Befragung dieser Zeugen sind aus den dargelegten Gründen abzulehnen.


2.4 Ebenfalls bereits mit der genannten Verfügung dargelegt wurde der Umstand, dass weder das Opfer noch die beiden bereits befragten Zeugen D____ und G____ gemäss ihren Aussagen die Tat und damit die Täterschaft beobachten konnten. Im Gegenteil haben alle drei ausgesagt, zur angeklagten Tat mangels Wahrnehmung nichts aussagen zu können. Die Verteidigung argumentiert betreffend D____, dieser sei als Begleiter des Opfers unmittelbar neben diesem gestanden. Er müsse daher den Berufungskläger im Blickfeld gehabt und dessen Verhalten beobachtet haben. Das Berufungsgericht müsse sich aus eigener Wahrnehmung ein Bild davon machen, ob es zutreffen könne, dass D____ nichts gesehen und keinen Streit mitbekommen haben will. Dazu ist festzuhalten, dass es zwar denkbar ist, dass D____ mehr sah, als er bislang angegeben hat. Allerdings kann ihm solches unmöglich nachgewiesen werden. Genauso gut kann es nämlich auch zutreffen, dass er - entsprechend seiner Deposition - « den Schlag nicht gesehen» hat und tatsächlich nur vermutet « dass es dieser Italiener war» (act. 275). Dass seine Aufmerksamkeit im Clublokal mit lauter Musik und lauter Gesprächskulisse gerade im entscheidenden Moment auf anderes gerichtet war, ist durchaus glaubhaft und stimmt im Übrigen mit den Aussagen des Opfers überein, gemäss welchem sich D____ zum Tatzeitpunkt ca. 10 Meter weit vom Opfer entfernt befunden habe und am Tanzen gewesen sei (act. 778). Zudem war D____ nach eigenen Angaben auch alkoholisiert (act. 277), was erfahrungsgemäss zu einer eingeschränkten Wahrnehmung und Erinnerungsfähigkeit führen kann. Wie glaubhaft im Übrigen eine Aussage wäre, nach welcher D____ nun - entgegen früheren Beteuerungen - doch alles ganz genau gesehen hätte, ist mehr als fraglich. Von einer erneuten Befragung ist demnach kein Erkenntnisgewinn zu erwarten. Festzuhalten bleibt einzig, dass D____ den Berufungskläger gerade nicht konkret belastet, obwohl er zum Bekanntenkreis des Opfers gehört.

Analoge Überlegungen gelten für den Antrag auf Befragung von G____. Sie hat angegeben, den Moment, als es zur Körperverletzung kam, «nicht mitbekommen» zu haben (act.474). Auch dies ist aus den obigen Erwägungen heraus nicht zu widerlegen. Würde sie nach Jahr und Tag doch präzise Angaben zu jenem Moment machen, könnte kaum auf diese Aussage abgestellt werden. Es ist deshalb mittels erneuter Befragung kein Erkenntnisgewinn für das Gericht zu erwarten.

Auch das Opfer selbst hat ausgesagt, die Täterschaft nicht gesehen zu haben (act.778; s. unten E. 3.5.1), was insofern überzeugt, als die Körperverletzung von einer hinter dem Opfer stehenden Person erfolgt sein muss (IRM-Gutachten act.640ff.: Haut- und Weichteildurchtrennung linksseitig am Hinterkopf). Auch hier mangelt es demnach an der Aussicht auf einen Erkenntnisgewinn aufgrund einer erneuten Befragung. Die Anträge auf erneute Befragung dieser drei Personen ist folglich ebenfalls abzuweisen.

3.

3.1 Der Berufungskläger ist angeklagt am 28. Januar 2017, um ca. 5:30 Uhr, im [...] Club in Basel, B____, als sich dieser nach einem vorausgehenden verbalen Streit von ihm abgewandt haben soll, mit Wucht von hinten mit einem Trinkglas oder einer Glasflasche auf den Kopf geschlagen zu haben. Dabei habe der Berufungskläger gemäss der Anklageschrift zumindest billigend in Kauf genommen, dem Opfer B____ lebensgefährliche Verletzungen oder eine schwere Schädigung der Gesundheit zuzufügen, insbesondere eine bleibende Beeinträchtigung oder die Zerstörung eines wichtigen Organs. Zudem hätte es aufgrund des Vorgehens des Berufungsklägers zur Durchtrennungen von grossen Gefässen kommen können, was eine Lebensgefahr zur Folge hätte haben können. Wenige Tage nach dem umschriebenen Vorfall habe B____ zudem eine aktive Blutung aus einer kleinen Schlagader erlitten, was ebenfalls zu einem grösseren Blutverlust hätte führen können. An der Hauptverhandlung vom 3. Oktober 2018 ergänzte die Staatsanwaltschaft den Anklagesachverhalt um die Angabe, dass es sich bei der behändigten Glasflasche oder dem behändigten Trinkglas um einen gefährlichen Gegenstand handle (act. 771).


3.2 Das Strafgericht hat die Täterschaft des Berufungsklägers als erstellt erachtet. Allerdings hat es ausgeführt, aus den vorliegenden Beweismitteln lasse sich nicht eruieren, ob es sich bei der Tatwaffe um ein Trinkglas oder eine Glasflasche gehandelt habe, was jedoch offen bleiben könne, da beiden Gegenständen weitgehend dasselbe Verletzungspotential innewohne. Unklar geblieben sei auch, ob der Berufungskläger den gläsernen Gegenstand an den Kopf von B____ geschlagen oder geworfen habe. Gemäss der gutachterlichen Einschätzung seien die Verletzungen des Opfers durch scharfe Gewalteinwirkung entstanden. Die komplexe Konfiguration der Hautdurchtrennung mit mehreren Ausläufern sowie die oberflächliche Hautabtragung um unteren Ende der Verletzung würden zudem auf Scherben hinweisen. Angesichts des Verletzungsbilds müsse davon ausgegangen werden, dass der gläserne Gegenstand am Kopf des Opfers zerschellt sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wie ein gläserner Gegenstand am Kopf eines Menschen bersten und dabei derartige Schnittverletzungen verursachen könne, soweit aus kurzer Distanz geworfen. Auch deute die Aussage des Zeugen C____ auf einen Schlag hin. Obwohl C____ an der Hauptverhandlung seine Aussage im Vorverfahren relativiert habe, sei auf seine tatzeitnähere und mithin glaubhaftere Erstaussage abzustellen, was auch für die Aussagen von E____ zu gelten habe (Strafurteil S. 11 f.). Gestützt auf diese Aussagenwürdigung ist das Strafgericht von einem Schlagen als Tathandlung ausgegangen. Den Vorgang hat das Strafgericht sodann als versuchte schwere Körperverletzung qualifiziert (Strafurteil S. 12).


3.3 Der Berufungskläger lässt ausführen, in objektiver Hinsicht seien die von B____ erlittenen Verletzungen erstellt. Auch sei in Übereinstimmung mit dem Strafgericht aufgrund der darauf vorgefundenen DNA-Spuren des Opfers mit grosser Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es sich entweder bei dem sichergestellten Trinkglas oder bei der sichergestellten Flasche um die Tatwaffe handle. Diese Erkenntnisse vermöchten indessen keinen Hinweis auf die Täterschaft zu liefern. Die Verurteilung des Berufungsklägers basiere einzig auf der nicht haltbaren Beurteilung der zur Verfügung stehenden Aussagen. Gegen die Täterschaft des Berufungsklägers spräche zunächst der Umstand, dass er durch das Opfer in keiner Art und Weise belastet werde. Dies obwohl unwahrscheinlich sei, dass B____ es nicht «mitbekommen hätte», wenn es der Berufungskläger gewesen wäre, der ihn verletzte. Für die Zufügung der Verletzung durch eine (unbekannte) Drittperson spreche auch die Aussage der Zeugin G____, welche die Vorinstanz als unglaubhaft abgetan habe. Hingegen sprächen für die Zufügung der Verletzung durch die Gruppe C____, E____ und F____ deren Verhalten nach dem Ereignis und ihre in sich widersprüchlichen Aussagen. Verräterisch seien insbesondere ihre Änderungen der Aussagen, die das Tatvorgehen betreffen. Für deren Täterschaft spreche auch, dass ausgerechnet nur diese drei Personen überhaupt Angaben zum Tatvorgang hätten machen können. Dass ausser diesen drei Personen niemand anderes der zahlreich im Lokal Anwesenden die Tat beobachten konnte, spreche für eine völlig unerwartete Aktion.


3.4 Es ist unbestritten und es ist mit der Vorinstanz aufgrund der erhobenen Beweise und Indizien davon auszugehen, dass B____ am frühen Morgen des 28. Januar 2017 im [...] Club am linken Hinterkopf eine Haut- und Weichteildurchtrennung erlitt. Im IRM-Gutachten beschrieben wird eine durch den Vorfall zugefügte, ca. 2,5 cm oberhalb des Haaransatzes und ca. 5,5 cm hinter der linken Ohrmuschel liegende sowie ca. 3 cm lange Haut- und Weichteildurchtrennung. In der oberen Hälfte der Haut- und Weichteildurchtrennung und abschliessend mit deren Ende fand sich eine weitere ca. 1,3 mal 1,4 cm lange weitere Haut- und Weichteildurchtrennung mit der Form eines C, welche die grössere Wunde kreuzte, weshalb die gesamte Wunde die Form eines P hatte (IRM-Gutachten act. 644, Foto act. 647). Die nach der Wundversorgung noch sichtbaren Anteile der Verletzungsränder muteten glatt an, weshalb gemäss IRM-Gutachten eine scharfe Gewalteinwirkung angenommen werden könne. Die komplexe Figuration der Hautdurchtrennung mit mehreren Ausläufern sowie die oberflächliche Hautabtragung am unteren Ende der Verletzung würden zudem auf Scherben hinweisen, weshalb sie sich gut mit der Angabe einer Flasche als Tatwerkzeug vereinbaren liessen (IRM-Gutachten act. 645).


Die kriminaltechnische Untersuchung am Tatort förderte eine zerbrochene Glasflasche und ein zerbrochenes Trinkglas zutage (Kriminaltechnischer Untersuchungsbericht [KTA-Bericht] vom 8. Februar 2017 act. 548 ff.; Fotodokumentation der KTA vom 16. Februar 2017 act. 554 ff.). An beiden Gegenständen konnten keine verwertbaren daktyloskopischen Spuren gesichert werden, wohl aber DNA-Spuren des Opfers (KTA-Bericht vom 10. Februar 2017 betreffend Flasche act. 607 ff.; DNA-Spurenauswertung act. 617 ff.; KTA-Bericht vom 7.Juni 2017 betreffend Trinkglas act. 626 ff.; DNA-Spurenauswertung act. 629 ff.). Mit der Vorinstanz ist deshalb davon auszugehen, dass beide Gegenstände das potentielle Tatwerkzeug sein können. Die Frage nach der Täterschaft lässt sich indessen, wie von der Vorinstanz festgestellt, mit diesen Beweisen und Indizien nicht lösen. Somit kommt den Zeugenaussagen eine entscheidende Bedeutung zu. Dies nicht nur in Bezug auf die Feststellung der Täterschaft, sondern auch in Bezug auf das Tatgeschehen.

3.5

3.5.1 B____, das Opfer, hat am 9. Februar 2017 zusammengefasst ausgesagt, er habe einen Schlag von hinten gegen den Hals erhalten. Er habe seine Hand auf die Stelle gehalten und bemerkt, dass er blute. Ihm sei schwindlig geworden und er habe den Club verlassen wollen. Sein Freund, D____, habe den Schlag nicht gesehen und ihn kurz danach gefragt, was vorgefallen sei. Er habe noch seine Jacke geholt, sei dann begleitet von D____ aus dem Club und habe sich davor auf den Boden gelegt. Schliesslich sei der Krankenwagen gekommen. Danach könne er sich an nichts mehr erinnern. Er habe erst im Spital das Bewusstsein wieder erlangt (act. 325 f.). Auf entsprechende Fragen hat B____ angegeben, es habe sich niemand in «Schlagweite» von ihm aufgehalten, als er den Schlag gegen den Kopf erhalten habe. Es sei gut möglich, dass etwas nach ihm geworfen worden sei. Er wisse es nicht (act. 345). An eine Auseinandersetzung mit dem Berufungskläger vor dem inkriminierten Vorfall wollte oder konnte das Opfer sich nicht erinnern (act. 341).

Vor Strafgericht hat er auf die Frage, ob er geschlagen worden sei oder ob der «Gegenstand geflogen» kam, geantwortet: «Ich würde das offen lassen. Aber ich würde sagen, es kam zu fliegen, weil sonst hätte ich es gespürt. Diejenige Person wäre dann ja neben mir gewesen. Aber als ich mich umgedreht habe und rauslief, war der Gang frei. Ich konnte rauslaufen» (act. 780). Auch vor Strafgericht hat er angegeben, es sei vor dem Ereignis nicht zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Berufungskläger gekommen (act. 778).

3.5.2 B____ belastet den Berufungskläger mit seinen Aussagen gar nicht und hat insgesamt glaubhaft dargelegt, dass er aufgrund des von hinten erfolgten Wurfes oder Schlages mit einem gläsernen Gegenstand keine Kenntnis von der Täterschaft hat. Auffällig ist einzig, dass er jegliche Auseinandersetzung mit dem Berufungskläger im Vorfeld seiner Verletzung negiert, obwohl eine solche von Zeugen geschildert (s. unten E. 3.6 ff.) und vom Berufungskläger zugestanden wird (act. 436: er und das Opfer hätten sich in einer Diskussion gegenseitig beleidigt und auch «gschupft»). Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine Auseinandersetzung vor dem inkriminierten Vorfall stattfand.

3.6.

3.6.1 Der Zeuge E____ hat insgesamt dreimal zum angeklagten Vorfall ausgesagt. Noch am Tattag hat er in der polizeilichen Einvernahme (act. 279 ff.) ausgeführt, er habe nicht gesehen, wie B____ und der Berufungskläger sich gestritten hätten. Er habe es erst bemerkt, als es «geknallt» habe. Der «Kleine mit dem Wollpullover» habe etwas ergriffen und eine Schlagbewegung gemacht. Daraufhin habe er (E____) viel Blut beim «Anderen» gesehen (act. 279). Der Täter sei klein und schmal. Er habe eine helle Hautfarbe und sei ca. 25-30 Jahre alt. Auf Nachfrage hat er angegeben, den Täter «vom Gesicht her eher nicht mehr» wiedererkennen zu können. Dieser habe eine schmale Figur und einen grauen Pullover getragen (act. 280). Andere Leute hätten gesagt, der Täter habe einen Gegenstand geworfen und nicht zugeschlagen (act. 282). Für ihn habe es ausgesehen, als würde der Täter das Opfer am Hals packen, dann sei der Knall gekommen. Er habe nur einen Schlag gesehen, danach seien alle zusammen gekommen. Auf Nachfrage hat er erklärt, er wisse nicht, ob der Gegenstand zuvor zerschlagen worden sei. Das Opfer sei «irgendwo am Kopf» getroffen worden, er habe dies nicht genau gesehen. Die Täterschaft sei seitlich vom Opfer gestanden, aus der Sicht des Opfers links. Aufgefordert eine Skizze der Situation zu machen, hat E____ die Täterschaft seitlich in kurzer Entfernung zum Opfer aufgezeichnet (act. 281). Nach dem Knall seien alle zusammen gekommen und der Täter habe gesagt, er habe nichts gemacht. Als das Opfer aufgestanden sei, sei es aggressiv gewesen und sei im Anschluss mit dem Security-Mitarbeiter nach oben gegangen (Begleitung des Opfers wird bestätigt durch Aussage des Security-Mitarbeiters H____ act. 515). Auf Nachfrage hat E____ ausgesagt, nicht selber gehört zu haben, wie die Täterschaft gesagt habe, sie habe nichts gemacht. Der Täter habe aber unschuldig die Hände gehoben, als er vom Securitiy-Mitarbeiter darauf angesprochen worden sei (act. 283 f.; Erheben der Hände wird bestätigt durch Aussage des Security-Mitarbeiters H____ act. 529). Auf weiteres Nachfragen hat er ausgesagt, er wisse nicht, ob der Täter das Opfer auf den Kopf geschlagen habe, aber er habe gesehen, dass «diese kleine Person mit einem Gegenstand auf den anderen losging» (act. 285).

Eine zweite Einvernahme fand am 10.Februar 2017 statt (act. 355 ff.). Auf die Frage, ob er die beteiligten Personen kenne, hat E____ ausgeführt, das Opfer schon einmal gesehen zu haben, aber nicht persönlich zu kennen (act. 356). Er hat sodann seine Wahrnehmung des Vorfalls mit den ersten Angaben übereinstimmend aber detaillierter nochmals in freier Rede geschildert (act. 356 f.). Er hat auf einer Fotografie des Tatorts den Standort des Opfers, der Täterschaft und seinen eigenen (act. 357) übereinstimmend mit seiner ursprünglichen Skizze in der ersten Befragung (act. 281) markiert und erläutert, wie er vor dem Vorfall bereits bemerkt habe, « dass da etwas nicht stimmte. Ich drehte mich zu diesen Leuten Ziff. 2 und 3 (Zahlen entsprechend der Markierung auf der Fotografie) um und schaute hin. Es sah so aus, als ob diese beiden Personen zusammen Stress hatten [ ] Ich schaute danach wieder weg » (act. 356). Als er sich später wieder auf «diese Szene» geachtet habe, habe er wahrgenommen, wie «der Täter eine Bewegung mit seinem Hand/Arm machte». Es habe danach einen Knall gegeben. Der Täter müsse etwas in der Hand gehalten haben, sonst hätte es keinen Knall gegeben. Der Täter sei nach der Tat immer noch dort gestanden und habe «so unschuldig die Hände» gehoben. Von verschiedenen Leuten habe er danach erfahren, dass der Täter mit einem Glas geworfen habe. Er wisse dies aber nicht. «Für mich war es ein direkter Schlag» (act.358). Auf Nachfrage hat er angegeben, dass C____ ihm dies gesagt habe. C____ habe direkt auf «diese Situation» geschaut. C____ habe ihm gesagt, dass ein Glas geworfen worden sei, welches am Metallgeländer zerborsten und ein Stück in den Hals des Opfers gedrungen sei. C____ wolle nicht in die Sache hinein gezogen werden (act. 358). Zuerst sei der Chef vom Club gekommen. Dieser habe den Security-Mitarbeiter gerufen. Der Security-Mitarbeiter sei zur Menschengruppe gegangen und habe das Opfer hinausgeführt. Der Kollege des Opfers sei noch bei der Gruppe geblieben. Der Security-Mitarbeiter sei ca. 10 Minuten später wieder nach unten gekommen und habe den Täter «zusammengeschissen». Das habe er selber so gesehen und gehört. Der Security-Mitarbeiter habe Hochdeutsch gesprochen. Der Täter habe die Hände gehoben und «einen auf unschuldig gemacht». Er habe dann beim Hinausgehen das Opfer vor dem Club gesehen. Der Kollege des Opfers sei beim Opfer gewesen (act. 358 f.). Den Täter hat E____ wiederum als klein, ca. 170 cm, ev. etwas kleiner beschrieben. Dieser habe einen Pulli getragen, an die Farbe könne er sich nicht mehr erinnern. Der Täter sei weisser Hautfarbe und dünn. Er wisse nicht, ob die Polizei an jenem Abend die von ihm erkannte Person verhaftet habe. Er habe die Person nicht erkannt, die von der Polizei abgeführt worden sei (act. 359). Mit C____ habe er sich danach noch einmal unterhalten. Dieser habe ihm gesagt, dass er «es ganz genau gesehen» habe. «So wie es bei mir rüber kam, hat der C____ das Opfer irgendwie nicht so gerne und deshalb wollte er nichts sagen. Aber schlussendlich müssen alle hierher kommen und aussagen» (act 361). Auf dem vorgelegten Fotobogen hat E____ den Berufungskläger nicht identifizieren können (act. 361).

In der Hauptverhandlung konfrontiert mit dem Berufungskläger hat E____ ausgesagt, wegen des Zeitablaufs Erinnerungslücken zu haben (act. 812, 814 ff.), indessen bestätigt, «dass dort etwas geworfen wurde und dass es einen Knall gab, das war so. Kann ich mich noch gut erinnern». Auf Nachfrage hat er angegeben: «Der Täter hatte schon einen Abstand, als er das machte. Sie waren nicht nahe zusammen. Genau, es ist geworfen worden. Aber es war nicht so, dass jemand nahe war und geschlagen hat. Es war schon aus einer Distanz» (act. 815).


3.6.2 Insgesamt ist festzustellen, dass der Zeuge E____ in den ersten beiden Befragungen das Kerngeschehen detailreich und im Wesentlichen gleichbleibend schilderte, wobei die von ihm beobachtete Situation mit dem Securitiy-Mitarbeiter mit dessen Angaben übereinstimmt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Zeuge E____ ein eigenes Interesse daran haben könnte, den Berufungskläger zu Unrecht zu belasten. Im Gegenteil konnte er die Täterschaft zwar beschreiben, den Berufungskläger auf der Fototafel aber nicht erkennen und sagte sehr differenziert aus, dass er die Täterschaft nicht habe zuordnen können, als der Berufungskläger von der Polizei abgeführt wurde. Seine Beschreibung der Täterschaft trifft auf den Berufungskläger zu.

Die Verteidigung zieht die Glaubhaftigkeit dieser Aussagen in Zweifel mit dem Hinweis, dass zwischen E____ und dem Opfer eine «grosse Nähe» bestehe. Im November 2018 sei der Zeuge Mitarbeiter der Firma «[...]» gewesen, deren Inhaber B____ sei. Auf die Frage nach seiner Beziehung zum Opfer hat E____ an der Strafgerichtsverhandlung angegeben, er habe es damals (Januar 2017) nicht gekannt, man habe sich «einfach gesehen, im Club». Seither habe er B____ zwischendurch gesehen und auch mal gefragt, wie es ihm gehe. Über die Aussage hätten sie «nicht gross geredet». B____ habe ihm nicht gesagt, dass «ich das oder das sagen soll» (act. 812). Dies ist umso glaubhafter, als das Opfer selber gar keine Angaben zur Täterschaft machen kann. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb es den Zeugen anhalten sollte, den Berufungskläger als Täterschaft zu benennen. Es wäre für B____ ein Leichtes gewesen, den Berufungskläger mit eigenen Aussagen zu belasten, wenn er ein irgendwie geartetes Interesse daran hätte, ausgerechnet ihn der Tat zu bezichtigen. Daran ändert auch die Internet-Plattform nichts, welche B____ im November 2018/Januar 2019 geschaltet hatte und auf welcher Handwerker aller Art ihre Dienste anbieten, darunter auch der Zeuge E____. Es ist schliesslich unbestritten, dass zwischen E____ und B____ nach dem Vorfall vom Januar 2017 ein näherer Kontakt entstanden ist. Auch sind die Bemühungen des Opfers verständlich, Zeugen für den Vorfall zu finden (s. dazu auch unten E. 3.8.2).

Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag der von der Verteidigung eingebrachte Verdacht, bei E____ oder seinen Kollegen F____ und C____ könnte es sich um die eigentliche Täterschaft handeln, weshalb E____ eine andere Person belaste. Hätte E____ nämlich selber etwas zu verbergen, hätte er sich kaum als Zeuge angeboten, zumal gegen ihn niemals ein Tatverdacht erhoben worden ist und er sich mit Stillschweigen einer Teilnahme am Strafverfahren hätte entziehen können. Im Übrigen sass die Gruppe der Zeugen C____, E____ und F____ gemäss übereinstimmenden Aussagen (s. unten E. 3.7.1, act. 307, 357, 404) am einen Kopfende der Bar auf der anderen Seite des Gehwegs zur Tanzfläche und damit leicht vor und nicht hinter dem Opfer, so dass der Wurf eines gläsernen Gegenstands aus ihrer Richtung das Opfer wohl kaum von hinten getroffen hätte (vgl. act. 281, 307, 357, 404). Das Opfer mit dem Gegenstand zu schlagen, wäre aus dieser Entfernung schon gar nicht erst möglich. Ein Grund, an der Glaubhaftigkeit der Aussagen von E____ zu zweifeln, ist folglich nicht ersichtlich.

3.7

3.7.1 Der Zeuge F____ wurde am 9. Februar 2017 erstmals einvernommen (act. 305 ff.). Er hat ausgesagt: «Ich stand mit meinem Rücken zu den danach beteiligten Personen. Ich spürte plötzlich Glassplitter fliegen. Ich spürte es am Boden, an meinen Schuhen. Ich habe mich umgedreht. Ich sah den Typ, welcher verletzt wurde, dass er noch sass. Es hatte dort Sitzplätze. Auf was der sass, weiss ich nicht mehr. Der Typ stand auf und ich sah, dass er an der linken Halsseite ganz stark blutete. An seiner linken Körperseite, also an seinem Hemd, war bereits alles voller Blut. Ich sah den Täter, welcher mega nervös vor dem Opfer stand. Man merkte, dass es der Täter war» (act. 306). Auf die Frage, woran er die Täterschaft identifiziert habe, hat er erklärt: «Die Security kam runter und da sagte dieser Täter, dass er zuerst eine Faust vom Opfer bekommen hätte. Diesen Faustschlag habe ich jedoch nicht gesehen» (act. 306). Der Täter habe gesagt: «Wenn die Bullen kommen, dann stelle ich mich selber». Diese Aussage sei ihm «im Kopf geblieben». Der Täter habe Schweizerdeutsch gesprochen. Er (F____) sei zusammen mit seinen Kollegen E____ und C____ im Club gewesen (act. 308). E____ habe ihm gesagt, dass er etwas gesehen habe. E____ habe aus dem Augenwinkel gesehen, «wie der Täter etwas mit Glas gegen den Kopf schmiss» (act. 309). F____ hat an der Einvernahme grosse Unsicherheit in Bezug auf seine Erinnerung an das Aussehen des Täters geäussert und diesen zusammengefasst als etwas kleiner als er selbst und damit kleiner als 175 cm beschrieben. Auch sei der Täter schmaler als er selbst. Der Täter habe möglicherweise einen leichten Bartwuchs. Betreffend die Kleidung meinte er sich an eine «normale Jeanshose» und etwas «höhere braune Schuhe» sowie ein langes Hemd mit Streifen zu erinnern. Die Schuhe habe er beachtet, als die Polizei den Täter festnahm. Im Club habe der Täter keine Jacke getragen. «Oben bei der Polizei» habe er eine schwarze, «etwas längere normale Jacke» getragen (act. 309 f.). Auf Nachfrage hat F____ ausgesagt, der Täter habe auf jeden Fall etwas Helles, Langärmliges getragen, entweder ein Pullover oder ein Hemd (act. 311). Das Opfer habe er schon ein paarmal in der Stadt gesehen, kenne es aber nicht. Den Täter habe er noch nie zuvor gesehen. Er (F____) habe keine Probleme und mit der Sache nichts zu tun haben wollen. Auf Nachfrage hat er bestätigt, dass er vor Ort in der Lage gewesen wäre, der Polizei zu sagen, wer der Täter ist. Vielleicht könne er das anhand einer Fotografie immer noch (act. 312). Auf der Fototafel hat F____ den Berufungskläger nicht als Täter identifizieren können (act. 312).

Vor Strafgericht hat F____ zuerst erklärt, sich nicht erinnern zu können. Auf den Hinweis, es ginge um einen Vorfall, bei welchem eine Person ein Glas an den Kopf bekommen habe, meinte er sich nun zu erinnern, wie er an der Bar gesessen sei und «plötzlich hat man gespürt, dass ein Glas explodiert ist. Dann ist ein Herr mit einem weissen Hemd aufgestanden und hat angefangen zu bluten». Er glaube nicht, dass seine Kollegen den Berufungskläger oder das Opfer kannten. Sein Kollege C____ sei neben ihm an der Bar gesessen. Er habe mit dieser Sache nichts zu tun gehabt. Was passiert sei, sei auf der anderen Seite des Gangs vorgefallen. «Dort war so eine Lounge. Derjenige der verletzt wurde, war am Sitzen und da war wie ein Metall hinter ihm, wo man sich stützen kann. Und dann puff, ist ein Glas explodiert. Man hat die Splitter überall gesehen und gespürt. Dann habe ich hingeschaut, er ist aufgestanden und hat angefangen zu bluten». Auf die Frage nach seinem Kontakt zum Zeugen C____ hat er angegeben, sie seien damals vor Ort befragt worden und zwei Wochen später habe er eine Aussage machen müssen. Ob C____ das auch habe machen müssen, wisse er nicht. Er habe keinen Kontakt zu C____, da er (F____) sich seit 1 ½ Jahren in Haft befinde (act. 776).

3.7.2 Der Zeuge F____ konnte die Tat gemäss diesen Depositionen nicht selber beobachten, sondern schloss allein aus den nach dem Vorfall herrschenden Umständen auf die Täterschaft des Berufungsklägers. Dass es sich bei der von ihm als Täter erachteten Person um den Berufungskläger handeln muss, ist aufgrund der Beschreibung als erstellt zu erachten (der Berufungskläger trug zur Tatzeit entweder bei oder auf sich: einen grauen Wollpullover [act. 580 ff.], etwas höhere braune Schuhe [act. 588 ff.], eine blaue Jeans [act. 586 f.] und eine schwarze Jacke [act.578 f.]. Die dunklen Haare trug er zum Tatzeitpunkt kurz geschnitten [Fototafeln Bild 24]. Er ist ca. 170 cm gross, sehr schlank und hellhäutig). Die Aussagen sind in sich stimmig. Ein Grund, weshalb F____ den Berufungskläger wider besseren Wissens belasten sollte, ist entsprechend den Erwägungen zu den Aussagen von E____ nicht ersichtlich (s. oben E. 3.6.2). Ohnehin wäre anzunehmen, dass im Falle einer Absprache mit den Zeugen E____ und C____ nicht eine derart zurückhaltende Aussage vor dem Strafgericht erfolgt wäre, wo F____ sich nur noch äusserst rudimentär zur Sache geäussert hat.


3.8

3.8.1 C____ wurde am 23. Februar 2017 erstmals als Auskunftsperson einvernommen (act. 401 ff.). Er hat ausgesagt: «Ich war auf dem WC und bin dann zur Bar gegangen. Gegenüber waren Sitzplätze. Dort gab es eine Rangelei. Zwei Personen waren involviert. Das waren ein Türke und ein Italiener. Der Geschädigte war der Türke. Aus irgendwelchen Gründen sind sie in Streit gekommen. Dann ist es halt plötzlich passiert. Der Türke hat sich umgedreht. Der Italiener hat dann ein Glas oder eine Flasche genommen und den Türken geschlagen. Der Türke war dann irgendwo am Hals verletzt. Es sind dann gleich Leute gekommen und haben den Italiener zurück gedrängt. Ich habe den gesehen und würde diesen auch wieder erkennen. Ich habe das Ganze von Nahem miterlebt. Der Geschädigte ist sofort nach oben gebracht worden». Er habe sich im Club mit E____ und F____ aufgehalten. Er habe den Täter gesehen und er würde diesen auf einem Foto wiedererkennen. Der Täter sei vor Ort festgenommen worden (act. 402). Den Täter habe er schon ein paar Mal gesehen, das Opfer kenne er flüchtig (act. 405). Der Täter sei dünn und nicht sehr gross, habe blaue Augen und bleiche Haut. Er habe glaublich einen schwarzen Pullover getragen und eine Igelfrisur. Der Täter sei nicht sehr kräftig, sondern eher schmächtig. Er glaube zu wissen, dass der Täter A____ heisse. Das Opfer und der Täter hätten miteinander diskutiert. Sie seien bei diesem Streit ca.30 cm auseinander gestanden. Der Türke sei zurück gewichen und habe sich nicht auf einen Streit oder eine Konfrontation einlassen wollen. Das Opfer habe sich umgedreht und der Italiener habe zugeschlagen (act. 405). Der Täter habe mit einer Flasche oder einem Glas zugeschlagen, welches er schon in der Hand gehabt habe. Der Täter habe glaublich mit der rechten Hand geschlagen. Der Täter habe den Gegenstand «mit Wucht herübergezogen. Ich weiss nicht, ob er den Gegenstand losgelassen hat. Ich glaube aber schon». Mit der Aussage von E____ konfrontiert, wonach er (C____) gesagt haben soll, das Glas sei am Geländer zerschlagen, hat C____ erklärt: «Die (Aussage) ist ein bisschen komisch. Aber es ist nicht unmöglich. Es ist eine Lounge. Es hat dort überall Geländer. Ich kann nur sagen, dass er die Flasche mit Wucht gegen das Opfer gehauen hat. Ob er die Flasche dann losgelassen hat und die weggeflogen ist, kann ich nicht sagen. Zudem war E____ an diesem Abend recht betrunken» (act. 406). Der Italiener sei aufgefallen, habe «herumplakiert» (act. 407). Der Täter sei sofort vom «Türsteher oder von Leuten» festgehalten worden. Der Täter hätte keine Chance gehabt zu gehen, auch wenn er dies gewollt hätte (act. 408). C____ hat angegeben, den Vornamen des Berufungsklägers zu kennen, weil bei ihm auf facebook zufällig der Berufungskläger als Kontaktvorschlag erschienen sei. Er kenne diesen nicht persönlich (act. 408). Er kenne das Opfer B____ eigentlich nicht richtig. Man habe gemeinsame Kollegen und habe sich schon mal auf einer Party gesehen. Er habe aber noch nie ein richtiges Gespräch mit B____ geführt. Wenn er diesen alleine sehe, grüsse er ihn nicht einmal (act. 409). Auf den Fototafeln hat C____ den Berufungskläger als Täterschaft identifizieren können (act. 410).


An der Konfrontationseinvernahme vom 16. März 2017 (act. 502 ff.) hat sich C____ offensichtlich schwer damit getan, seine den Berufungskläger belastenden Aussagen zu wiederholen. Er hat darauf hingewiesen werden müssen, dass ihm in Bezug auf Aussagen gegen den Berufungskläger kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (act. 505). Schliesslich hat er angegeben, bereits die Auseinandersetzung zwischen dem Berufungskläger und B____ gesehen zu haben (act. 506 f.). Auf Frage hat er erklärt, nicht exakt schildern zur können, wie es schliesslich zur Verletzung des Opfers gekommen sei, aber er habe es «visuell beobachtet». Auf B____ sei ein Glas geschossen worden (act. 507). «Es war ein Glas. Er hat es geworfen, nicht geschlagen» (act. 508). Trotz dem Hinweis, er habe bei der letzten Einvernahme von einer Flasche gesprochen, ist C____ bei der Angabe geblieben, es habe sich um ein Glas gehandelt und hat (zu Recht) darauf verwiesen, bei der ersten Einvernahme von einem Glas oder einer Flasche gesprochen zu haben (act. 508 f.). Weiter hat er geschildert, der Berufungskläger sei nach dem Ereignis schockiert gewesen (act. 509 f.). Auf entsprechende Frage des Verteidigers hat er ausgesagt, er habe nach der Tat gegenüber der Polizei behauptet, nichts gesehen zu haben, weil er die Parteien nicht gekannt und die Sache ihn nicht interessiert habe, was immer noch der Fall sei. Er habe dann allerdings eine Nachricht von der Staatsanwaltschaft erhalten und aussagen müssen, ansonsten er sich strafbar gemacht hätte (act. 511).


Vor Strafgericht hat C____ ausgesagt: «Ich war mit Kollegen dort. Irgendwann haben zwei angefangen zu rangeln. Es wurde etwas handfest. Irgendwann wurde geschubst und dann hat einer eine Flasche auf den anderen geschmissen. Die Flasche ist zerplatzt und hat den anderen verletzt. Die Polizei hat uns alle separiert» und «Zuerst wurde gerangelt, dann habe ich geschaut, dann wurde noch mehr gerangelt. Die zwei sind irgendwie noch mehr in einen Streit gekommen. Irgendwie haben sie angefangen Abstand zu nehmen. Ich glaube sie haben sich gegenseitig geschubst, so dass der andere gegen die Stange der zweiten Lounge gefallen ist. Und der, glaube ich, ein bisschen weiter zurück. Und dann hat er die Flasche geschossen». Auf Nachfrage des Gerichts gab er an: «Ja, ich habe gesehen, dass geworfen wurde» (act. 817). Auf weitere Fragen hat er ausgeführt, es habe sich eher um ein Werfen als ein Schlagen gehandelt. Bei der Auseinandersetzung seien die beiden nahe beieinander gestanden. Als die Flasche geworfen worden sei, seien sie 3 bis 4 Schritte voneinander entfernt gestanden. Die Flasche sei kaputt gegangen und durch das Zersplittern sei es zur Schnittwunde des Opfers gekommen. Weiter hat er angegeben: «Ich glaube, ich habe es auch schon erwähnt, als das passiert ist, war der Täter selbst etwas schockiert. Ich kann es nicht genau beschreiben, es war als wäre es ein Gedanke, der einfach rauskam. Er hat nachher nicht weitergemacht. Es haben sich Leute eingemischt, aber er hat sich nicht gewehrt. Ich glaube, er hat realisiert, dass er etwas Falsches gemacht hat» (act. 818). Auf Nachfrage hat er deponiert, nicht zu wissen, ob es sich beim Tatobjekt um eine Flasche oder ein Glas gehandelt habe (act. 820).


3.8.2 C____ Depositionen sind detailreich, in sich stimmig und stimmen im Wesentlichen mit den Angaben seiner beiden Kollegen überein. Er räumte Unsicherheiten ein und wies insbesondere darauf hin, dass er eigentlich mit der Sache nichts zu tun haben wolle. Deshalb habe er auch den Vorladungen zur Einvernahme zuerst keine Folge geleistet. Er habe schon unmittelbar nach dem Vorfall stundenlang warten müssen, bei einer Einvernahme sei es dann nochmals Stunden gegangen. Das sei einfach mühsam für etwas «wo ich nicht drin sein wollte». Auf Nachfrage warum nicht, hat er erklärt, der Club sei voll gewesen, es sei mitten im Club passiert und wenn zehn Leute dasselbe sagen würden, brauche es nicht noch einen elften (act.818 f.). Dass tatsächlich niemand ausser seinen beiden Kollegen zum Vorfall etwas sagen konnte oder wollte, bedachte er bei seinem Vorgehen offenbar nicht. Allerdings ändert dies nichts daran, dass er angesichts der Vielzahl der Clubgänger, deren Personalien am Tatort aufgenommen wurden, davon ausgehen konnte, es existierten weitere Zeugen. Seine Aussagen erklären folglich plausibel, weshalb er sich zunächst nicht als Zeuge anbot, sondern es am Tatort dabei beliess, seine Personalien anzugeben und sich fotografieren zu lassen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Opfer B____ sich offenbar erhoffte, dass es Zeugen für den Vorfall gibt und entsprechend in seinem Umfeld Fragen stellte. Das Opfer, welches gemäss eigenen Angaben die Täterschaft gerade nicht sah, hat zu seiner Motivation nämlich in nachvollziehbarer Weise erklärt, dass es schlimm sei, wenn man nicht wisse, wer es war. Deshalb habe er alles Interesse daran gehabt, jemanden ausfindig zu machen, der etwas gesehen habe (act. 779). Dass C____ überhaupt vorgeladen werden konnte, hängt zudem mit den Aussagen seines Kollegen E____ zusammen. Dieser hat am Tattag auf die Frage, wer noch Aussagen zum Vorfall machen könne, geantwortet: «Mein Kollege F____. Mein Kollege C____ hat gesagt, er habe nichts gesehen» (act. 285). Dies passt zur Aussage des C____, wonach er nichts mit der Sache zu tun haben wolle. Erst in der Einvernahme vom 10. Februar 2017 hat E____ ergänzt, zwischenzeitlich mit C____ gesprochen zu haben, wobei dieser ihm gesagt habe, die Tat genau gesehen zu haben. Aus diesem Verlauf der Aussagen kann abgeleitet werden, dass C____ eigentlich nicht aussagen wollte und dies gegenüber E____ mit der Angabe manifestierte, er habe nichts gesehen, später allerdings wiederum gegenüber E____ zugab, die Tat beobachtet zu haben. Weder die Glaubhaftigkeit der Aussagen von E____ noch die Glaubhaftigkeit der Aussagen von C____ erscheinen dadurch in Frage gestellt. Im Gegenteil haben beide Zeugen übereinstimmend dargelegt, wie es zu ihrem Aussageverhalten und ihren Aussagen gekommen ist. Dass C____ den Berufungskläger bei der Konfrontationseinvernahme offensichtlich nur ungern belastete, liegt in der Natur der Sache. Es ist gerichtsnotorisch, dass es für die Zeugen schwieriger ist, belastende Aussagen in Anwesenheit der dadurch belasteten Person zu tätigen. Immerhin hat C____ auf die Richtigkeit seiner früheren Depositionen verwiesen und schliesslich doch noch Angaben zu seinen damaligen Beobachtungen getätigt. Weitere Gründe, weshalb C____ den Berufungskläger wider besseren Wissens belasten sollte, sind entsprechend den Erwägungen zu den Aussagen von E____ nicht ersichtlich (s. oben E. 3.6.2).

3.9 C____, der die Tat gemäss seinen Aussagen direkt beobachtete, konnte den Berufungskläger auf der Fototafel als Täter identifizieren und die von E____, der die Tat ebenfalls gesehen haben will, getätigte detaillierte Täterbeschreibung trifft auf den Berufungskläger zu. Aufgrund der Umstände ging auch F____ von der Täterschaft des Berufungsklägers aus. Auch seine Täterbeschreibung trifft - abgesehen von der Beschreibung eines gestreiften hellen Hemds - auf den Berufungskläger zu. Hinzu kommt, dass auf der Kleidung des Berufungsklägers Blutanhaftungen des Opfers festgestellt werden konnten, womit erstellt ist, dass er sich zum Tatzeitpunkt in der Nähe des Opfers aufgehalten haben muss (act.578ff.; 594 ff.). Im Übrigen sind die Erklärungen des Berufungsklägers, wie das Blut an seine Kleidung gekommen sein soll, wie die Vorinstanz ausführlich dargelegt hat, äusserst unglaubhaft (Strafurteil S. 10 f.; act. 446, 821). Gestützt auf die Zeugenaussagen und die dazu passenden Blutanhaftungen an der Kleidung des Berufungsklägers kann die Täterschaft des Berufungsklägers folglich als erstellt erachtet werden.


3.10 Hingegen folgt das Berufungsgericht den Ausführungen der Vorinstanz nicht, wenn diese aufgrund des Verletzungsbildes und der Zeugenaussagen davon ausgeht, dass der gläserne Gegenstand vom Berufungskläger gegen den Hinterkopf- und Nackenbereich des Opfers geschlagen und nicht geworfen worden sein muss.


Das Berufungsgericht stellt im Gegensatz dazu fest, dass E____ bereits in der Einvernahme am Tattag aussagte, andere Personen hätten gesagt, der Täter habe einen Gegenstand geworfen und nicht zugeschlagen. Auch gab er auf Nachfrage an, nicht zu wissen, ob die Täterschaft das Opfer auf den Kopf geschlagen habe, sondern gesehen zu haben, wie der Täter mit einem Gegenstand auf das Opfer losgegangen sei. In seiner zweiten Einvernahme erklärte er, eine Bewegung des Täters mit dessen Arm oder Hand wahrgenommen zu haben. Er wiederholte, er habe dies als Schlag interpretiert aber von anderen Leuten erfahren, dass der Gegenstand geworfen worden sei. C____ sprach in seiner ersten Einvernahme zwar zuerst von einem Schlagen des Täters mit einem Glas oder einer Flasche. Er sagte allerdings auch, dass der Täter den Gegenstand mit Wucht herübergezogen habe, er aber nicht wisse, ob der Täter den Gegenstand losgelassen habe. Allerdings glaube er, dass dem so sei. In den beiden späteren Aussagen gab er sodann unmissverständlich an, der Gegenstand sei geworfen worden. Damit ist erstellt, dass der mögliche Wurf des gläsernen Gegenstands von beiden Zeugen bereits in deren ersten Einvernahmen thematisiert und keineswegs ausgeschlossen wurde. Auch das Opfer selbst hielt auf Grund der Tatumstände einen Wurf für wahrscheinlicher, da es andernfalls die Täterschaft aufgrund der für das Schlagen erforderlichen körperlichen Nähe wohl bemerkt hätte. Es ist deshalb zugunsten des Berufungsklägers davon auszugehen, dass er den gläsernen Gegenstand nicht wie in der Anklage geschildert mit Wucht auf den Kopf von B____ schlug, sondern diesen nach ihm warf (zu geringfügigen Abweichungen vom Anklagesachverhalt, die im Vorverfahren und/oder der Verhandlung thematisiert worden sind, s.: Niggli/Heimgartner, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar StPO, 2. Auflage 2014, Art. 9 N 53 und Art. 350 N 9). Dass der Gegenstand nach dem Wurf zuerst am Geländer oder sonstwo zerbarst, kann dabei ausgeschlossen werden, da das Opfer den Aufprall des Gegenstands am Kopf spürte, was es mehrmals mit einem «Schlag» beschrieb und, wie von der Vorinstanz festgestellt, auch das Verletzungsbild gegen einen solchen Vorgang spricht.


3.11 Mit dem IRM-Gutachten ist gleichzeitig erstellt, dass B____ aufgrund dieses Vorfalls eine Schnittverletzung im Kopf- und Nackenbereich erlitt, die ihn zu keinem Zeitpunkt in eine unmittelbare Lebensgefahr brachte (IRM-Gutachten act.645 f.; s. oben E. 3.4). Allerdings führt der Gutachter aus, eine potentielle Lebensgefahr habe bestanden, da die beschriebene Gefässverletzung zu einem grösseren Blutverlust hätte führen können. Auch hätte es bei der Einwirkung eines scharfen Gegenstands insbesondere im Bereich des Halses (theoretisch) zur Durchtrennung von grossen Blutgefässen kommen können (IRM-Gutachten act. 646). Die tatsächlich zugeführte Schnittverletzung ist allerdings als einfache Körperverletzung zu bewerten, nachdem sie in tatsächlicher Hinsicht zu keinem Zeitpunkt lebensbedrohlich war, aufgrund ihrer Lage das Opfer nicht bleibend entstellt (die Narbe wird zwischenzeitlich mit Haar überdeckt sein) und auch sonst keine bleibende Beeinträchtigung für das Opfer zur Folge hatte (vgl. Ege, in: Graf [Hrsg.], StGB Annotierter Kommentar, 1. Auflage 2020, Art. 123 N 1).


3.12 Der Berufungskläger führte die Tat mittels dem Werfen eines gläsernen Gegenstands aus, weshalb zu prüfen ist, ob er dazu einen gefährlichen Gegenstand im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 StGB verwendet hat. Diese Art der Tatbegehung gilt als qualifiziert, weil damit die Gefahr der Zufügung einer schweren Körperverletzung aufgrund des verwendeten Tatmittels steigt. Gläserne Gegenstände, namentlich Gläser und Flaschen, werden von der Rechtsprechung regelmässig als gefährliche Gegenstände im Sinne des Gesetzes qualifiziert (s. Beispiele für den qualifizierten Tatbestand mit Verweis auf Entscheide des Bundesgerichts, wo geworfene Biergläser und Flaschen explizit aufgeführt werden: Roth/Berkemeier, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht II, 4. Auflage 2019, Art. 123 StGB N 21, Ege, a.a.O. Art. 123 N 7). Aufgrund der potentiellen Bruchgefahr beim Werfen eines Glases oder einer Flasche gegen eine Person ist die die Qualifikation auch im vorliegenden Fall zu bejahen. Der Berufungskläger beging folglich durch den Wurf des gläsernen Gegenstands auf B____ in objektiver Hinsicht eine einfache Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand gemäss Art. 123 Ziff. 2 StGB, welche allerdings potentiell lebensgefährlich war. Ob dabei der (Eventual)vorsatz auf die Begehung einer schweren Körperverletzung gerichtet war, ist eine Frage der Beurteilung des subjektiven Tatbestands, nachdem in tatsächlicher Hinsicht eine einfache Körperverletzung aus der Tathandlung resultierte. Mithin kann der subjektive Tatbestand gegebenenfalls zur Verurteilung wegen versuchter schwerer Körperverletzung führen, entsprechend der Würdigung durch die Vorinstanz.


3.13

3.13.1 Das Strafgericht hat - von einem Schlagen mit dem gläsernen Gegenstand ausgehend - in Bezug auf den subjektiven Tatbestand erwogen, auch einem medizinischen Laien sei klar, «dass ein Schlag mit einem massiven gläsernen Gegenstand gegen den Kopf eines Menschen - insbesondere in der Halsregion - zu schweren Verletzungen führen kann» (Strafurteil S. 13). Solches habe der Berufungskläger demnach zumindest in Kauf genommen, als er mit einer derartigen Wucht gegen den Nacken des B____ geschlagen habe, dass das Schlagobjekt zerborsten sei. Der Schlag und die Folgen seien umso unberechenbarer gewesen, als der Berufungskläger auch damit habe rechnen müssen, dass das Opfer (wohl im Moment der Tat) sich bewegt. Aus den äusseren Umständen sei deshalb auf einen Eventualvorsatz des Berufungsklägers auf schwere Körperverletzung zu schliessen.


3.13.2 Neu ist aufgrund des berufungsgerichtlichen Beweisergebnisses vom Werfen eines gläsernen Gegenstandes durch den Berufungskläger gegen B____ auszugehen, wobei der Berufungskläger nach übereinstimmenden Aussagen der Zeugen etwas nach links versetzt hinter dem Opfer stand. Die genaue Wurfdistanz ist nicht bekannt. C____ gab an, der Berufungskläger habe sich ca. 3 bis 4 Schritte vom Opfer entfernt aufgehalten. Dies erscheint aufgrund der Örtlichkeit und der vom Opfer und den Zeugen beschriebenen Situation unmittelbar vor der Tat durchaus realistisch. Dies auch weil das Opfer aussagte, keine Person in unmittelbarer körperlicher Nähe zu sich bemerkt zu haben. Es ist demnach davon auszugehen, dass sich der Berufungskläger nur wenige Schritte hinter B____ befand, als er den gläsernen Gegenstand nach ihm warf. Aufgrund der Tatsache, dass der gläserne Gegenstand am Körper des B____ zerbrach, ist von einer gewissen Heftigkeit des Wurfes auszugehen.


3.13.3 Da der Berufungskläger die Tat bestreitet, ist nicht bekannt, was er mit seinem Vorgehen konkret bezwecken wollte, sondern liegt einzig das Resultat seines Handelns vor. Es ist folglich mit Hilfe von Erfahrungsregeln, Durchschnittsurteilen und Alltagstheorien aus den äusseren Umständen, insbesondere dem Hergang der Tat, ein Rückschluss auf seine innere Einstellung zu ziehen (Niggli/Maeder, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht II, 4. Auflage 2019, Art. 12 StGB N 60). Um den Vorsatz der versuchten schweren Körperverletzung zu erfüllen, muss er deren Zufügung zumindest in Kauf genommen haben. Allerdings genügt es nicht ohne Weiteres, dass eine Tathandlung abstrakt geeignet ist, eine schwere Körperverletzung i.S.v. Art. 122 StGB herbeizuführen, um (Eventual-)Vorsatz des Täters hinsichtlich einer der in Art. 122 StGB beschriebenen Folgen anzunehmen. Dies ergibt sich bereits aus dem Tatbestand der qualifiziert einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB, der gerade der besonderen Gefährlichkeit der Tathandlung Rechnung trägt. Die Körperverletzung muss für die Annahme eines (Eventual)Vorsatzes auf schwere Körperverletzung mit einem Tatmittel (Gift, Waffe oder gefährlicher Gegenstand) verübt werden, das ein hohes Risiko einer schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB bewirkt. Eine versuchte schwere Körperverletzung wird in der Praxis bei bestimmten Handlungsverläufen, so etwa dem Zuschlagen mit einem bereits zerbrochenen gläsernen Gegenstand, regelmässig angenommen, auch wenn objektiv keine schwere Körperverletzung durch die Tat verursacht wurde (Ege, a.a.O., Art. 122 N 6; BGer 6B_161/2016 vom 12. Oktober 2016 E. 1.4.2; BGer 6B_873/2018 vom 2. Februar 2019 E. 1.3.1). Eventualvorsatz genügt auch für die Zufügung einer einfachen Körperverletzung. Bedient sich die Täterschaft eines gefährlichen Gegenstands, hat ihr (Evenual)Vorsatz auch das Qualifikationsmerkmal zu umfassen (Ege, a.a.O., Art. 123 N 10).


3.13.4 Durch den Wurf eines gläsernen Gegenstands in Richtung des hinteren Kopf- und Nackenbereichs einer Person aus einer Distanz von wenigen Schritten ist gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung keineswegs beinahe zwingend mit dem Zerbrechen dieses Gegenstands unmittelbar beim Aufprall zu rechnen. Dies hat nebst anderem die Vorinstanz dazu bewogen, von einem Schlagen anstelle eines Werfens als Tatvorgang auszugehen. Es kann nämlich durchaus erwartet werden, dass der gläserne Gegenstand an der aus kurzer Distanz beworfenen Person abprallt, zu Boden fällt und erst nach dem Aufprall auf den Boden zerbricht. Dies wäre wohl insbesondere beim Wurf einer Flasche, deren Glas deutlich dicker ist als dasjenige eines Trinkglases, eher zu erwarten. Es ist deshalb zugunsten des Berufungsklägers davon auszugehen, dass er den tatsächlichen Verlauf seiner Handlung nicht vorhersah. Dafür spricht, dass er von den Zeugen C____ und E____ als nach der Tat «schockiert» beschrieben wurde, was darauf hinweist, dass ihn das Resultat seiner Handlung überraschte. Dass das Opfer sich aber auch im Falle eines stumpfen Traumas, namentlich wenn der gläserne Gegenstand es zwar getroffen aber nicht gleichzeitig zerbrochen wäre, eine einfache Körperverletzung hätte zuziehen können, liegt demgegenüber auch für den medizinischen Laien auf der Hand. So hat ein dumpfer Aufschlag gegen den Kopf mit einem harten Gegenstand, welcher mit einer gewissen Wucht geworfen wurde, erfahrungsgemäss etwa ein Hämatom und/oder eine Hirnerschütterung zur Folge, woraus längere Zeit andauernde Schmerzen und Einschränkungen resultieren können (zur Qualifikation von Hämatomen als einfache Körperverletzung vgl. Fallbeispiele in: Roth/Berkemeier, a.a.O. Art. 123 StGB N 57). Es ist deshalb aufgrund der Tatumstände davon auszugehen, dass der Berufungskläger sehr wohl eine einfache Körperverletzung beim Opfer in Kauf nahm. Hingegen kann aufgrund des Wurfes mit einem intakten gläsernen Gegenstand aus kurzer Distanz gegen den hinteren Kopf- und Halsbereich des Opfers, anders als etwa beim Schlag mit einer bereits zerbrochenen Flasche oder einem bereits zerbrochenen Glas in das Gesicht oder die (insbesondere vordere) Halsregion, nicht von einer derart naheliegenden Möglichkeit einer potentiell schweren Körperverletzung ausgegangen werden, dass ein solcher Verlauf im Eventualvorsatz bereits enthalten erscheint. Die potentielle Gefahr war im vorliegenden Fall mithin einzig abstrakt. Dass einem gläsernen Gegenstand als Wurfobjekt aber eine besondere Gefahr innewohnt, dieser nämlich bei entsprechender Nutzung ein gefährlicher Gegenstand ist, ist gerade wegen der potentiellen Bruchgefahr, die sich in casu tatsächlich verwirklichte, offensichtlich. Der Berufungskläger hat mit seiner Handlung deshalb die Verwirklichung einer einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand zumindest in Kauf genommen, nicht aber die Zufügung einer schweren Körperverletzung. Er ist deshalb der einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand schuldig zu erklären.


4.

4.1 Aufgrund des zugunsten des Berufungsklägers abgeänderten Schuldspruchs ist über das Strafmass neu zu befinden. Gemäss Art. 123 Ziff. 2 StGB ist für eine begangene Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand eine Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren oder eine Geldstrafe auszusprechen. Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB bemisst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Täterkomponenten). Gemäss Art. 47 Abs. 2 StGB wird das Verschulden nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (Tatkomponenten).


4.2 Das Opfer hat eine einfache Körperverletzung erlitten, deren Ausmass innerhalb dieses Tatbestandes, wie bereits das Strafgericht ausgeführt hat, im mittleren Bereich der objektiven Tatschwere anzusiedeln ist, zumal B____ viel Blut verlor und die Wundheilung in der Folge auch nicht ohne Schwierigkeiten verlief (act.427 ff.). Das Handeln des Berufungsklägers erscheint insofern verwerflich, als er aus einem nichtigen Grund, wohl wegen der vorgehenden Auseinandersetzung, das Opfer verletzte und die Tat wortwörtlich «hinterhältig», nämlich von hinten, beging und dem Opfer somit keine Reaktionsmöglichkeit einräumte. Zu Recht hat die Vorinstanz dazu weiter bemerkt, dass er in der Enge des Clubs mit seinem Handeln auch unbeteiligte Personen einer potentiellen Gefahr aussetzte. Er handelte allerdings nicht geplant. Vielmehr legen die Tatumstände eine Kurzschlussreaktion nahe, wovon auch das Strafgericht ausgegangen ist. Es ist bei der Strafzumessung zudem neu zu beachten, dass der Vorsatz des Berufungsklägers nicht auf die Zufügung einer Schnittverletzung gerichtet war, auch wenn sie aufgrund der Benützung eines gläsernen Gegenstands im Eventualvorsatz als enthalten gelten muss. Das Tatverschulden wiegt damit insgesamt mittelschwer, wobei der vom Berufungskläger wohl nicht gewollte Glasbruch und die damit einhergehende Verursachung einer Schnittwunde das Festlegen der Strafe im unteren mittleren Bereich des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens rechtfertigt. Das Strafmass ist vor Berücksichtigung der Täterkomponenten auf 14 Monate festzulegen.


Betreffend die Täterkomponente ist festzuhalten, dass der Berufungskläger zur Tatzeit stark alkoholisiert (act. 663) und damit wohl enthemmt und aggressiv war, was die unüberlegte Tat sicherlich begünstigte, wenn nicht gar ursächlich dafür war. Dies kann leicht entlastend berücksichtigt werden. In Bezug auf die Täterkomponenten hat das Strafgericht die beiden Vorstrafen ebenfalls als nur leicht belastend gewertet, zumal sie längere Zeit zurückliegen und nicht einschlägig sind (act. 11). Einzige Parallele ist, dass der Berufungskläger die Strassenverkehrsdelikte ebenfalls unter Alkoholeinfluss beging, worin sich ein gewisser Kontrollverlust in betrunkenem Zustand manifestiert. Sein sonstiges Vorleben ist als unauffällig zu bewerten. Auch das Abstreiten der Tat im Strafverfahren kann ihm nicht schaden, da er dabei einzig von einem ihm im Strafverfahren zustehenden Recht Gebrauch machte. Der Vorinstanz folgend, darf zu seinen Gunsten das zum Tatzeitpunkt erst vor kurzem eingetretene Versterben seines Vaters gewertet werden, was gemäss den Angaben des Berufungsklägers auch Ursache für den hohen Alkoholkonsum war (act. 443). Die Strafe wirkt sich auf das Leben des Berufungsklägers nicht aussergewöhnlich hart aus. Zwar ist er seit Kurzem Vater eines Kleinkindes, nimmt aber keine regelmässige Betreuungstätigkeit wahr, zumal das Kind bis anhin ohnehin im Ausland lebt. Die be- und die entlastenden Täterkomponenten wiegen sich insgesamt auf und es bleibt bei einem Strafmass von 14 Monaten.


Das Strafmass von 14 Monaten lässt das Aussprechen einer Geldstrafe gemäss Art.34 Abs. 1 StGB nicht mehr zu. Dies auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Tat im Jahr 2017 stattfand, weshalb nach der altrechtlichen Bestimmung eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zulässig war und im Sinne des milderen Gesetzes die altrechtliche Bestimmung zur Anwendung kommt. Ohnehin erscheint auch im Sinne der Spezialprävention das Aussprechen einer Freiheitsstrafe angezeigt, zumal die in den Jahren 2012 und 2013 ausgesprochenen Geldstrafen den Berufungskläger offenbar wenig beeindruckt haben. Dies obwohl die zweite und höhere Geldstrafe vollziehbar erklärt wurde.


Schliesslich hat sich der Berufungskläger seit der Tat wohlverhalten und es gibt keine Hinweise darauf, dass der Vollzug der Strafe notwendig erscheint, um weiterem kriminellem Verhalten entgegen zu wirken. Ohnehin würde die Anordnung einer zu vollziehenden Freiheitsstrafe gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil, mit welchem die (höhere) Freiheitsstrafe ebenfalls bedingt ausgesprochen wurde, eine unzulässige Schlechterstellung des Berufungsklägers bewirken. Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist deshalb aufzuschieben und es ist eine Probezeit von 2 Jahren festzulegen (Art. 42 Abs. 1 i.V.m. Art. 44 Abs. 1 StGB).


5.

Die Erfüllung des Tatbestands der einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand hat keine obligatorische Landesverweisung zur Folge (vgl. Katalogtaten in Art. 66a StGB). Eine fakultative Landesverweisung kann nach Art. 66abis StGB ausgesprochen werden, wenn ein Ausländer eines Verbrechens oder Vergehens schuldig erklärt wird, welches nicht als Katalogtat in Art. 66a StGB figuriert. Als italienischer Staatsangehöriger ist der Berufungskläger dem Freizügigkeitsabkommen (FZA) unterstellt. Es scheint fraglich, ob nicht bereits Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA einer Landesverweisung entgegensteht, da der Berufungskläger aufgrund dieser Bestimmung wegen der Begehung eines Deliktes nur des Landes verwiesen werden kann, wenn sich eine solche aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit rechtfertigt. Dabei kann ein geringes, aber tatsächlich vorhandenes Rückfallrisiko für eine aufenthaltsbeendende Massnahme im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA genügen, sofern dieses Risiko eine schwere Verletzung hoher Rechtsgüter wie z.B. die körperliche Unversehrtheit betrifft. Die von der ausländischen Person ausgehende Gefährdung hat dabei gegenwärtig zu sein, wobei dies gemäss der Rechtsprechung nicht bedeutet, dass weitere Straftaten mit Sicherheit zu erwarten sind oder umgekehrt auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden müssen (BGE 145IV55 S. 63 E. 4.4). Die Vorinstanz hat betreffend die obligatorische Landesverweisung zu Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA erwogen, die Lebenssituation des Berufungsklägers habe sich seit dem inkriminierten Vorfall nicht verbessert. Im Gegenteil sei seither noch die Arbeitslosigkeit als Frustrationsquelle hinzu gekommen, weshalb ein erhöhtes Risiko bestehe, dass der Berufungskläger zukünftig unter Alkoholeinfluss erneut Delikte im Bereich der Verletzung der physischen Integrität anderer begehen werde (Strafurteil S. 16). Der Berufungskläger hat seither zumindest eine Teilzeitarbeit gefunden (Arbeitsvertrag act. 966) und ist Vater einer Tochter geworden, die allerdings mit der Kindsmutter in Spanien lebt, da dem Berufungskläger gemäss den Angaben seines Verteidigers der beantragte Familiennachzug wegen des laufenden Strafverfahrens verweigert worden sei (Prot. HV act.1002). Die von der Vorinstanz befürchtete Frustrationsquelle der Arbeitslosigkeit ist demnach weggefallen und die neu hinzu gekommene Vaterschaft sowie die damit einhergehende Verantwortung hat idealerweise nebst der der Einbindung in die Arbeitswelt ebenfalls einen stabilisierenden Effekt auf den Berufungskläger. Die Frage nach der Zulässigkeit einer fakultativen Landesverweisung unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA kann allerdings offen bleiben, da sich das Aussprechen einer fakultativen Landesverweisung vor dem Hintergrund, dass es sich beim Berufungskläger um einen in der Schweiz geborenen Ausländer handelt, der bislang fast ausschliesslich in der Schweiz gelebt hat, hier die Schule durchlaufen und eine Lehre gemacht hat und dessen Mutter und Brüder ebenfalls in der Schweiz wohnen sowie dem Umstand, dass sich der Berufungskläger erstmals einer Straftat schuldig gemacht hat, welche sich direkt gegen die körperliche Integrität anderer richtet, unverhältnismässig erweist. Entsprechend lehnte das Strafgericht die Annahme eines persönlichen und schwerwiegenden Härtefalls (Art. 66a Abs. 2 StGB) einzig unter der Prämisse ab, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der obligatorischen Landesverweisung eine massive Verschärfung der Ausschaffungspraxis beabsichtigt habe (Strafurteil S. 17). Dies kann für die fakultative Landesverweisung nicht gelten, weshalb eine Abwägung der privaten Interessen des Berufungsklägers am Verbleib in der Schweiz gegenüber dem öffentlichen Interesse an seiner Fernhaltung überwiegt und vom Aussprechen der fakultativen Landesverweisung abzusehen ist.


6.

Damit dringt der Berufungskläger mit seinen Anliegen zwar nicht vollständig durch, erwirkt aber einen milderen Schuldspruch, welcher keine obligatorische Landesverweisung zur Folge hat und zur Senkung des Strafmasses führt. Es ist deshalb von einem Obsiegen im Umfang von 50 % auszugehen. Er hat die aus dem Berufungsverfahren resultierenden Kosten folglich nur in diesem Umfang zu tragen (Art. 428 Abs.1 StGB), weshalb ihm eine reduzierte Urteilsgebühr auferlegt wird und ihm bei einer Verbesserung seiner finanziellen Verhältnisse auch keine vollständige Rückzahlung der Kosten der amtlichen Verteidigung droht. Für die Einzelheiten wird auf das Dispositiv verwiesen.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):


://: Es wird festgestellt, dass folgende Inhalte des Urteils des Strafgerichts vom 19. Dezember 2018 mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen sind:

- Der Freispruch des Berufungsklägers von der Anklage des Diebstahls;

- Die Ausrichtung eines Honorars von total CHF 10360.- und eines Auslagenersatzes von total CHF 89.40, zuzüglich MWST von total CHF 822.80, an den amtlichen Verteidiger des Berufungsklägers, [...].


Der Berufungskläger, A____, wird in teilweiser Gutheissung der Berufung der einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand schuldig erklärt und zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, unter Einrechnung des Polizeigewahrsams vom 28. bis 31. Januar 2017 sowie der Untersuchungshaft vom 28. Februar bis 17. März 2017, mit bedingten Strafvollzug, unter Auferlegung einer Probezeit vom 2 Jahren, verurteilt,

in Anwendung von Art. 123 Ziff. 2, Art. 42 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1 und Art. 51 StGB.


Auf das Aussprechen einer fakultativen Landesverweisung wird verzichtet.


Der Berufungskläger trägt die reduzierten Kosten von CHF 14'942.- (die Mehrkosten von CHF 2'355.- gehen zu Lasten der Staatsanwaltschaft) und eine Urteilsgebühr von CHF 8'000.- für das vorinstanzliche Verfahren sowie die Kosten des Berufungsverfahrens mit Einschluss einer reduzierten Urteilsgebühr von CHF 1'000.- (inklusive Kanzleiauslagen, zuzüglich allfällige übrige Auslagen).


Dem amtlichen Verteidiger,. [...], werden ein Honorar von CHF 4'836.- und ein Auslagenersatz von CHF 63.-, zuzüglich 7,7 % MWST von CHF 377.20, aus der Gerichtskasse bezahlt. Art. 135 Abs. 4 StPO bleibt im Umfang von 50 % für die erst- und die zweitinstanzlichen Kosten der amtlichen Verteidigung vorbehalten.


Mitteilung an:

- Berufungskläger

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt

- B____

- Migrationsamt Basel-Stadt


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Der Präsident Die Gerichtsschreiberin

lic. iur. Christian Hoenen lic. iur. Barbara Grange


Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Vertretung der Privatklägerschaft können gegen einen allfälligen Entscheid betreffend ihre Entschädigung für das zweitinstanzliche Verfahren gemäss Art. 135 Abs. 3 lit. b der Strafprozessordnung (StPO) innert 10 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde beim Bundesstrafgericht (Viale Stefano Franscini 7, Postfach 2720, 6501 Bellinzona) erheben (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 6B_360/2014 vom 30. Oktober 2014).



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