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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:SB.2019.15 (AG.2021.241)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid SB.2019.15 (AG.2021.241) vom 21.04.2021 (BS)
Datum:21.04.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 39 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 425 StPO ; Art. 48 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht



SB.2019.15


ENTSCHEID


vom 21. April 2021



Mitwirkende


lic. iur. Liselotte Henz

und Gerichtsschreiber MLaw Martin Seelmann, LL.M.




Beteiligte


A____, geb. [...] Gesuchsteller

[...]


Gegenstand


Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten


(Urteil des Appellationsgerichts vom 23. September 2020)



Sachverhalt


Mit Entscheid des Appellationsgerichts vom 23. September 2020 wurden A____ Verfahrenskosten im Betrage von CHF 2'109.80 sowie eine Urteilsgebühr von CHF 3'000.- für das erstinstanzliche Verfahren sowie die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens mit Einschluss einer Urteilsgebühr von CHF 1'500.- (inklusive Kanzleiausgaben, zuzüglich allfällige übrige Auslagen) auferlegt. Er wurde in diesem Entscheid zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu CHF 10.-, unter Einrechnung des Polizeigewahrsams vom 6. bis 7. Februar 2018 (1 Tag), sowie zu einer Busse von CHF 100.- (bei schuldhafter Nichtbezahlung 1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt.


Mit Schreiben vom 13. April 2021 ersuchte A____ (nachfolgend: Gesuchsteller) mit Hilfe der Beratungsstelle [...] Basel um Erlass der Verfahrenskosten sowie um Ratenzahlung für die Geldstrafe und Busse und reichte Unterlagen zwecks Belegs seiner finanziellen Situation ein.



Erwägungen


1.

1.1 Gemäss Art. 425 der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) können Forderungen aus Verfahrenskosten unter bestimmten Voraussetzungen gestundet, herabgesetzt oder erlassen werden. Zuständig für diesen Entscheid ist nach der genannten Bestimmung die Strafbehörde. Im Kanton Basel-Stadt sind Gesuche um Erlass der Verfahrenskosten von dem Gericht zu entscheiden, welches als letzte kantonale Instanz die Tragung der Verfahrenskosten festgelegt hat. Die funktionelle Zuständigkeit innerhalb des Gerichts liegt gemäss §43 Abs. 3 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG 154.100) beim Einzelgericht (statt vieler: AGE SB.2014.96 vom 15. Januar 2019). Damit ist zur Behandlung des vorliegenden Gesuchs, soweit es die Verfahrenskosten betrifft, das Einzelgericht des Appellationsgerichts zuständig.


1.2

1.2.1 Der Gesuchsteller ersucht daneben um die Möglichkeit, die Busse und Geldstrafe in Raten von monatlich Fr. 100.- bezahlen zu dürfen.


1.2.2 Bussen und Geldstrafen können im vorliegenden Kostenerlassverfahren nicht herabgesetzt oder erlassen werden. Diese werden bei schuldhafter Nichtbezahlung und Uneinbringlichkeit auf dem Betreibungsweg vielmehr in Freiheitsstrafe umgewandelt (Art.36 Abs. 1 sowie 106 Abs.2 des Schweizerischen Strafgesetzbuches [StGB, SR 311.0]). Der Gesuchsteller bleibt demnach weiterhin zur Zahlung der Busse sowie der Geldstrafe verpflichtet. Demgegenüber ist die Anordnung von Ratenzahlungen grundsätzlich möglich, jedoch fällt dies nicht in den Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts. Begehren um Ratenzahlungen der Busse sowie der Geldstrafe sind vielmehr an die zuständige Vollzugsbehörde (vorliegend das Justiz- und Sicherheitsdepartement Basel-Stadt, Straf- und Massnahmenvollzug) zu richten (vgl. Art.35 Abs.1, Art.106 Abs.5 StGB). Auf das Gesuch um Ratenzahlung für die Geldstrafe sowie die Busse ist somit infolge Unzuständigkeit im vorliegenden Verfahren nicht einzutreten. Das Gesuch wird jedoch gemäss Art. 39 Abs. 1 StPO der zuständigen Stelle weitergeleitet.


Das Erlassgesuch ist folglich nur im Umfang der in Rechnung gestellten Verfahrenskosten der ersten und zweiten Instanz von CHF6'609.80 zu beurteilen.


2.

2.1 Art. 425 StPO nennt die Möglichkeit, Verfahrenskosten zu stunden oder, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person, herabzusetzen oder zu erlassen. Damit Art. 425 StPO unter diesem Gesichtspunkt zur Anwendung gelangt, müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person derart angespannt sein, dass eine (ganze oder teilweise) Kostenauflage als unbillig erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn die kostenpflichtige Person mittellos ist oder die Höhe der Kosten zusammen mit ihren übrigen Schulden ihre Resozialisierung beziehungsweise ihr finanzielles Weiterkommen ernsthaft gefährden würde, wobei dem zuständigen Gericht ein grosser Ermessens- und Beurteilungsspielraum zukommt (Domeisen, in: Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 425 StPO N4f.; AGE SB.2011.68 vom 6. Mai 2013 E.2.2).


2.2 Der Gesuchsteller begründet sein Erlassgesuch damit, dass seine finanzielle Situation sehr schwierig sei. Sein Einkommen bestehe aus Invalidenrenten und Ergänzungsleistungen. Zudem habe er seit Jahren eine laufende Lohnpfändung von monatlich CHF 320.-. Weiter bezahle er bereits die Kosten aus einem anderen Verfahren in monatlichen Raten zu CHF 100.- ab.


2.3 Wie aus den beigebrachten Unterlagen zu ersehen ist, erhält der Gesuchsteller eine IV-Rente, eine Rente der Unfallversicherung [...] sowie zusätzlich Ergänzungsleistungen, um seinen Lebensbedarf decken zu können. Es ist offensichtlich, dass der Gesuchsteller in finanziell angespannten Verhältnissen lebt und durch diese Einkünfte nicht in der Lage war resp. ist, die offenen Verfahrenskosten zu bezahlen. Dazu kommt, dass in grossem Umfang Betreibungen gegen ihn laufen (gemäss dem letzten, dem Gericht vorliegenden Betreibungsregisterauszug aus dem Jahre 2017 lagen gegen den Gesuchsteller 26 Betreibungen im Betrag von CHF43'933.75 sowie zehn offene Verlustscheine im Betrag von CHF 23'270.35 vor). Auch ohne Berücksichtigung der Verfahrenskosten wird sich der Gesuchsteller daher auf dem Weg zum Ziel eines schuldenfreien Lebens mit vielen Gläubigern auseinanderzusetzen haben und neben der Finanzierung seines Lebensunterhalts auch bestehende Schulden abzahlen müssen. Es ist zu begrüssen, dass er aufgrund seiner derzeitigen finanziellen Situation die Beratung des Vereins [...] in Anspruch nimmt. Es erscheint daher gerechtfertigt, ihm die Verfahrenskosten zu erlassen, um sein finanzielles Fortkommen und seine Resozialisierung nicht zu gefährden.


3.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass das Erlassgesuch hinsichtlich der Verfahrenskosten gutzuheissen ist. Das Gesuchsverfahren ist kostenlos.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):


://: Auf das Gesuch um Ratenzahlung betreffend die Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu CHF10.-, unter Einrechnung des Polizeigewahrsams vom 6. bis 7.Februar 2018 (1 Tag), sowie die Busse von CHF 100.- (bei schuldhafter Nichtbezahlung 1Tag Ersatzfreiheitsstrafe) wird nicht eingetreten.


Das Gesuch um Ratenzahlung wird zuständigkeitshalber an das Justiz- und Sicherheitsdepartement Basel-Stadt, Straf- und Massnahmenvollzug, weitergeleitet.


In Gutheissung des Gesuchs um Erlass der Verfahrenskosten werden die mit Urteil des Appellationsgerichts vom 23. September 2020 auferlegten Verfahrenskosten im Betrag von insgesamt CHF 6'609.80 erlassen.


Für das Gesuchsverfahren werden keine Kosten erhoben.


Mitteilung an:

- Gesuchsteller

- Justiz- und Sicherheitsdepartement, Finanzen und Controlling

- Justiz- und Sicherheitsdepartement, Straf- und Massnahmenvollzug


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber

lic. iur. Liselotte Henz MLaw Martin Seelmann, LL.M.

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.



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