Zusammenfassung des Urteils IV.2019.185 (SVG.2020.142): Sozialversicherungsgericht
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt hat am 11. Mai 2020 entschieden, dass die Teilnahme eines Rechtsvertreters an einer Haushaltsabklärung nicht zulässig ist. Die Beschwerdeführerin hatte gegen die Zwischenverfügung der Beschwerdegegnerin geklagt, die die Anwesenheit von Rechtsvertretern untersagte. Das Gericht entschied, dass die Verweigerung der Rechtsvertretung gerechtfertigt sei, da die Haushaltsabklärung objektiv und unbeeinflusst erfolgen müsse. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und die Kosten von CHF 400 wurden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der Richter war Dr. A. Pfleiderer, und die Verliererin war die Beschwerdeführerin.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | IV.2019.185 (SVG.2020.142) |
Instanz: | Sozialversicherungsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 11.05.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Kein Anspruch auf Anwesenheit des Rechtsvertreters bei der Haushaltsabklärung |
Schlagwörter: | Recht; Haushalt; Haushaltsabklärung; Rechtsvertreter; Verfahren; Verfügung; Entscheid; Sozialversicherung; Rechtsvertreters; Teilnahme; Verbeiständung; Verfahrens; Gericht; Bundesgericht; IV-Akte; Sozialversicherungsgericht; Zwischenverfügung; Anspruch; Begutachtung; Abklärung; Basel; Verhandlung; Verweigerung; Person; Augenschein; Bewilligung; Anfechtung; Basel-Stadt |
Rechtsnorm: | Art. 18 VwVG ;Art. 29 BV ;Art. 37 ATSG ;Art. 42 ATSG ;Art. 42 BGG ;Art. 47 BGG ;Art. 55 ATSG ;Art. 60 ATSG ;Art. 95 BGG ; |
Referenz BGE: | 116 Ia 99; 119 Ia 262; 119 V 211; 121 V 152; 122 II 469; 125 V 413; 126 V 244; 130 V 97; 131 V 362; 132 V 43; 132 V 443; 99 Ia 47; |
Kommentar: | - |
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt
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URTEIL
vom 11. Mai 2020
Mitwirkende
Dr. A. Pfleiderer (Vorsitz), lic. iur. M. Prack Hoenen, Dr. med. W. Rühl
und Gerichtsschreiberin MLaw N. Marbot
Parteien
A____
[...] vertreten durch B____, [...]
Beschwerdeführerin
IV-Stelle Basel-Stadt
Rechtsdienst, LangeGasse7, Postfach, 4002Basel
Beschwerdegegnerin
Gegenstand
IV.2019.185
Zwischenverfügung vom 6. November 2019
Kein Anspruch auf Anwesenheit des Rechtsvertreters bei der Haushaltsabklärung
Tatsachen
I. Die Beschwerdegegnerin klärt zurzeit im Rahmen eines Revisionsverfahrens den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Leistungen der Invalidenversicherung (nachfolgend IV) ab (vgl. z.B. IV-Akte 118). Aus diesem Grund kündigte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15. Juli 2019 (IV-Akte 176) die Durchführung einer Haushaltsabklärung am 14. August 2019 an und teilte in diesem Zusammenhang mit, dass die Anwesenheit von Rechtsvertretern und Rechtsvertreterinnen nicht erlaubt sei. Damit war die Beschwerdeführerin nicht einverstanden und verlangte den Erlass einer anfechtbaren Verfügung (vgl. Schreiben vom 18. Juli 2019, IV-Akte 177). Die Beschwerdegegnerin hielt in der Folge mit Zwischenverfügung vom 6. November 2019 daran fest, die Haushaltsabklärung ohne Beisein des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin anderen Drittpersonen durchzuführen (IV-Akte 182).
II.
a) Mit Beschwerde vom 9. Dezember 2019 ficht die Beschwerdeführerin die Verfügung vom 6. November 2019 an und beantragt:
1.1 In Gutheissung der vorliegenden Beschwerde sei festzustellen, dass die gemischte Methode in casu nicht anwendbar und demzufolge die vorgesehene Haushaltsabklärung erlässlich sei, so dass diese der Beschwerdeführerin nicht zugemutet werden kann. Entsprechend sei die Beschwerdeführerin anzuweisen, die Invalidität ohne Durchführung einer Haushaltsabklärung aufgrund der Einkommensvergleichsmethode zu bemessen.
1.2 Eventualiter sei die angefochtene Verfügung vom 06.11.2019 aufzuheben und es sei dem Unterzeichneten die Teilnahme an der Haushaltsabklärung zu bewilligen.
2.1. Alles unter o/e Kostenfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin.
2.2. Dem Beschwerdeführer sei eventualiter die unentgeltliche Rechtspflege mit dem Unterzeichneten als unentgeltlichem Rechtsbeistand zu bewilligen. Zudem sei entsprechend diesem Gesuch auf die Erhebung eines Gerichtskostenvorschusses zu verzichten.
In Verfahrensrechtlicher Hinsicht verlangt die Beschwerdeführerin die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung.
b) Mit Beschwerdeantwort vom 17. Januar 2020 schliesst die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde, soweit überhaupt darauf einzutreten ist.
c) Mit Replik vom 12. März 2020 hält die Beschwerdeführerin an ihren Rechtsbegehren fest. Auf die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung verzichtet die Beschwerdeführerin, falls die Frage der Anwendbarkeit der gemischten Methode in vorliegendem Verfahren nicht entschieden werden sollte.
d) Mit Duplik vom 2. April 2020 hält die Beschwerdegegnerin an ihren Begehren fest.
III.
Mit Verfügung vom 30. Januar 2020 bewilligte die Instruktionsrichterin die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung mit B____.
IV.
Mit instruktionsrichterlicher Verfügung vom 7. April 2020 wird den Parteien mitgeteilt, dass die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung behandelt wird.
V.
Am 11. Mai 2020 findet die Beratung durch die Kammer des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt statt.
Entscheidungsgründe
1.
1.1. Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt ist als einzige kantonale Instanz zuständig zum Entscheid über die vorliegende Streitigkeit (§ 82 Abs. 1 des Gesetzes vom 3. Juni 2015 betreffend die Organisation der Gerichte und der Staatsanwaltschaft [Gerichtsorganisationsgesetz/GOG]; SG 154.100). Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus Art. 69 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20).
1.2. Zwischenverfügungen wie die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 6.November 2019 (IV-Akte 182) sind grundsätzlich nur selbständig mittels Beschwerde anfechtbar, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnten wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 55 Abs. 1 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1] i.V.m. Art. 5 Abs. 2 und Art. 46 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172.021]). Die Beeinträchtigung in schutzwürdigen tatsächlichen Interessen genügt (BGE 126 V 244, 246, E. 2a). Es ist zudem nicht erforderlich, dass der Entscheid tatsächlich einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zu Folge hat. Es reicht vielmehr aus, dass dieser droht, beziehungsweise nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (BGE 131 V 362, 368, E. 3.1 mit Hinweisen). Vorliegend ist ein solches Interesse der Beschwerdeführerin insbesondere im Hinblick auf die Prozessökonomie und unter Berücksichtigung des einfachen Verfahrens zu bejahen. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil liegt somit in casu vor (vgl. auch das Teilurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2015, C-2224/2014, E. 3.2). Da auch die übrigen formellen Voraussetzungen gegeben sind und die Beschwerde insbesondere innert Frist (Art. 60 ATSG) eingereicht wurde, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
1.3. Anfechtungsobjekt des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Zwischenverfügung vom 6. November 2019 (IV-Akte 182). Mit vorgenannter Verfügung entspricht die Beschwerdegegnerin dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlass einer Verfügung betreffend die Teilnahme des Rechtsvertreters an einer Haushaltsabklärung (vgl. Schreiben vom 5. August 2019, IV-Akte 183) und hält fest:
1. Ihr Gesuch, an der Haushaltsabklärung ihrer Mandantin teilnehmen zu können, wird in Bezug auf Sie sowie jegliche Drittperson abgewiesen.
2. Es werden keine Kosten erhoben.
Im verwaltungsrechtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen und zu beurteilen, zu denen die zuständige Behörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsobjekt und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und soweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 125 V 413, 414, E. 1a mit Hinweisen).
Gegenstand der hier streitigen Verfügung vom 6. November 2019 bildet lediglich die Frage nach der Teilnahme an der Haushaltsabklärung durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, nicht aber die Statusfrage. Somit fehlt es bezüglich der Statusfrage an einem Anfechtungsobjekt und auf das Begehren 1.1 der Beschwerde vom 9. Dezember 2019 ist nicht einzutreten.
2.
2.1. Mit Verfügung vom 6. November 2019 stellt sich die Beschwerdegegnerin auf den Standpunkt, die Zulassung von Rechtsvertretern an der Haushaltsabklärung berge die Gefahr, dass solche Abklärungen zu Anlässen mit Verhandlungscharakter verkämen. Zudem habe sich bis anhin für die versicherten Personen aus der Abwesenheit ihrer Rechtsvertreter an der Haushaltsabklärung kein Rechtsnachteil gezeigt. Aus diesen Gründen sei von einer Teilnahme der Rechtsvertreter und -vertreterinnen an der Haushaltsabklärung abzusehen. 2.2. Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde vom 9. Dezember 2019 die Durchführung der Haushaltsabklärung unter Beisein ihres Rechtsvertreters. Sie macht im Wesentlichen geltend die Verweigerung der Teilnahme des Rechtsvertreters stelle eine Verletzung ihres Rechts auf Vertretung und Verbeiständung dar, für welche eine rechtliche Grundlage fehle. 2.3. Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin zu Recht die Teilnahme ihres Rechtsvertreters an der Haushaltsabklärung verweigert hat.
Sozialversicherungsgericht BASEL-STADT
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
Dr. A. Pfleiderer MLaw N. Marbot
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG]). Die Beschwerdefrist kann nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegründe sind in Art. 95 ff. BGG geregelt.
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, in dreifacher Ausfertigung zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat den Anforderungen gemäss Art. 42 BGG zu genügen; zu beachten ist dabei insbesondere:
a) Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten;
b) in der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt;
c) die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat, ebenso der angefochtene Entscheid.
Geht an:
- Beschwerdeführerin
- Beschwerdegegnerin
- Bundesamt für Sozialversicherungen
Versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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