Zusammenfassung des Urteils IV.2019.116 (SVG.2020.158): Sozialversicherungsgericht
Der 1982 geborene Beschwerdeführer war als Geschäftsführer tätig und beantragte Leistungen der Invalidenversicherung aufgrund einer Multiplen Sklerose. Die IV-Stelle lehnte seinen Rentenanspruch ab, basierend auf Gutachten eines Neurologen und Psychiaters. Der Beschwerdeführer forderte eine halbe Invalidenrente ab September 2017 und beantragte ein polydisziplinäres Gutachten. Nach einer Hauptverhandlung entschied das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, dass die psychiatrische Expertise nicht ausreichend war und wies die IV-Stelle an, ein neues psychiatrisches Gutachten einzuholen. Die Kosten des Verfahrens wurden der IV-Stelle auferlegt, und dem Beschwerdeführer wurde eine Parteientschädigung von CHF 3700 zugesprochen.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | IV.2019.116 (SVG.2020.158) |
Instanz: | Sozialversicherungsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 18.12.2019 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Neurologisches Administrativgutachten ist beweistauglich;psychiatrische Expertise ist nicht beweiskräftig,da ungenügende Auseinandersetzung mit gegenteiligen Arztberichten,oberflächliche Prüfung der Standardindikatoren und keine Beurteilung des Arbeitsunfähigkeitsverlaufs;Rückweisung zur Einholung |
Schlagwörter: | Gutachten; IV-Akte; Arbeit; IV-Stelle; Leistung; Beurteilung; Leistungs; Sicht; Beschwerdeführers; Verfügung; Arbeitsunfähigkeit; Recht; Entscheid; Tätigkeit; Einschränkung; Fatigue; Akten; Sozialversicherungsgericht; Parteien; Multiple; Sklerose; Tätigkeiten; Beginn; Arbeitsfähigkeit |
Rechtsnorm: | Art. 42 BGG ;Art. 47 BGG ;Art. 95 BGG ; |
Referenz BGE: | 122 V 158; 125 V 352; 134 V 231; 135 V 465; 139 V 349; 141 V 281; |
Kommentar: | - |
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt
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URTEIL
vom 18. Dezember 2019
Mitwirkende
Dr. A. Pfleiderer (Vorsitz), Dr. med. W. Rühl, lic. phil. D. Borer
und Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Gmür
Parteien
A____
vertreten durch B____
Beschwerdeführer
IV-Stelle Basel-Stadt
Rechtsdienst, LangeGasse7, Postfach, 4002Basel
Beschwerdegegnerin
Gegenstand
IV.2019.116
Verfügung vom 28. Mai 2019
Neurologisches Administrativgutachten ist beweistauglich; psychiatrische Expertise ist nicht beweiskräftig, da ungenügende Auseinandersetzung mit gegenteiligen Arztberichten, oberflächliche Prüfung der Standardindikatoren und keine Beurteilung des Arbeitsunfähigkeitsverlaufs; Rückweisung zur Einholung eines psychiatrischen Gutachtens.
Tatsachen
I.
Der 1982 geborene Beschwerdeführer war selbständig erwerbstätig und arbeitete als Geschäftsführer im C____. Am 7. März 2017 meldete sich der Beschwerdeführer unter Hinweis auf eine Multiple Sklerose zum Bezug von Leistungen der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV) an (IV-Akte 2). In der Folge nahm die IV-Stelle medizinische und erwerbliche Abklärungen vor. Dabei führte sie am 21. November 2017 eine Abklärung Selbständigerwerbende durch (IV-Akte 22) und beauftragte Dr. med. D____, Facharzt FMH für Neurologie, mit der Erstellung eines neurologischen und Dr. med. E____, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens (vgl. neurologisches Gutachten vom 19. Oktober 2018 und psychiatrisches Gutachten vom 2. Januar 2019, IV-Akten 42 und 48). Im Wesentlichen gestützt auf die vorerwähnten Gutachten kündigte die IV-Stelle mit Vorbescheid vom 25. März 2019 an, der Beschwerdeführer habe bei einem Invaliditätsgrad von 0% keinen Rentenanspruch (IV-Akte 53). Dagegen wehrte sich der Beschwerdeführer mit Einwand vom 5. April 2019 (IV-Akte 54). Am 28. Mai 2019 erliess die IV-Stelle eine dem Vorbescheid entsprechende Verfügung und hielt an ihrem abweisenden Entscheid fest (IV-Akte 55).
II.
Mit Beschwerde vom 28. Juni 2019 wird beantragt, die IV-Stelle sei zu verpflichten, dem Beschwerdeführer basierend auf einem Invaliditätsgrad von mindestens 50% mindestens eine halbe Invalidenrente ab 1. September 2017 zuzusprechen und auszurichten. Eventualiter sei zur Beurteilung des Leistungsanspruchs des Beschwerdeführers ein gerichtliches polydisziplinäres Gutachten einzuholen. Subeventualiter sei die Streitsache an die IV-Stelle zurückzuweisen und zu verpflichten, ein polydisziplinäres Gutachten einzuholen - und es sei nach Vorliegen des Gutachtens neu über den Leistungsanspruch zu entscheiden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird um Bewilligung des Kostenerlasses und der unentgeltlichen Rechtsvertretung durch Advokatin B____, [...], ersucht.
Mit Beschwerdeantwort vom 25. Juli 2019 schliesst die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde.
Mit Replik vom 28. August 2019 und Duplik vom 26. September 2019 halten die Parteien an den gestellten Rechtsbegehren fest.
III.
Mit Verfügung vom 1. Juli 2019 bewilligt die Instruktionsrichterin den Kostenerlass mit Advokatin B____, [...].
IV.
Am 18. Dezember 2019 findet in Anwesenheit des Beschwerdeführers, der Vertreterin des Beschwerdeführers, Advokatin B____ sowie des Vertreters der IV-Stelle, lic. iur. F____ die Hauptverhandlung vor dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt statt. Der Beschwerdeführer wird befragt. Anschliessend kommen die Parteien zum Vortrag. Für sämtliche Ausführungen wird auf das Protokoll und die nachstehenden Erwägungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
1.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt ist als einzige kantonale Instanz sachlich zuständig zum Entscheid über die vorliegende Streitigkeit (§ 82 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 3. Juni 2015 betreffend die Organisation der Gerichte und der Staatsanwaltschaft [Gerichtsorganisationsgesetz, GOG; SG 154.100]). Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 69 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20). Da die Beschwerde rechtzeitig erhoben worden ist (Art. 60 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]) und auch die übrigen formellen Beschwerdevoraussetzungen erfüllt sind, ist darauf einzutreten.
Mit neurologischem Gutachten vom 19. Oktober 2018 stellt Dr. D____ eine Multiple Sklerose vom schubförmigen Verlauf als Diagnose mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit fest. Die bisher ausgeübte Tätigkeit als selbständig erwerbender Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens in der Mobiltelefonbranche sei unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkrankung, mit grundsätzlich ungewisser Prognose, sowie den bestehenden Einschränkungen, ungeeignet und daher nicht mehr zumutbar. Den für eine Tätigkeit als selbständig erwerbender Geschäftsführer erforderlichen Kompetenzen mit Verantwortungsübernahme für die administrativen Aufgaben etc. sei der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Erkrankung, welche das Risiko wiederholter krankheitsbedingter Arbeitsunterbrüche und langfristiger Funktionseinbussen in sich berge, nicht mehr mit genügender Zuverlässigkeit gewachsen. Das Belastungsprofil einer angepassten Tätigkeit umfasse eine Tätigkeit ohne hohe Anforderungen an Entscheidungskompetenzen und Verantwortungsübernahme für die administrativen Aufgaben eines Geschäftsführers. Es solle sich um eine Tätigkeit in einer angestellten Funktion handeln. Sie solle ohne Zeitdruck und mit geeigneten Pausenmanagement ausgeübt werden können. Sie solle nicht mit überdurchschnittlichen kognitiven und emotionalen Belastungen einhergehen. Bezüglich der körperlichen Symptome seien zwar die anamnestisch dokumentierten Sehstörungen und Gleichgewichtsstörungen weitgehend regredient; Tätigkeiten mit überdurchschnittlicher/schwerpunktmässiger visueller Belastung und überdurchschnittlicher Belastung der Gleichgewichtsfunktionen (nicht ebenerdige Tätigkeiten) sollen indessen vermieden werden. In einer den genannten Kriterien angepassten Tätigkeit sei aus rein neurologischer Sicht eine zeitliche Präsenz von 70% zumutbar. Eine zusätzliche Leistungseinschränkung infolge des erhöhten Pausenbedarfs und eintretender Ermüdung sei zu berücksichtigen. Die Einschränkung sei mit 10% bezogen auf ein 100% Pensum zu beziffern. Gesamthaft resultiere rein neurologisch eine verbleibende Arbeits-/Leistungsfähigkeit von 60% in angepasster Tätigkeit. Arbiträr sei der Beginn der genannten Teilarbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit ab Zeitpunkt der Geschäftsaufgabe (15. September 2017) anzunehmen (IV-Akte 42, S. 12-18).
Mit psychiatrischem Gutachten vom 2. Januar 2019 stellt der psychiatrische Experte eine prolongierte Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion (ICD-10:F43.2) und als Differentialdiagnose eine längere depressive Reaktion in leichtem Ausmass (ICD-20:F32.0) als Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit fest. Aus rein psychiatrischer Sicht bestehe allenfalls eine verminderte Belastbarkeit. Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck seien daher ungünstig. Grundsätzlich könne der Beschwerdeführer aber eine ähnliche Tätigkeit wie bisher durchführen, eine dauerhafte Einschränkung lasse sich dadurch in der bisherigen Tätigkeit nicht begründen. Eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis sei dem Beschwerdeführer möglich, insbesondere wenn die Aufgaben vorgegeben seien und er sich nicht selbst um eine Arbeit bemühen müsse. Es könne dabei keine wesentliche Einschränkung angenommen werden. Aus psychiatrischer Sicht sei dem Beschwerdeführer grundsätzlich eine neurologisch adaptierte Tätigkeit möglich, eine zusätzliche Einschränkung aus psychiatrischer Sicht lasse sich nicht begründen. Es bestünden aus neurologischer Sicht verschiedene Beeinträchtigungen, wodurch auch eine Tätigkeit mit leichter depressiver Störung ohne zusätzliche Einschränkung verrichtet werden könne. Es sei deshalb aus gesamtmedizinischer Sicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die angestammte Tätigkeit aufgrund neurologischer Überlegungen nicht mehr möglich sei, da aufgrund des ungewissen Verlaufs immer wieder mit Ausfällen gerechnet werden müsse. Eine neurologisch adaptierte Tätigkeit sei mit einer Präsenz von 70% mit 10%-iger Leistungseinschränkung möglich. Diese Beeinträchtigung bestehe arbiträr seit der Geschäftsaufgabe im September 2017 (IV-Akte 48).
3.3. In Erwägung der Aktenlage ist festzuhalten, dass auf das neurologische Gutachten von Dr. D____ abgestellt werden kann. Es entspricht den Anforderungen des Bundesgerichts. So wurde es in Kenntnis der Aktenlage erstellt (Gutachten, S. 3-7), berücksichtigt die geklagten Beschwerden (Gutachten, S. 7-10) und ist in der Darlegung der medizinischen Situation schlüssig und nachvollziehbar (Gutachten, S. 11-19), weshalb der neurologischen Expertise volle Beweiskraft zukommt (vgl. E. 3.1). Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Sachlage. So hat der neurologische Gutachter eingehend und schlüssig begründet, weshalb er zu einer anderen Schlussfolgerung bezüglich der Arbeitsfähigkeit gelangt als die behandelnden Ärzte der neurologischen Poliklinik und die behandelnde Psychologin. Der neurologische Experte hielt in seiner Beurteilung diesbezüglich fest, dass bei dem von der J____ festgestellten kognitiven Normalbefund die geltend gemachte Leistungseinschränkung in Höhe von 50% nicht zwanglos nachvollziehbar sei. Angesichts der mehrstündigen neuropsychologischen Untersuchung hätte sich die Leistungseinschränkung manifestieren müssen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer Auto fahre; die Fahreignung wäre indes mit einer 50%igen Leistungseinbusse infolge der MS-assoziierten Fatigue in Frage zu stellen (IV-Akte 42, S. 15). Diese nachvollziehbaren Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist nicht anzunehmen, der neurologische Gutachter hätte der im Alltag erlebten Leistungseinbusse des Beschwerdeführers bei seiner Einschätzung der Arbeitsfähigkeit zu wenig Rechnung getragen und nur auf die Testung der G____, welche ohne äussere Störeinflüsse erfolgt ist (vgl. IV-Akte 34), abgestellt. Im Gegenteil, aus dem neurologischen Gutachten geht hervor, dass der neurologische Experte mit der Bescheinigung einer 40%igen Leistungseinschränkung die (subjektiven) Leistungseinbussen des Beschwerdeführers berücksichtigt hat. So gibt er diesbezüglich an, dass ein Fatigue-Syndrom im Rahmen einer Multiplen Sklerose eine häufige und oftmals massgeblich einschränkende Komplikation sei; unter Berücksichtigung des ansonsten konsistenten Verhaltens des Beschwerdeführers sei aus rein neurologischer Sicht deshalb eine Einschränkung der Leistungs- und Arbeitsfähigkeit von 40% infolge der MS-assozierten Fatigue ausgewiesen (IV-Akte 42, S. 15). Auf diese überzeugende Begründung kann abgestellt werden.Hinsichtlich der Festlegung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf September 2017 ist anzumerken, dass der neurologische Experte explizit angibt, dass diese arbiträr erfolgt sei. Es sei davon auszugehen, dass bereits bis zu diesem Zeitpunkt eingetretene Leistungseinbussen durch die Hilfe des Bruders des Beschwerdeführers teilweise habe kompensiert werden können (vgl. IV-Akte 42, S. 17). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bereits früher infolge der Symptome der Multiplen Sklerose unter Leistungseinbussen gelitten hat. Aus den Akten ist ersichtlich, dass die ersten Symptome der Multiplen Sklerose von Dr. med. K____, Spezialarzt für Neurologie FMH, im Januar 2016 beschrieben wurden (vgl. Arztberichte vom 4. Januar 2016 und 28. Januar 2016, IV-Akten 16, S. 4-14). Im Bericht der Neurologie des L____ vom 6. April 2018 wird sodann erwähnt, dass es seit Januar 2016 zu wechselnden Beschwerden käme. Nach einem stationären Aufenthalt vom 22. bis 28. September 2016 sei die Multiple Sklerose diagnostiziert worden (IV-Akte 29). Der Beschwerdeführer selbst gibt anlässlich der Parteiverhandlung vom 18. Dezember 2019 an, dass er vor der Diagnosestellung normal gearbeitet habe (Protokoll, S. 3). Danach habe er es versucht (Protokoll, S. 4). Auch im Bericht der G____ vom 1. März 2018 wird geschildert, dass der Beschwerdeführer etwa seit der Diagnosestellung der Multiplen Sklerose im September 2016 mehr schlafen müsse, sich nach motorisch und kognitiven Tätigkeiten schneller erschöpft fühle, Konzentrationsprobleme habe und sich schneller gestresst fühle (IV-Akte 34, S. 1). In Erwägung dieser Umstände ist deshalb davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aus neurologischer Sicht in der angestammten Tätigkeit seit September 2016 zu 100% arbeitsunfähig und in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 60% arbeitsfähig ist. Diese Einschätzung stimmt im Übrigen auch mit der Beurteilung des regionalärztlichen Dienstes (RAD) vom 23. Oktober 2018 überein. Danach sei der Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den Beginn der stationären Hospitalisation am 22. September 2016 festzulegen (IV-Akte 44). Für einen früheren Beginn der Arbeitsunfähigkeit spricht im Übrigen auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich bereits im März 2017 zum Bezug von Leistungen der Eidgenössischen Invalidenversicherung angemeldet (IV-Akte 2) und im April 2017 aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen die Geschäftsräumlichkeiten gekündigt hat (vgl. Beschwerdebeilage 4). Ob es sich in psychiatrischer Hinsicht bezüglich des Verlaufs der Arbeitsunfähigkeit anders verhält, ist - wie nachfolgend aufgezeigt wird - noch abzuklären.
3.4. Das psychiatrische Gutachten von Dr. E____ vom 2. Januar 2019 kann hingegen - mit Blick auf die Aktenlage - zur Beurteilung der medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht beigezogen werden. Dieses erweist sich in der Auseinandersetzung mit der medizinischen Aktenlage als ungenügend. So führt der psychiatrische Gutachter bezüglich der abweichenden Beurteilungen der behandelnden Ärzte der Neurologie des L____ und der Psychologin lediglich aus, die angegebenen Einschränkungen könnten aus rein psychiatrischer Sicht nicht nachvollzogen werden. Die Psychologin weise auf körperliche Beeinträchtigungen und erhöhte Müdigkeit hin, sie sei der Meinung, dass zu 50% eine angepasste Tätigkeit möglich sei (IV-Akte 48, S. 7). Mit dieser kurzen Begründung legt der psychiatrische Gutachter Dr. E____ indes nicht dar, inwiefern er zu einer anderen Schlussfolgerung gelangt ist. Auch in Bezug auf die beschriebene Fatigue bzw. Müdigkeit vermag das Gutachten nicht zu überzeugen. So ist Dr. E____ der Auffassung, dass die aus neuropsychologischer und neurologischer Sicht eher etwas schwer nachvollziehbare Fatigue vor dem Hintergrund (psychosozialer) Umstände interpretiert werden müsse, denn es bestehe aufgrund der fehlenden Ausbildung und der Abhängigkeit vom Elternhaus eine unklare Zukunftsperspektive (IV-Akte 48, S. 7). Damit setzt sich Dr. E____ aber in Widerspruch zu den Beurteilungen der Neurologie des L____ (vgl. IV-Akte 29) als auch zur J____ (IV-Akte 34). Immerhin halten die behandelnden Ärzte der Neurologie des L____ fest, dass auch geistige Tätigkeiten durch die starke kognitive Fatigue und die depressive Stimmung erheblich beeinträchtigt würden. Aufgrund der kognitiven und motorischen Fatigue-Symptomatik erachten die Ärzte den Beschwerdeführer zu 50% arbeitsunfähig (IV-Akte 29, S. 3). Auch die Psychologen der G____ beschreiben, der Beschwerdeführer leide unter einer mittelschweren depressiven Symptomatik. Zusätzlich zur reduzierten Belastbarkeit im Rahmen der Fatigue-Symptomatik bestehe eine ausgeprägte Antriebsproblematik (IV-Akte 34). Mit der depressiven Symptomatik und der in diesem Zusammenhang bestehenden Antriebsproblematik hat sich Dr. E____ im Gutachten kaum befasst; der alleinige Hinweis auf psychosoziale Umstände und eine Passivität genügt indes nicht. Weiter ist mit dem Beschwerdeführer festzuhalten, dass Dr. E____ keine Beurteilung des Arbeitsunfähigkeitsverlaufs aus psychiatrischer Sicht vorgenommen hat, so dass diesbezüglich weitere Abklärungen angezeigt sind. Schliesslich fehlt es im Gutachten an einer eingehenden Standardindikatorenprüfung. Wie der Beschwerdeführer zu Recht festhält, hat Dr. E____ dabei dem gelebten sozialen Rückzug und den effektiv vorhandenen Ressourcen bzw. der erhöhten Ermüdbarkeit kaum Rechnung getragen. Damit entspricht die Expertise den Anforderungen des Bundesgerichts an die Prüfung der Standardindikatoren nicht (vgl. BGE 141 V 281, 297 E. 4.1.1.), weshalb auch diesbezüglich weitere Abklärungen zu treffen sind. 3.5. Gesamthaft betrachtet kann auf das neurologische Gutachten von Dr. D____ vom 19. Oktober 2018 abgestellt werden. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit ist indes auf September 2016 festzusetzen (vgl. E. 3.3.). Dagegen kann das psychiatrische Gutachten von Dr. E____ zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers aus psychiatrischer Sicht nicht beigezogen werden. Nach dem Vorerwähnten erfüllt die Expertise die bundesgerichtlichen Anforderungen an beweiskräftige Gutachten nicht, so dass ihm keine Beweiskraft zukommt. Vor diesem Hintergrund sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 135 V 465, 468 E. 4.2 und 469 f. E. 4.4). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist dabei zur Abklärung des Gesundheitszustandes ein psychiatrisches Gutachten einzuholen. Denn aus den medizinischen Akten geht hervor, dass die vorliegende Gesundheitsproblematik in der Hauptsache die neurologische und die psychiatrische Fachdisziplin beschlägt. Damit betrifft die medizinische Situation im Wesentlichen zwei Fachgebiete, weshalb gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine mono- bzw. bidisziplinäre Begutachtung durchgeführt werden kann (BGE 139 V 349, E. 3.2).Demgemäss erkennt das Sozialversicherungsgericht:
://: In Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung vom 28. Mai 2019 aufgehoben und die Sache zur Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und zum Erlass einer neuen Verfügung an die IV-Stelle zurückgewiesen.
Die IV-Stelle trägt die ordentlichen Kosten des Verfahrens, bestehend aus einer Gebühr von Fr. 800.--.
Die IV-Stelle bezahlt dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr.3700.-- (inkl. Auslagen) zuzüglich Mehrwertsteuer von Fr. 284.90.
Sozialversicherungsgericht BASEL-STADT
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
Dr. A. Pfleiderer lic. iur. A. Gmür
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG]). Die Beschwerdefrist kann nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegründe sind in Art. 95 ff. BGG geregelt.
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, in dreifacher Ausfertigung zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat den Anforderungen gemäss Art. 42 BGG zu genügen; zu beachten ist dabei insbesondere:
a) Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten;
b) in der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt;
c) die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat, ebenso der angefochtene Entscheid.
Geht an:
- Beschwerdeführer
- Beschwerdegegnerin
- Bundesamt für Sozialversicherungen
Versandt am:
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