| Appellationsgericht Einzelgericht |
DGS.2024.32
ENTSCHEID
vom 29. Juli 2024
Mitwirkende
lic. iur. Marc Oser
und a.o. Gerichtsschreiberin MLaw Kim Baier
Beteiligte
A____, geb. [...] Gesuchsteller
[...]
Gegenstand
Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten
(Entscheid des Appellationsgerichts BES.2022.61 vom 27. Oktober 2022)
Sachverhalt
Mit Entscheid vom 27. Oktober 2022 wurde die Beschwerde von A____ (Gesuchsteller) betreffend die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 22. April 2022 abgewiesen. Die Prüfung der Beschwerde ergab im Wesentlichen, dass zufolge fehlender Prozessvoraussetzungen (nach Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO) das Verfahren zu Recht nicht an die Hand genommen wurde, weshalb der Gesuchsteller in Abweisung der Beschwerde zur Zahlung der Gerichtskosten in der Höhe von CHF 600.– verpflichtet wurde.
Der Gesuchsteller hat den Entscheid vom 27. Oktober 2022 beim Bundesgericht angefochten und mit Eingabe vom 9. Dezember 2022 hinsichtlich der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens ein Gesuch um Stundung gestellt sowie eine Mahnsperre beantragt, was vom Appellationsgericht gutgeheissen wurde. Auf die Beschwerde ist das Bundesgericht mit Entscheid vom 6. Februar 2023 nicht eingetreten. In der Folge hat das Appellationsgericht mit Verfügung vom 20. März 2023 die eingerichtete Mahnsperre aufgehoben. Diese Verfügung hat der Beschwerdeführer wiederum beim Bundesgericht angefochten und am 30. Mai 2023 ein Kostenerlassgesuch beim Appellationsgericht gestellt. Mit Verfügung vom 5. Juni 2023 hat das Appellationsgericht die Forderung für ein Jahr bis 1. Juni 2024 gestundet und der Gesuchsteller hat die hängige Beschwerde beim Bundesgericht zurückgezogen.
Der Gesuchsteller hat mit Eingabe vom 10. Juni 2024 ein erneutes Kostenerlassgesuch beim Appellationsgericht gestellt und weitere Unterlagen eingereicht. Zur Begründung führt er an, seine finanzielle Lage habe sich noch weiter verschlechtert. Er sei am 1. Oktober 2023, seine Frau am 1. Januar 2024 in Rente gegangen. Die Rentenzahlungen befänden sich unterhalb des Existenzminimums in Deutschland, weshalb sie ergänzend Sozialhilfe erhalten würden. Die Bezahlung der Gebühren würde für sie eine besondere Härte bedeuten. Seinem Gesuch hat er unter anderem zwei Schreiben der Stadt […], Sozial- und Jugendbehörde, vom 29. Januar 2024 betreffend die Gewährung von Leistungen an ihn und seine Ehefrau inkl. Bedarfsberechnung beigelegt. Der vorliegende Entscheid ist aufgrund der Akten ergangen. Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich – soweit sie für den Entscheid von Relevanz sind – aus den nachfolgenden Erwägungen.
Erwägungen
1.
1.1 Gemäss Art. 425 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) können Forderungen aus Verfahrenskosten unter bestimmten Voraussetzungen gestundet, herabgesetzt erlassen werden. Zuständig für den Entscheid ist nach der genannten Bestimmung die Strafbehörde. Da der Kanton Basel-Stadt von der grundsätzlich gegebenen Befugnis der Kantone, die Zuständigkeit zur Stundung zum Erlass von Kosten auch an andere Behörden wie beispielsweise Gerichtsverwaltungen Inkassostellen der Strafbehörden zu übertragen (vgl. dazu Domeisen, in: Basler Kommentar, 3. Auflage 2023, Art. 425 StPO N 2), keinen Gebrauch gemacht hat (§ 44 des Gesetzes über die Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung [EG StPO, SG 257.100]), sind Gesuche um Erlass der Verfahrenskosten von dem Gericht zu entscheiden, welches als letzte kantonale Instanz die Tragung der Verfahrenskosten festgelegt hat. Die funktionelle Zuständigkeit innerhalb des Gerichts liegt gemäss § 43 Abs. 3 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG 154.100) beim Einzelgericht (statt vieler: AGE SB.2019.112 vom 14. Juli 2021 E. 1). Der eingangs genannte Entscheid vom 27. Oktober 2022 wurde durch das Appellationsgericht erlassen, weshalb zur Behandlung des Kostenerlassgesuchs der Einzelrichter des Appellationsgerichts zuständig ist.
1.2 Das Erlassgesuch des Gesuchstellers bezieht sich auf die Rechnung des Appellationsgerichts […] vom 3. November 2022. Der Rechnungsbetrag setzt sich aus CHF 40.– Mahngebühren und CHF 600.– Gerichtskosten zusammen, was einem Total von CHF 640.– entspricht. Die erwähnten Kosten sind Verfahrenskosten im Sinn von Art. 425 StPO, weshalb sie Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden.
2.
2.1 Art. 425 StPO schafft die Möglichkeit, Forderungen aus Verfahrenskosten zu stunden oder, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person, herabzusetzen zu erlassen. Für eine Herabsetzung einen Erlass müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person derart angespannt sein, dass eine (ganze teilweise) Kostenauflage unbillig erscheint. Das ist dann der Fall, wenn der Betroffene mittellos ist die Höhe der Kosten zusammen mit seinen übrigen Schulden seine Resozialisierung beziehungsweise sein finanzielles Weiterkommen ernsthaft gefährden kann (Domeisen, a.a.O., Art. 425 StPO N 4). Zu bedenken gilt in diesem Zusammenhang stets, dass der definitive Erlass von Gerichtskosten eine weitreichende Wirkung aufweist. So können einmal erlassene Verfahrenskosten selbst dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Schuldner in der Folgezeit in günstigere finanzielle Verhältnisse kommt. Die Gewährung des Kostenerlasses ist deshalb mit Zurückhaltung vorzunehmen; deutlich weniger weit geht eine Ratenzahlung (AGE SB.2017.73 vom 24. März 2021 E. 2.1, SB.2014.28 vom 28. August 2019 E. 2.1). Mit der Konzipierung von Art. 425 StPO als Kann-Bestimmung bleibt der zuständigen Strafbehörde ein grosser Ermessens- und Beurteilungsspielraum (BGer 6B_1184/2019 vom 25. Juni 2020 E. 1.1, 6B_886/2019 vom 25. September 2019 E. 2).
2.2 Wie sich aus dem Erlassgesuch und den eingereichten Unterlagen ergibt, sind die aktuellen finanziellen Verhältnisse des Gesuchstellers tatsächlich sehr eng. Der Gesuchsteller ist bald 67 Jahre alt, ein Wiedereinstieg ins Berufsleben scheint angesichts seines Alters unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass sich mittlerweile beide Ehegatten im Ruhestand befinden und ergänzend Sozialhilfe beanspruchen, womit auch in Zukunft nicht von einer Besserstellung auszugehen ist. Es bestehen auch ansonsten keine Hinweise, dass sich die finanzielle Situation des Gesuchstellers in absehbarer Zeit wesentlich ändern bzw. verbessern wird. Nachdem vor einem Jahr die Stundung noch gewährt wurde, erscheint mittlerweile – auch nach Pensionierung seiner Ehefrau – eine Kostenauflage im Sinne des vorstehend Ausgeführten als unbillig. Vor diesem Hintergrund kann dem Gesuchsteller auch eine Ratenzahlung nicht zugemutet werden. Um das finanzielle und auch sonstige Fortkommen des Gesuchstellers nicht zu gefährden, erscheint es gerechtfertigt, ihm den gesamten ausstehenden Betrag von CHF 640.– (inkl. Mahngebühren) der mit Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 27. Oktober 2022 auferlegten Gebühr zu erlassen.
3.
Das Erlassgesuch ist demgemäss gutzuheissen. Für den vorliegenden Entscheid werden keine Kosten erhoben (§ 40 des Gerichtsgebührenreglements [GGR, SG 154.810]).
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):
://: In Gutheissung des Gesuchs werden die mit Entscheid des Appellationsgericht vom 27. Oktober 2022 (BES.2022.61) auferlegten Verfahrenskosten in der Höhe von CHF 600.– zzgl. CHF 40.– Mahngebühren erlassen.
Für das Erlassgesuch werden keine Kosten erhoben.
Mitteilung an:
- Gesuchsteller
- Justiz- und Sicherheitsdepartement, Finanzen und Controlling
- Rechnungswesen der Gerichte
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Präsident Die a.o. Gerichtsschreiberin
lic. iur. Marc Oser MLaw Kim Baier
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.