| Appellationsgericht Einzelgericht |
DGS.2023.8
DGS.2023.28
DGS.2023.29
ENTSCHEID
vom 9. August 2023
Mitwirkende
lic. iur. Christian Hoenen
und Gerichtsschreiber MLaw Martin Seelmann, LL.M.
Beteiligte
A____ Gesuchsteller
[...]
vertreten durch [...], Rechtsanwalt und Notar,
[...]
gegen
Strafgericht Basel-Stadt Gesuchsgegner
Schützenmattstrasse 20, Postfach 375, 4009 Basel
Gegenstand
Ausstandsbegehren gegen den a.o. Strafgerichtspräsidenten
(im Verfahren [...])
Sachverhalt
Gegen A____ (nachfolgend: Gesuchsteller) wird ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf mehrfache Erschleichung einer falschen Beurkundung und mehrfache Anstiftung zur Urkundenfälschung im Amt geführt. Das Verfahren wurde nach Abschluss der Untersuchung am 31. Mai 2018 an das Strafgericht Basel-Stadt überwiesen ([...]).
Mit Verfügung der Strafgerichtspräsidentin vom 1. Dezember 2021 wurde die Verfahrensleitung auf den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten B____ übertragen. Mit Eingaben vom 22. resp. 23. Februar 2023 hat der Gesuchsteller persönlich (Eingabe vom 23. Februar 2023) resp. durch seinen Verteidiger (Eingabe vom 22. Februar 2023) ein Ausstandsgesuch gegen den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten gestellt. Letzterer hat die Gesuche mit begründetem Antrag vom 27. Februar 2023 auf Nichteintreten, eventualiter Abweisung, an das Appellationsgericht weitergeleitet. Dazu hat der Gesuchsteller mit Eingabe vom 9. März 2023 Stellung genommen. Mit Eingabe vom 29. März 2023 hat der Gesuchsteller sodann u.a. die Verfahrensanträge gestellt, es seien die beiden Ausstandsgesuche zu vereinen, es sei das Revisionsgesuch vom 9. Februar 2023 resp. die betreffende 900-seitige Eingabe aus den Verfahrensakten des vorliegenden Ausstandsverfahrens zu entfernen und es sei die Stellungnahme vom 27. Februar 2023 an das Strafgericht zurückzuweisen mit der Auflage, diese zu unterzeichnen. Mit Eingabe vom 5. April 2023 hat der Gesuchsteller des Weiteren – nach diversen Ausführungen, die insbesondere das Verfahren BES.2017.148 betreffen – beantragt, dass B____ durch das Appellationsgericht angefragt werde, ob dieser «nun von Amtes wegen in den Ausstand» trete. Mit Verfügung vom 21. April 2023 ist dem Gesuchsteller u.a. mitgeteilt worden, dass es sich bei der Stellungnahme des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten weder um einen Entscheid noch um eine Verfügung, sondern um eine blosse Meinungsäusserung handle, weshalb eine Originalunterschrift entbehrlich sei. Mit Eingabe vom 25. April 2023 hat der Gesuchsteller repliziert resp. hat sich zur Stellungnahme vom 27. Februar 2023 von B____ vernehmen lassen. Diese Vernehmlassung hat der Gesuchsteller mit Schreiben vom 26. April 2023 ergänzt. Mit Eingabe vom 25. April 2023 hat der ausserordentliche Strafgerichtspräsident schliesslich zum Schreiben des Gesuchstellers vom 5. April Stellung genommen.
Mit Eingabe an das Strafgericht vom 7. Juli 2023 hat der Gesuchsteller sodann ein weiteres Ausstandsbegehren gegen B____ gestellt. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident hat daraufhin das Gesuch mit begründetem Antrag vom 10. Juli 2023 auf Nichteintreten, eventualiter Abweisung, an das Appellationsgericht übermittelt. Mit Schreiben vom 12. Juli 2023 hat der Gesuchsteller ferner ein drittes Ausstandsbegehren gegen den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten beim Strafgericht eingereicht. Letzterer hat auch dieses mit begründetem Antrag vom 13. Juli 2023 auf Nichteintreten, eventualiter Abweisung, an das Appellationsgericht übermittelt. Der Gesuchsteller hat zu beiden Anträgen mit Eingabe vom 26. Juli 2023 Stellung genommen.
Mit Verfügung vom 28. Juli 2023 sind die Verfahren DGS.2023.8, DGS.2023.28 und DGS.2023.29 miteinander vereinigt worden.
Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.
Erwägungen
1.
1.1 Gemäss Art. 58 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) hat eine Partei, welche den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen will, der Verfahrensleitung ein entsprechendes Gesuch zu stellen. Die betroffene Person nimmt dazu Stellung. Über Ablehnungsgesuche gegen das Strafgericht einzelne seiner Mitglieder entscheidet gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO ohne weiteres Beweisverfahren und endgültig die Beschwerdeinstanz. Im Kanton Basel-Stadt übt das Appellationsgericht als Einzelgericht die Funktion des Beschwerdegerichts aus (§ 4 Abs. 1 lit. c des Gesetzes über die Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung [EG StPO, SG 257.100] in Verbindung mit § 93 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]).
1.2 Der Gesuchsteller ist als beschuldigte Person im gegen ihn geführten Strafverfahren Partei (Art. 104 Abs. 1 StPO) und somit gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO zur Stellung von Ausstandsbegehren legitimiert.
1.3
1.3.1
1.3.1.1 Der Gesuchsteller macht vorliegend einerseits (persönlich) geltend (dies wiederholt auch in den Ausstandsbegehren vom 7. Juli 2023 sowie vom 12. Juli 2023), dass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident in der Vernehmlassung vom 16. Juni 2022 geschrieben habe: «In der Hauptverhandlung sind keine gänzlich neuen Erkenntnisse zu erwarten». Damit habe das Strafgericht dem Appellationsgericht mitteilen wollen, dass die Sachverhaltsermittlung im Wesentlichen abgeschlossen sei und eben keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien. Die Hauptverhandlung sei damit präjudiziert und der ausserordentliche Strafgerichtspräsident voreingenommen. Angesichts dieser für den Gesuchsteller als beschuldigte Person verlorenen Ausgangssituation werde der ausserordentliche Strafgerichtspräsident aufgefordert, in den Ausstand zu treten.
1.3.1.2 Im zweiten Ausstandsgesuch vom 7. Juli 2023 bringt der Gesuchsteller ausserdem vor, dass er in seiner Eingabe vom 6. Juni 2023 begründet dargelegt habe, dass die «Strafklage» und die Strafanträge der Staatsanwaltschaft anzupassen seien. Das Verfahren gegen seinen Mitbeschuldigten und ihn dürfte einmal mehr erhebliches mediales Interesse wecken. Wenn dann nur die «Strafklage» vom 31. Mai 2018 für die Medien aufliege, gebe das ein erheblich falsches Bild. Es werde dann von mehrfachen Urkundendelikten berichtet, obwohl nur ein Urkundendelikt zu beurteilen sei. Ferner werde auch der übertriebene Strafantrag der Öffentlichkeit ein erheblich falsches Bild zeigen. Es sei dringend geboten, die fünf Jahre alte Anklageschrift an die aktuelle Situation anzupassen, wie auch die Strafanträge. Der Strafantrag für ein Delikt könne nicht gleich sein wie für sechs Delikte. Ferner seien mehrfache Urkundendelikte angeklagt. Das schliesse mit dem Anklageprinzip eine Verurteilung wegen einem einfachen Urkundendelikt aus. B____ habe diese Anpassung abgelehnt. In der Verfügung vom 8. Juni 2023 schreibe «die Staatsanwaltschaft» (gemeint wohl: der ausserordentliche Strafgerichtspräsident): «Die Staatsanwaltschaft erhält Frist zur Stellungnahme zur Eingabe gemäss Ziffer 1 bis zum 21. Juni 2023. Ohne Stellungnahme geht der Instruktionsrichter davon aus, dass die Staatsanwaltschaft an der Anklageschrift vom 31. Mai 2018 sowie an den am 13. April 2022 gestellten Anträgen sowie an dem mit gleichem Datum gestellten Dispensationsgesuch festhält». Das Gericht habe damit der Staatsanwaltschaft deutlich signalisiert, dass das Strafgericht den verbleibenden Anklagepunkt im Sinne der Anklage gutheissen werde, ansonsten der Hinweis über die antizipierte Annahme nicht nötig gewesen wäre.
1.3.2
1.3.2.1 B____ hält dem betreffend die monierte Vernehmlassung vom 16. Juni 2022 entgegen, dass das diesbezügliche Ausstandsgesuch verspätet eingereicht worden sei und folglich gegen Treu und Glauben verstosse, da sich der Gesuchsteller auf eine ihm offenbar am 23. Juni 2022 zugestellte Stellungnahme des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten an das Appellationsgericht vom 16. Juni 2022 beziehe. Sein Vorbringen hätte jedoch ohne Verzug, d.h. in den nächsten Tagen nach Kenntnisnahme, erfolgen müssen. Es sei ferner angemerkt, dass sich die vom Gesuchsteller vorgebrachte Begründung aus der Stellungnahme an das Appellationsgericht vom 16. Juni 2022 auf einen Mitbeschuldigten, dessen bisherige Aussagen und die Notwendigkeit seiner Verteidigung durch einen Rechtsvertreter beziehe. Insofern reisse der Gesuchsteller diese Begründung aus dem Zusammenhang und mache überdies nicht glaubhaft, inwiefern er selber davon unmittelbar betroffen sein solle.
1.3.2.2 In Bezug auf den im zweiten Ausstandsbegehren vom 7. Juli 2023 geltend gemachten Ausstandsgrund betreffend die «Ablehnung der Anpassung der Strafanträge und der Strafklage» bringt der ausserordentliche Strafgerichtspräsident vor, dass das Ausstandsgesuch zweifelsohne nicht rechtzeitig erfolgt sei. In diesem Punkt erübrige sich daher eine weitergehende Stellungnahme.
1.3.3 Ein Ausstandsgesuch muss «ohne Verzug» gestellt werden, sobald die gesuchstellende Partei vom Ausstandsgrund Kenntnis hat (Art. 58 Abs. 1 StPO). Wer einen Ablehnungsgrund nicht unverzüglich nach dessen Kenntnisnahme geltend macht, verwirkt den Anspruch auf eine spätere Anrufung. Ein verspätetes Ausstandsgesuch führt zum Nichteintreten auf das Gesuch (BGE 140 I 240 E. 2.4, 136 I 207 E. 3.4, 134 I 20 E. 4.3.1, 132 II 485 E. 4.3; Keller, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 2020, Art. 58 N 4). Ein Ausstandsgesuch, das sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrunds eingereicht wird, gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als rechtzeitig. Unzulässig ist hingegen im Normalfall ein Zuwarten während zwei drei Wochen resp. rund vier bzw. sechs Wochen seit Kenntnis des Ausstandsgrundes (BGE 140 I 271 E. 8.4.5; BGer 1B_514/2017 vom 19. April 2018 E. 3.2, 1B_100/2015 vom 8. Juni 2015 E. 4.1, 1B_274/2013 vom 19. November 2013 E. 4.1, 6B_192/2013 vom 10. Dezember 2013 E. 2.3, 1B_499/2012 vom 7. November 2012 E. 2.3, 1P.457/2006 vom 19. September 2006 E. 3.1).
1.3.4 Der vom Gesuchsteller geltend gemachte Ausstandsgrund des Anscheins der Voreingenommenheit geht auf die Stellungnahme von B____ vom 16. Juni 2022 an das Appellationsgericht zurück (vgl. act. 4 S. 7 ff.). Diese Stellungnahme hat der Gesuchsteller gemäss eigenen Angaben spätestens «anfangs Juli» 2022 erhalten (vgl. Eingabe des Gesuchstellers vom 9. März 2023, act. 7). Zum Zeitpunkt des Einreichens des Ausstandsbegehrens am 22./23. Februar 2023 war ihm der im genannten Schreiben monierte Umstand (angebliche Präjudizierung der Hauptverhandlung) daher schon seit mehr als einem halben Jahr bekannt. Der Gesuchsteller macht diesbezüglich zwar geltend, er habe aufgrund der Stellungnahme von B____ vom 16. Juni 2022 den Antrag gestellt, es sei auf die Hauptverhandlung zu verzichten (Eingabe des Gesuchstellers vom 9. März 2023, act. 7; vgl. auch Schreiben des Gesuchstellers vom 9. Februar 2023, act. 9 S. 2). Weshalb ihn dies jedoch gleichzeitig davon abgehalten haben sollte, ein Ausstandsgesuch gegen den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten zu stellen, legt der Gesuchsteller nicht dar und ist auch nicht ersichtlich, wäre die monierte Befangenheit doch auch bei einem verschobenen Hauptverhandlungstermin vorgelegen.
1.3.5 Die Frage, ob die Stellungnahme des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten vom 27. Februar 2023 zu unterzeichnen gewesen wäre es sich dabei um eine blosse einfache verfahrensleitende Verfügung handelt, kann offenbleiben, würde es sich vorliegend jedenfalls bei einer Rückweisung zwecks Unterzeichnung um einen blossen prozessualen Leerlauf handeln. Es ist entgegen den Ausführungen des Gesuchstellers gleichwohl darauf hinzuweisen, dass vorliegend gemäss Art. 59 Abs. 1 StPO in jedem Fall ein Entscheid durch die Beschwerdeinstanz zu ergehen hätte, selbst wenn der ausserordentliche Strafgerichtspräsident keine Stellungnahme eingereicht hätte resp. diese unbeachtlich wäre, macht der Gesuchsteller doch – soweit ersichtlich – keinen Ausstandsgrund nach Art. 56 lit. b–e StPO, sondern einen solchen nach lit. a/f geltend. Nur in erstgenannten Fällen kommt es überhaupt zu einem Entscheid durch die Beschwerdeinstanz, wenn sich die in einer Strafbehörde tätige Person dem Gesuch widersetzt, diese mithin zunächst selbst über das Gesuch «entscheidet». Hinsichtlich der Ausstandsgründe nach Art. 56 lit. a und f StPO hat demgegenüber zwingend – d.h. unabhängig davon, wie sich die vom Ausstandsgesuch betroffene Person äussert – ein Entscheid zu ergehen (Keller, a.a.O., Art. 59 N 4; Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung – Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich 2018, Art. 59 N 3). Somit wäre selbst bei einer – aufgrund einer fehlenden Unterschrift – angenommenen Unbeachtlichkeit der Stellungnahme des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten das Ausstandsbegehren nicht, wie vom Gesuchsteller vorgebracht wird, automatisch gutzuheissen.
1.3.6 In Bezug auf den im zweiten Ausstandsbegehren vom 7. Juli 2023 geltend gemachten Ausstandsgrund betreffend die «Ablehnung der Anpassung der Strafanträge und der Strafklage» moniert der Gesuchsteller, dass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident in seiner Verfügung vom 8. Juni 2023 der Staatsanwaltschaft deutlich signalisiert habe, dass das Strafgericht den verbleibenden Anklagepunkt im Sinne der Anklage gutheissen werde, womit kein unabhängiges Urteil zu erwarten sei. Der diesbezüglich geltend gemachte Ausstandsgrund war dem Gesuchsteller mithin bereits mehrere Wochen vor dem Einreichen seines zweiten Ausstandsbegehrens vom 7. Juli 2023 bekannt. Weshalb der Gesuchteller in diesem Fall mehr als sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrunds hätte zuwarten müssen, um das Begehren zu stellen, ist nicht ersichtlich und wird von ihm selbst auch nicht dargelegt. Auch dieser behauptete Ausstandsgrund ist demnach verspätet vorgebracht worden.
1.3.7 Im Ergebnis ist auf die Ausstandsbegehren in den vorerwähnten Punkten somit nicht einzutreten.
2.
2.1
2.1.1 Der Gesuchsteller lässt andererseits in seinem ersten Ausstandsgesuch weitere Ausstandsgründe durch seinen Rechtsvertreter vorbringen. So verletze der ausserordentliche Strafgerichtspräsident nicht nur den Gehörsanspruch des Gesuchstellers und die Strafprozessordnung, sondern auch die Waffengleichheit, wenn dieser in seiner Verfügung ausführe, die Eingaben des Gesuchstellers «vorerst nicht näher zur Kenntnis» zu nehmen. Der Gesuchsteller sei berechtigt, jederzeit Eingaben zu machen und der ausserordentliche Gerichtspräsident wäre als Verfahrensleiter verpflichtet, diese nach den gesetzlichen Vorschriften zu behandeln. Daran ändere auch die Begründung nichts, der Aktenumfang sei in vernünftigen Grenzen zu halten und es sei nicht «Sache des Gerichts, allfällige Erkenntnisse aus einer losen Zusammenstellung an Informationen zu ergründen.» Es sei sehr wohl Aufgabe des Verfahrensleiters, Unterlagen, welche die beschuldigte Person zu ihrer Verteidigung einreiche, auch dann sorgfältig zu prüfen, wenn sie angeblich unvernünftig umfangreich sein sollten.
Des Weiteren verkenne der ausserordentliche Strafgerichtspräsident die Rolle des Verteidigers im Verfahren, wenn er diesen auffordere, schriftlich mitzuteilen, inwiefern die besagte Eingabe des Gesuchstellers von Relevanz sei und ob diese als neuerliche Beschwerde gegen die Spruchkörperbestellung gewertet werden solle. Der Verteidiger sei nicht «Diener des Gerichts», den man mit Fristen zu Handlungen auffordern könne.
Schliesslich sei das Schreiben des ausserordentlichen Gerichtspräsidenten vom 15. Februar 2023 zwar mangels Unterschrift an sich unbeachtlich, es bringe aber dennoch zum Ausdruck, dass er nicht bereit zu sein scheine, das Verfahren nach den gesetzlichen Vorschriften zu führen und die Verteidigungsrechte des Gesuchstellers zu beachten. Ferner gebe es in diesem Verfahren mehrere Parteien, die jeweils mit den Eingaben und «Verfügungen» zu bedienen und zur Stellungnahme aufzufordern seien. Auch daran habe sich der ausserordentliche Strafgerichtspräsident nicht gehalten.
Zusammenfassend erwecke das beanstandete Vorgehen mindestens den Anschein der Befangenheit, weshalb der ausserordentliche Strafgerichtspräsident ersucht werde, in den Ausstand zu treten.
2.1.2 In seinem Ausstandsbegehren vom 7. Juli 2023 bringt der Gesuchsteller des Weiteren vor, dass es zur Klärung wichtiger Fragen und zur Ermittlung des Sachverhalts absolut notwendig sei, C____ vor dem Strafgericht als Zeugen zu befragen. Die Verweigerung der Befragung sei erheblich rechtsverletzend, weil keine Befragung durch die Staatsanwaltschaft erfolgt sei. Trotz bereits früher erfolgter Beantragung der Ladung von C____ habe B____ bis zum 12. Juni 2023 den Antrag nie explizit abgewiesen, geschweige denn begründet, weshalb die Aussage des Zeugen nicht relevant sein solle. Entsprechend sei die Stellung des Antrags auf Ladung vom 12. Juni 2023 nicht – wie vom ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten geltend gemacht – verspätet, sondern bloss eine Wiederholung des nach wie vor hängigen und unbeantworteten Antrags, ganz abgesehen davon, dass der Antrag gar nicht verspätet gestellt werden könne, sondern auch noch vor Schluss des Beweisverfahrens rechtzeitig gestellt werden könnte. Sodann stehe die von B____ in der Vernehmlassung vom 16. Juni 2022 vorgebrachte Äusserung «In der Hauptverhandlung sind keine gänzlich neuen Erkenntnisse zu erwarten» in direkten Zusammenhang mit der kommenden Hauptverhandlung. Damit habe das Strafgericht dem Appellationsgericht mitteilen wollen, dass die Sachverhaltsermittlung im Wesentlichen abgeschlossen sei und eben keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien. Diese Aussage sei nicht aus dem Zusammenhang gerissen, sondern eine wesentliche Aussage des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten zum Verfahren. Unter diesen Prämissen würden Beweisanträge wohl kaum gutgeheissen, da damit «neue Erkenntnisse» möglich seien, die von B____ nicht gewünscht seien. Die Hauptverhandlung sei damit präjudiziert.
Mit Verweigerung der Vorladung des Entlastungszeugen sei vom ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten mithin kein unabhängiges Urteil zu erwarten.
Ferner sei auch der Antrag von B____ vom 10. Juli 2023 zum zweiten Ausstandgesuch, nämlich das Ausstandgesuch abzuweisen, nicht unterzeichnet.
2.1.3 In seinem dritten Ausstandsgesuch vom 12. Juli 2023 moniert der Gesuchsteller sodann, dass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident auch den Beweisantrag vom 5. Juli 2023, nämlich die Befragung von D____, abgelehnt habe. Neben C____ sei sie die einzige Person, die über den Inhalt und die Absprachen der Gründung der [...] GmbH Auskunft geben könne und nun weder von der Staatsanwaltschaft noch vom Strafgericht befragt würde.
Schliesslich sei auch der Antrag von B____ zum dritten Ausstandgesuch vom «10. Juli 2023» [recte: 13. Juli 2023], nämlich das Ausstandgesuch abzuweisen, nicht unterzeichnet.
2.2
2.2.1 B____ führt demgegenüber in Bezug auf das erste Ausstandsbegehren aus, dass der Gesuchsteller ihn mit der über 900-seitigen Eingabe vom 9. Februar 2023, welche dem Ausstandsgesuch vom 22. Februar 2023 zugrunde liege, direkt über sein beim Bundesgericht eingereichtes Revisionsgesuch betreffend ein früheres Strafverfahren ([...]) orientiert habe. Für den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten sei nach der im Rahmen von Art. 109 Abs. 2 StPO vorgenommenen Prüfung nicht erkennbar gewesen, welche Relevanz bzw. welchen Zusammenhang die über 900 Seiten umfassende Eingabe vom 9. Februar 2023 auf das Strafverfahren und den darin zu klärenden Schuldvorwurf habe resp. aus welchen Gründen diese zu den Akten genommen werden solle. Der Gesuchsteller begründe diesen Zusammenhang in seiner Eingabe nicht näher. Es sei nicht Sache des Gerichts, allfällige Erkenntnisse aus einer losen Zusammenstellung an Informationen zu ergründen. Vielmehr sei es Sache des für das Revisionsgesuch zuständigen Bundesgerichts, über die Mitteilung des Revisionsgesuchs an weitere Parteien, Beteiligte Dritte zu befinden.
Da es dem ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten nach vorgenommener Prüfung der Eingabe nicht ohne weiteres möglich sei, einen sachlichen Zusammenhang zu vorliegendem Strafverfahren zu erkennen, sei diese vorerst nicht näher, d.h. einlässlich, zur Kenntnis genommen worden. Deswegen habe er den Rechtsvertreter des Gesuchstellers in der Annahme, dieser stehe in Diensten des Gesuchstellers, mit Verfügung vom 15. Februar 2023 aufgefordert, innert angemessener Frist schriftlich mitzuteilen, inwiefern die besagte Eingabe für vorliegendes Strafverfahrens von Relevanz sein solle. Es obliege selbstredend einzig dem Rechtsvertreter des Gesuchstellers zu entscheiden, ob und wie er im Interesse seines Mandanten dieser Aufforderung nachkomme. Ebenfalls sei in der Verfügung mitgeteilt worden, dass anschliessend darüber befunden werde, wie die Eingabe zu behandeln sei. Ob sich der ausserordentliche Gerichtspräsident mit allen erheblichen Vorbringen der Parteien befasst und auseinandergesetzt habe, liesse sich demnach erst aufgrund der Begründung der noch zu erlassenden Verfügung beurteilen. Inwiefern somit eine vom Gesuchsteller, überdies in unbelegter Weise, vorgebrachte Verletzung des verfassungsmässigen Gehörsanspruchs vorliegen solle, sei indes nicht ersichtlich.
Da dem Gesuchsteller durch die Verfügung vom 15. Februar 2023 keine Rechtsnachteile erwachsen seien, sei diese praxisgemäss nicht unterzeichnet worden. So verkenne der Gesuchsteller, dass bereits Art. 80 Abs. 3 StPO vorsehe, dass einfache verfahrensleitende Beschlüsse und Verfügungen weder besonders ausgefertigt noch begründet werden müssten. Eine allfällige Mitteilung an die übrigen Parteien werde erfolgen, sobald über die Eingabe vom 9. Februar 2023 habe befunden werden können. Hätte der Gesuchsteller eine unterzeichnete Verfügung gewünscht, hätte er einen entsprechenden Antrag stellen können, anstatt ein Ausstandsgesuch einzureichen. Dies erwecke wiederum den Anschein, dass es ihm weniger um die Beurteilung einer möglichen Befangenheit gehe, sondern ein weiterer Versuch unternommen werde, das vorliegende Strafverfahren zu verschleppen.
2.2.2 Betreffend das zweite Ausstandsbegehren vom 7. Juli 2023 bringt der ausserordentliche Strafgerichtspräsident sodann mit Stellungnahme vom 10. Juli 2023 vor, dass der Gesuchsteller mit Eingabe vom 3. Juli 2023 erneut denselben Beweisantrag auf Befragung des Auftraggebers, C____, als Zeuge wie mit seinen Eingaben vom 17. Februar, 22. März sowie 26. April 2022 gestellt habe. Mithin könne auf die entsprechende Begründung in den Verfügungen vom 9. Mai 2022 sowie 4. Juli 2023 verwiesen werden. Der Gesuchsteller hätte nach Ablehnung des Beweisantrags mit Verfügung vom 9. Mai 2022 ein Ausstandsgesuch stellen können, was er nicht getan habe. Ebenso wenig habe er eine ausführlichere Begründung zur Verfügung vom 9. Mai 2022 verlangt. Der am 3. Juli 2023 gestellte und anschliessend mit Verfügung vom 4. Juli 2023 abgelehnte Beweisantrag sei bloss wiederholt worden. Offenkundig sei vorliegendes Ausstandsgesuch daher nicht rechtzeitig ergangen. Dass der Gesuchsteller implizit auf die Verfügung vom 29. Juni 2023 referenziere, sei insofern irrelevant, da sich der ausserordentliche Strafgerichtspräsident darin ausschliesslich mit dem Beweisantrag des Mitbeschuldigten befasst habe und der Verweis in der Verfügung vom 4. Juli 2023 auf die Verfügung vom 29. Juni 2023 ausschliesslich dem Umstand geschuldet sei, dass der Mitbeschuldigte in seinem Beweisantrag auf den zu einem früheren Zeitpunkt gestellten Beweisantrag des Gesuchstellers Bezug nehme. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident habe mit Verfügung vom 29. Juni 2023 ausführlich zum Beweisantrag des Mitbeschuldigten vom 12. Juni 2023 Stellung genommen. Darin habe er dargelegt, inwiefern der Beweisantrag verspätet erfolgt sei und eine Beweiserhebung über Tatsachen verlangt werde, die unerheblich seien. Die an den Mitbeschuldigten gerichtete Verfügung vom 29. Juni 2023 nehme der Gesuchsteller zum Anlass, ein Ausstandsgesuch zu stellen, das in weiten Teilen einer Abschrift des Ausstandsgesuchs des Mitbeschuldigten vom 4. Juli 2023 gleichkomme. Ebenso nicht nachvollziehbar sei die in diesem Zusammenhang bereits vom Mitbeschuldigten tatsachenwidrig vorgebrachte Behauptung, die sich der Gesuchsteller nun zu eigen mache, der ausserordentliche Strafgerichtspräsident habe sich in der Vergangenheit noch nie zur Befragung von C____ geäussert. Diesbezüglich sei auf die Verfügung vom 9. Mai 2022, Begründung zu Ziffer 1, ad Antrag 4, verwiesen, auf die unzählige weitere, in der Folge ergangene Verfügungen referenzieren würden. Eine Befragung von C____ lasse bei vorliegender Ausgangslage im Hinblick auf die rechtlich relevanten Fragen keine neuen Erkenntnisse erwarten, welche die objektiv festgehaltenen Umstände umzustossen vermöchten. Ob der Gesuchsteller überhaupt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit treffe bzw. die angeklagten Tatbestände erfülle, sei durch das Gericht zu beurteilen. Dabei gehe es einzig um die Beurteilung, ob inhaltlich unwahre Beurkundungen durch Täuschung erwirkt worden seien. Angeklagt worden seien sowohl die Erlangung einer Falschbeurkundung beim Notar als auch beim Handelsregisterführer. Einzig massgebend sei im Hinblick auf das angeklagte Urkundendelikt die Frage, ob ein Täter vor bzw. im Zeitpunkt der Beurkundung gewusst habe, dass das Gründungskapital anschliessend wieder entzogen werde, und ob dies gegenüber dem Notar und/oder Handelsregisterführer verschwiegen worden sei. Diese Frage könne das Gericht anhand der zahlreichen objektiven Beweismittel sowie der Befragung der Angeklagten 1 und 2 beurteilen, wohingegen C____ diesbezüglich nichts beizutragen vermöchte. Ferner vom Gericht rechtlich zu beurteilen sei die Frage, ob C____ anhand der vorhandenen und erwähnten Beweismittel, wie angeklagt, rechtlich tatsächlich zweifelsfrei als «vorsatzloses Werkzeug der Angeklagten 1 und 2» gelten bzw. dessen Handeln den Angeklagten 1 und 2 zugerechnet werden könne. Auch diese Beurteilung könne es anhand der vorliegenden objektiven Beweise vornehmen.
2.2.3 Hinsichtlich des dritten Ausstandsgesuchs vom 12. Juli 2023 betreffend die beantragte Befragung von D____ führt der ausserordentliche Strafgerichtspräsident aus, dass er u.a. diesen Antrag mit Verfügung vom 7. Juli 2023 abgewiesen habe. Darin habe er dargelegt, inwiefern eine Beweiserhebung über Tatsachen verlangt werde, die unerheblich seien. Die materielle Wahrheit könne anhand unterschiedlicher Beweise ergründet werden. Der Gesuchsteller lege mit seiner Eingabe vom 5. Juli 2023 nicht dar, inwiefern u.a. D____ etwas zur Klärung des angeklagten Sachverhalts bzw. der angeklagten Tatbestände beitragen könne. Er komme diesbezüglich seiner Begründungspflicht nicht nach. Eine Befragung der genannten Person lasse bei der erwähnten Ausgangslage im Hinblick auf die rechtlich relevanten Fragen zudem schlichtweg keine neuen Erkenntnisse erwarten, welche die objektiv festgehaltenen Umstände umzustossen vermöchten. So sei augenfällig, dass der Gesuchsteller selbst in seinem Antrag vom 5. Juli 2023 in diesem Zusammenhang aus E-Mails der genannten Personen zitiere. Diese E-Mails seien Bestandteil der Akten und somit den Strafbehörden bereits bekannt. Die Befragung von D____ als Zeugin sei ferner nicht bloss unerheblich. Sie sei, wie der Gesuchsteller, des Weiteren Verwaltungsrätin der [...] AG. In dieser Funktion seien gar keine unabhängigen Aussagen zu erwarten.
2.3 Gemäss Art. 30 Abs. 1 der Bundesverfassung (BV, SR 101) und Art. 6 Ziff. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, SR 0.101) hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht ohne Einwirken sachfremder Umstände beurteilt wird. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken, ohne dass für die Ablehnung verlangt wäre, dass die Richterperson tatsächlich befangen ist (vgl. dazu BGE 141 IV 178 E. 3.2.1, 140 III 221 E. 4.1; BGer 1B_315/2020 vom 23. September 2020 E. 5.1; Keller, a.a.O., Art. 56 StPO N 31 ff.). In Konkretisierung dieser grundrechtlichen Garantien hat gemäss Art. 56 StPO eine in einer Strafbehörde tätige Person unter anderem dann in den Ausstand zu treten, wenn sie im Sinne einer Generalklausel «aus anderen Gründen» befangen sein könnte (lit. f). Das subjektive Empfinden einer Partei ist bei der Beurteilung solcher Umstände nicht massgebend. Vielmehr müssen die Umstände bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit Voreingenommenheit begründen (vgl. BGE 147 III 89 E. 4.1, 140 I 240 E. 2.2, 139 I 121 E. 5.1). Die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). Die blosse Behauptung eines Ausstandsgrundes pauschale, vage Andeutungen genügen nicht. Es muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Anschein der Befangenheit sprechen. Ein strikter Nachweis die urkundliche Bescheinigung der den Ausstand begründenden Tatsachen sind aber nicht erforderlich (Keller, a.a.O., Art. 58 N 11).
Materielle und prozessuale Rechtsfehler sind in erster Linie im Rechtsmittelverfahren zu rügen und lassen sich grundsätzlich nicht als Begründung für den Ausstand heranziehen (BGer 1B_144/2021 vom 30. August 2022 E. 4.2; BGE 143 IV 69 E. 3.2). Nur krasse und wiederholte Verfahrensfehler, die einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen, sich einseitig zu Lasten einer Prozesspartei auswirken und eine auf fehlende Distanz und Neutralität beruhende Haltung vermitteln, vermögen eine Vorbefassung im Sinne des Gesetzes zu begründen (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.2, 141 IV 178 E. 3.2.3, 114 la 153 E. 3b/bb; BGer 1B_620/2020 vom 23. Februar 2021 E. 3.3, 1B_269/2019 vom 9. Dezember 2019 E. 4.4.1; AGE DGS.2020.6 vom 29. Juli 2020 E. 2.2.3.2, DGS.2019.34 vom 19. November 2020 E. 2, BES.2019.42 vom 26. Juli 2019 E. 2.2.2.2).
2.4
2.4.1
2.4.1.1 Was den vom Verteidiger des Gesuchstellers geltend gemachten ersten und zweiten Punkt des Ausstandsbegehrens vom 22. Februar 2023 betrifft (die 900-seitige Eingabe des Gesuchstellers werde «vorerst nicht näher zur Kenntnis» genommen; Aufforderung des Verteidigers zu Handlungen), so ist diesem zweifellos darin zuzustimmen, dass der Gesuchsteller berechtigt ist, gemäss Art. 109 Abs. 1 StPO jederzeit Eingaben zu machen. Ebenso sind diese gemäss Art. 109 Abs. 2 StPO durch die Verfahrensleitung zu prüfen. Wie jedoch aus den Akten erhellt, handelt es sich bei der 900-seitigen Eingabe des Gesuchstellers um Akten, welche das durch den Gesuchsteller beim Bundesgericht eingereichte – und das Verfahren [...] betreffende – Revisionsgesuch betreffen (vgl. act. 5 sowie act. 9). Aufgrund des Aktenumfangs der Eingabe und der für den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten nicht unmittelbar ersichtlichen Relevanz der Dokumente für das aktuell beim Strafgericht hängige Strafverfahren gegen den Gesuchsteller ist vorliegend nicht zu beanstanden, dass dieser gemäss Verfügung vom 15. Februar 2023 die Akten «vorerst» nicht näher zur Kenntnis genommen hat. Zu welchem Zeitpunkt nämlich die effektive Kenntnisnahme der eingereichten Unterlagen durch den Instruktionsrichter erfolgt, liegt grundsätzlich in seinem Ermessen. Sofern er dem Gesuchsteller resp. der Verteidigung mit Verfügung vom 15. Februar 2023 mitgeteilt hat, dass er diese «vorerst» nicht zur Kenntnis nehmen würde, ist über den Zeitpunkt der effektiven Kenntnisnahme resp. ein allfälliges Nicht-Zur-Kenntnis-Nehmen noch nichts gesagt. Dies hätte sich vorliegend erst mit der nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme vom 27. Februar 2023 folgenden Verfügung ergeben.
Diesbezüglich ist auch nicht zu beanstanden, dass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident die Verteidigung mit Verfügung vom 15. Februar 2023 dazu angehalten hat, aufgrund des Aktenumfangs der Eingabe vom 9. Februar 2023 verfahrensrelevante Aktenbestandteile zu bezeichnen resp. anzugeben, ob es sich dabei um eine neuerliche Beschwerde gegen die Spruchkörperbestellung handle. Wie der ausserordentliche Strafgerichtspräsident vorliegend zutreffend ausführt, oblag es unbestrittenermassen einzig dem Verteidiger des Gesuchstellers, zu entscheiden, ob und wie er im Interesse seines Mandanten dieser Aufforderung nachkomme. So wurde auch in der Verfügung vom 15. Februar 2023 angekündigt, dass erst anschliessend darüber befunden werde, wie die Eingabe zu behandeln sei. Es stand der Verteidigung mithin fraglos zu, keine Stellungnahme zur Verfügung vom 15. Februar 2023 einzureichen. Es wurden ihr denn auch keine Rechtsnachteile im Falle eines Verzichts angedroht. Ergänzend gilt es festzuhalten, dass zwar der Verteidigung darin zuzustimmen ist, dass das früher noch vom Bundesgericht sowie in der Botschaft zur Strafprozessordnung verwendete Bild des Verteidigers «als Diener des Rechts» überholt sein mag, gleichwohl sieht die (bundesgerichtliche) Praxis zur Strafprozessordnung nach wie vor noch Konstellationen vor, in denen die Verteidigung auch noch der Rechtspflege verpflichtet zu sein scheint (vgl. für diese Beispiele Fingerhuth/Roos, Der Diener des Rechts ist gestorben – Es lebe der Diener des Rechts, in: Anwaltsrevue 2019, S. 262 ff.).
2.4.1.2 In Bezug auf den letzten Vorwurf der Verteidigung kann deren Vorbringen, das Schreiben des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten vom 15. Februar 2023 sei mangels Unterschrift an sich zwar unbeachtlich, bringe aber zum Ausdruck, dass dieser nicht bereit zu sein scheine, das Verfahren nach den gesetzlichen Vorschriften zu führen und die Verteidigungsrechte des Gesuchstellers zu beachten, ebenfalls nicht gefolgt werden. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine blosse einfache verfahrensleitende Verfügung i.S.v. Art. 80 Abs. 3 StPO, da dem Gesuchsteller aus ihr keine Rechtsnachteile erwachsen sind. Wie der ausserordentliche Strafgerichtspräsident zu Recht ausführt, hätte erst mit darauffolgender Verfügung darüber entschieden werden sollen, wie die Eingabe des Gesuchstellers vom 9. Februar 2023 weiter zu behandeln gewesen wäre. Auch eine allfällige Mitteilung an die Parteien mit Aufforderung zur Stellungnahme hätte gemäss B____ erst zu jenem Zeitpunkt erfolgen sollen. Wie letzterer ferner zutreffend vorbringt, wäre es dem Gesuchsteller sodann freigestanden, eine unterzeichnete Verfügung zu verlangen.
2.4.2 Was den Vorwurf der fehlenden Unterzeichnung der Anträge von B____ vom 10. Juli 2023 sowie vom 13. Juli 2023 betrifft, so kann auf das bereits Ausgeführte unter vorstehender E. 1.3.5 verwiesen werden.
2.4.3 Hinsichtlich der Abweisung des Antrags auf Vorladung von C____ als Zeugen ist dem Gesuchsteller nicht zu folgen, wenn er moniert, der entsprechende Beweisantrag sei bislang nicht behandelt worden. So wurden mit Verfügung des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten vom 9. Mai 2022 die mit Eingabe vom 22. und 28. März, 26. April 2022 sowie 4. Mai 2022 gestellten Beweis- und Verfahrensanträge abgewiesen. Zwar wurde die Abweisung des Antrags der Befragung von C____ in der betreffenden Verfügung vom 9. Mai 2022 nicht speziell begründet, wie der ausserordentliche Gerichtspräsident jedoch zutreffend vorbringt, hätte der Gesuchsteller zu diesem Punkt ohne Weiteres eine Begründung verlangen können. Eine eingehende Begründung der Abweisung des Antrags der Befragung von C____ erfolgte sodann unbestrittenermassen in der Verfügung vom 29. Juni 2023 als Antwort auf den Beweisantrag des Mitbeschuldigten vom 12. Juni 2023.
Vorliegend offen bleiben kann die Frage, ob der Gesuchsteller die Abweisung des Beweisantrags resp. die dadurch behauptete vorliegende Befangenheit von B____ nicht bereits kurz nach dem 9. Mai 2022 hätte geltend machen können, da ohnehin nicht ersichtlich ist, inwiefern dadurch eine den Ausstand begründende Tatsache glaubhaft gemacht werden soll. Der Gesuchsteller begründet sein Ausstandsgesuch in diesem Punkt – sowie auch in Bezug auf den abgewiesenen Beweisantrag der Befragung von D____ – nämlich im Wesentlichen mit dem Umstand, dass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident als Verfahrensleiter seine Beweisanträge abgewiesen habe und er mithin an der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht interessiert sei, was ihn offenkundig befangen mache.
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Zwar gehört zum Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 107 StPO, Art. 29 Abs. 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK), dass die Behörde alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien würdigt und die ihr angebotenen Beweise abnimmt, wenn diese zur Abklärung des Sachverhalts tauglich erscheinen. Umgekehrt folgt jedoch daraus, dass keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt, wenn das Gericht auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es zur Erkenntnis gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass diese Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (Art. 139 Abs. 2 StPO; BGE 141 I 60 E. 3.3; BGer 6B_278/2017 vom 12. Februar 2018 E. 2.1). So ist es gemäss Art. 331 StPO denn auch Aufgabe der Verfahrensleitung, über die Zulassung von Beweisanträgen vorläufig zu entscheiden. Bei der Ablehnung von Verfahrens- und Beweisanträgen durch die Verfahrensleitung handelt es sich grundsätzlich um verfahrensleitende Entscheide, die keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken. Entsprechend sind sie von der Beschwerde nach Art. 393 StPO ausgeschlossen. Die Anträge können jedoch in der Hauptverhandlung vor dem Kollegium dem Einzelgericht wiederholt (Art. 65 Abs. 2; 331 Abs. 3 StPO; Brüschweiler/Nadig/Schneebeli, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 2020, Art. 65 N 2; Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung – Praxiskommentar, 3. Aufl., Zürich 2018, Art. 65 N 2; dies als Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes, dass verfahrensleitende Entscheide nicht in materielle Rechtskraft erwachsen und deshalb bei geänderten Verhältnissen jederzeit angepasst werden können) und im Falle einer Abweisung zusammen mit dem Endentscheid angefochten werden (vgl. zum Ganzen AGE BES.2016.193 vom 13. März 2017 E. 1.1; BGer 1B_678/2012 vom 9. Januar 2013 E. 1 f., 1B_569/2011 vom 23. Dezember 2011 E. 2; Wohlers, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 2020, Art. 139 N 21).
Würde vorliegend über die Begründetheit von verfahrensleitenden Entscheiden betreffend die Abweisung von Beweisanträgen qua wiederholter Ausstandsbegehren entschieden werden, würde damit der nicht offenstehende Rechtsmittelweg mittels Beschwerde umgangen. Somit könnte auch hier ein Anschein von Befangenheit nur soweit angenommen werden, als krasse und wiederholte Verfahrensfehler ersichtlich wären. Hiervon kann vorliegend keine Rede sein. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident hat die Abweisung der Beweisanträge auf Vorladung und Befragung von C____ und D____ in seinen Verfügungen eingehend begründet. Mithin kann dem Gesuchsteller auch nicht gefolgt werden, wenn er geltend macht, der ausserordentliche Strafgerichtspräsident lehne «Beweisanträge nur ab[…] und [mache] keine konstruktiven Vorschläge Hinweise […], wie der wirkliche Sachverhalt ermittelt werden [könne]». Es ist nicht ersichtlich, inwiefern im Handeln des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten ein krasser Verfahrensfehler liegen soll. Der blosse Umstand, dass die Anträge abgewiesen worden sind, reicht für eine diesbezügliche Annahme der Befangenheit (resp. des Anscheins der Befangenheit) jedenfalls nicht aus (vgl. BGer 1B_224/2010 vom 11. Januar 2011 E. 4.5, 1B_283/2010 vom 7. Oktober 2010 E. 2; BGE 125 I 119 E. 3e; je mit Hinweisen). Sofern der Gesuchsteller mit der – vorläufigen – Abweisung der Beweisanträge und deren Begründung inhaltlich nicht zufrieden sein sollte, steht es ihm frei, die Beweisanträge im Rahmen der Hauptverhandlung zu wiederholen und im Falle einer erneuten Abweisung mit dem Endentscheid anzufechten.
2.4.4 Ergänzend gilt es ferner noch festzuhalten, dass, selbst wenn von einer rechtzeitigen Geltendmachung des Ausstandsgrundes in Bezug auf vorstehende E. 1.3.4 ausgegangen werden sollte, der ausserordentliche Strafgerichtspräsident zu Recht vorbringt, dass der Gesuchsteller dessen Aussage in der Stellungnahme vom 16. Juni 2022 aus dem Zusammenhang reisst, bezogen sich die Ausführungen im entsprechenden Fall doch auf die Frage der Notwendigkeit der Anwesenheit der Verteidigung des Mitbeschuldigten an der Hauptverhandlung aufgrund seines bisherigen Aussageverhaltens (stetes Bestreiten der Vorwürfe, keine Belastung von Mitbeschuldigten).
2.4.5 Ergänzendes ist auch für den Ausstandsgrund der «Ablehnung der Anpassung der Strafanträge und der Strafklage» festzuhalten. Denn selbst wenn auch hier von einer rechtzeitigen Geltendmachung des Ausstandsgrundes (dies verneinend vorne E. 1.3.6) ausgegangen würde, würde der geltend gemachte Umstand keinen Anschein der Befangenheit erwecken. Entgegen den Ausführungen des Gesuchstellers ist nämlich nicht ersichtlich, inwiefern die Aussage in der Verfügung vom 8. Juni 2023 («Die Staatsanwaltschaft erhält Frist zur Stellungnahme zur Eingabe gemäss Ziffer 1 bis zum 21. Juni 2023. Ohne Stellungnahme geht der Instruktionsrichter davon aus, dass die Staatsanwaltschaft an der Anklageschrift vom 31. Mai 2018 sowie an den am 13. April 2022 gestellten Anträgen sowie an dem mit gleichem Datum gestellten Dispensationsgesuch festhält.») belegen sollte, dass das Gericht damit der Staatsanwaltschaft deutlich signalisiert habe, dass das Strafgericht den verbleibenden Anklagepunkt im Sinne der Anklage gutheissen werde, ansonsten der Hinweis über die antizipierte Annahme nicht nötig gewesen wäre. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident gab der Staatsanwaltschaft darin lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Fragen, die der Gesuchsteller mit Eingabe vom 6. Juni 2023 an die Staatsanwaltschaft gestellt haben wollte («[…] stelle ich folgende Zwischenverfahrensanträge: 1. Das Strafgericht soll die Staatsanwaltschaft anfragen, ob diese an der Anklageschrift vom 31. Mai 2018 festhält diese zurückzieht. 2. Das Strafgericht soll die Staatsanwaltschaft anfragen, ob diese an den Strafanträgen festhält. 3. Eventualiter ist der Staatsanwaltschaft anzuweisen, an der Hauptverhandlung zu erscheinen (Widerruf der Dispensierung) […]»). Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Strafprozessordnung explizit vorsieht, dass etwaige Verfahrenseinstellungen in einzelnen Anklagepunkten zusammen mit dem Urteil ergehen können (Art. 329 Abs. 5 StPO), dies etwa, wenn einzelne Anklagepunkte bereits verjährt sein sollten (vgl. Schmid/Jositsch, a.a.O., Art. 329 N 20). Es ist schliesslich reine Spekulation des Gesuchstellers, dass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident im noch nicht verjährten Anklagepunkte unbedingt eine Verurteilung herbeiführen wollen würde.
3.
Der Gesuchsteller vermag demnach insgesamt nicht, eine – mehrere – den Ausstand begründende Tatsache(n) glaubhaft zu machen. Insbesondere sind auch keine materiellen und prozessualen Rechtsfehler seitens des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten ersichtlich, die einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen, sich einseitig zu Lasten einer Prozesspartei auswirken und eine auf fehlende Distanz und Neutralität beruhende Haltung vermitteln würden. Daraus folgt die Abweisung seines Gesuchs, soweit darauf einzutreten ist.
4.
Bei diesem Ausgang des Ausstandsverfahrens hat der Gesuchsteller dessen Kosten zu tragen (Art. 59 Abs. 4 StPO), wobei die Gebühr auf CHF 1'000.– festzusetzen ist (vgl. § 33 des Reglements über die Gerichtsgebühren, SG 154.810).
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):
://: Die Ausstandsgesuche gegen den a.o. Strafgerichtspräsidenten B____ werden abgewiesen, soweit auf sie eingetreten wird.
Der Gesuchsteller trägt die Kosten des Ausstandsverfahrens mit einer Gebühr von CHF 1'000.–, einschliesslich Auslagen.
Mitteilung an:
- Gesuchsteller
- a.o. Strafgerichtspräsident B____
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Präsident Der Gerichtsschreiber
lic. iur. Christian Hoenen MLaw Martin Seelmann, LL.M.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.