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Urteil Sozialversicherungsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BV.2021.1 (SVG.2022.20)
Instanz:Sozialversicherungsgericht
Abteilung:
Sozialversicherungsgericht Entscheid BV.2021.1 (SVG.2022.20) vom 24.08.2021 (BS)
Datum:24.08.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Keine Verjährung der Invalidenrente infolge Vertrauensschutz
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 104 OR ; Art. 105 OR ; Art. 130 OR ; Art. 142 OR ; Art. 2 ZGB ; Art. 26 BV ; Art. 38 BV ; Art. 41 BV ; Art. 42 BGG ; Art. 47 BGG ; Art. 73 BV ; Art. 95 BGG ;
Referenz BGE:108 II 278; 113 II 264; 134 III 591;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Sozialversicherungsgericht

des Kantons Basel-Stadt



URTEIL


vom 24. August 2021



Mitwirkende


Dr. A. Pfleiderer (Vorsitz), Dr. med. R. von Aarburg,
lic. iur. S. Bammatter-Glättli

und Gerichtsschreiberin lic. iur. H. Hofer



Parteien


A____

vertreten durch lic. iur. B____

Kläger


C____

vertreten durch D____

Beklagte


Gegenstand


BV.2021.1

Klage vom 31. Dezember 2020


Keine Verjährung der Invalidenrente infolge Vertrauensschutz


Tatsachen

I.

Der 1959 geborene Kläger war ab Juli 1999 als Pilot bei den E____ angestellt und in dieser Funktion bei der Beklagten berufsvorsorgeversichert nach BVG (Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassen- und Invalidenvorsorge, SR 831.40). Am 21. September 2005 legt der Kläger seine Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nieder und meldete sich bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an. Diese sprach ihm letztendlich mit Verfügung vom 23. Juni 2017 (Klagbeilage [KB] 13) gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 57% mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2005 eine halbe Invalidenrente zu.

Die Beklagte anerkannte mit Schreiben vom 16. Juli 2019 ihre Leistungspflicht (KB 20) und teilte dem Kläger mit, sie werde mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2008 eine temporäre halbe Invalidenrente ausrichten (Schreiben vom 26. November 2019, KB 21).

II.

Vertreten durch den Rechtsanwalt B____ erhebt der Kläger am 31. Dezember 2020 Klage und beantragt, es sei die Beklagte zu verpflichten, ihm für die Periode von Dezember 2005 bis Ende November 2008 Rentenleistungen in der Höhe von monatlich Fr. 1'601.60, insgesamt Fr. 57'657.60 zuzüglich Zins zu 5% seit dem 12. Oktober 2018 auszurichten.

Die Beklagte schliesst mit Klageantwort vom 1. März 2021 auf vollständige Abweisung der Klage.

Mit Replik vom 3. Mai 2021 hält der Kläger an seiner Klage und den darin gestellten Begehren vollumfänglich fest. Die Beklagte dupliziert am 7. Juni 2021.

III.

Innert Frist hat keine der Parteien die Durchführung einer mündlichen Parteiverhandlung verlangt. Am 24. August 2021 findet die Urteilsberatung durch die Kammer des Sozialversicherungsgerichts statt.

Entscheidungsgründe

1.

Die vorliegende Streitigkeit unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art. 73 BVG erwähnten richterlichen Behörden. Das Sozialversicherungsgericht ist damit gemäss § 82 Abs. 1 GOG (Gerichtsorganisationsgesetz, SG 154.100) und § 1 Abs. 1 SVGG (Sozialversicherungsgerichtsgesetz, SG 154.200) zur Behandlung der vorliegenden Klage sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus Art. 73 Abs. 3 BVG. Da auch die übrigen prozessualen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Klage einzutreten.

2.

2.1. Dem Kläger wurde mit Verfügung vom 23. Juni 2017 auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 57% mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2005 eine halbe Invalidenrente der IV zugesprochen. Zwischen den Parteien ist mittlerweile unbestritten, dass der Kläger gegenüber der Beklagten ebenfalls Anspruch auf Ausrichtung einer entsprechenden Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge hat. Uneinigkeit besteht zwischen den Parteien hingegen über den Beginn der Rentenauszahlung. 2.2. Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, ein Rentenanspruch sei frühestens nach Beendigung allfälliger Lohnfortzahlungen respektive mit Ausschöpfung der Krankentaggelder entstanden, was per 30. September 2007 der Fall gewesen sei. Der Kläger habe sodann erstmals mit Schreiben vom 6.Dezember 2013 eine Verjährungseinredeverzichtserklärung eingeholt. Mit Schreiben vom 17. Januar 2014 (KB 27) habe sie daraufhin insoweit auf die Einrede der Verjährung verzichtet, als die Forderungen bis zum damaligen Zeitpunkt nicht bereits verjährt gewesen seien. Da die Rentenbetreffnisse bis November 2008 zum damaligen Zeitpunkt jedoch bereits verjährt gewesen seien, anerkenne sie einen Anspruch erst mit Wirkung ab dem 1.Dezember 2008. 2.3. Demgegenüber macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die Verjährung sei nicht eingetreten, beziehungsweise die Einrede der Verjährung erfolge rechtsmissbräuchlich und sei nicht zu schützen. Dabei beruft er sich hauptsächlich auf ein Schreiben der Beklagten vom 5. September 2008 (KB 7), welches als Vertrauensgrundlage anzusehen sei. 2.4. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind einzig die Rentenbetreffnisse von Dezember 2005 bis November 2008. Insbesondere ist der Frage nachzugehen, ob diese verjährt sind und gegebenenfalls, ob die Einrede der Verjährung infolge Rechtsmissbräuchlichkeit allenfalls nicht zu schützen ist.

3.

3.1. 3.1.1. Gemäss Art. 41 Abs. 1 BVG verjähren Leistungsansprüche nicht, sofern die versicherte Person im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die Vorsorgeeinrichtung nicht verlassen hat. Dabei ist der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit massgeblich und nicht derjenige des Rentenbeginns. Die Unverjährbarkeit bezieht sich auf das Rentenstammrecht (vgl. BSK Berufliche Vorsorge-Gehring/Kieser Art. 41, N. 12-15).

3.1.2. Gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung verjähren Forderungen auf periodische Beiträge und Leistungen nach fünf Jahren, andere nach zehn Jahren. Die Art. 129 bis 142 OR (Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, fünfter Teil: Obligationenrecht, SR 220) sind anwendbar.

3.1.3. Gemäss Art. 130 Abs. 1 OR beginnt die Verjährung mit der Fälligkeit der Forderung zu laufen.

3.1.4. Fällig ist eine Forderung, wenn sie vom Gläubiger verlangt oder nötigenfalls eingeklagt werden kann. Solange eine Forderung nicht vor einem schweizerischen Gericht geltend gemacht werden kann, beginnt deren Verjährung nicht oder steht still, falls sie begonnen hat (Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR). Dabei ist die Fälligkeit einer Leistung aus beruflicher Vorsorge von ihrer Vollziehbarkeit zu unterscheiden. Die Fälligkeit einer Leistung der beruflichen Vorsorge tritt zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf diese Leistung ein. Der Anspruch auf eine BVG-Invalidenrente beginnt mit dem Anspruch auf eine Rente der IV, frühestens aber sobald die Leistungen aus der bestehenden Taggeldversicherung erschöpft sind (Art. 26 BVV 2 [Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 18. April 1984, SR 831.441.1 und Ziff. 7.1.2 des Vorsorgereglements der Beklagten vom 1. Januar 2003). Ab diesem Moment sind sie einklagbar (Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr.56 vom 29. Dezember 2000 Rz 346).

3.1.5. Die Verjährung beginnt unabhängig davon zu laufen, ob der Gläubiger von der Existenz seines Rentenanspruchs Kenntnis hat oder nicht (Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge a.a.O.).

3.1.6. Renten werden in der Regel monatlich ausgerichtet (Art. 38 BVG und Ziff. 5.2.2 des Vorsorgereglements), sodass sie monatlich fällig werden und am Ende jedes Monates für den sie auszurichten sind, ihre fünfjährige Verjährungsfrist zu laufen beginnt (Urteil BGer 9C_701/2010 E. 4.3).

3.1.7. Der Gläubiger kann die Verjährung mittels Schuldbetreibung, Klage oder Einrede vor Gericht unterbrechen (Art. 135 Ziff. 2 OR). Gemäss Art. 135 Ziff. 1 OR wird die Verjährung von Seiten des Schuldners durch Anerkennung der Forderung unterbrochen. Als Anerkennung mit Unterbrechungswirkung gilt jedes Verhalten des Schuldners, das vom Gläubiger nach Treu und Glauben im Verkehr als Bestätigung seiner rechtlichen Verpflichtung aufgefasst werden darf. Die Anerkennungserklärung muss sich an den Gläubiger richten und braucht sich nicht auf einen bestimmten Betrag zu beziehen. Für die Unterbrechung der Verjährung genügt es, dass der Schuldner erklärt, unter gewissen Voraussetzungen zur Leistung weiterer Zahlungen bereit zu sein und somit das Bestehen einer Restschuld nicht ausschliesst. Dass er über deren Höhe im Ungewissen ist, schadet nicht, denn die Anerkennung der grundsätzlichen Schuldpflicht genügt (BGE 134 III 591 E. 5.2.1).

3.2. 3.2.1. Das Gericht darf die Verjährung nicht vom Amtes wegen berücksichtigen (Art. 142 OR), vielmehr muss der Schuldner die Einrede der Verjährung erheben.

3.2.2. Die Einrede der Verjährung stellt einen Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 ZGB (Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907, SR 210) dar und ist nicht zu schützen, wenn sie gegen erwecktes Vertrauen verstösst. Dies ist besondere dann der Fall, wenn der Schuldner ein Verhalten gezeigt hat, das den Gläubiger bewogen hat, während der Verjährungsfrist rechtliche Schritte zu unterlassen, und das seine Säumnis auch bei objektiver Betrachtungsweise als verständlich erscheinen lässt. Der Schuldner muss den Gläubiger während laufender Verjährungsfrist veranlasst haben zuzuwarten (BGE 113 II 264 E. 2e mit Hinweisen). Dabei ist kein arglistiges Verhalten des Schuldners erforderlich (BGE 108 II 278 E. 5b).

4.

4.1. 4.1.1. Der Kläger hat ab dem 1. Dezember 2005 bei einem Invaliditätsgrad von 57% Anspruch auf eine halbe Invalidenrente der IV. Gemäss Art. 26 Abs. 1 BVG entstand zur selben Zeitpunkt sein Anspruch auf eine entsprechende Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge, wobei dieser gemäss Abs. 2 der Bestimmung reglementarisch aufgeschoben werden kann, solange der Versicherte den vollen Lohn erhält. "Lohn" ist dabei im weitesten Sinne zu verstehen und umfasst namentlich auch Ersatzleistungen wie Taggeldleistungen, mit denen die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers abgegolten wird. Art. 26 BVV2 anerkennt Taggeldleistungen nur dann als Lohnersatz, wenn sie - gegebenenfalls zusammen mit IV-rechtlichen Ansprüchen - mindestens 80% des entgangenen arbeitsvertraglich vereinbarten Lohnes decken (BSK Berufliche Vorsorge-Moser Art. 26, N. 8 ff.). Das Reglement der Beklagten sieht in Ziff. 7.1.2. einen entsprechenden Aufschub vor. Der Kläger bestreitet nicht, bis Ende September 2017 Lohnersatz erhalten zu haben, sodass davon auszugehen ist, dass sein Rentenanspruch per 1. Oktober 2007 entstand.

4.1.2. Nach den oben unter E. 3.1. dargelegten Grundsätzen waren die einzelnen Rentenbetreffnisse ab jenem Zeitpunkt jeweils monatlich fällig (vgl. Ziff. 5.2.2 des Reglements, wonach Renten monatlich ausgerichtet werden) und es begann jeweils ihre fünfjährige Verjährungsfrist zu laufen. Dass die Invalidenrente zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vollziehbar war, hemmt den Lauf der Verjährung nicht, da die Invalidenleistungen rechtsprechungsgemäss einklagbar waren, selbst wenn erst mit Verfügung der IV vom 23. Juni 2017 unzweifelhaft Kenntnis über den Rentenanspruch bestand. Der Kläger hat - abgesehen vom Einholen der Verjährungseinredeverzichtserklärungen ab Dezember 2013 - keinerlei verjährungsunterbrechende Handlungen im Sinne von Art. 135 Ziff. 2 OR unternommen.

4.1.3. Fraglich ist, ob das Schreiben der Beklagten vom 5. September 2008 eine verjährungsunterbrechende Schuldanerkennung im Sinne von Art. 135 Ziff. 1 OR darstellte. Ob eine solche vorliegt, bemisst sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Entgegen den klägerischen Ausführungen hielt die Beklagte in diesem Schreiben lediglich fest, dass er, sobald sie im Besitz der eidg. IV-Verfügung sei, eine entsprechende Mitteilung mit den IV-Leistungen aus dieser Vorsorgeeinrichtung erhalten werde. Eine Schuldanerkennung im Sinne einer rechtlichen Verpflichtung zur Leistung ist darin nicht zu erblicken. Ebensowenig ist in der Prämienbefreiung eine Schuldanerkennung zu sehen, denn die Rente und die Prämienbefreiung unterliegen unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen (vgl. dazu auch BSK Berufliche Vorsorge-Gehring/Kieser Art. 41 N. 46). Die Prämienbefreiung wird gemäss Ziff. 4.1.4. des Vorsorgereglements zwar bei Invalidität gewährt, der Anspruch darauf setzt jedoch schon nach Ablauf einer Wartefrist von drei Monaten ein, spätestens mit Beginn des Anspruchs auf eine Invalidenrente. Demnach wird die Prämienbefreiung zu einem Zeitpunkt gewährt, zu dem unter Umständen noch keine Invalidität mit entsprechendem Anspruch auf Ausrichtung einer Invalidenrente im Sinne von Art.28 IVG (Bundesgesetz über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959, SR 831.20) vorliegt, oder eine solche womöglich gar nicht eintreten wird. Dementsprechend war das Schreiben vom 5. September 2008 denn auch formuliert, indem es die Prämienbefreiung bis zur Genesung oder bis zum Einsetzen der Verfügung der IV (spätestens nach zwei Jahren) gewährte. Mit der Ausrichtung von Prämienbefreiungsleistungen wurde der Anspruch auf eine Invalidenrente jedenfalls nicht anerkannt.

4.1.5. Zusammenfassend bedeutet dies, dass weder von Seiten des Klägers noch von Seiten der Beklagten verjährungsunterbrechende Handlungen im Sinne von Art.135 OR erfolgt sind. Damit steht im Sinne eines Zwischenergebnisses fest, dass zu dem Zeitpunkt, als der Kläger im Dezember 2013 erstmals eine Verjährungseinredeverzichtserklärung einholte, die ab Oktober 2007 bis Ende November 2008 fällig gewesenen Rentenbetreffnisse verjährt waren. Da sich die Beklagte mit Schreiben vom 17. Januar 2014 lediglich insoweit bereit erklärte, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, als diese bis zum damaligen Zeitpunkt noch nicht eingetreten war, ist ihre Verjährungseinrede grundsätzlich zu hören.

4.2. 4.2.1. Die Verjährung kann unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs angerufen werden. Sie ist nicht zu schützen, wenn die Beklagte mit ihrer Einrede gegen erwecktes Vertrauen verstösst. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Schuldner ein Verhalten gezeigt hat, das den Gläubiger bewogen hat, während der Verjährungsfrist rechtliche Schritte zu unterlassen, und das seine Säumnis auch bei objektiver Betrachtungsweise als verständlich erscheinen lässt (vgl. dazu BSK Berufliche Vorsorge-Gehring/Kieser, Art. 41 N 57). Der Schuldner muss den Gläubiger während der offenen Verjährungsfrist veranlasst haben "zuzuwarten" (BGE 113 II 264 E. 2e mit weiteren Hinweisen). Dabei ist kein arglistiges Verhalten des Schuldners erforderlich (BGE 108 II 278 E. 5b). Vorliegend stellt sich die Frage, ob die Beklagte den Kläger mit ihrem Schreiben vom 5.September 2008 dazu bewogen hat, während der Verjährungsfrist rechtliche Schritte zu unterlassen, und ob diese Säumnis auch bei objektiver Betrachtung als verständlich erscheint.

4.2.2. Vorliegend gab der Kläger seine Tätigkeit als Pilot im September 2005 aus gesundheitlichen Gründen auf und meldete sich im März 2006 bei der IV zum Leistungsbezug an. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 5. September 2008 mit: "Sobald wir im Besitze der eidg. IV-Verfügung sind, erhalten Sie von uns eine entsprechende Mitteilung mit den IV-Leistungen aus dieser Vorsorgeeinrichtung." Die zuständige IV-Stelle tätigte Abklärungen medizinischer und beruflicher Art und stellte dem Kläger mit Vorbescheid vom 27. Februar 2013 die Ausrichtung einer halben Invalidenrente ab Dezember 2005 in Aussicht. Am 3. Mai 2013 erliess sie eine dem Vorbescheid entsprechende Verfügung (KB 7). Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 22. Dezember 2014 gut und wies die Sache zur Durchführung weiterer Abklärungen an die IV-Stelle zurück (KB 12). Am 23. Juni 2017 erging schliesslich eine weitere Rentenverfügung gleichen Inhalts (KB 13). Den Akten lässt sich entnehmen, dass die Beklagte auf den Vorbescheid vom Februar 2013 hin ihre Leistungspflicht zuständigkeitshalber in Abrede stellte und an diesem Standpunkt bis im Juli 2019 festhielt (vgl. KB 8 - 20). Dadurch, dass die Beklagte dem Kläger mitteilte, "Sobald wir im Besitze der eidg. IV-Verfügung sind, erhalten Sie von uns eine entsprechende Mitteilung mit den IV-Leistungen aus dieser Vorsorgeeinrichtung." weckte sie beim Kläger berechtigtes Vertrauen, welches ihn davon abhielt, rechtliche Schritte während der Verjährungsfrist zu unternehmen. Genauso wurde in der Rechtsprechung das Verhalten einer Vorsorgeeinrichtung als rechtsmissbräuchlich eingestuft, die eine Prüfung des Leistungsanspruchs infolge eines Rentenrevisionsverfahrens mit der Begründung ablehnte, die Abklärung sei komplex und sie wolle den Revisionsentscheid abwarten (Urteil EVGer B 27/02 vom 2. Dezember 2002 E. 3). Auch im vorliegenden Fall trug das Vorgehen der Beklagten dazu bei, dass der Kläger, eben "zuwartete" und es damit unterliess, rechtzeitig eine Klage zur Unterbrechung der Verjährung einzureichen, was bei objektiver Betrachtungsweise verständlich erscheint. Erst die Reaktion der Beklagten auf den Vorbescheid der IV erweckte beim Kläger Zweifel an deren Leistungsbereitschaft, denn im Dezember 2013 fordert er bei ihr erstmals die Abgabe einer Verjährungseinredeverzichtserklärung an. Bis dahin war der Kläger - im Vertrauen auf deren Äusserungen im Schreiben vom 5. September 2008 - von der Leistungsbereitschaft der Beklagten ausgegangen und hatte während der Verjährungsfrist rechtliche Schritte zur Sicherung seiner Rentenansprüche unterlassen. Bei objektiver Betrachtung ist dieses Vorgehen, wie erwähnt, durchaus verständlich. Bezogen auf das Risiko Invalidität besteht zwischen der Invalidenversicherung und der beruflichen Vorsorge ein enger Zusammenhang. Die Vorsorgeeinrichtung tätigt keine eigenen Abklärungen, sondern stützt sich auf das Ergebnis des Abklärungsverfahrens der IV, an deren Entscheid sie gemäss Art.26 BVG gebunden ist. Dass vom Zeitpunkt der Anmeldung bei der IV bis zum Erlass des Vorbescheids sieben Jahre vergingen, lag nicht im Verantwortungsbereich des Klägers. Vor diesem Hintergrund durfte der Kläger gestützt auf das klägerische Schreiben vom 5. September 2008 durchaus annehmen, die Beklagte werde zu gegebener Zeit die entsprechenden Leistungen erbringen. Entsprechend hat er auch rasch reagiert, als nach Erlass des Vorbescheids Zweifel an ihrer Leistungsbereitschaft auftraten. Die Beklagte hatte mit besagtem Schreiben beim Kläger demnach in durchaus nachvollziehbarer Weise das Vertrauen erweckt, es seien bei laufender Verjährungsfrist keine die Verjährung unterbrechenden Handlungen oder die Einholung einer Verjährungseinredeverzichtserklärung erforderlich. Wenn der Beklagten nun unter diesen Umständen gestattet würde, die Einrede der Verjährung derjenigen Rentenbetreffnisse zuzulassen, die im Dezember 2013 bereits verjährt waren, so würde eine rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise geschützt, was nicht der Fall sein kann.

5.

Auf Invalidenleistungen sind Verzugszinsen geschuldet. Gemäss Art. 105 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 73 BVG sind diese ab dem Zeitpunkt der Klageeinreichung geschuldet. Die Höhe des Verzugszinses beträgt gemäss den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen 5% (Art. 104 Abs. 1 OR), sofern der Zinssatz reglementarisch nicht abweichend geregelt ist. Vorliegend sehen die reglementarischen Bestimmungen der Beklagten keine entsprechende Regelung vor. Der Kläger liess am 31. Dezember 2020 Klage erheben, womit ihm ab diesem Datum Verzugszinsen von 5% zuzusprechen sind.

6.

6.1. Vor diesem Hintergrund ist die Klage teilweise gutzuheissen und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ab dem 1. Oktober 2007 eine halbe Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge auszurichten. 6.2. Das Verfahren ist kostenlos (Art. 73 Abs. 2 BVG und § 16 SVGG).

6.3. Der Kläger ist mit seinem Leistungsbegehren in der Kernfrage durchgedrungen und hat demzufolge Anspruch auf eine Parteientschädigung zulasten der Beklagten (§17 SVGG). Das Sozialversicherungsgericht geht bei der Bemessung der Parteientschädigung für anwaltlich vertretene Versicherte in durchschnittlichen BVGVerfahren mit doppeltem Schriftenwechsel in Sinne einer Faustregel von einem Honorar von Fr. 4'950.-- (inklusive Auslagen) zuzüglich Mehrwertsteuer aus.

Demgemäss erkennt das Sozialversicherungsgericht:

://: Die Beklagte wird in teilweiser Gutheissung der Klage verpflichtet, dem Kläger ab dem 1. Oktober 2007 eine halbe Invalidenrente auszurichten. Auf den fälligen Rentenleistungen ist ab dem 31. Dezember 2020 ein Verzugszins von 5% zu entrichten.

Das Verfahren ist kostenlos.

Die Beklagte trägt eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 4'950.-- (inklusive Auslagen) zuzüglich Fr. 381.15 (7.7%) MWSt. an den Kläger.


Sozialversicherungsgericht BASEL-STADT


Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin


Dr. A. Pfleiderer lic. iur. H. Hofer



Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG]). Die Beschwerdefrist kann nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegründe sind in Art. 95 ff. BGG geregelt.

Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, in dreifacher Ausfertigung zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat den Anforderungen gemäss Art. 42 BGG zu genügen; zu beachten ist dabei insbesondere:

a) Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten;

b) in der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt;

c) die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat, ebenso der angefochtene Entscheid.







Geht an:

- Kläger

- Beklagte

- Bundesamt für Sozialversicherungen

- Aufsichtsbehörde BVG


Versandt am:



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