Zusammenfassung des Urteils BV.2020.16 (SVG.2022.12): Sozialversicherungsgericht
Eine Klägerin hat vor dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt teilweise Recht bekommen. Sie erhält ab dem 1. März 2016 eine halbe Invalidenrente aus der obligatorischen Vorsorge von Beklagte 1, jedoch keine Leistungen von Beklagte 2. Die Klägerin muss Verzugszinsen von 2% zahlen. Die Gerichtskosten trägt Beklagte 1, während Beklagte 2 ihre eigenen Kosten trägt. Der Richter ist Dr. G. Thomi und die Gerichtsschreiberin ist MLaw N. Marbot. Die Klägerin wird mit CHF 4'500.00 (inkl. Auslagen) plus Mehrwertsteuer entschädigt. Das Urteil kann innerhalb von 30 Tagen beim Bundesgericht angefochten werden.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | BV.2020.16 (SVG.2022.12) |
Instanz: | Sozialversicherungsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 30.08.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Beschwerde teilweise gutgeheissen. Gemäss Art. 23 BVG Anspruch auf Verssicherungsleistungen aus der obligatorischen Versicherung gegenüber der Beklagten 1. Kein Anspruch auf überobligatorische Leistungen wegen Verletzung der Anzeigepflicht |
Schlagwörter: | Beklagten; Vorsorge; Arbeitsunfähigkeit; IV-Akte; Bundesgericht; Urteil; Bundesgerichts; Invalidität; Akten; Anspruch; Eintritt; Rente; Klage; Hinweis; Invalidenrente; Versicherung; Anzeigepflicht; Zeitpunkt; Schwindel; Invalidenleistungen; Basel; Parteien; Verfügung; Verzugszins; Vorsorgeverhältnis; Arbeitsfähigkeit |
Rechtsnorm: | Art. 23 BV ;Art. 24 BV ;Art. 26 BV ;Art. 4 VVG ;Art. 42 BGG ;Art. 47 BGG ;Art. 6 BV ;Art. 6 VVG ;Art. 73 BV ;Art. 8 VVG ;Art. 95 BGG ; |
Referenz BGE: | 109 II 342; 118 II 333; 119 V 131; 120 V 112; 123 V 269; 126 V 143; 126 V 308; 130 V 9; 132 V 1; 133 V 67; 134 III 511; 134 V 20; 135 V 13; 144 V 58; 145 V 18; |
Kommentar: | - |
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt
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URTEIL
vom 30. August 2021
Mitwirkende
Dr. G. Thomi (Vorsitz), P. Kaderli, Dr. med. F. W. Eymann
und Gerichtsschreiberin MLaw N. Marbot
Parteien
A____
[...]
vertreten durch lic. iur. B____, Rechtsanwalt, [...]
Klägerin
C____
Der D____, [...]
vertreten durch E____, [...]
Beklagte 1
F____
[...]
vertreten durch lic. iur. G____, [...]
Beklagte 2
Gegenstand
BV.2020.16
BVG Invalidenrente
Beschwerde teilweise gutgeheissen. Gemäss Art. 23 BVG Anspruch auf Verssicherungsleistungen aus der obligatorischen Versicherung gegenüber der Beklagten 1. Kein Anspruch auf überobligatorische Leistungen wegen Verletzung der Anzeigepflicht.
Tatsachen
I.
a) Die im Jahr 1977 geborene Klägerin war seit dem 1. Mai 2009 in einem Vollzeitpensum für die H____ tätig und in dieser Eigenschaft bei der Beklagten 2 berufsvorsorgerechtlich versichert. Per 1. August 2013 erfolgte eine Pensenreduktion auf 80% aus familiären Gründen. Wegen Schwindel, Kopfschmerzen und Sehstörungen war die Klägerin zwischen dem 13. Dezember 2013 und dem 31. Januar 2014 krankgeschrieben (vgl. Krankengeschichte der Klägerin, Klagbeilage [KB] 8). Auf den 31. Oktober 2014 beendete die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aus wirtschaftlichen Gründen (Kündigungsschreiben vom 29. Juli 2014, KB10).
b) Per 1. November 2014 trat die Klägerin eine 80%-Anstellung bei der I____ AG an (vgl. Arbeitsvertrag vom 22. Oktober 2014, KB 4) und war in dieser Eigenschaft bei der Beklagten 1 berufsvorsorgerechtlich versichert. Aufgrund gesundheitlicher Probleme wurde die Klägerin per 9. März 2015 zu 50% krankgeschrieben. Per November 2016 wurde das Arbeitsverhältnis schliesslich aufgelöst.
c) Am 25. März 2015 meldete sich die Klägerin bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung (nachfolgend IV; IV-Akte 3) zum Leistungsbezug an, welche ihr mit Verfügung vom 20. April 2018 (IV-Akte 100) per 1. März 2016 eine Viertelsrente und ab dem 1. Januar 2018 eine halbe IV-Rente zusprach.
d) Mit Schreiben vom 29. März 2018 (KB 6) teilte die Beklagte 1 der Klägerin mit, dass sie infolge Falschdeklaration von Gesundheitsfragen bei Eintritt in die Personalvorsorgeeinrichtung vom Vorsorgevertrag zurücktrete, woraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 18. April 2018 (KB 7) geltend machte, die Gesundheitsfragen seien von ihr korrekt beantwortet worden.
e) Mit Schreiben vom 18. Juli 2018 (KB 12) beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten 1 Invalidenleistungen aus der obligatorischen und überobligatorischen Vorsorge. Dies lehnte die Beklagte 1 mit Schreiben vom 28. August 2018 (KB 13) ab.
f) Vorprozessual konnte zwischen den Parteien keine Einigung über die Leistungspflicht erzielt werden.
II.
a) Mit Klage vom 6. Juli 2020 beantragt die Klägerin, es sei die Beklagte 1 zu verpflichten, der Klägerin mit Wirkung ab 1. März 2016 eine halbe Invalidenrente auszurichten. Eventualiter sei die Beklagte 2 zu verpflichten, der Klägerin mit Wirkung ab 1. März 2016 eine halbe Invalidenrente auszurichten. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten.
b) Mit Klagantwort vom 15. September 2020 schliesst die Beklagte 2 auf Abweisung der gegen sie eventualiter erhobenen Klage.
c) Mit Klagantwort vom 16. September 2020 beantragt die Beklagte 1 die Abweisung der Klage. Eventualiter sei der Klägerin eine halbe, obligatorische Invalidenrente gemäss BVG unter Berücksichtigung eines Verzugszinses von 2% zuzusprechen.
d) Mit Replik vom 16. November 2020, Duplik der Beklagten 1 vom 15. Januar 2021, Stellungnahme der Klägerin vom 8. Februar 2021 und Stellungnahme der Beklagten 2 vom 10. Februar 2021 halten die Parteien vollumfänglich an ihren eingangs gestellten Begehren fest.
III.
Da keine der Parteien innert der angesetzten Frist die Durchführung einer mündlichen Parteiverhandlung beantragte, findet am 30. August 2021 die Beratung der Angelegenheit durch die Kammer des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt statt.
Entscheidungsgründe
1.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt ist für die vorliegende Streitigkeit zwischen Vorsorgeeinrichtung und Anspruchsberechtigtem (vgl. Art. 73 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG; SR 831.40]) als einzige kantonale Instanz zum Entscheid zuständig (§ 82 Abs. 1 des Gesetzes vom 3. Juni 2015 betreffend die Organisation der Gerichte und der Staatsanwaltschaft [Gerichtsorganisationsgesetz, GOG; SG 154.100]). Die Beklagte 1 und 2 haben zudem ihren Sitz in Basel. Die örtliche Zuständigkeit gemäss Art. 73 Abs. 3 BVG ist damit erstellt. Auf die Klage ist daher einzutreten.
4.1.2. In der Verfügung vom 20. April 2018 (IV-Akte 100) hält die IV-Stelle fest, die Klägerin sei seit dem 9. März 2015 (Beginn der einjährigen Wartezeit) in ihrer Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Dieser Zeitpunkt fällt in das Vorsorgeverhältnis bei der Beklagten 1. Aus den IV-Akten ergibt sich jedoch, dass die Beklagte 1 dem IV-Verfahren nicht beigeladen war. Gleiches gilt im Übrigen für die Beklagte 2. Die Verfügung der IV-Stelle ist daher für die Beklagten 1 und 2 nicht bindend (vgl. zur Bindungswirkung BGE 133 V 67 E. 4.3.2). Die Beklagte 1 erlangte zwar durch die Klägerin Kenntnis des Vorbescheids und ersuchte in der Folge mit Schreiben vom 6.März 2018 (IV-Akte 97) um Akteneinsicht bei der zuständigen IV-Stelle. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie nicht ins IV-rechtliche Verfahren einbezogen worden war. Die damit offenstehende Beschwerdemöglichkeit vermag den Mangel der Gehörsverletzung im invalidenversicherungsrechtlichen Abklärungsverfahren nicht zu heilen. Die Beklagte 1 war nach Treu und Glauben auch nicht gehalten Einsprache zu erheben die Eröffnung der Verfügung zu verlangen. Sie hat sich daher die Kenntnis des Vorbescheids und der Verfügung nicht anrechnen zu lassen, wie wenn ihr dieser korrekt eröffnet worden wären (Urteil des Bundesgerichts 9C_702/2011 E. 3.2 vom 28. Februar 2011 mit Hinweis auf BGE 132 V 1, 2 E. 2 und 3.3.2; vgl. auch Urteile des EVG I 416/06 E. 3.2 vom 3. Januar 2007 und B 111/02 E. 3.1 vom 14.Juni 2002). Ohnehin ist im Gegensatz zum rentenbegründenden Invaliditätsgrad von 40% im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren für die strittige Frage der zeitlichen Konnexität im vorliegenden Fall lediglich eine Arbeitsunfähigkeit von 20% massgebend. Der Eintritt der relevanten Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 23 lit. a BVG ist deshalb im vorliegenden Verfahren durch das Gericht frei zu prüfen.
4.3.2. Aus der Krankengeschichte der Klägerin und auch aus den IV-Akten ergeben sich bis Dezember 2013 keine echtzeitlichen Berichte, welche auf eine Persistenz der Beschwerden einen Einfluss derselben auf die Arbeitsfähigkeit der Klägerin schliessen liessen. Insoweit die Beklagte 1 aus dem Bericht vom 29. Februar 2016 (IV-Akte 37) von Prof. Dr. med. K____, Facharzt HNO, Hals-Gesicht und Laserchirurgie, FMH, schliessen möchte, bei der Klägerin bestehe seit 2009 eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit kann ihr nicht gefolgt werden. Zum einen arbeitete die Klägerin danach noch mindestens vier Jahre in einem Vollzeitpensum und in der Folge in einem 80%-Pensum, was die Angaben des behandelnden Arztes faktisch widerlegt. Zum anderen attestierte Dr. med. K____ der Klägerin im selben Bericht diametral dazu eine Arbeitsunfähigkeit von 20% ab dem 31. August 2015. Mit Schreiben vom 27. September 2018 (KB 15) stellte Prof. Dr. med. K____ denn auch richtig, dass im Jahr 2009 die ersten Symptome von Schwindel aufgetreten seien, eine massgebliche Arbeitsunfähigkeit der Klägerin von 50% jedoch erst ab dem 9. März 2015 vorgelegen habe. Erst im Dezember 2013 suchte sich die Klägerin aufgrund permanenten Schwindels erneut medizinische Unterstützung bei Prof. Dr. med. K____ (KB 8). Vor diesem Hintergrund erscheint eine Pensenreduktion der Klägerin von 100% auf 80% per 1. August 2013 im Zusammenhang mit einem gesundheitlichen Kontext nicht plausibel. Vielmehr ist es nach der allgemeinen Lebenserfahrung überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin nach der Geburt ihres Kindes im März 2013 und nach der Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub ihr Pensum angesichts ihrer neuen familiären Verpflichtungen reduzierte. Entsprechendes ergibt sich im Übrigen auch aus dem Fragebogen der SVA Basel-Landschaft zur Ermittlung der Erwerbstätigkeit vom 24. Januar 2018 (AB2 3) und dem Abklärungsbericht Haushalt vom 20. Oktober 2017 (IV-Akte 95), wonach die Klägerin bei guter Gesundheit einer 80%igen Erwerbstätigkeit nachgehen würde. Entgegen der Ansicht der Beklagten 1 ist demnach aufgrund der vorliegenden Akten erstellt, dass sich die gesundheitliche Störung der Klägerin nicht bereits im Rahmen der Pensenreduktion auf 80% per 1.August 2013 manifestierte.
5.3.3. Gemäss Krankengeschichte der Klägerin (KB 8) klagte diese im Dezember 2013 und somit während des Arbeitsverhältnisses mit dem bei der Beklagten 2 angeschlossenen Arbeitgeber abermals über wiederkehrenden Schwindel und Unsicherheit bei Bewegungen, was zu einer Krankschreibung vom 13. Dezember 2013 bis zum 31. Januar 2014 führte (vgl. AB2 6b). Es folgte ein MRI des Schädels am 23.Dezember 2013. Gemäss entsprechendem Bericht von Dr. med. L____ vom 7. Januar 2014 (IV-Akte 2, S. 6) zeigte sich ein unauffälliges Schädel-MRI. Die bei der Klägerin erstmals vor drei bis vier Jahren aufgetretenen und zwischenzeitlich vollständig remittierten Drehschwindelattacken seien plausibler Weise im Zusammenhang eines bilateralen Vestibularausfalles mit unklarer Ursache zu sehen. Dr.med. L____ stellte daher die Verdachtsdiagnose des bilateralen Vestibularisausfalles unklarer Ätiologie. Es ist somit auch aufgrund dieser Untersuchung der Nachweis einer bereits im Zeitpunkt des Anschlusses bei der Beklagten 2 eingetretenen und invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit nicht erbracht. 5.3.4. Ab dem 1. Februar 2014 arbeitete die Klägerin bei der Beklagten 2 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses per 31. Oktober 2014, respektive bis zur per 1.August 2014 erfolgten Freistellung weiterhin in ihrem gewohnten Pensum. In diesem Zeitraum wurden durch die Beklagte 2 keine krankheitsbedingten Absenzen der Klägerin mehr verzeichnet. Die Klägerin arbeitete somit während sechs Monaten in ihrem angestammten Pensum, weshalb diese Erwerbstätigkeit den zeitlichen Konnex zur vorab aufgetretenen Arbeitsfähigkeit zu unterbrechen vermochte. Es ist daher festzuhalten, dass es während dem Vorsorgeverhältnis mit der Beklagten 2 nicht zu einer massgeblichen Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 23 BVG kam. Die Beklagte 2 ist demgemäss nicht leistungspflichtig.Dr. med. N____ diagnostizierte in seinem Teilgutachten mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit einen peripheren Vestibularisausfall unklarer Ätiologie. Hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit ging er von einer seit 2015 bestehenden Einschränkung von 40% aus, welche sich im Jahr 2016 akzentuierte. Dr. med. O____ bescheinigte der Beschwerdeführerin mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vom emotional instabilen, narzisstischen, anorektischen und psychosomatischen Typ (ICD-10 F61.0). Er ging aus rein psychiatrischer Sicht bis März 2015 von einer 100%igen und ab März 2015 von einer 50%igen Arbeitsfähigkeit aus. Gemäss interdisziplinärer Gesamtbeurteilung würden sich die in den jeweiligen Fachgebieten attestierten Arbeitsunfähigkeiten nicht additiv auswirken, weshalb insgesamt von einer 50%igen Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei.
6.4. Unter Berücksichtigung der echtzeitlichen Aktenlage sowie der gutachterlichen Feststellungen ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die im Sinne von Art. 23 BVG massgebliche Arbeitsunfähigkeit am 9. März 2015 und somit während des Vorsorgeverhältnisses mit der Beklagten 1 eingetreten ist. Eine Leistungspflicht der Beklagten 1 ist demgemäss grundsätzlich zu bejahen. Zu klären bleibt, ob die Klägerin neben dem Anspruch auf obligatorische Leistungen auch Anspruch auf Leistungen aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge hat.7.3.2. Anlässlich der Anmeldung für die Personalvorsorgeeinrichtung der J____ vom 3. November 2014 (Antwortbeilagen, Beklagte 1 [AB1] 3) hatte die Klägerin insgesamt vier Gesundheitsfragen zu beantworten. In Frage 1 wurde die Klägerin gefragt, ob sie in den letzten fünf Jahren vor Versicherungsbeginn gesundheitliche Störungen hatte, die zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Wochen führten ob sie gegenwärtig unter entsprechenden Störungen leide. Die Beschwerdeführerin beantwortete diese Frage klar mit nein. Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass die Klägerin während der Dauer der Anstellung bei der H____ vom 13. Dezember 2013 bis zum 31. Januar 2014 und somit insgesamt sieben Wochen krankgeschrieben war (vgl. Email H____ vom 3. August 2020, Antwortbeilage Beklagte 2 [AB2] 6b). Dies wird von der Klägerin im Rahmen ihrer Klagschrift (S. 6, Ziffer 14) auch nicht in Abrede gestellt. Eine Anzeigepflichtverletzung hinsichtlich der Frage eins liegt somit vor. Daran vermag auch der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, wonach der Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum Dezember 2013 bis Januar 2014 andere Beschwerden zugrunde lagen, nichts zu ändern, zielte doch die Gesundheitsfrage auf die Quantität und nicht die Qualität des krankheitsbedingten Arbeitsausfalles ab.
7.3.3. Mit Schreiben vom 6. März 2018 ersuchte die Beklagte 1 die SVA Basel-Landschaft um Zustellung der IV-Akten (IV-Akte 97). Mit Schreiben vom 8. März 2018 (IV-Akte 98) übermittelte die SVA Basel-Landschaft der Beklagten 1 die gewünschten Akten per A-Post. Aus den IV-Akten ergibt sich, dass die Klägerin im Winter 2013 während ca. zweier Monate 100% arbeitsunfähig gewesen war (IV-Akte 19, S. 2). Entsprechend führt die Beklagte 1 in ihrer Klagantwort aus (S. 9 Ziffer 24), sie habe zu diesem Zeitpunkt erstmals Kenntnis über die vorhergehende Erkrankung von Mitte Dezember 2013 bis Ende Januar 2014 erhalten. Vor diesem Hintergrund erfolgte der mit Schreiben vom 29. März 2018 (KB 6) erklärte Rücktritt vom überobligatorischen Vorsorgevertrag in jedem Fall innert der vierwöchigen Frist gemäss Art.6 Abs. 2 VVG (vgl. hierzu auch Urteil des Bundesgerichts 9C_461/2020 vom 8.Februar 2021 E. 2.1), was von der Klägerin zu Recht auch nicht bestritten wird.
7.4. 7.4.1. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Klägerin aufgrund der Verletzung ihrer Anzeigepflicht keinen Anspruch auf überobligatorische Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge der Beklagten 1 hat. Art. 8 VVG findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Angesichts des weit zu verstehenden Kausalitätsbegriffs von Art. 6 Abs. 3 VVG und des Umstandes, dass die Klägerin bereits vor Eintritt in das Vorsorgeverhältnis mit der Beklagten 1 an Drehschwindelepisoden gelitten hatte, ist der Eintritt des Schadens (vorliegend peripherer Vestibularisausfall unklarer Ätiologie) nicht völlig unabhängig von der verschwiegenen erheblichen Gefahrstatsache. Eine hinreichende Kausalität im Sinne von Art. 6 Abs. 3 VVG ist daher zu bejahen (vgl. hierzu Urteil des Bundesgerichts 9C_203/2020n vom 22. März 2021). 7.4.2. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten 1 eine berufsvorsorgerechtliche Invalidenrente entsprechend einem Invaliditätsgrad von 50% mit Wirkung ab dem 1.März 2016 geltend. Dies entspricht hinsichtlich dem Rentengrad (ganze Rente) und dem Leistungsbeginn dem Rentenentscheid gemäss der Verfügung der IV vom 20. April 2018 (IV-Akte 100). Nach Art. 26 Abs. 1 BVG gelten für den Beginn des Anspruchs auf Invalidenleistungen die entsprechenden Bestimmungen des IVG. Das Reglement der Beklagten (AB1 10) sieht bezüglich Invalidenleistungen keine abweichende Regelung vor (vgl. Art. 15 Vorsorgereglement). Der Gutheissung des Antrags auf Zusprache einer halben Rente aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge der Beklagten 1 ab dem 1. März 2016 steht somit nichts entgegen. Soweit die Klägerin eine Rente aus der überobligatorischen Vorsorge beantragt unterliegt sie in diesem Punkt teilweise.Demgemäss erkennt das Sozialversicherungsgericht:
://: In teilweiser Gutheissung der Klage wird die Beklagte 1 verurteilt, der Klägerin ab dem 1. März 2016 eine halbe Invalidenrente aus der obligatorischen Vorsorge zuzüglich Verzugszins zu 2% seit Klageeinreichung auf den ausstehenden Rentenbetreffnissen bzw. ab Fälligkeit der Teilforderungen zu bezahlen.
Das Verfahren ist kostenlos.
Die Beklagte 1 bezahlt der Klägerin eine Parteientschädigung von CHF4'500.00 (inkl. Auslagen) zuzüglich Mehrwertsteuer von CHF 345.60.
Die Beklagte 2 trägt ihre Parteikosten selbst.
Sozialversicherungsgericht BASEL-STADT
Der Präsident Die Gerichtsschreiberin
Dr. G. Thomi MLaw N. Marbot
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG]). Die Beschwerdefrist kann nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegründe sind in Art. 95 ff. BGG geregelt.
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, in dreifacher Ausfertigung zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat den Anforderungen gemäss Art. 42 BGG zu genügen; zu beachten ist dabei insbesondere:
a) Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten;
b) in der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt;
c) die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat, ebenso der angefochtene Entscheid.
Geht an:
- Klägerin
- Beklagte 1 und 2
- Aufsichtsbehörde BVG
Versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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