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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BEZ.2020.27 (AG.2020.370)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BEZ.2020.27 (AG.2020.370) vom 17.06.2020 (BS)
Datum:17.06.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Gesuch vom 27. Januar 2020 um Erlass einer Verfügung gemäss Art. 10 VVAG (BGer 5A_544/2020 vom 13. Juli 2020)
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 113 BGG ; Art. 132 KG ; Art. 42 BGG ;
Referenz BGE:135 III 179; 96 III 10;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Obere Aufsichtsbehörde über das

Betreibungs- und Konkursamt



BEZ.2020.27


ENTSCHEID


vom 17. Juni 2020



Mitwirkende


Dr. Olivier Steiner, Dr. Claudius Gelzer, lic. iur. André Equey

und Gerichtsschreiber PD Dr. Benedikt Seiler




Beteiligte


A____ Beschwerdeführer

[...] Gesuchsgegner / Schuldner


gegen


Betreibungsamt Basel-Stadt Beschwerdegegner

Bäumleingasse1, 4051Basel Gesuchsteller

Kanton Basel-Landschaft Gläubiger

vertreten durch Kantonales Sozialamt

Gestadeckplatz 8, 4410 Liestal



Gegenstand


Beschwerde gegen einen Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt vom 20. Februar 2020


betreffend Verwertung von Anteilen am Gemeinschaftsvermögen



Sachverhalt


In der Pfändungsgruppe Nr. [...] wurde der Liquidationsanteil des Schuldners A____ (nachfolgend Schuldner) an der einfachen Gesellschaft, welche er mit seinem Bruder B____ bildet, gepfändet. Die erwähnte Gesellschaft betrifft die Liegenschaft [...] in [...], welche von beiden Brüdern zusammen bewohnt wird. Nachdem der Schuldner nicht zur Einigungsverhandlung vom 6. Januar 2020 erschienen war, wurden die Beteiligten mit Schreiben des Betreibungsamts Basel-Stadt vom 6.Januar 2020 über die Sachlage orientiert und aufgefordert, ihre Anträge über das weitere Vorgehen gemäss Art.10 VVAG zu stellen. In der Folge reichte der Schuldner am 20. Januar 2020 ein Schreiben ein, worin er seine finanzielle Situation schilderte und dem Betreibungsamt einen Abzahlungsvorschlag unterbreitete. Mit Gesuch vom 27.Januar 2020 beantragte das Betreibungsamt bei der unteren Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt die Anordnung der Auflösung der einfachen Gesellschaft und die Liquidation des Gesamthandvermögens. Mit Eingabe vom 18. Februar 2020 stellte der Kanton Basel-Landschaft, vertreten durch das kantonale Sozialamt (nachfolgend Gläubiger), der unteren Aufsichtsbehörde ein an den Schuldner gerichtetes Schreiben zur Kenntnis zu, worin diesem mitgeteilt wurde, dass auf seinen Abzahlungsvorschlag nicht eingetreten werden könne. Mit Entscheid vom 20.April 2020 ordnete die untere Aufsichtsbehörde die Auflösung der einfachen Gesellschaft, bestehend aus dem Schuldner und B____, sowie die Liquidation des Gesamthandvermögens im Sinn der Erwägungen an.


Gegen diesen Entscheid erhob der Schuldner mit Schreiben vom 12. Mai 2020 «Einsprache». Diese wurde von der unteren Aufsichtsbehörde zuständigkeitshalber an die obere Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt weitergeleitet. In seiner Eingabe vom 12.Mai 2020 weist der Schuldner auf die persönlichen Folgen der Versteigerung der Liegenschaft und seine Bemühungen um eine Lösung mit dem Gläubiger hin. Auf die Einholung einer Stellungnahme beim Betreibungsamt wurde verzichtet. Hingegen wurden die Akten der unteren Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt beigezogen. Der vorliegende Entscheid erging auf dem Zirkulationsweg.



Erwägungen


1.

1.1 Entscheide der unteren Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt können innert 10 Tagen nach der Eröffnung mit Beschwerde an die obere Aufsichtsbehörde weitergezogen werden (Art.18 Abs.1 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG, SR 281.1]). Als solche amtet das Dreiergericht des Appellationsgerichts (§ 5 Abs.3 des Gesetzes betreffend Einführung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs [EGSchKG, SG 230.100] in Verbindung mit § 92 Abs.1 Ziffer 13 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]). Die Eingabe des Schuldners vom 12.Mai 2020 wird als Beschwerde entgegengenommen. Auf die fristgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Das Verfahren richtet sich nach Art.20a SchKG. Im Übrigen gelten die Vorschriften der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) sinngemäss (§ 5 Abs.4 EG SchKG), insbesondere die Bestimmungen von Art.319 ff. ZPO über das Beschwerdeverfahren. Die Aufsichtsbehörde stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest und würdigt die Beweise frei. Unter Vorbehalt von Art.22 SchKG betreffend nichtige Verfügungen darf sie nicht über die Anträge der Parteien hinausgehen (Art.20a Abs.2 Ziff. 2 und 3 SchKG). Mit der Beschwerde an die obere Aufsichtsbehörde können keine neuen Anträge gestellt, keine neuen Tatsachenbehauptungen vorgetragen und keine neuen Beweismittel vorgelegt werden (Art.326 Abs.1 ZPO; vgl. AGE BEZ.2020.1 vom 12. Februar 2020 E. 1.2 und BEZ.2019.4 vom 11. März 2019 E. 1.2).

2.

2.1 Die Aufsichtsbehörde kann gemäss Art. 10 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG, SR281.41) weitere Einigungsverhandlungen anordnen. Die Durchführung einer nochmaligen Einigungsverhandlung bzw. Anhörung im Verfahren vor der Aufsichtsbehörde ist verfahrensmässig aber nicht zwingend, sondern liegt im Ermessen der zuständigen Behörde (vgl. BGE 96 III 10 E. 4 S.19; AGE BEZ.2016.56 vom 27. Juni 2017 E. 2.2).

Der Schuldner macht geltend, er sei bemüht, mit dem Gläubiger eine Lösung in Form einer Teilzahlung und anschliessender Tilgung zu erreichen, damit die Versteigerung der Liegenschaft abgewendet werden könne. Mit Schreiben vom 20. Januar 2020 machte der Schuldner geltend, er komme trotz harter Arbeit nicht auf einen grünen Zweig, und unterbreitete dem Betreibungsamt einen Abzahlungsvorschlag, wonach er ab März 2020 monatlich CHF 500.- an das Betreibungsamt weiterleite (angefochtener Entscheid Tatsachen Ziff. II). Der Gläubiger erklärte in seiner Eingabe vom 18.Februar 2020, dass er auf den Abzahlungsvorschlag des Schuldners nicht eintreten könne. Mit Zahlungen von CHF 500.- pro Monat könne lediglich der laufende Unterhaltsbeitrag für einen Sohn gedeckt werden. Die Schuld für ausstehende Alimente für den anderen Sohn würde somit monatlich um weitere CHF 500.- anwachsen und die bereits in Betreibung gesetzten ausstehenden Unterhaltsbeiträge in der Höhe von insgesamt CHF 208872.10 könnten mit diesem Abzahlungsvorschlag ebenfalls nicht reduziert werden (angefochtener Entscheid Tatsachen Ziff. V). Die untere Aufsichtsbehörde stellte fest, nachdem der Schuldner zur Einigungsverhandlung vom 6. Januar 2020 nicht erschienen sei und der Gläubiger seinen Abzahlungsvorschlag aus nachvollziehbaren Gründen nicht habe akzeptieren können, erscheine die Anordnung einer weiteren Einigungsverhandlung nicht erfolgversprechend. Aus diesem Grund ordnete sie keine weitere Einigungsverhandlung an. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Soweit der Schuldner mit den Behauptungen in seiner Beschwerde über seinen Abzahlungsvorschlag vom 20. Januar 2020 hinausgehende Bemühungen behaupten will, handelt es sich um im vorliegenden Beschwerdeverfahren unzulässige neue Tatsachenbehauptungen. Im Übrigen sprechen die fehlenden Erfolgsaussichten auch unter Berücksichtigung der Behauptungen in der Beschwerde gegen die Durchführung einer weiteren Einigungsverhandlung bzw. Anhörung. Angesichts der vom Schuldner nicht bestrittenen Einwände des Gläubigers gegen seinen Abzahlungsvorschlag vom 20.Januar 2020 ist nicht ersichtlich, wie er in der Lage sein sollte, dem Gläubiger einen Vorschlag für eine Teilzahlung und eine anschliessende Tilgung zu unterbreiten, der für den Gläubiger akzeptabel sein könnte. Zudem ist der Schuldner nähere Angaben zur möglichen Ausgestaltung einer gütlichen Einigung schuldig geblieben.

2.2 Wenn keine gütliche Verständigung gelingt, verfügt die Aufsichtsbehörde gemäss Art.10 Abs. 2 VVAG unter möglichster Berücksichtigung der Anträge der Beteiligten, ob das gepfändete Anteilsrecht als solches versteigert oder die Auflösung der Gemeinschaft und Liquidation des Gemeinschaftsvermögens nach den für die betreffende Gemeinschaft geltenden Vorschriften herbeigeführt werden soll. Die Wahl zwischen den beiden Verwertungsarten ist eine Ermessensfrage (BGE 135 III 179 E. 2.1 S. 181).

Der Schuldner macht geltend, eine Versteigerung der Liegenschaft würde für ihn und B____ bedeuten, dass sie die von ihnen bewohnte Liegenschaft verlassen müssten und praktisch auf der Strasse landen würden. Persönlich hätte er vermutlich Schwierigkeiten, eine Mietwohnung zu finden. Diese Vorbringen sind nicht geeignet, die Auflösung der einfachen Gesellschaft und die Liquidation des Gemeinschaftsvermögens als rechtswidrig oder unangemessen erscheinen zu lassen. Gemäss den vom Schuldner nicht beanstandeten Feststellungen der unteren Aufsichtsbehörde hat sich B____ mit der Auflösung der einfachen Gesellschaft einverstanden erklärt (angefochtener Entscheid Tatsachen Ziff. II und E. 3). Der Umstand, dass B____ die Liegenschaft voraussichtlich verlassen muss, sofern er sie nicht selbst erwirbt, steht der von der unteren Aufsichtsbehörde gewählten Verwertungsart damit nicht entgegen. Die Eingabe von B____ an die untere Aufsichtsbehörde vom 6. Mai 2020 könnte Zweifel daran erwecken, ob sein Einverständnis weiterhin besteht. Dabei handelt es sich aber um eine unbeachtliche neue Tatsache. Mit dem gepfändeten Anteilsrecht ist der gepfändete Liquidationsanteil gemeint (vgl. Art.11 Abs. 1 VVAG; Schlegel/Zopfi, in: Kren Kostkiewicz/Vock [Hrsg.], Kommentar zum SchKG, 4. Auflage, Zürich 2017, Art. 132 N 5 und 8 f.). Durch die Versteigerung des gepfändeten Anteilsrechts wird die einfache Gesellschaft gemäss Art. 545 Abs. 1 Ziff. 3 des Obligationenrechts (OR, SR 220) von Gesetzes wegen aufgelöst (vgl. Jung, in: Roberto/Trüeb [Hrsg.], Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Auflage, Zürich 2016, Art. 545-546 OR N 3 und 5; Rutz/Roth, in: Basler Kommentar, 2. Auflage, 2010, Art. 132 SchKG N 35; Staehelin, in: Basler Kommentar, 5. Auflage, 2016, Art. 545/546 OR N14). Nach der Auflösung der Gesellschaft sind die Gesellschafter zur Liquidation der Gesellschaft verpflichtet (Jung, a.a.O., Art. 547-551 OR N 11; vgl. Staehelin, a.a.O., Art. 548/549 OR N 1). Bei der Versteigerung des gepfändeten Anteilsrechts erwirbt der Ersteigerer den Anspruch des Schuldners auf Durchführung der Liquidation (vgl. Art.11 Abs. 2 VVAG; Handschin/Vonzun, in: Zürcher Kommentar, 4. Auflage, 2009, Art. 545-547 OR N 91) und den Anspruch des Schuldners auf seinen Anteil am Liquidationserlös (vgl. Art. 11 Abs. 2 VVAG; BGer 5A_758/2015 vom 22. Februar 2016 E.4). Damit ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass auch die Versteigerung des gepfändeten Anteilsrechts des Schuldners letztlich zur Folge hätte, dass er die Liegenschaft verlassen muss. Der Umstand, dass der Schuldner die Liegenschaft selbst bewohnt und Schwierigkeiten bei der Suche einer Mietwohnung befürchtet, ist damit für die Wahl der Verwertungsart nicht wesentlich.

2.3 Andere Gründe, die gegen die Richtigkeit des angefochtenen Entscheids sprechen würden, bringt der Schuldner in seiner Beschwerde nicht vor. Der angefochtene Entscheid ist deshalb unter Verweis auf die überzeugenden Erwägungen der unteren Aufsichtsbehörde (angefochtener Entscheid E. 3) zu bestätigen.

3.

Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG). Folglich sind keine Gerichtskosten zu erheben.


Demgemäss erkennt die obere Aufsichtsbehörde:


://: Die Beschwerde gegen den Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt vom 20. April 2020 ([...]) wird abgewiesen.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.


Mitteilung an:

- Beschwerdeführer

- Betreibungsamt Basel-Stadt

- Kantonales Sozialamt Basel-Landschaft

- Untere Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt

- B____


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Der Gerichtsschreiber

PD Dr. Benedikt Seiler



Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 10 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.



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