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Urteil Appellationsgericht (BS - BES.2023.125)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BES.2023.125
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung: Einzelgericht
Appellationsgericht Entscheid BES.2023.125 vom 29.01.2024 (BS)
Datum:29.01.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Am 29. Januar 2024 hat das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt einen Entscheid in der Geschäftsnummer BES.2023.125 gefällt. Es ging um eine Beschwerde gegen einen Untersuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt nach einem schweren Verkehrsunfall auf der Autobahn A2. Der Beschwerdeführer, A____, bestritt die Blut- und Urinproben und argumentierte, dass sie nicht von ihm stammten. Trotzdem wurde die Beschwerde aufgrund verspäteter Einreichung nicht behandelt. Der Beschwerdeführer muss die Gerichtskosten von CHF 300 tragen. Der Entscheid wurde von Richterin lic. iur. Liselotte Henz und Gerichtsschreiberin MLaw Naime Süer gefällt.
Schlagwörter: Frist; Fahrunfähigkeit; Appellationsgericht; Untersuchungsbefehl; Staatsanwaltschaft; Basel; Entscheid; Unfall; Kommentar; Rechtsmittel; Schweiz; Basel-Stadt; Schweizerischen; Basler; Auflage; Eingabe; Sendung; Beschwerdeführers; Blutprobe; Strassen; Einzelgericht; Verfügung; Lenker; Feststellung; Fahrfähigkeit
Rechtsnorm: Art. 251 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 48 BGG ; Art. 55 SVG ; Art. 85 StPO ; Art. 91 StPO ;
Referenz BGE:143 IV 313; 146 IV 88;
Kommentar:
Heim, Heimgartner, Basler Kommentar SVG, Art. 55 SVG, 2014
Entscheid


Geschäftsnummer: BES.2023.125 (AG.2024.91)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 29.01.2024 
Erstpublikationsdatum: 01.08.2024
Aktualisierungsdatum: 01.08.2024
Titel: Untersuchungsbefehl
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht

 

 

BES.2023.125

 

ENTSCHEID

 

vom 29. Januar 2024

 

 

Mitwirkende

 

lic. iur. Liselotte Henz   

und a.o. Gerichtsschreiberin MLaw Naime Süer

 

 

 

Beteiligte

 

A____, geb. […]                                                            Beschwerdeführer

[…]                                                                                        Beschuldigter

 

gegen

 

Staatsanwaltschaft Basel-Stadt                            Beschwerdegegnerin

Binningerstrasse 21, 4001 Basel

 

 

Gegenstand

 

Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft

vom 29. Juni 2023

 

betreffend Untersuchungsbefehl

 


Sachverhalt

 

Am 29. Juni 2023 ereignete sich auf der Autobahn A2 in Richtung Bern/Luzern (Ausfahrt […]) um 03:40 Uhr ein schwerer Verkehrsunfall. Laut Darstellung der Kantonspolizei Basel-Stadt im Unfallaufnahmeprotokoll fuhr der Lenker A____ aufgrund mangelnder Vorsicht und Aufmerksamkeit beim Fahrstreifenwechsel auf die Sperrfläche und kollidierte in der Folge mit dem Anpralldämpfer. Das Fahrzeug wurde nach rechts herumgeworfen und kam in der Ausfahrt in entgegengesetzter Richtung zum Stehen, wobei sich der Lenker verletzte. Die Staatsanwaltschaft ordnete daraufhin zur Feststellung der Fahrfähigkeit (gemäss Art. 55 des Strassenverkehrsgesetzes [SVG, SR 741.01]) die Abnahme der Blut- und Urinprobe mit schriftlichem Untersuchungsbefehl vom 29. Juni 2023 an (Bestätigung der vorgängigen mündlichen Anordnung).

 

Mit undatiertem und in englischer Sprache verfasstem Schreiben (Postaufgabe in den Niederlanden am 22. August 2023; Eintreffen bei der Schweizerischen Post am 24. August 2023) macht A____ (Beschwerdeführer) geltend, dass die Blut- und Urinproben nicht seine seien, sondern die von einer Drittperson, da der von den Polizisten verwendete Name nicht seiner gewesen sei. Des Weiteren führt er aus, dass er keine Drogen konsumiere, da er Profisportler sei und lediglich nur Koffeingetränke zu sich genommen habe. Sinngemäss beantragt er, die Proben seien als unverwertbar zu erklären. Mit Schreiben vom 21. September 2023 hält die Staatsanwaltschaft am Untersuchungsbefehl fest und beantragt die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde. Mit seiner wiederum undatierten Replik in niederländischer Sprache (Eingang Appellationsgericht am 30. Oktober 2023) hält der Beschwerdeführer an seiner Beschwerde fest.

 

Der vorliegende Entscheid ist aufgrund der Akten ergangen. Die weiteren Tatsachen und Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.

 

 

Erwägungen

 

1.

1.1      Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft kann gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 lit. b der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) Beschwerde erhoben werden. Zuständiges Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§ 88 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]). Die Kognition des Beschwerdegerichts ist frei und somit nicht auf Willkür beschränkt (Art. 393 Abs. 2 StPO). Zur Beschwerde legitimiert ist, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung eines Entscheides hat (Art. 382 Abs. 1 StPO). Ein solches kann geltend machen, wer durch die angefochtene Verfügung beschwert, mithin unmittelbar in seinen ihren Interessen tangiert ist (Bähler, in: Basler Kommentar StPO, 3. Auflage 2023, Art. 382 StPO N 5). Der Beschwerdeführer ist als Adressat der angeordneten Zwangsmassnahme zur Beschwerdeerhebung legitimiert.

 

1.2      Als nächste Eintretensvoraussetzung ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die Rechtsmittelfrist eingehalten hat. Es geht vorliegend um die Frage, ob der Beschwerdeführer mit seiner undatierten Eingabe rechtzeitig Beschwerde erhoben hat.

 

1.2.1   Die Beschwerde ist innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Die Frist beginnt in Anwendung von Art. 90 Abs. 1 StPO am Tag nach der Zustellung bzw. Eröffnung des Entscheides zu laufen (vgl. Guidon, in: Basler Kommentar StPO, 3. Auflage 2023, Art. 396 StPO N 8). Die Beschwerdefrist gilt als eingehalten, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist bei der zuständigen Behörde abgegeben zu deren Handen der Schweizerischen Post einer schweizerischen diplomatischen konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 91 Abs. 2 StPO).

 

1.2.2   Die Strafbehörden bedienen sich für ihre Mitteilungen grundsätzlich der Schriftform (vgl. Art. 85 Abs. 1 StPO). Die Zustellung erfolgt durch eingeschriebene Postsendung auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung (Art. 85 Abs. 2 StPO). Sie ist erfolgt, wenn die Sendung von der Adressatin dem Adressaten von einer angestellten im gleichen Haushalt lebenden, mindestens 16 Jahre alten Person entgegengenommen wurde (Art. 85 Abs. 3 Satz 1 StPO). Aus den Akten ergibt sich, dass der Untersuchungsbefehl vom 29. Juni 2023 dem Beschwerdeführer gemäss Sendungsverfolgung am 8. Juli 2023 gegen Unterschrift zugestellt worden ist (Sendungs-Nr. […]; vgl. Track & Trace-Auszug der niederländischen Post, act. 23, 24).

 

1.2.3   Die Frist für die Beschwerde begann somit am 9. Juli 2023 zu laufen und endete am 18. Juli 2023. Wie bereits einleitend festgehalten, hat der Beschwerdeführer eine undatierte Beschwerde eingereicht. Das rechtlich relevante Datum der Postaufgabe ergibt sich deshalb aus dem Poststempel auf dem Briefumschlag der Beschwerdeschrift (vgl. act. 5a). Die Eingabe des Beschwerdeführers, welche am 22. August 2023 zunächst der niederländischen Post und am 24. August 2023 der Schweizerischen Post übergeben worden ist (vgl. act. 5c), erweist sich demnach als deutlich verspätet. Zudem sei darauf hingewiesen, dass die Übergabe einer Eingabe an eine ausländische Postgesellschaft (noch) keine fristwahrende Wirkung hat (Riedo, in: Basler Kommentar StPO, 3. Auflage 2023, Art. 91 StPO N 20a). Weil die Beschwerdeeingabe verspätet erfolgt ist, ist auf das Rechtsmittel folglich nicht einzutreten.

 

1.3      Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass eine Wiederherstellung der Frist gemäss Art. 94 StPO – um welche im Übrigen zunächst bei der Vorinstanz zu ersuchen wäre (Art. 94 Abs. 2 StPO) – ebenfalls ausscheidet. Der Beschwerdeführer lässt in diesem Zusammenhang ausführen, er habe den Untersuchungsbefehl erst nach seiner Rückkehr aus Tunesien am 16. August 2023 zur Kenntnis nehmen können. Als Beleg für diese Behauptung legt er einen Fotoauszug vor, der aber kein relevantes Beweismittel für sein verspätetes Handeln darstellt, zumal dem Auszug (nebst Ortsangaben und allgemeinen Daten) weder sein Name noch sonstige Details mit Aussagekraft zu entnehmen sind (vgl. act. 5). Darüber hinaus wurde die Entgegennahme der eingeschriebenen Sendung am 8. Juli 2023 unterschriftlich bestätigt. Auch andere Gründe für eine Wiederherstellung der Frist, namentlich gravierende Naturereignisse, Kriegsereignisse, eine schwere Krankheit, und insbesondere die damit einhergehende objektive Unfähigkeit, rechtzeitig zu handeln einen Dritten mit der Fristwahrung zu beauftragen, sind nicht ersichtlich (vgl. Art. 94 StPO und die dazu ergangene langjährige strenge Praxis des Appellationsgerichts zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; statt vieler AGE BES.2023.105 vom 25. September 2023 E. 3.3 mit weiteren Hinweisen).

 

1.4      Des Weiteren verlangt das Erfordernis der Schriftlichkeit, dass Eingaben zu datieren und zu unterzeichnen sind (Art. 110 Abs. 1 Satz 2 StPO). Im vorliegenden Fall wurde weder die Beschwerde noch die Replik eigenhändig unterschrieben respektive mit einem Datum versehen, womit die Beschwerde an einem weiteren formellen Mangel leidet. Dieser Formfehler ist aber wegen der verspäteten Beschwerdeerhebung nicht weiter von Relevanz, weshalb auch keine Nachfrist zur Verbesserung anzusetzen ist.

 

2.

2.1      Selbst wenn im Übrigen auf die Beschwerde hätte eingetreten werden können, hätte sie abgewiesen werden müssen, da die Voraussetzungen für die Anordnung einer Urin- und Blutprobe eindeutig erfüllt gewesen sind.

 

2.2      Blut- und Urinproben gehören zu den körperlichen Untersuchungen im Sinne von Art. 251 StPO. Werden sie zur Feststellung der Fahrunfähigkeit angeordnet, unterliegen sie den besonderen Voraussetzungen von Art. 55 SVG und Art. 12 bis 14 der Strassenverkehrskontrollverordnung (SKV, SR 741.013; BGer 1B_443/2020 vom 18. Januar 2021 E. 2.1 mit Hinweis auf BGE 143 IV 313 E. 5, 146 IV 88 E. 1.4). Gemäss Art. 55 Abs. 3 lit. a SVG und Art. 12a SKV ist eine Blutprobe anzuordnen, wenn Anzeichen von Fahrunfähigkeit vorliegen, die nicht auf Alkoholeinfluss zurückzuführen sind. Zusätzlich kann eine Sicherstellung von Urin angeordnet werden. Für die Anordnung einer Blutprobe kommen jegliche Indizien in Frage, die einen entsprechenden Verdacht begründen können. Sie können im – allfällig verursachten – Unfall aber in der Person des Fahrzeuglenkers begründet sein (BGE 146 IV 88 E. 1.6.3; vgl. Weisungen vom 2. August 2016 des Bundesamtes für Strassen [ASTRA] betreffend die Feststellung der Fahrunfähigkeit im Strassenverkehr, Ziff. 2.1 lit. d, S. 5).

 

2.3      Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bestehen im vorliegenden Fall klarerweise konkrete, auf den Einzelfall bezogene Indizien, die eine Abklärung der Fahrunfähigkeit notwendig machen. Ein hinreichender Verdacht darf nach der Rechtsprechung nämlich gestützt auf das Verhalten des Lenkers vor, während und nach der Fahrt angenommen werden. Ein Unfall, der a priori nicht auf andere Ursachen zurückzuführen ist, eine auffällige Fahrweise indizieren eine Fahrunfähigkeit (Fahrni/Heimgartner, in: Basler Kommentar SVG, Basel 2014, Art. 55 SVG N 36). Aus dem Unfall als solchem – seiner Art, seiner Schwere und seinem Hergang – dürfen konkrete Anzeichen für die Fahrunfähigkeit gewonnen werden (Weissenberger, Kommentar SVG, 2. Auflage 2015, Art. 55 SVG N 5). In diesem Zusammenhang ist der Passus aus der Rechtsprechung hervorzuheben, dass Indizien für einen Verdacht «im – allfällig verursachten – Unfall» begründet sein können (BGE 146 IV 88 E. 1.6.3). Blutproben sind demnach etwa im Fall einer Streifkollision mit einem entgegenkommenden Personenwagen (BGE 131 IV 36 E. 2.2.1) bei Selbstunfällen mit massiven Sachschäden anzuordnen (BGE 102 IV 40 E. 2; BGer 6B_196/2010 vom 20. April 2010 E. 1.3 f.). Der Unfall wird grundsätzlich nicht durch andere Umstände erklärt, so dass sich berechtigte Fragen hinsichtlich der Fahrfähigkeit des Beschwerdeführers stellen. Beim vorliegenden schweren Selbstunfall besteht also konkret gebotener Anlass für die Abklärung der Fahrfähigkeit. Vor diesem Hintergrund ist die polizeiliche Annahme von Anzeichen für die Fahrunfähigkeit beim Beschwerdeführer bzw. der entsprechende Tatverdacht nicht zu beanstanden. Schliesslich sind alle weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers, die sich gegen die Strafuntersuchung im Allgemeinen richten, nicht im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens zu behandeln.

 

3.

Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer dessen Kosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gebühr wird auf CHF 300.– festgesetzt (vgl. § 21 Abs. 2 des Gerichtsgebührenreglements [GGR, SG 154.810]).

 

 

Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):

 

://:        Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

 

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit einer Gebühr von CHF 300.–.

 

Mitteilung an:

-       Beschwerdeführer (Dispositiv und Rechtsmittelbelehrung auf Niederländisch)

-       Staatsanwaltschaft Basel-Stadt

 

APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT

 

Die Präsidentin                                                         Die a.o. Gerichtsschreiberin

 

 

lic. iur. Liselotte Henz                                               MLaw Naime Süer

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.

 



 
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