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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BES.2020.20 (AG.2020.399)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BES.2020.20 (AG.2020.399) vom 08.06.2020 (BS)
Datum:08.06.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Akteneinsicht, Teilnahmerecht etc.
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 100 StPO ; Art. 101 StPO ; Art. 102 StPO ; Art. 107 StPO ; Art. 108 StPO ; Art. 139 StPO ; Art. 146 StPO ; Art. 147 StPO ; Art. 154 StPO ; Art. 265 StPO ; Art. 29 BV ; Art. 298d StPO ; Art. 309 StPO ; Art. 312 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 48 BGG ; Art. 6 EMRK ;
Referenz BGE:121 III 331; 134 I 83; 139 IV 25; 141 IV 220; 143 IV 397; 143 IV 457;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht



BES.2020.20


ENTSCHEID


vom 8. Juni 2020



Mitwirkende


lic. iur. Christian Hoenen

und Gerichtsschreiber Dr. Peter Bucher




Beteiligte


A____ Beschwerdeführer

vertreten durch B____ Privatkläger/Opfer

[...]

vertreten durch [...], Advokatin,

[...]

gegen


Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin 1

Binningerstrasse21, 4001Basel


C____ Beschwerdegegner 2

[...] Beschuldigter

vertreten durch [...], Advokat,

[...]


Gegenstand


Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft

vom 22. Januar 2020


betreffend Akteneinsicht und Teilnahmerechte



Sachverhalt


Am 20. Dezember 2019 erstattete B____ auf der Polizeiwache Clara Anzeige, dass ihr Sohn A____ (Opfer) von dessen Götti C____ (Beschuldigter) sexuell missbraucht worden sei. Der Sohn habe ihr erzählt, er und der Götti hätten sich gegenseitig am Glied angefasst und befriedigt. Die Staatsanwaltschaft nahm umgehend Ermittlungen auf. Die Opferhilfe wurde informiert. Am 27. Dezember 2019 führte die Staatsanwaltschaft eine Videobefragung mit dem Opfer durch, welches ausweichende Antworten gab. Die Mutter wurde gleichzeitig separat von der Staatsanwaltschaft einvernommen. Am 30. Dezember 2019 hat die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung mit Beschlagnahme von zahlreichen Datenträgern in der Wohnung des Beschuldigten durchgeführt, diesen festgenommen und ihn anschliessend im polizeilichen Ermittlungsverfahren einvernommen, unter Beizug eines Anwalts der ersten Stunde, der dann am 7. Januar 2020 als amtlicher Verteidiger bestellt wurde. In jener Einvernahme hatte der Beschuldigte sexuelle Handlungen mit dem Göttibuben bestritten, den Besitz von Kinderpornografie indessen zugegeben. Gleichentags hat die Staatsanwaltschaft eine DNA-Analyse verfügt. Bei der Auswertung der beschlagnahmten Datenträger wurde kinderpornographisches Material festgestellt. Gemäss einer "Eröffnungs-/Ausdehnungsverfügung" hat die Staatsanwaltschaft am 30. Dezember 2019 das staatsanwaltliche Untersuchungsverfahren betreffend sexuelle Handlungen mit Kindern, sexuelle Nötigung sowie Pornografie eröffnet; die Staatsanwaltschaft hat diese Verfügung ad acta gelegt. In den Akten befindet sich auch eine Strafanzeige der Staatsanwaltschaft vom 2. Januar 2020 wegen Kinderpornografie. Am 31. Dezember 2019 hat das Zwangsmassnahmengericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft hin über den Beschuldigten Untersuchungshaft angeordnet. Am 14. Januar 2020 wurde der Beschuldigte erneut einvernommen. Daraus ergaben sich weitere Personen- und Sachbezüge, welchen die Staatsanwaltschaft in der Folge der Untersuchung nachgegangen ist und welche zu zahlreichen weiteren Einvernahmen mit verschiedenen Personen sowie zu weiteren Untersuchungshandlungen geführt haben, welche an dieser Stelle indessen nicht vertieft dargestellt zu werden brauchen.


Am 21. Januar 2020 (Eingang Staatsanwaltschaft 22. Januar 2020) zeigte die Opferanwältin, [...], Advokatin, ihre Vertretungsvollmacht an, konstituierte ihre Mandantschaft als Zivil- und Privatklägerschaft und ersuchte um vollumfängliche Akteneinsicht sowie um Bekanntgabe der weiteren Verfahrenshandlungen. Am 22.Januar 2020 legte der Beschuldigte, wie von seinem Verteidiger kurz zuvor in Aussicht gestellt, insofern ein Geständnis ab, als er zugab, mit dem Opfer sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben; allerdings sei die Initiative dafür vom Opfer gekommen. Die Staatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 22. Januar 2020 die Bevollmächtigung und Konstitution der Zivil- und Privatklägerschaft zur Kenntnis genommen. Unter Ziff. 3 der Verfügung hat die Staatsanwaltschaft "die Teilnahmerechte gemäss StPO gewährt"; Ziff. 4 der Verfügung lautet: "Die Akteneinsicht in die derzeit parteiöffentlichen Akten wird bewilligt. Noch nicht parteiöffentlich ist das Protokoll der heutigen Einvernahme des Beschuldigten." Diese Verfügung wurde der Opfervertreterin zugestellt. Umgehend liess die Staatsanwaltschaft der Opfervertreterin auch Akten zukommen. Aufgrund des Geständnisses des Beschuldigten wurde eine auf den 23. Januar 2020 anberaumte zweite Videoeinvernahme des Opfers abgeboten. Das Zwangsmassnahmengericht hat den Beschuldigten am 27. Januar 2020 unter Anordnung von Ersatzmassnahmen (Kontakt- und Annäherungsverbote) aus der Untersuchungshaft entlassen.


Die Opfervertreterin erhob am 3. Februar 2020 für das Opfer Beschwerde an das Appellationsgericht. Der Beschwerdeführer beantragt, die vorstehend zitierte Ziff. 4 der Verfügung vom 22. Januar 2020 sei aufzuheben. Demgemäss sei die Einvernahme des Beschuldigten vom 22. Januar 2020 unter Berücksichtigung der Teilnahmerechte des Beschwerdeführers erneut durchzuführen und es sei dem Beschwerdeführer, eventualiter der Opfervertreterin, das Protokoll der Einvernahme des Beschuldigten vom 22. Januar 2020 unverzüglich zuzustellen. Sodann beantragt der Beschwerdeführer, die Akten der Staatsanwaltschaft seien zu paginieren; alles unter o/e Kostenfolge zulasten der Staatsanwaltschaft. Diese beantragt mit Stellungnahme vom 28. Februar 2020 die kostenfällige Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hält mit Replik vom 5. Mai 2020 an seinen Anträgen fest. Er wird nunmehr vertreten durch Advokatin [...].


Den Beschuldigten in das vorliegende Verfahren einzubeziehen, erschien nicht opportun, da es ihn nicht direkt betrifft. Er wird indessen in den Verteiler aufgenommen.


Der vorliegende Entscheid ist aufgrund der Akten ergangen. Die Einzelheiten des Sachverhalts und der Standpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.


Erwägungen


1.

1.1 Gemäss Art.393 Abs.1 lit.a in Verbindung mit Art.20 Abs.1 lit.b der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO, SR312.0) unterliegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft der Beschwerde an die Beschwerdeinstanz. Für die Beurteilung zuständig ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§88 Abs.1 in Verbindung mit §93 Abs.1 Ziff.1 des Gerichtsorganisationsgesetzes; GOG, SG154.100), das gemäss Art.393 Abs.2 StPO mit freier Kognition urteilt. Die vorliegende Beschwerde wird im schriftlichen Verfahren behandelt (Art.397 Abs.1 StPO).

1.2 Mit Beschwerde können Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, die unvollständige und unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie Unangemessenheit gerügt werden (Art. 393 Abs. 2 StPO).


1.3 Zur Beschwerde legitimiert ist jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides hat (Art. 382 Abs. 1 StPO). Der Beschwerdeführer ist als Adressat der angefochtenen Verfügung zur Beschwerde legitimiert. Auf die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten.


2.

2.1 Der Beschwerdeführer moniert, dass ihm die Staatsanwaltschaft einerseits die nicht paginierten Akten übersandt habe. Andererseits rügt er die Verfügung vom 22.Januar 2020, wonach zwar dem Beschwerdeführer die Teilnahmerechte gewährt würden und dem Akteneinsichtsrecht teilweise entsprochen würde, wobei aber die Einvernahme des Beschuldigten vom 22. Januar 2020 aufgrund mangelnder Parteiöffentlichkeit nicht zugestellt würde. Eine Begründung für die mangelnde Parteiöffentlichkeit sei der Verfügung nicht zu entnehmen.


Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO, wonach er als Privatklägerschaft Partei im Strafverfahren sei. Gemäss Art. 107 StPO stünden ihm insbesondere das Akteneinsichtsrecht (Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO) und die Teilnahmerechte (Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO) zu. Die Einvernahme des Beschuldigten vom 22.Januar 2020 sei demgegenüber ohne die Teilnahme der Opfervertreterin durchgeführt worden, ja diese sei nicht einmal über eine Durchführung vorgängig informiert worden. Andererseits werde die Akteneinsicht beschränkt durch das Zurückbehalten der Abschrift der Einvernahme vom 22. Januar 2020, wobei eine Darlegung der Gründe für das Zurückbehalten der Verfügung nicht zu entnehmen sei. Es bestehe kein Anwendungsfall für eine Einschränkung des rechtlichen Gehörs im Sinn von Art.108 StPO. In der angefochtenen Verfügung werde nicht erläutert, aufgrund welchem der gesetzlich genannten, abschliessenden Gründe eine Einschränkung erfolgt sei und auch nicht gegenüber wem. Gestützt auf Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie BGE 134 I 83 E. 4.1 sei Ziff. 4 der Verfügung aufzuheben, da es nicht genüge, eine Begründung erst im Rechtsmittelverfahren nachzuschieben (BGE 121 III 331 E. 3c). Zudem sei dem Beschwerdeführer, respektive der Unterzeichneten das beantragte Akteneinsichtsrecht vollumfänglich zu gewähren. Weiter könne aufgrund mangelnder Paginierung der Akten durch die Kriminalpolizei nicht abgeschätzt werden, ob ausser der Einvernahme des Beschuldigten vom 22. Januar 2020 noch weitere Schriftstücke nicht zugestellt worden seien (BGer 1095/2019 vom 30. Oktober 2019).


Verletzt sei auch das Recht auf Teilnahme an Verfahrenshandlungen gemäss Art.147 Abs. 1 StPO, da die Opfervertreterin für den Beschwerdeführer nicht an der Einvernahme des Beschuldigten vom 22. Januar 2020 habe teilnehmen können und dadurch auch nicht die Möglichkeit gehabt habe, allfällige Zusatzfragen zu stellen. Art. 147 Abs. 2 StPO manifestiere das Recht der Parteien, eine Verfahrenshandlung zu wiederholen, wenn der Rechtsbeistand oder die Partei aus zwingenden Gründen an der Verfahrenshandlung verhindert gewesen sei. Dies sei vorliegend der Fall, da seitens des Beschwerdeführers und der Unterzeichneten keine Kenntnis der Verfahrenshandlung vom 22. Januar 2020 bestanden habe.


2.2 Die Staatsanwaltschaft entgegnet dem hinsichtlich der Akteneinsicht folgendes: "Die Akteneinsicht bei einem hängigen Verfahren gemäss Art. 101 Abs. 1 StPO erlaubt es den Parteien spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigen Beweise durch die Staatsanwaltschaft, die Akten des Strafverfahrens einzusehen, wobei Art. 108 StPO vorbehalten bleibt. Gemäss Art. 108 Abs. 1 StPO darf die Staatsanwaltschaft das rechtliche Gehör einschränken, wenn dies für die Sicherheit von Personen oder zur Wahrung öffentlicher oder privater Geheimhaltungsinteressen erforderlich ist (lit. b). Unter das rechtliche Gehör fällt auch das Akteneinsichtsrecht. Nach der Praxis des Bundesgerichts besteht zu Beginn der Strafuntersuchung noch kein absoluter Anspruch auf eine vollständige Akteneinsicht (BGE 139 IV 25 E. 5.5.2). Die Staatsanwaltschaft kann im Einzelfall prüfen, ob sachliche Gründe für eine vorläufige Beschränkung der Parteiöffentlichkeit bestehen, wobei diese nur zurückhaltend angenommen werden dürfen (BGE 6B_256/2017 E. 2.2.1 f.). Bei der Auslegung der StPO ist eine Kohärenz zwischen den inhaltlich konnexen Bestimmungen betreffend Akteneinsicht und Teilnahme an Beweiserhebungen anzustreben. Demnach kann die Staatsanwaltschaft im Einzelfall prüfen, ob sachliche Gründe für eine vorläufige Beschränkung der Parteiöffentlichkeit bestehen (BGE 139 IV 25 E. 5.5.4.1). Gemäss Art. 146 Abs. 4 lit.b StPO kann die Verfahrensleitung Personen vorübergehend von der Verhandlung ausschliessen, wenn diese im Verfahren noch als Auskunftspersonen einzuvernehmen sind und somit ein Interessenkonflikt bestehen könnte. Daraus folgt, dass Auskunftspersonen die Kenntnis von Aussagen der Parteien - somit die Kenntnis von Einvernahmen - verwehrt werden darf (BGE 139 IV 25, E. 4.3)."


"Das Akteneinsichtsrecht wurde der Vertreterin der beschwerdeführenden Person am 22. Januar 2020 gewährt, wobei aber eine einzige Einvernahme, die nicht parteiöffentlich ist, vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen wurde. Der Einwendung der beschwerdeführenden Person, dass die Beschränkung der Akteneinsicht nicht begründet worden sei, ist entgegenzuhalten, dass die fehlende Parteiöffentlichkeit bereits eine Begründung ist. Grundsätzlich besteht das Anrecht auf Akteneinsicht der Privatklägerschaft in dem Umfange, als dies zur Durchsetzung ihrer Verfahrensrechte und zur Wahrung ihrer Interessen notwendig ist (Schmid/Jositsch: Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Art. 101 N 7, 10). Im Sinne der Gleichbehandlung wurde dem Verteidiger das Akteneinsichtsrecht ebenfalls nur für parteiöffentliche Dokumente gewährt. Da nur eine einzelne Einvernahme vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen wurde, ist dies auch verhältnismässig und entspricht somit der Begrenzung im Sinne von Art. 108 Abs. 3 StPO. Auch die Lehre verweist im Sinne der Verhältnismässigkeit auf die Beschränkung und nicht auf die vollständige Verweigerung der Akteneinsicht (Schmutz, Basler Kommentar StPO, Art. 101 N 15). Ausserdem gilt es gerade bei Fallkonstellationen wie vorliegend (Vier-Augen-Delikte im Sexualbereich) zu beachten, dass die Erforschung der materiellen Wahrheit (Art.6 StPO) wie auch die Schaffung einer möglichst guten Grundlage für eine spätere Verurteilung des angeblichen Täters massgeblich von der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Opfers abhängt, weshalb es eigentlich im Interesse des Opfers liegen muss, allenfalls auch in einer zweiten, teilnahmeberechtigten Einvernahme den Sachverhalt zu schildern, ohne die Akten und insbesondere die Aussagen der beschuldigten Person zu kennen und dadurch (wie häufig von der Verteidigung vorgebracht) beeinflusst worden zu sein. Dies gilt insbesondere, da vorliegend das Opfer noch ein Kind ist. Eine solche zweite Einvernahme des Opfers ist deshalb als wichtiger Beweis im Sinne von Art. 101 StPO zu werten, weshalb die Akteneinsicht des Opfers bis nach dieser Einvernahme verweigert bzw. beschränkt werden muss (BGE 139 IV 25 E. 4.3 mit Verweis auf Art. 146 Abs. 4 lit. b StPO). Hinzu kommt, dass die Befragung von Kindern in möglichst wenigen Sitzungen gemacht wird, um eine Traumatisierung zu reduzieren. Das Ziel der Wahrheitsfindung ist hier sehr hoch zu halten und erlaubt gemäss Art. 139 Abs. 1 StPO den Einsatz aller geeigneter Beweismittel, die rechtlich zulässig sind. Dazu gehört sicherlich die Begrenzung des Akteneinsichtsrechts auf parteiöffentliche Bestandteile der Akten. Eine Wiederholung der Einvernahme im Beisein der Vertreterin oder der beschwerdeführenden Person selbst ist folglich nicht angezeigt, zumal die Teilnahmerechte i.S.v. Art. 101 Abs. 1 StPO erst ab dem Zeitpunkt nach der ersten staatsanwaltlichen Einvernahme wirken (vgl. BGer 6B_129/2017 E. 1.6.2). Inwiefern die Einvernahme der beschuldigten Person im Sinne von Art. 147 Abs. 4 StPO zulasten der beschwerdeführenden Person wirken könnte, ist nicht ersichtlich und wäre durch die Vertreterin darzulegen. Da die Staatsanwaltschaft somit durch ihre Verfügung vom 22. Januar 2020 in keiner Weise gegen die strafprozessualen Vorgaben verstossen hat und der beschwerdeführenden Person durch die Verfügung überhaupt kein Nachteil erwächst, ist das in Ziffer 1 und 2 genannte Rechtsbegehren abzuweisen."


2.3 Der Beschwerdeführer repliziert zur Akteneinsicht, mit der Zustellung der vollständigen Akten im vorliegenden Beschwerdeverfahren sei sein Gesuch um vollständige Akteneinsicht implizit gutgeheissen worden und damit auch seine Beschwerde. Im Übrigen habe ihm die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Akteneinsicht nicht nur das Einvernahmeprotokoll vom 22. Januar 2020 nicht zugestellt gehabt, sondern auch weitere Akten, so etwa den Bericht der Hausdurchsuchung beim Beschuldigten und den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts vom 27. Januar 2020. Der Beschwerdeführer sei damit nicht darüber informiert worden, dass der Beschuldigte einvernommen worden sei, und auch nicht darüber, dass das Zwangsmassnahmengericht ein Abstands- und Kontaktverbot erlassen habe. Eine rein abstrakte Gefährdung der Verfahrensinteressen durch rechtmässig prozesstaktisches Vorgehen rechtfertige keinen Ausschluss von Einvernahmen. Da der Beschwerdeführer ein Kind sei, müsse ohnehin von seiner weiteren Befragung abgesehen werden. Zudem habe der Beschuldigte ein Geständnis abgelegt. Daher würden keine Gründe für eine Beschränkung der Parteirechte sprechen, erst recht nicht gegenüber der Opfervertreterin als Rechtsbeiständin im Sinne von Art. 108 StPO.


2.4 Die Privatklägerschaft ist Partei (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO). Vorliegend hat sich das Opfer als Privatkläger konstituiert und ist folglich Partei.


Gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Laut Abs. 3 dieser Bestimmung können die Partei oder ihr Rechtsbeistand die Wiederholung der Beweiserhebung verlangen, wenn der Rechtsbeistand oder die Partei ohne Rechtsbeistand aus zwingenden Gründen an der Teilnahme verhindert waren. Auf eine Wiederholung kann verzichtet werden, wenn sie mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden wäre und dem Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör, insbesondere dem Recht, Fragen zu stellen, auf andere Weise Rechnung getragen werden kann. Laut Abs. 4 dieser Bestimmung dürfen Beweise, die in Verletzung dieser Bestimmungen erhoben worden sind, nicht zulasten der Partei verwertet werden, die nicht anwesend war.


Auch bei der Einzeleinvernahme gemäss Art. 146 Abs. 1 StPO gilt der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit (Donatsch/Hansjakob/Lieber, a.a.O., Art. 146 N 2 StPO). Laut Art.101 Abs. 1 StPO können die Parteien spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten (nicht: "wichtigen", wie die Staatsanwaltschaft den Gesetzeswortlaut falsch und die Akteneinsicht bereits damit unzulässig einschränkend zitiert; ob es sich um einen bewussten Fehler handelt oder nicht, kann indessen offen bleiben) Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen, dies unter Vorbehalt von Art. 108 StPO. Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf das Bundesgerichtsurteil BGer 6B_256/2017 vom 13. September 2018. Darin hat das Bundesgericht zunächst seine Praxis zum Thema zusammengefasst (vgl. auch AGE BES.2019.258 vom 18. Mai 2020 E. 4): "1.2.1. Das Bundesgericht hat sich im Grundsatzentscheid 139 IV 25 umfassend mit der Tragweite sowie allfälligen Beschränkungen des in Art. 147 StPO garantierten Teilnahmerechts bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte auseinandergesetzt. Es hat unter Heranziehung der Botschaft und in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre festgehalten, dass im Untersuchungs- und Hauptverfahren gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit bei Beweiserhebungen durch Staatsanwaltschaft und Gerichte umfassend zur Anwendung gelangt. Auch bei Einvernahmen, die die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, stehen den Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte zu, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen (Art. 312 Abs.2 StPO). Beweise, die in Verletzung dieser Bestimmung erhoben worden sind, dürfen gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO nicht zulasten der Partei verwertet werden, die nicht anwesend war (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1187 Ziff. 2.4.1.3; BGE 139 IV 25 E. 4.2 S.29 f.). Im Hinblick auf allfällige Einschränkungen der ab dem Zeitpunkt der Durchführung der Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich umfassend gewährten Parteirechte hat das Bundesgericht klargestellt, dass der Gesetzgeber gegenüber der früheren Rechtslage das Teilnahme- und Fragerecht der Parteien, namentlich der beschuldigten Person, bei Beweiserhebungen als Ausgleich zu der in der schweizerischen StPO geschaffenen dominanten Stellung der Staatsanwaltschaft als Herrin des Vorverfahrens und der eingeschränkten Abnahme von (im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobenen) Beweisen durch die erkennenden Gerichte bewusst gestärkt und ausgeweitet hat. Einschränkungen der Parteirechte (insbesondere des in Art. 147 Abs. 1 StPO konkretisierten Anspruchs auf rechtliches Gehör) bedürfen einer ausreichend klaren gesetzlichen Grundlage und müssen verhältnismässig sein, weshalb sie nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen der Art. 108, Art.146 Abs.4 und Art. 149 Abs. 2 lit. b StPO vorläufig eingeschränkt werden können. Ausnahmen von der Parteiöffentlichkeit und damit einhergehende Beschränkungen der Teilnahmerechte sind zurückhaltend und unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes anzuwenden (vgl. BBl 2006 1164 Ziff. 2.4.1.4; BGE 139 IV 25 E.5.3). Das Bundesgericht hat betont, dass die nach kantonalem Verfahrensrecht häufig vorgesehene blosse Möglichkeit einer abstrakten 'Gefährdung des Verfahrensinteresses' durch rechtmässiges prozesstaktisches Verhalten der Parteien und insbesondere beschuldigter Personen nach der Konzeption der StPO für sich allein nicht mehr genüge, 'um das rechtliche Gehör vor allem in der Anfangsphase des Vorverfahrens einzuschränken' (BGE 139 IV 25 E. 5.2.2 und 5.5.4.1; vgl. auch BBl 2006 1164 Ziff. 2.4.1.4). Das Bundesgericht hatte sich in BGE 139 IV 25 zudem mit der Frage einer möglichen Beschränkung des nach Art. 147 Abs. 1 StPO gewährten Teilnahme- und Fragerechts bei mehreren Mitbeschuldigten und der in diesem Zusammenhang von Strafverfolgungsbehörden und einem Teil der Lehre geäusserten Kritik, die gesetzliche Regelung von Art. 147 StPO könne in Kollektivfällen zu Effizienzverlusten der Strafuntersuchung und zu gewissen prozessualen Ungleichbehandlungen von Mitbeschuldigten führen, zu befassen [ ]. Das Bundesgericht hat die im Leitentscheid 139 IV 25 aufgestellten Grundsätze mehrmals bestätigt (BGE 143 IV 457 E. 1.6.1, 397 E. 3.3.2; 141 IV 220 E. 4.3; 140 IV 172 E.1.2.1)."


"1.2.2. Das Bundesgericht wies in BGE 139 IV 25 zudem darauf hin, dass eine Kohärenz zwischen den inhaltlich konnexen Bestimmungen betreffend Akteneinsicht und Teilnahme an Beweiserhebungen anzustreben ist. Im Anfangsstadium der Untersuchung ist deshalb bei der Auslegung von Art. 147 StPO auch der sachlich eng damit zusammenhängenden Bestimmung von Art. 101 Abs. 1 StPO betreffend Akteneinsicht Rechnung zu tragen, wonach die Parteien spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen können; Art.108 StPO bleibt vorbehalten (BGE 139 IV 25 E. 5.5.2). Es liess die von ihm aufgeworfene Frage, ob die Staatsanwaltschaft in teleologischer Reduktion von Art. 147 Abs. 1 StPO und in analoger Anwendung von Art. 101 Abs. 1 StPO im Einzelfall bei Vorliegen sachlicher Gründe, namentlich einer konkreten Kollusionsgefahr aufgrund noch nicht erfolgter Vorhalte bei Mitbeschuldigten, eine vorläufige Beschränkung der Parteiöffentlichkeit prüfen kann, explizit offen. Die blosse Möglichkeit einer abstrakten Gefährdung des Verfahrensinteresses durch rechtmässiges prozesstaktisches Verhalten rechtfertigt hingegen noch keinen Ausschluss von der Einvernahme (BGE 139 IV 25 E. 5.5.4 ff. mit Hinweisen; vgl. auch: BGE 141 IV 220 E. 4.4)."


Unter Ziff. 2. hat das Bundesgericht erwogen: "2.1. Die Einvernahme des Privatklägers als Auskunftsperson hat nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz stattgefunden, als die Untersuchung bereits von der Beschwerdegegnerin geführt wurde. Das Bundesgericht bestätigt seine bisherige Rechtsprechung, dass die Strafuntersuchung als eröffnet gilt, sobald sich die Staatsanwaltschaft mit dem Straffall befasst und selber erste Untersuchungshandlungen vornimmt. Der in Art. 309 Abs. 3 StPO erwähnten Eröffnungsverfügung kommt lediglich deklaratorische Wirkung zu (BGE 143 IV 397 E. 3.4.2; 141 IV 20 E. 1.1.4; je mit Hinweisen). Die Strafuntersuchung wurde im vorliegenden Verfahren aufgrund der von der Beschwerdegegnerin angeordneten Zwangsmassnahmen (vgl. Art. 196 - Art. 298d StPO) in Form der am 22. April 2014 an das Universitätsspital Basel erlassenen 'Editionsverfügung' gemäss Art. 265 StPO eröffnet. Dass die Beschwerdegegnerin die Verfahrenseröffnung formell erst am 20. Oktober 2014, mithin mehr als zwei Monate nach der vorläufigen Festnahme des Beschwerdeführers verfügte, ändert an der faktischen Verfahrenseröffnung nichts."


"2.2.1. Die in BGE 139 IV 25 in Erwägung gezogene Möglichkeit einer Beschränkung der Teilnahmerechte bei Ersteinvernahmen von Mitbeschuldigten in analoger Anwendung von Art. 101 Abs. 1 StPO im Anfangsstadium der strafrechtlichen Untersuchung hat sich in der Praxis mittlerweile faktisch etabliert; hieran ist festzuhalten. Die von der Rechtsprechung aus Art. 101 Abs. 1 StPO abgeleitete analoge Beschränkung der Teilnahmerechte der beschuldigten Person bis zu deren erster Einvernahme ist zudem nicht auf Verfahren mit mehreren beschuldigten Personen beschränkt. Die Staatsanwaltschaft kann demnach das den Parteien nach Eröffnung der staatsanwaltlichen Untersuchung gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO umfassende Teilnahme- und Mitwirkungsrecht an Beweiserhebungen nicht nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen der Art. 108 Abs. 1, Art. 146 Abs. 4 oder Art. 149 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO beschränken, sondern in analoger Anwendung der Grundsätze von Art. 101 Abs. 1 StPO im Einzelfall prüfen, ob sachliche Gründe für eine vorläufige Beschränkung der Parteiöffentlichkeit bestehen."


"2.2.2. Ob das nach Art. 147 Abs. 1 StPO garantierte Teilnahme- und Fragerecht in analoger Anwendung unter den Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 1 StPO vorübergehend zu beschränken ist, entscheidet die Verfahrensleitung (vgl. Art. 102 Abs. 1 StPO entsprechend). Bei ihrem Entscheid hat sie, wie bei den gesetzlich ausdrücklich geregelten Eingriffsmöglichkeiten nach Art. 108 Abs. 1, Art. 146 Abs. 4 oder Art.149 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO, dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit (vgl. BGE 139 IV 25 E. 5.3) und der gesetzlichen Grundkonzeption der StPO mit gegenüber der früheren Rechtslage gestärkten Partei- und Teilnahmerechten Rechnung zu tragen (vgl. BGE 141 IV 220 E. 4.3.1 f.; 139 IV 25 E. 5.3; je mit zahlreichen Hinweisen). Das durch den Gesetzgeber angestrebte Gleichgewicht zwischen den Parteien ist zu wahren. Einschränkungen der Teilnahmerechte sind nur aus sachlichen Gründen und zurückhaltend vorzunehmen, zumal der in älteren Strafprozessordnungen häufig erst nach Abschluss der Untersuchung gewährte Anspruch auf Akteneinsicht nach Auffassung des Gesetzgebers nicht mehr im Einklang mit einer zeitgemässen Auffassung über die Verfahrensrechte der Parteien steht. Beschränkungen der Teilnahmerechte bei Beweiserhebungen erfordern - wie beim Akteneinsichtsrecht auch - regelmässig erneute Beweiserhebungen, was gerade bei Einvernahmen sowohl der Prozessökonomie als auch dem Opferschutz entgegensteht (BBl 2006 1161 Ziff. 2.2.8.9). Die Ermittlung der materiellen Wahrheit ist nur mit Beweismitteln möglich, die rechtlich zulässig sind, d.h. die prozessual ordnungsgemäss erhoben wurden (vgl. Art. 139 Abs. 1, Art. 147 Abs. 1 und 4 StPO). Eine Beschränkung der Teilnahmerechte kann namentlich verfügt werden, wenn im Hinblick auf noch nicht erfolgte Vorhalte eine konkrete Kollusionsgefahr gegeben und dadurch der Untersuchungszweck gefährdet ist. Hingegen rechtfertigt die blosse Möglichkeit einer abstrakten 'Gefährdung des Verfahrensinteresses' durch rechtmässiges prozesstaktisches Verhalten nach dem Willen des Gesetzesgebers und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung noch keinen Ausschluss von Beweiserhebungen (vgl. BBl 2006 1161, 1164 Ziff. 2.2.8.9; BGE 139 IV 25 E. 5.5.4.1)."


2.5 Die angefochtene Ziff. 4 der Verfügung vom 22. Januar 2020 lautet: "Die Akteneinsicht in die derzeit parteiöffentlichen Akten wird bewilligt. Noch nicht parteiöffentlich ist das Protokoll der heutigen Einvernahme des Beschuldigten."


2.5.1 "Keine Parteiöffentlichkeit" ist entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft keine Begründung dafür, einer Partei die Akteneinsicht zu verweigern, sondern lediglich eine anderslautende Umschreibung. Auch die Argumentation der Staatsanwaltschaft, im Sinne der Gleichbehandlung sei dem Verteidiger das Akteneinsichtsrecht ebenfalls nur für parteiöffentliche Dokumente gewährt worden, ist keine Begründung, zumal die Verweigerung der Akteneinsicht des Verteidigers (auch) diesem gegenüber zunächst einmal sachlich zu begründen wäre. Ausserdem handelt es sich dabei um eine widersprüchliche Scheinargumentation, denn bei der Einvernahme des Beschuldigten vom 22. Januar 2020 war der Verteidiger (um Unterschied zur Opfervertreterin) ja persönlich zugegen, sodass von Gleichbehandlung der Parteien keine Rede sein kann. Dem Beschwerdeführer ist somit insoweit zu folgen, dass die Verfügung sachlich nicht begründet ist. Von einer Rückweisung der Verfügung zur ordentlichen Begründung ist indessen zwecks Vermeidung eines prozessualen Leerlaufs abzusehen, da die im vorliegenden Beschwerdeverfahren nachgeschobene Begründung ohnehin nicht stichhaltig ist, wie sich nachfolgend ergibt. Zum vornherein nicht begründen liesse sich im Übrigen die Verhältnismässigkeit einer allfälligen Beschränkung von Parteirechten mit den Worten der Staatsanwaltschaft, "nur eine einzelne Einvernahme" sei davon betroffen, denn nicht die Anzahl der veröffentlichten und jene der geheim gehaltenen Aktenstücke sind gegebenenfalls gegeneinander abzuwägen, sondern die Interessen der Parteien bzw. der Behörden an der Offenlegung und an der Geheimhaltung. Hinzu kommt, dass das Verfahren aufgrund des Geständnisses des Beschuldigten gerade mit der fraglichen Einvernahme vom 22. Januar 2020 eine entscheidende Wende genommen hat, womit es sich beim entsprechenden Einvernahmeprotokoll um ein bedeutsames Dokument handelt.


2.5.2 Die Opfervertreterin stellt sich replicando zutreffend auf den Standpunkt, mit der vollständig gewährten Akteneinsicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren sei ihre Beschwerde insoweit implizit gutgeheissen worden. Zur Begründung dieses Teilergebnisses und zwecks adäquatem Umgang mit den weiteren von ihr gestellten Begehren im selben Zusammenhang ist dennoch materiell auf die Sache einzugehen. In Frage steht nebst der Verweigerung der Akteneinsicht in das Einvernahmeprotokoll vom 22. Januar 2020 insbesondere auch der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederholung jener Einvernahme des Beschuldigten.


Zu prüfen ist somit, ob für die Beschränkung der Akteneinsicht gemäss Art. 147 StPO sachliche Gründe vorliegen, ob die Einschränkung verhältnismässig ist, und ob der gesetzlichen Grundkonzeption der StPO mit gegenüber der früheren Rechtslage gestärkten Partei- und Teilnahmerechten, also einer zeitgemässen Auffassung von Parteirechten und insbesondere dem Opferschutz, Rechnung getragen wird.


2.5.3 Zunächst ist davon auszugehen, dass entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft keine Beeinflussung des Anzeige stellenden Opfers zu befürchten steht (anders als etwa in AGE BES.2015.13/15 vom 26. Mai 2015), da dessen erste Videoeinvernahme bereits am 27. Dezember 2019 stattgefunden hat - und die erste Einvernahme des Beschuldigten (Art. 101 Abs. 1 StPO) am 30. Dezember 2019 (sowie bereits eine zweite Einvernahme mit dem Beschuldigten am 14. Januar 2020). Dass keine konkrete Kollusionsgefahr mehr besteht, ergibt sich ferner daraus, dass der Beschuldigte nachgängig seines Geständnisses und gestützt darauf aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist, und zwar unter Auflage eines Kontakt- und Annäherungsverbots. Mitbeschuldigte sind keine einzuvernehmen und Einschränkungen des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 108 StPO sind nicht ersichtlich. Die Staatsanwaltschaft ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass ihr Vergleich mit der Rechtslage betreffend Auskunftspersonen zum vornherein nicht verfängt, da vorliegend dem Opfer Parteistellung zukommt.


Der Beschwerdeführer als Opfer ist aufgrund seines Alters ein Kind und es gelten die Grundsätze gemäss Art.154 ff. StPO, so namentlich, dass im ganzen Verfahren nicht mehr als zwei Einvernahmen erfolgen sollen (Art. 154 Abs. 4 StPO) und Konfrontationseinvernahmen stark eingeschränkt sind. Die Argumentation der Staatsanwaltschaft, dass die Akteneinsicht auch deshalb zu unterbleiben habe, weil zuerst noch andere wichtige Beweise erhoben werden müssten, zu welchen vor allem eine zweite teilnahmeberechtigte Befragung des Opfers zähle, zielt deshalb ins Leere. Zwar wurde angesichts der ausweichenden Antworten des Opfers in der ersten Befragung eine zweite solche auf den 23. Januar 2020 angesetzt, diese dann aber wieder abgeboten worden, nachdem der Beschuldigte am 22. Januar 2020 ein Geständnis abgelegt hatte; der Opfervertreterin dennoch Einsicht in das Protokoll zu verweigern, erscheint widersprüchlich. Eine zweite Befragung mit Teilnahmerecht wird damit voraussichtlich erst anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung stattfinden. Art. 154 Abs. 5 StPO sieht zwar eine zweite (staatsanwaltschaftliche) Einvernahme ausnahmsweise vor, allerdings nur, wenn dies im Interesse der Ermittlungen unumgänglich ist. Ein solches Interesse ist nach dem Geständnis des Beschuldigten wohl zu verneinen, so dass eine indirekte Konfrontation mit der Möglichkeit, Ergänzungsfragen zu stellen, ohne weiteres im Rahmen der erstinstanzlichen Hauptverhandlung wird stattfinden können. Dass der Beschuldigte die Initiative für die sexuellen Handlungen dem Knaben zuschreibt, wird das dannzumal zuständige Sachgericht zu würdigen haben.


Sachliche Gründe für die Verweigerung der Akteneinsicht liegen somit nicht vor, und insbesondere der Opferschutz steht solcher Verweigerung klar entgegen. Wie die Opfervertreterin zutreffend ausführt, genügt in zeitgemässer Auffassung von Parteirechten sowie angesichts der mit der gesetzlichen Grundkonzeption der StPO gegenüber der früheren Rechtslage gestärkten Partei- und Teilnahmerechte das abstrakte Verfahrensinteresse nicht mehr als Begründung dafür, Akteneinsichts- und Teilnahmerechte zu verweigern. Eine konkrete Gefährdung des Verfahrensinteresses dagegen ist nicht auszumachen. Zumindest der Opfervertreterin hätte vollständige Akteneinsicht gewährt und grundsätzlich auch die Teilnahme an der Befragung des Beschuldigten ermöglicht werden müssen; dass in Anbetracht des kurzfristig in Aussicht gestellten Geständnisses des Beschuldigten allenfalls Eile geboten war, ist insoweit unerheblich.


Die Beschwerde ist somit insoweit gutzuheissen, als mit der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 22. Januar 2020 die Akteneinsicht der Opfervertreterin in unzulässiger Weise beschränkt worden war. Da die Akteneinsicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren inzwischen vollumfänglich gewährt wurde, ist dieser Aspekt erledigt und im Dispositiv lediglich noch festzustellen, dass die Staatsanwaltschaft mit der Verfügung vom 22. Januar 2020 die Akteneinsicht der Opfervertreterin in unzulässiger Weise eingeschränkt hat.


2.5.4 Der Beschwerdeführer beantragt die Wiederholung der Einvernahme des Beschuldigten vom 22. Januar 2020 unter Berücksichtigung der Teilnahmerechte. Die Opfervertreterin geht zutreffend davon aus, dass sie grundsätzlich die Wiederholung jener Einvernahme verlangen kann, weil ihre Verhinderung an der Teilnahme daran zwingender Natur im Sinne von Art. 147 Abs. 3 Satz 1 StPO war - die Staatsanwaltschaft hat sie über die Durchführung jener Einvernahme vorgängig nicht informiert.


Allerdings bestimmt Art. 147 Abs. 3 Satz 2 StPO, dass auf eine Wiederholung verzichtet werden kann, wenn sie mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden wäre und dem Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör, insbesondere dem Recht, Fragen zu stellen, auf andere Weise Rechnung getragen werden kann.


Vorliegend erscheint ein rechtlich geschütztes Interesse an einer Wiederholung fraglich, nachdem der Beschuldigte in jener Einvernahme ein Geständnis abgelegt hat - wovon die Opferanwältin anlässlich der Formulierung der Beschwerde allerdings nichts wissen konnte, weil sie dazumal über den Inhalt der Einvernahme, insbesondere über das nicht ohne weiteres zu erwartende Geständnis des Beschuldigten, noch nicht informiert war. Bei dieser Ausgangslage wäre nun aber der Aufwand für eine Wiederholung der Einvernahme kaum gerechtfertigt im Sinn von Art. 147 Abs. 3 Satz 2 StPO, zumal der Beschwerdeführer bzw. die Opfervertreterin anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung Gelegenheit haben wird, Fragen zu stellen, insbesondere auch zur Darstellung des Beschuldigten, die Initiative zu den sexuellen Handlungen sei vom Knaben ausgegangen. Somit ist auch kein Rechtsnachteil für das Opfer ersichtlich, wenn die (weitere) Einvernahme des Beschuldigten mit Teilnahmerecht des Opfers bzw. seiner Vertreterin erst vor dem erstinstanzlichen Gericht stattfindet, womit gemäss Art. 394 lit. b StPO bereits die Beschwerdelegitimation entfällt.


Insoweit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei den Kosten wird zu berücksichtigen sein, dass die Opfervertreterin anlässlich der Beschwerdeerhebung über das Geständnis des Beschuldigten nicht informiert war.

3.

3.1 Der Beschwerdeführer begründet in der Beschwerde seinen Antrag auf Paginierung der Akten durch die Staatsanwaltschaft damit, dass nicht abgeschätzt werden könne, ob ihm im Rahmen der Akteneinsicht ausser der Einvernahme des Beschuldigten vom 22. Januar 2020 noch weitere Schriftstücke nicht zugestellt worden seien.


3.2 Die Staatsanwaltschaft hält dem entgegen, die Verfahrensleitung habe "aufgrund von Art. 100 Abs. 2 StPO die Pflicht, die Akten systematisch abzulegen und ein Aktenverzeichnis zu erstellen, in dem die Aktenstücke fortlaufend erfasst werden. Dieses Aktenverzeichnis dient dazu, einen Überblick über existierende Akten zu erhalten und erlaubt die Kontrolle der Vollständigkeit sowie das rasche Auffinden bestimmter Aktenstücke. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt hat mit der Advokatenkammer Basel-Stadt in den regelmässig stattfindenden Treffen vereinbart, das Aktenverzeichnis werde nur auf Verlangen mit den Akten mitgeliefert. Da die Advokatin bereits mehrere Jahre im Kanton Basel-Stadt tätig ist, ist davon auszugehen, dass ihr diese Vereinbarung bekannt ist. Vorliegend wurde das Aktenverzeichnis nicht verlangt und dementsprechend auch nicht zugestellt. Auf Verlangen wird dies selbstverständlich umgehend zugestellt bzw. liegt jetzt den Akten bei. Der von der beschwerdeführenden Person aufgeführte Bundesgerichtsentscheid (BGer 6B_1095/2019 vom 30. Oktober 2019) behandelt zwar das Paginieren von Akten, ist aber nicht analog auf den vorliegenden Fall anwendbar. Einerseits war dieses Verfahren bereits abgeschlossen und behandelt wurden nur Fragen ausserhalb des eigentlichen Verfahrens, andererseits war der Aktenumfang mit mehr als fünf Bundesordnern (Gesamtgewicht 16 kg) deutlich grösser als vorliegend. Eine Paginierung während des laufenden Verfahrens erschwert bzw. verunmöglicht die Führung des Verfahrens: Aktenstücke oder ganze Faszikel kommen hinzu oder müssen z.B. aufgrund der Einstellung von Teilverfahren aus der Akte entfernt werden. Je nach Ergebnis der weiteren Untersuchungen kann eine Umstellung der Akten erforderlich werden. Auch das Appellationsgericht Basel-Stadt hält im Entscheid BES.2018.3 fest, dass die Paginierung keineswegs zwingend ist, sondern nur eine von mehreren Möglichkeiten (E.3.3). Aufgrund des noch immer laufenden Verfahrens, das zum Zeitpunkt der Beschwerde erst rund eineinhalb Monate andauerte, ist offensichtlich, dass die Akten noch nicht vollständig sein können und daher zu diesem Zeitpunkt nicht zu paginieren sind. Ausserdem sind die Akten zur Zeit auch noch von einem übersichtlichen Umfang: in zwei schmalen Ordnern ist es rasch möglich, einzelne Aktenstücke aufzufinden. Zudem sind auch die einzelnen Dokumente klar voneinander unterscheidbar und mit einer einfachen Kennzeichnung identifizierbar (so z.B. Einvernahme der beschuldigten Person vom 30. Dezember 2019, Seite 2). Vorliegend wird eine systematische Ordnung befolgt und es ist klar ersichtlich, welches Dokument von wem verfasst wurde, zudem wurde ein Aktenverzeichnis (ohne Seitenzahlen) erstellt, welches die Orientierung in den Akten ebenfalls erleichtert. Das Aktenverzeichnis liegt der beschwerdeführenden Person mangels Antrags nicht vor, wäre aber jederzeit zustellbar. Dieses Verzeichnis benennt den betreffenden Ordner sowie die Reihenfolge der Aktenstücke in den Akten, enthält das Datum der Fertigung mit einer Beschreibung des jeweiligen Aktenstückes und stellt somit ein vollständiges und zusammenhängendes Inhaltsverzeichnis dar. Dass dieses ohne Seitenzahlen ist, schränkt die Qualität des Verzeichnisses nicht ein. Auch der Befürchtung der beschwerdeführenden Person, dass weitere Aktenstücke ohne ihr Wissen nicht zur Akteneinsicht zugelassen worden seien, wirkt das Verzeichnis entgegen (BES.2013.1 vom 12. September 2013 E. 4). Dadurch, dass die Vertretung der beschwerdeführenden Person die elektronische Zustellung der Akten wählte, kann auch die elektronische Stichwort-Suchfunktion angewendet werden und führt so zu einem sehr raschen und effizienten Auffinden der gesuchten Aktenstücke bzw. der gesuchten Dokumentenstellen auch ohne eine Paginierung. Nach Abschluss des Verfahrens wird aber selbstverständlich eine vollständige, fortlaufende Paginierung erfolgen. Das Bundesgericht hält fest, dass die kantonal unterschiedliche Aktenführung nicht angegriffen wird, solange das rechtliche Gehör, die Verteidigungsrechte und die Verfahrensfairness gewährleistet erscheinen (BGer 6B_1095/2019 vom 30.10.2019, E. 3.3.2). Wie die Aktenführung im Kanton Basel-Stadt ausgestaltet sein muss, hat das Appellationsgericht im Entscheid BES 2013.1 festgehalten. Die vorliegende Aktenführung gewährleistet dies und ist somit nicht anzufechten."


3.3 Der Beschwerdeführer moniert replicando zunächst, dass angesichts der ihm nunmehr vollständig zur Verfügung stehenden Akten retrospektiv die am 22. Januar 2020 zugestellten Akten nicht vollständig gewesen seien, da namentlich etwa der Bericht Hausdurchsuchung beim Beschuldigten gefehlt habe. Weiter führt der Beschwerdeführer aus: "Aus welchem Grund das (angeblich) erstellte Aktenverzeichnis weder dem Beschwerdeführer noch dem angerufenen Gericht zugestellt wurde, ist nicht ersichtlich. Offenbar hat die Beschwerdegegnerin gar kein Aktenverzeichnis erstellt. Wäre nämlich ein solches erstellt worden, wäre dieses sicherlich vom Gesuch um vollumfängliche Akteneinsicht umfasst gewesen und dem Beschwerdeführer zugestellt worden. Dient doch das Aktenverzeichnis unter anderem gerade dazu, überprüfen zu können, ob die Akten vollständig sind. Ohne Zustellung eines entsprechenden Verzeichnisses ist es einer Partei nicht möglich, beurteilen zu können, ob einem (wie in vorliegendem Fall) unvollständige Akten zugestellt wurden. Insbesondere wenn wie vorliegend die Akten entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung überdies auch noch nicht paginiert sind. Die Aktenablage hat gemäss Art. 100 Abs. 2 StPO systematisch und fortlaufend zu erfolgen. Ein Aktenverzeichnis dient einerseits der Benutzungsfreundlichkeit, d.h. der Ermöglichung eines jederzeitigen raschen und mühelosen Auffindens von Aktenstücken (Brüschweiler, a.a.O., Art.100 StPO N 6; Riklin, StPO-Kommentar, Zürich 2010, Art. 100 StPO N 2), andererseits der Verhinderung von Aktenunterdrückung bzw. der Kontrolle der Vollständigkeit der Akten (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozesses, BBI 2006 1161 Ziff. 2.2.8.9; Schmid, Praxiskommentar Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Auflage, Zürich/St. Gallen 2013, Art. 100 StPO N 6; Schmutz, a.a.O., Art. 100 StPO N 28; Goldschmid/Maurer/Sollberger, Kommentierte Testausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Bern 2008, S. 77). Das Gesetz schreibt somit ausdrücklich die fortlaufende Erfassung der Akten in einem Verzeichnis vor. Eine 'fortlaufende Erfassung in einem Verzeichnis' setzt notgedrungen eine Nummerierung der Akten voraus (BGer 6B_1095/2019 vom 30. Oktober 2019, E.3.3.1). Das Verzeichnis ist dabei bereits zu Beginn der Aktenanlage anzulegen und fortlaufend, d.h. bei jedem neu zu den Akten genommenen Aktenstück, zu ergänzen (BES.2013.1 vom 12. September 2013, E. 4.2). Selbst wenn der Beschwerdegegnerin bei der Wahl des Systems der Aktenablage ein gewisses Ermessen zukommt, hat sie nach dem Gesagten jedenfalls ein System zu wählen, das die gesetzlich fortlaufende Erfassung der Akten in einem Verzeichnis ermöglicht. Die Paginierung der Akten (auf welche Art auch immer) stellt dabei nicht mehr als ein mögliches Hilfsmittel zur Herstellung eines Verzeichnisses dar. Aus dem Umstand, dass eine (definitive) durchgehende Nummerierung erst dann vorgenommen werden kann, wenn die Akten vollständig sind, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass bis zur Überweisung der Akten überhaupt kein Aktenverzeichnis angelegt werden muss (BES.2013.1 vom 12. September 2013, E. 4.2). Es gehört nämlich zu den elementaren Grundsätzen des Strafprozessrechts, dass sämtliche im Rahmen des Verfahrens vorgenommene Erhebungen (objektiv) aktenkundig gemacht werden. Das heisst zugleich, dass Akten in einer geeigneten Weise zu erstellen sind, damit sich die damit befassten Personen ohne weiteres aktenkundig machen können. Das Verzeichnis soll einen raschen Überblick ermöglichen und der unerlässlichen Kontrolle dienen, insbesondere wenn die Akten zur Einsichtnahme ausgehändigt werden. Die Akten haben transparent strukturiert und paginiert aufbereitet zu sein, so dass sie unmittelbar erschliessbar sind (BGer 6B_1095/2019 vom 30. Oktober 2019, E. 3.3.4). Die Beschwerdegegnerin ist den obgenannten Anforderungen klar nicht nachgekommen. Offenbar hat sie die Akten des Verfahrens VT.2019.30504 in gar keiner Weise paginiert respektive in ein Verzeichnis aufgenommen. Dieses Vorgehen entspricht Art.100 Abs. 2 StPO offensichtlich nicht und vermag dem Sinn und Zweck der systematischen Aktenablage nicht zu genügen. Entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin vermag daran auch nichts ändern, dass der Beschwerdeführer die Akten in elektronischer Form bestellt hat und die 'Suchfunktion' des Computers bedienen kann. Es ist in keiner Weise ersichtlich, inwiefern die Suchfunktion eines Computers ein von der Strafbehörde zu erstellendes Aktenverzeichnis zu ersetzen vermag, zumal ein solches die Überprüfung der Vollständigkeit der Akten in keiner Weise ermöglicht. Es erscheint gerade, als ob die Beschwerdegegnerin absichtlich kein Aktenverzeichnis erstellt hat, da sie dem Beschwerdeführer nicht alle Akten zustellen wollte. Es ist somit festzuhalten, dass es im Verfahren VT.2019.30504 an einem gesetzeskonformen Aktenverzeichnis, in dem die einzelnen Aktenstücke fortlaufend erfasst werden, fehlt."


3.4 Der Beschwerdeführer bzw. die Opferanwältin hat offenbar übersehen, dass die von der Staatsanwaltschaft im vorliegenden Beschwerdeverfahren aufgelegten Akten ein Aktenverzeichnis enthalten. Diese Akten mitsamt dem Aktenverzeichnis entsprechen den gesetzlichen Vorgaben (Art. 100 StPO) im Sinne der von den Parteien genannten Praxis des Bundesgerichts und jener des Appellationsgerichts (insbesondere AGE BES.2018.3 vom 15. Oktober 2019, BES.2019.211 vom 17. Dezember 2019): Die Aktenstücke sind systematisch abgelegt, und in den beiden Ordnern innerhalb eines einzelnen Griffs auch chronologisch; das Aktenverzeichnis folgt dieser systematischen und chronologischen Ordnung, und darin ist jedes Aktenstück mit Datum versehen und durch ein Stichwort bezeichnet. Die Akten sind (noch) nicht paginiert, was in diesem Verfahrensstadium aber auch noch nicht erforderlich ist: Die Ermittlungen sind noch im Gange, laufend kommen neue Aktenstücke dazu, und solche sollten auch entfernt werden können, sofern dies der weitere Verlauf der Ermittlungen gebieten sollte. Wie das Appellationsgericht in der genannten Praxis ausführlich dargestellt hat, würden sich bei solcher Dynamik allfällige Seitenzahlen laufend verschieben, was der Praktikabilität zuwiderlaufen würde. Die Kontrollfunktion, welche der Beschwerdeführer ausüben will (hinsichtlich der Vollständigkeit der Akten), lässt sich mit der vorliegenden systematischen Aktenablage und dem vorliegenden Aktenverzeichnis ohne weiteres wahrnehmen. Die Staatsanwaltschaft stellt die Paginierung korrekterweise per Abschluss des Untersuchungsverfahrens in Aussicht. Die Aktenführung, das Aktenverzeichnis und die noch nicht vorhandene, aber in Aussicht gestellte Paginierung sind nicht zu beanstanden. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Paginierung ist daher abzuweisen.


3.5 Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass das Grundanliegen des Beschwerdeführers bzw. der Opferanwältin für den Antrag auf Paginierung bereits in der Beschwerde dahin gegangen ist, die Vollständigkeit der Akten überprüfen zu können. Dem Anliegen wird, wie soeben dargestellt, mit dem Aktenverzeichnis entsprochen. Allein, dieses Aktenverzeichnis hat die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Akteneinsicht der Opfervertreterin, welche die Akten elektronisch verlangt hatte, nicht mitgeliefert. Den Ausführungen der Opfervertreterin ist zu entnehmen, dass sie davon ausgegangen war, ihr Antrag auf "vollumfängliche" Akteneinsicht habe das Aktenverzeichnis mit umfasst, aber nachdem ihr kein solches mitgeliefert worden war, zog sie daraus offenbar den naheliegenden Schluss, dass überhaupt kein Aktenverzeichnis existierte. Um die Vollständigkeit der Akten kontrollieren zu können, hat sie folglich deren Paginierung beantragt. Wäre ihr das Aktenverzeichnis mit dem Datenträger zugestellt worden, hätte sie die Kontrolle anhand dieses Verzeichnisses durchführen können und vermutlich keinen Anlass gehabt, auch noch die Paginierung zu beantragen.


Die Staatsanwaltschaft stellt gemäss ihren Ausführungen das Aktenverzeichnis im Rahmen der Akteneinsicht nur dann zu, wenn es ausdrücklich verlangt wird. Dies entspreche einer Vereinbarung der Staatsanwaltschaft mit der Advokatenkammer Basel-Stadt. Eine solche Vereinbarung braucht sich der Beschwerdeführer jedoch nicht entgegenhalten zu lassen und er ist daran nicht gebunden. Vielmehr stellt das Aktenverzeichnis einen integrierenden Bestandteil der Akten - genauso wie etwa die Paginierung - in dem Sinn dar, als es als Ausfluss der in Art. 100 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen systematischen Aktenablage zu verstehen ist. Ein wie auch immer geartetes Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich des Aktenverzeichnisses ist nicht ersichtlich und macht die Staatsanwaltschaft auch gar nicht geltend. Wie der vorliegende Fall zeigt, wissen längst nicht alle Anwaltspersonen um jene Vereinbarung der Staatsanwaltschaft mit der Advokatenkammer Basel-Stadt. Eingedenk des Umstands, dass laufend junge Advokatspersonen in die Berufspraxis eintreten sowie angesichts der heutzutage geltenden und tatsächlich gelebten Freizügigkeit im Anwaltsberuf - man denke an ausserkantonale Anwaltspersonen - erscheint eine solche bloss einigen Advokaten der hiesigen Berufsorganisation bekannte und nach dem Gesagten auch sachfremde und daher überraschende Regelung, das Verzeichnis zu den Akten nur auf Verlangen mitzuliefern, auch nicht (mehr) haltbar - dies zumindest für Parteien, welche diese Regelung nicht kennen. Vielmehr unterstreicht die Opferanwältin zu Recht, dass sie "vollständige" Akteneinsicht verlangt hat, und selbst wenn sie das Adjektiv "vollständig" weggelassen hätte, wäre davon auszugehen, dass sie damit nicht teilweise, sondern integrale Akteneinsicht anbegehrt hat, einschliesslich des Aktenverzeichnisses (Art. 100 Abs. 2 StPO), welches die Kontrolle der Vollständigkeit der Akten ja erst ermöglicht. Die elektronische Suchfunktion gewährleistet eine solche Kontrolle entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft gerade nicht. Somit ist festzuhalten, dass die der Opferanwältin zugestellten Akten (auch) insoweit unvollständig waren, als die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Akteneinsicht das Aktenverzeichnis nicht mitgeliefert hat. Angesichts der Umstände ist indessen davon abzusehen, dies im nachfolgenden Dispositiv noch eigens zu vermerken.


Die Abgabe des Aktenverzeichnisses im Rahmen der Akteneinsicht ohne ausdrückliches Verlangen der Gesuchstellenden wäre der Staatsanwaltschaft wohl ohne nennenswerten Aufwand möglich, führt sie dieses Verzeichnis doch nach eigenen Angaben ohnehin und hält sie es laufend auf dem neusten Stand. Andererseits könnten damit unnötiges Misstrauen gegenüber der Staatsanwaltschaft und unnötiges Prozessieren vermieden werden, so auch vorliegend: Die Beschwerdeführerin hätte bereits anlässlich der Aktenzustellung und nicht erst im Beschwerdeverfahren vor Appellationsgericht kontrollieren und feststellen können, ob allenfalls Akten (z.B. hinsichtlich Hausdurchsuchung beim Beschuldigten, wie sie etwa retrospektiv und replicando geltend macht) fehlten oder nicht.


4.

Zusammenfassend wurde im vorliegenden Beschwerdeverfahren vollumfänglich Akteneinsicht gewährt und insoweit die Beschwerde implizit und in der Hauptsache gutgeheissen. Da der Beschwerdeführer damit die Akten einsehen konnte und die Sache insoweit erledigt ist, bleibt im Dispositiv bloss noch festzustellen, dass die Staatsanwaltschaft mit der Verfügung vom 22. Januar 2020 die Akteneinsicht des Beschwerdeführers in unzulässiger Weise eingeschränkt hat. Im Übrigen, also hinsichtlich des Antrags auf Wiederholung der Einvernahme des Beschuldigten vom 22.Januar 2020 und hinsichtlich Paginierung, ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.


5.

Hinsichtlich der Kosten ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerde in der Hauptsache, also betreffend Akteneinsicht, gutzuheissen ist. Aber auch soweit die Beschwerde in den Nebenpunkten abzuweisen ist, bot die Staatsanwaltschaft Anlass dafür: Der Beschwerdeführer hätte kaum die Wiederholung der Einvernahme des Beschuldigten vom 22. Januar 2020 beantragt, wenn die Staatsanwaltschaft der Opfervertreterin korrekterweise Einsicht in das entsprechende Einvernahmeprotokoll vom 22.Januar 2020 (mit dem Geständnis) gewährt hätte bzw. wenn die Staatsanwaltschaft sie seinerzeit über die bevorstehende Einvernahme ins Bild gesetzt und ihr die Teilnahme daran zugestanden hätte. Ebenso hätte wohl für die Opferanwältin kein Grund bestanden, die Paginierung zu beantragen, hätte ihr die Staatsanwaltschaft korrekterweise bereits im Rahmen der Akteneinsicht auch das Aktenverzeichnis zugestellt. Der Aufwand für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist folglich von der Staatsanwaltschaft zu vertreten. Somit hat die Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführer angemessen zu entschädigen. Die Kostennote der Opferanwältin erscheint angemessen.


Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):


://: In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft mit ihrer Verfügung vom 22. Januar 2020 die Akteneinsicht des Beschwerdeführers in unzulässiger Weise eingeschränkt hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.


Es werden keine Kosten erhoben.


Die Staatsanwaltschaft hat den Beschwerdeführer mit CHF 1'683.60 (einschliesslich Auslagen) zzgl. 7,7 % MWST zu CHF 129.65, somit total CHF1'813.25 zu entschädigen.


Mitteilung an:

- Beschwerdeführer

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt

- Beschuldigter


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Der Präsident Der Gerichtsschreiber

lic. iur. Christian Hoenen Dr. Peter Bucher

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.



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