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Urteil Appellationsgericht (BS - BES.2020.116 (AG.2021.134))

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BES.2020.116 (AG.2021.134)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BES.2020.116 (AG.2021.134) vom 26.10.2020 (BS)
Datum:26.10.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl
Zusammenfassung:Der Beschwerdeführer A____ wurde wegen Exhibitionismus kontrolliert und sein iPhone vorläufig von der Staatsanwaltschaft sichergestellt. Es wurde ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl erlassen, gegen den A____ Beschwerde einreichte mit dem Antrag auf Aufhebung. Es wurde diskutiert, ob A____ legitimiert ist, Beschwerde zu erheben. Das Gericht entschied, dass der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl nicht gesetzwidrig war und trat nicht auf die Beschwerde ein. A____ muss die Verfahrenskosten von CHF 600 tragen.
Schlagwörter: Beschlagnahme; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Durchsuchung; Durchsuchungs; Beschlagnahmebefehl; Siegelung; Recht; Phone; Basel; Beschwerdeführers; Basel-Stadt; Einvernahme; Detektiv-Wachtmeister; Entscheid; Rechtsmittel; Entsiegelung; Verteidigerin; Verzeichnis; Verfahren; Appellationsgericht; Verfügung; Interesse; Feststellung; «Verzeichnis; Verfahrens
Rechtsnorm: Art. 246 StPO ; Art. 263 StPO ; Art. 264 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 428 StPO ; Art. 48 BGG ;
Referenz BGE:144 IV 74;
Kommentar:
Donatsch, Lieber, Wohlers, Kommentar zur StPO, Art. 382 StPO, 2020
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht



BES.2020.116


ENTSCHEID


vom 26. Oktober 2020



Mitwirkende


lic. iur. Liselotte Henz

und Gerichtsschreiberin lic. iur. Saskia Schärer




Beteiligte


A____, geb. [...] Beschwerdeführer

[ ] Beschuldigter

vertreten durch [...], Advokat,

substituiert durch [...]


gegen

Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin

Binningerstrasse 21, 4001 Basel



Gegenstand


Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft

vom 2. Juni 2020


betreffend Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl


Sachverhalt


Am 23. Mai 2020 wurde A____ durch die Kantonspolizei Basel-Stadt wegen des Verdachts auf Exhibitionismus kontrolliert. In der Folge wurde sein iPhone zu Handen der Staatsanwaltschaft vorläufig sichergestellt. Am 2. Juni 2020 fand in Anwesenheit seiner Verteidigerin [...] (als Substitutin von [...]) eine polizeiliche Einvernahme von A____ statt, anlässlich derer Detektiv-Wachtmeister [...] den ebenfalls am 2. Juni2020 ausgestellten, das iPhone betreffenden Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl von Staatsanwalt [...] eröffnete. Noch in der Einvernahme verlangte die Verteidigerin die Siegelung des Handys; diesem Ersuchen wurde stattgegeben. Auf Aufforderung des Staatsanwaltes hin begründete die Verteidigerin mit Schreiben vom 12. Juni2020 dieses Gesuch. Gleichentags reichte sie im Namen von A____ die vorliegende Beschwerde gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl vom 2.Juni2020 ein mit dem Antrag, die Verfügung/Verfahrenshandlung der Staatsanwaltschaft vom 2. Juni 2020 sei vollumfänglich aufzuheben und der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl sei für unzulässig respektive für bundesrechtswidrig zu erklären. Dies unter o/e Kostenfolge zu Lasten des Staates, wobei dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen sei. Die Staatsanwaltschaft schliesst auf kostenfälliges Nichteintreten auf die Beschwerde, eventualiter auf deren Abweisung, wozu sich der Beschwerdeführer in seiner Replik geäussert hat. Die Einzelheiten der Parteistandpunkte und des Sachverhalts ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen


1.

1.1 Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft kann gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 lit. b der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) Beschwerde erhoben werden. Zuständiges Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht Basel-Stadt als Einzelgericht (§ 88 Abs. 1 i.V.m. §93 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]). Die Kognition des Appellationsgerichts ist frei und nicht auf Willkür beschränkt (Art.393 Abs. 2 StPO).


1.2

1.2.1 Fraglich ist hingegen, ob der Beschwerdeführer zur Beschwerdeerhebung legitimiert ist. Gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung eines Entscheides hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Die Beschwerdelegitimation nach Art. 382 Abs. 1 StPO verlangt eine unmittelbare persönliche Betroffenheit der rechtsuchenden Partei in den eigenen rechtlich geschützten Interessen (BGer 1B_242/2015 vom 22. Oktober 2015 E. 4.3.1). Ziel des Rechtsmittels ist es, anstelle des für den betroffenen nachteiligen einen für ihn günstigeren Entscheid zu erlangen (Schmid/Jositsch, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Auflage, Zürich/St. Gallen 2017, Rz. 1458). An der blossen Feststellung eines Verfahrensverstosses besteht grundsätzlich kein rechtlich geschütztes Interesse. Ein entsprechender Antrag kann jedoch gegebenenfalls als Rüge einer formellen Rechtsverweigerung entgegengenommen werden (Lieber, in: Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], Kommentar zur StPO, 3. Auflage 2020, Art. 382 N 13d).

1.2.2 Die Vertreterin des Beschwerdeführers weist darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft am 2. Juni 2020 einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl erlassen habe. Da die Siegelung beantragt worden und folglich ein Entsiegelungsverfahren hängig sei, entfalte dieser aber keine Gültigkeit. Denn vor dem Entscheid über die Zulässigkeit der Durchsuchung durch das Zwangsmassnahmengericht könne lediglich eine vorläufige Sicherstellung erfolgen. Bis zur Entsiegelung könne keine förmliche Beschlagnahme vorgenommen werden. Der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl sei folglich systemwidrig und bundesrechtswidrig.


1.2.3 Es ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: Am 23. Mai 2020 kontrollierte die Kantonspolizei Basel-Stadt den Beschwerdeführer wegen des Verdachts auf Exhibitionismus und stellte dessen iPhone zu Handen der Staatsanwaltschaft vorläufig sicher. Mit Schreiben vom 26. Mai 2020 wurde der Beschwerdeführer durch Detektiv-Wachtmeister [...] schriftlich zu einer Einvernahme auf den 2. Juni 2020, 13.30Uhr, vorgeladen. Vor Beginn dieser Einvernahme erliess Staatsanwalt [...] am 2. Juni 2020 einen «Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl». Anlässlich der Einvernahme vom gleichen Tag eröffnete Detektiv-Wachtmeister [...] dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine diesbezüglichen Rechte, dass die Staatsanwaltschaft sein iPhone beschlagnahmt habe. Unmittelbar danach verlangte die Verteidigerin die vorsorgliche Siegelung des Mobiltelefons, was sowohl im Protokoll der Einvernahme als auch im «Verzeichnis beschlagnahmter Daten und Datenträger» vermerkt wurde. Mit Schreiben vom 16. Juni 2020 reichte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht ein Gesuch um Entsiegelung und Durchsuchung ein, worüber dieses mit Verfügung vom 26. Juni 2020 entschied. Da das Entsiegelungsverfahren dem Beschwerdeverfahren vorgeht, bleibt vorliegend grundsätzlich kein Raum für eine Beschwerde (vgl. BGE 144 IV 74 E. 2.3 S. 78; AGE BES.2019.179 vom 26.Februar 2020 mit weiteren Hinweisen).


1.2.4 Dies verkennt auch die Vertreterin des Beschwerdeführers nicht. Mit ihrer Beschwerde möchte sie jedoch indirekt die Feststellung erreichen, dass das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, bereits vor der Entsiegelung einen Beschlagnahme- und Durchsuchungsbefehl auszustellen, bundesrechtswidrig erfolgt sei. Eine solche Feststellung könnte bei gleichzeitiger Annahme, dass die geübte Praxis der Staatsanwaltschaft einer Rechtsverweigerung gleichkommt, zur Bejahung der Legitimation zur Beschwerdeerhebung führen, zumindest aber Einfluss auf den Kostenentscheid der vorliegenden Beschwerde haben (vgl. dazu AGEBES.2020.138 vom 15. September 2020, E. 3.1). Nachfolgend ist deshalb näher auf die Frage einzugehen, welche Bedeutung dem «Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl» vom 2. Juni 2020 zukommt. Laut dessen Text hat Staatsanwalt [...] Detektiv-Wachtmeister [...] den Auftrag erteilt, (1) Pos.1001» gemäss Art. 263 StPO zu beschlagnahmen und (2) Pos. 1001 gemäss Art. 246 StPO zu durchsuchen. Bei Pos. 1001 handelt es sich um das am 23. Mai 2020 durch die Polizei vorläufig sichergestellte iPhone des Beschwerdeführers, wie sich aus dem «Verzeichnis beschlagnahmter Gegenstände und Vermögenswerte» ergibt. Ob der Staatsanwalt mit seinem Befehl die Beschlagnahme als solche (wie es sich aus dem Befehl ergibt) nur deren Eröffnung an den Detektiv-Wachtmeister (wovon letzterer auszugehen scheint, wenn er in der Befragung des Beschwerdeführers erklärt: «Nehmen Sie zur Kenntnis, dass dieses Mobiltelefon von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden ist») delegiert hat, kann offenbleiben, weil es letztlich auf dasselbe Resultat hinausläuft. Art. 264 Abs. 3 StPO lautet: «Macht eine berechtigte Person geltend, eine Beschlagnahme von Gegenständen und Vermögenswerten sei wegen eines Aussage- Zeugnisverweigerungsrechts aus anderen Gründen nicht zulässig, so gehen die Strafbehörden nach den Vorschriften über die Siegelung vor». Demgemäss findet sich auf dem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl unter anderem folgende Rechtsbelehrung: «Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach glaubhaft begründeten Angaben der Inhaberin des Inhabers wegen eines Aussage- Zeugnisverweigerungsrechts aus anderen Gründen nicht durchsucht beschlagnahmt werden dürfen, sind auf Verlangen der betroffenen Person zu versiegeln und dürfen von den Strafbehörden weder eingesehen noch verwendet werden». Der Beschlagnahme- und Durchsuchungsbefehl steht somit unter dem Vorbehalt, dass keine Siegelung verlangt wird. Es ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft regelmässig gleichzeitig über die weitere Verwendung mehrerer vorläufig sichergestellter (und in einem einzigen Verzeichnis aufgelisteter) Gegenstände, die überdies nicht zwingend alle siegelungsfähig sind, zu entscheiden hat. Ferner verlangt auch nicht jede an einem sichergestellten Gegenstand berechtigte Person automatisch die Siegelung, wenn die Staatsanwaltschaft eine Beschlagnahme ankündigt. Hätte der Beschwerdeführer von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht, so hätte der Beschlagnahme- und Durchsuchungsbefehl vom 2. Juni 2020 seine volle Wirksamkeit entfalten können mit der Folge, dass das iPhone formell beschlagnahmt gewesen wäre. Da er jedoch dessen Siegelung beantragt hat, ist die beabsichtigte Beschlagnahme nicht erfolgt. Daran ändert auch nichts, dass das Formular, in dem das iPhone vermerkt worden ist, den Titel «Verzeichnis beschlagnahmter Gegenstände und Vermögenswerte« trägt. Denn in diesem Formular ist eine der vorhandenen Spalten mit «Siegelung» überschrieben. Wird darin der Wunsch nach Siegelung protokolliert, wie das im vorliegenden Fall gemacht worden ist, steht fest, dass die Ermittlungsbehörde beabsichtigt, in Nachachtung von Art. 264 Abs. 3 StPO nach den Vorschriften über die Siegelung vorzugehen, womit die angekündigte (oder, nach Meinung von Detektiv-Wachtmeister [...] bereits vorgenommene) Beschlagnahme hinfällig wird. Die Vertreterin des Beschwerdeführers konnte auch keine Zweifel an dieser Absicht haben, zumal Staatsanwalt [...] sie bereits mit Schreiben vom 3. Juni2020 aufgefordert hatte, die Siegelung zu begründen, ansonsten er den Entsiegelungsantrag an das Zwangsmassnahmengericht stellen werde, ohne auf ihre Argumente eingehen zu können. Dieser Aufforderung kam die Verteidigerin mit Schreiben vom 12. Juni2020, wohlgemerkt dem gleichen Tag, an dem sie ihre Beschwerde einreichte, nach. Der Beschwerdeführer kann seinen Standpunkt auch nicht mit dem durch ihn zitierten Bundesgerichtsentscheid 1B_65/2014 vom 22. August 2014 stützen. Die Gegenstand bildende Beschlagnahmeverfügung jenes Entscheids war in Kombination mit einem Hausdurchsuchungsbefehl erlassen worden und bezog sich auf unbestimmte, allfällig aufzufindende Gegenstände. Im Zeitpunkt der Ausstellung des Beschlagnahmebefehls war noch nicht bekannt, ob überhaupt Gegenstände von Interesse gefunden würden, und somit auch noch nicht, mit welcher Begründung die Beschlagnahme anzuordnen wäre. Vorliegend bezieht sich der angefochtene Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl hingegen auf das durch die Polizei zehn Tage zuvor vorläufig sichergestellte iPhone des Beschwerdeführers. Die Ausgangslage der beiden Verfahren ist in keiner Weise vergleichbar. Nach dem Gesagten erweist sich der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl vom 2. Juni2020 entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers nicht als gesetzwidrig, weshalb auch keine entsprechende Feststellung erfolgen kann. Um in Zukunft unnötige Diskussionen der vorliegenden Art vermeiden zu können, wird der Staatsanwaltschaft geraten, ihr Formular beispielsweise in «Verzeichnis vorläufig sichergestellter und beschlagnahmter Gegenstände» umzubenennen und ausdrücklich festzustellen, dass mit der Entgegennahme des Siegelungsgesuchs die beabsichtigte Beschlagnahme hinfällig wird.


2.

Gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens, wobei auch die Partei als unterliegend gilt, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird. Demgemäss hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens mit einer Gebühr von CHF 600.- zu tragen und steht ihm auch keine Parteientschädigung zu.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):


://: Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.


Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit einer Gebühr von CHF 600.-.


Mitteilung an:

- Beschwerdeführer

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

lic. iur. Liselotte Henz lic. iur. Saskia Schärer

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.



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